Da die Leber an vielen Körperfunktionen beteiligt ist, sind Lebererkrankungen mit einer Vielzahl von klinischen Symptomen und auch diversen Laborwertveränderungen verbunden.
Klinische Symptomatik
Die frühen klinischen Symptome sind meist unspezifisch, wie wechselnder Appetit, Gewichtsverlust, Polyurie und Polydipsie, gelegentlicher Vomitus oder Durchfall und Lethargie. Da die Leber über eine enorme Reservekapazität verfügt, treten spezifischere Symptome wie Ikterus, hepatische Enzephalopathie, Blutungen oder Aszites erst spät im Krankheitsverlauf auf. Diese Symptome entstehen aufgrund einer Einschränkung der Leberfunktion.
Labordiagnostik
Wie die klinische Symptomatik sind auch die Veränderungen von Laborwerten im Zuge von Hepatopathien häufig unspezifisch, trotzdem werden Leberkrankheiten sehr oft bei Routineblutuntersuchungen entdeckt.
Es ist besonders wichtig, zwischen der Enzymdiagnostik und Funktionsdiagnostik zu unterscheiden.
Aktivitätserhöhungen von „Leberenzymen“ werden entweder durch Leberzellschäden (ALT, AST, GLDH) oder Enzyminduktion (AP, GGT) aufgrund einer Cholestase oder durch Medikamente verursacht. Es gibt auch eine Reihe extrahepatischer Ursachen für Anstiege der Enzymaktivitäten. Enzymerhöhungen geben allerdings keine Auskunft über den Grad der Leberschädigung bzw. die Leberfunktion.
Zur Funktionsdiagnostik werden die Konzentrationen von Substanzen gemessen, die in der Leber synthetisiert, metabolisiert und/oder über die Leber/Galle ausgeschieden werden (Bilirubin, Gallensäuren, Albumin, Gerinnungsfaktoren, Harnstoff, Glukose).
Enzymdiagnostik bei der Katze
Die ALT (Alanin-Amino-Transferase) ist ein leberspezifisches Enzym. Eine Erhöhung der Aktivität kann bei jeglicher Art von Leberschädigung auftreten, aber auch im Zuge extrahepatischer Prozesse. Nach Einsetzen einer akuten Leberschädigung kann die Aktivität innerhalb weniger Stunden auf ein 100faches Ansteigen, nach Abklingen des Insultes sinkt die Aktivität innerhalb von 1 bis 3 Wochen wieder in den Referenzbereich.
Die AST (Aspartat-Amino-Transferase) ist weniger leberspezifisch als die ALT, da ihre Aktivität auch in den Skelettmuskelzellen und Erythrozyten hoch ist. Zu Erhöhungen kommt es demnach bei Leberzellschädigungen, Muskelschäden oder durch Hämolyse.
Nach akuten Insulten steigt die AST langsamer und in geringerem Ausmaß als die ALT. Da sie eine kürzere Halbwertszeit aufweist, bei der Katze 77 Minuten, sinkt sie nach Sistieren der Noxe schneller in den Referenzbereich als die ALT. Eine persistierende Erhöhung der Plasmaaktivität indiziert eine schlechte Prognose.
Die GLDH (Glutamat-Dehydrogenase) