Das Wissen über die Erkrankungen der Schilddrüse bei Hund und Katze gehört bei den meisten Praktikern mit Schwerpunkt Kleintiere zum Standard. Inzwischen werden Fehlfunktionen der Schilddrüse oder des Jodstoffwechsels auch bei kleinen Heimtieren aber auch Pferden immer häufiger als Grundursache verschiedener Symptomenkomplexe untersucht und diagnostiziert. Häufig schon Teil der Routinediagnostik bei älteren Hunden und Katzen ist die Interpretation der Laborbefunde in einigen Fällen schwierig und kann bei den seltener auf Schilddrüsenerkrankungen untersuchten kleinen Heimtieren und Pferden zu echten Problemen führen.
Klassisch sind klinisch manifeste Erkrankungen der Schilddrüse bei Hund, Katze aber auch den meisten Heimtieren Erkrankungen mittelalter und älterer Patienten und somit häufig Patienten mit einer Krankengeschichte. Diese Krankengeschichte ist es, die die Diagnose erschwert, da die Sekretion der Schilddrüsenhormone von anderen Grunderkrankungen stark beeinflusst werden kann.
Eine neuere Variante stellt die alimentär bedingte Hyperthyreose bei Hund und Katze dar, die auch vermehrt bei jungen Tieren beobachtet werden kann. Die Gabe von rohem Fleisch wie es z.B. beim Barfen verwendet wird, führt auch zur Verfütterung von Schlund. Da nicht immer darauf geachtet wird, dass die Schilddrüsen entfernt werden (auch bei den kommerziellen Anbietern nicht) und einige Fütterungsprotokolle in der täglichen Ration Schlund enthalten, kann dies zur “Hyperthyreose” mit gleichzeitig niedrigen TSHKonzentrationen und folgender Schilddrüsenatrophie führen.
Anders ist das Pferd einzustufen, bei denen Probleme der Schilddrüsenfunktion häufig ursächlich in der Jodversorgung zu suchen sind und diese auch schon bei jungen Tieren und Fohlen oder sogar intrauterin auftreten können. Es sind mehrere Wege, die zur Verdachtsdiagnose Schilddrüsenfehlfunktion führen:
- die klinische Symptomatik der Hyper- und Hypothyreose
- ein Laborbefund, der im Rahmen einer Screening-Untersuchung erstellt wurden
- Untersuchungen bei Hunden bestimmter Rassen zur Zuchtzulassung
Bei der klinischen Verdachtsdiagnose einer Schilddrüsenfehlfunktion werden Hormonkonzentrationen zur Diagnosesicherung gemessen. Dabei unterscheidet sich das Ranking der Parameter erster Wahl von Tierart zu Tierart, ist zudem vom klinischen Allgemeinzustand, vom Alter und dem Auftreten von Begleiterkrankungen abhängig.
Gesamt T4
wird zumeist als Parameter erster Wahl zur Diagnostik der Schilddrüsenfehlfunktion eingesetzt. TT4 (=T4 gesamt) ist das proteingebundene T4 und stellt den zirkulierenden Reservepool dar. Erst die Bindung an Transportproteine ermöglicht die Verteilung der lipophilen und wasserunlöslichen Thyroxinmoleküle. Tierartlich unterschiedlich bindet T4 bei Hund, Katze und Kaninchen ausschließlich an Präalbumin und Albumin anders beim Pferd und Wiederkäuer, bei denen T4 zusätzlich an Thyroxin bindendes Globulin (TBG) gebunden transportiert wird. Bei Thyroxin-bindenden Globulinen handelt es sich um spezifische Bindungsglobuline, die in der Leber synthetisiert werden. Ähnlich dem Albumin wird auch die Synthese und die Verstoffwechselung von diversen Erkrankungen beeinflusst. Allerdings steigt die TBG-Konzentration bei akuten Lebererkrankungen aufgrund vermehrter Sialisierung und verminderter Clearance an. Aufgrund der unterschiedlichen – auch Spezies spezifischen – Halbwertszeit der Transportproteine unterscheidet sich auch die Halbwertszeit im zirkulierenden Blut von TT4 und TT3. So wird die HWZ von TT4-Albumin mit 16 h angegeben und von TT4-TGB mit 7 Tagen. Die Albuminbindung ist die phylogenetisch ältere; die Bindung an TGB bietet den Vorteil der höheren Speicherkapazität, die v.a. bei Pflanzenfressern von größerer Bedeutung zu sein scheint. Die meisten Fleischfresser können über die Nahrung ausreichend Jod aufnehmen.
Schwierig wird die Interpretation bei Erkrankungen, die Proteinsynthese und -stoffwechsel beeinflussen. Hypalbuminämien in Folge von Proteinverlusten, verminderter Synthese (z.B. bei < 25 % Leberfunktion, Entzündung) vermehrtem Verlust (Enteropathien, Nephropathien), Umverteilung in den Extravasalraum (Vasculitis) sowie Hyperalbuminämien (selten bei Dehydratation oder Morbus Cushing) können zu gemessenen TT4-Konzentrationen führen, die der tatsächlichen Schilddrüsenleistung nicht entsprechen.
TT4 ist etwas unabhängiger von der Probenqualität (Lipämie und Hämolyse kann zu Problemen bei der Bestimmung der freien Hormone führen) als fT4.
Verschiedene Medikamente können die Bindung an die Transportproteine verändern und die Messergebnisse fraglich werden lassen v.a. Barbiturate, Salicylate und Penicillin verdrängen Thyroxine aus der Albuminbindung und die Bindung an TBG wird von Salicylaten, Heparin, Diazepam, Sulfonylharnstoffen, Phenylbutazon und Diphenylhydantoin kompetitiv gehemmt
Tierartspezifisches:
Kaninchen und ev. auch Meerschweinchen haben aufgrund einer kaum vorhandenen TBG-Konzentration eine sehr kurze HWZ von TT4 und TT3. Es hat sich gezeigt dass fT4 die Schilddrüsensituation v.a. bei Hyperthyreose eindeutiger widerspiegelt.
Vögel haben sehr niedrige Schilddrüsenhormonkonzentrationen. Die Messung ist problematisch, da viele Testsysteme so geringe Konzentrationen nicht erfassen. Auch hier kann die Bestimmung der fT4-Konzentration hilfreich sein.
Fazit: TT4 ist nur im geringen Maße von der aktuellen Stoffwechsellage abhängig und spiegelt so zum einen die Schilddrüsenleistung über einen längeren Zeitraum wider zum anderen aber auch das euthyreot sick syndrom.
TT4 ist sehr gut geeignet bei Patienten, bei denen kein Hinweis auf Veränderungen im Proteinstoffwechsel vorliegt z.B. reine Hautpatienten mit Verdacht auf Endokrinopathie nach Ausschluss eines Cushings und bei denen die vorangegangene Medikation genau überprüft wurde.
TSH
Die Bestimmung der TSH-Konzentration ist im Humanbereich Parameter erster Wahl. Bei den Tierspezies ist TSH bisher allerdings nur bei Hund und Katze mittels validierter Testsysteme bestimmbar. Bei Patienten mit Hyperthyreose-Verdacht – vor allem demnach Katzen – ist es ein Parameter erster Wahl und kann bei entsprechender Symptomatik die Bestimmung der TT4-Konzentration sinnvoll ergänzen oder sogar ersetzen und folglich bei zusätzlichen Veränderungen im Proteinhaushalt die Diagnose sichern.
Die Messung der TSH-Konzentration im Serum ist auch beim Hund häufig Parameter erster Wahl. Einschränkend ist, dass mit zunehmender Krankheitsdauer TSH-Konzentrationen innerhalb des Referenzbereiches gemessen werden. Durch neuere Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die cTSH-Konzentration bei 13 bis 40 % der hypothyreoten Hunde innerhalb des Referenzbereiches liegt. Gründe für die niedrigen Messergebnisse können eine Erschöpfung der Hypophyse bei langbestehender Hypothyreose sein oder in Krankheitsverlauf steigt durch beschleunigte Ausschüttung der Anteil von TSH-Isomeren, die vom Testsystem nicht erkannt werden. Anders als in der humanen Diagnostik ist die Bestimmung der TSH-Konzentration alleine beim Hund nur im positiven Falle aussagekräftig. Eine alleinige Bestimmung dieses Parameters wird nicht empfohlen. Die TSH-Konzentration verändert sich schon bei klinisch latenten Funktionsstörungen, bei denen die Messergebnisse der Schilddrüsenhormone noch innerhalb des Referenzbereiches liegen, aber das Sekretionsmuster nicht mit dem Bedarf korreliert. Es gibt wenig pathophysiologische Situationen in denen erhöhte TSH-Konzentrationen nicht direkt die Schilddrüsensituation widerspiegeln. TSH ist z.B. zeitweise erhöht in der Regenerationsphase nach einer Erkrankung oder in der Trächtigkeit.
Beachte: Zahlreiche Medikamente können hypophysär die TSH-Sekretion hemmen z.B.: Glucocorticoide, Dopaminagonisten, Dopamin, Somatostatin. Zur Erhöhung des basalen und stimulierten TSH kann es durch Metoclopramid und Domperidon als potente Stimulatoren der TSH-Sekretion (starker Effekt) und durch Chlorpromazin (geringerer Effekt) kommen.
Fazit: TSH stellt bei der Katze auf jeden Fall einen Parameter erster Wahl dar. Beim Hund ist TSH nicht als Einzelparameter geeignet und nur im positiven Falle beweisend. TSH gehört dennoch mit zur Einstiegsdiagnostik und ist vor allem in der Therapiekontrolle ein Parameter erster Wahl.
Freies T4 (fT4)
Freie Schilddrüsenhormone zirkulieren im Blut in nur sehr geringen Konzentrationen (fT4 0,1-0,3% des Gesamt-T4). Aufgrund des lipophilen Charakters der freien Schilddrüsenhormone spielt der Transport über das Blut keine entscheidende Rolle.
Nur ungebundene Schilddrüsenhormone können in den Zielzellen die hormonelle Wirkung entfalten (free-hormone-hypothesis), so dass der Körper versucht die Konzentration vor der Zelle möglichst lange in ausreichenden Konzentrationen aufrecht zu halten und der Stoffwechsellage anzupassen. (Reaktion z.B. auf Kälteexposition). fT4 wird über die Galle ausgeschieden und zum Teil über den enterohepatischen Kreislauf tierartlich in unterschiedlichen Anteilen (Hund nur 20% andere Tierarten > 80%) rückresorbiert, so dass auch Enteropathien direkten Einfluss auf den Thyroxinhaushalt haben können. Die Aufnahme in die Zielzelle kann u.a. von nichtsteroidalen Antiphlogistika negativ beeinflusst werden. vorliegen. Bei längerer Gabe können fT4 und T4 im oberen Grenzbereich liegen und gleichzeitig TSH erhöht sein, ohne dass ein hypophysäres oder thyroidales Problem vorliegt.
Fazit: fT4 ist ein Parameter, der unabhängig von Proteinsynthese und -metabolismus ist und stellt somit den Parameter erster Wahl bei Patienten mit der Differenzierung zu Euthyreot Sick Syndrom (Patienten mit anderer Grunderkrankung, aufgrund derer die TT4 und TSHKonzentrationen verändert sind).
Einige Worte zur Bestimmung: Es stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Lange wurde die Messung mit einer speziellen Probenaufarbeitung – equilibrium Dialyse (einem Verfahren aus den 1960ger Jahren) – propagiert. Dies war lange Zeit die einzige Möglichkeit die extrem geringen Konzentrationen ohne Beeinflussung durch TT4 exakt zu bestimmen. Aufgrund der hochmodernen Techniken unter Verwendung von hochspezifischen monoklonalen Antikörpern ist es nach Bestätigung durch neuere Veröffentlichungen möglich die fT4 Konzentration zuverlässig zu bestimmen ohne den aufwändigen Schritt der Dialyse.
Thyreoglobulin Antikörper
(TgAk; Bestimmung ist nur beim Hund möglich)
Die Bestimmung der Thyreoglobulin Ak ist nicht Parameter erster Wahl zur Diagnose von Schilddrüsenfehlfunktionen, da die Konzentrationen keine Aussage über die aktuelle Schilddrüsenfunktion und auch keine Prognose bezüglich einer Hypothyreose erlauben.
Der Nachweis von TgAk stellt schon die Grundursache für eine sich später evtl. entwickelnde Hypothyreose dar. TgAK werden bei der autoimmun bedingten chronisch lymphozytären Thyreoiditis nachgewiesen. Im Verlauf dieser Erkrankung, die über mehrere Jahre andauern kann, kommt es zu einer fortschreitenden Zerstörung der Schilddrüsen Follikel. Es ist allerdings erst mit klinischen Symptomen zu rechnen, wenn nur noch 25 % funktionales Gewebe vorhanden ist. Zu diesem Zeitpunkt ist die TgAk Konzentration häufig schon wieder in einem unauffälligen Bereich. In vielen Fällen sind gleichzeitig zu TgAk auch Autoantikörper gegen T3, seltener gegen T4 nachweisbar.
Fazit: Die Bestimmung der TgAk Konzentration ist bei Patienten sinnvoll, die sehr jung klinisch auffällig werden und bei Patienten die aus zuchthygienischen Gründen auf Autoimmun Thyreoiditis untersucht werden (genetische Komponente vermutet).
Gesamt-T3 (TT3)
Der zirkulierende TT3 Pool wird v.a. durch Dejodierung von fT4. in der Leber und Niere gestellt, nur ein geringer Teil wird von der Schilddrüse direkt sezerniert (Verhältnis 4:1 beim Menschen). Bei sinkender Schilddrüsenfunktion oder einem Joddefizit wird kompensatorisch vermehrt T3 synthetisiert und das Verhältnis T4 zu T3 verändert sich zu Gunsten von T3. Bei funktionellen Störungen von Leber oder Niere kann es kurzfristig zur Verminderung der zirkulierenden T3-Konzentration bei T4-Konzentrationen im Referenzbereich kommen. Die Schilddrüse reagiert mit vermehrter T3 Synthese und – Sekretion. Gleiches gilt bei einem bestehenden Jod- und Selenmangel. Selen ist elementarer Bestandteil der Deiodinasen in der Peripherie, auch hier reagiert die Schilddrüse mit einer Verminderung der T4 und Erhöhung der T3 Synthese.
Die Plasma-Halbwertszeit wird bei ausschließlicher Bindung an Albumin mit 5 bis 6 Stunden (beim Mensch mit sowohl TBG und Albumin Bindung auf 24 bis 36 Stunden) angegeben und ist somit deutlich kürzer als von TT4 und reagiert dadurch wesentlich schneller auf Veränderungen im Proteinhaushalt als TT4.
Fazit: Da der Körper in kritischen Situationen die T3 – Synthese forciert, ist T3 zur Diagnose der Hypothyreose nicht Parameter erster Wahl. Auch die Hyperthyreose kann in der Frühphase durch eine Reduktion der Dejodierung verspätet erkannt werden, wenn nur TT3 bestimmt wird.
fT3
Die Bestimmung der fT3 Konzentration spiegelt nicht die Funktionalität der Schilddrüse wider, da T3 nur an Transportproteine gebunden in relevanten Mengen zirkuliert. fT4 wird in der Peripherie je nach Bedarf zu fT3 und rfT3 (einer inaktiven Isoform des fT3, die über weitere Schritte abgebaut wird) dejodiert. Über die Dejodierung zu rfT3 werden erhöhte fT4-Konzentrationen inaktiviert ohne Einfluss auf den Stoffwechsel zu nehmen.
Jod und Selen
Die Jod und Selenversorgung wird bei Fleischfressern als grundsätzlich ausreichend eingestuft. Bei vielen Omnivoren und vor allem bei Herbivoren wie dem Pferd spielt die Überund Unterversorgung mit diesen beiden Spurenelementen eine zentrale Rolle bei den Schilddrüsenhormon-assoziierten Erkrankungen. Jod ist Baustein der Schilddrüsenhormone und Selen fungiert in Form von Selenocystein als zentrales Element der Deiodinasen. Pflanzenfresser wirken mit speziellen Mechanismen den schwankenden und häufig niedrigen Konzentrationen der natürlichen Nahrung entgegen. Zu diesen gehören u.a. Bindung an TBG, ausgeprägte Resorption des mit der Nahrung aufgenommenen Jod und Selens und Rückresorption; der über die Galle ausgeschiedenen Jodverbindungen im Darm (bis zu 80 % beim Herbi- und Omnivoren).
Bei reiner hofeigener Fütterung kann es trotzdem in vielen Gegenden zu einer Mangelversorgung kommen und damit zu einer alimentär bedingten Hypothyreose. Da dies vielen Pferdebesitzern bekannt ist und durch die Futtermittelindustrie darauf hingewiesen wird, mehren sich eher die Fälle einer Überversorgung z.B. einer Jodtoxikose, da diese Tiere kaum Mechanismen einer forcierten Ausscheidung besitzen.
07 / 2011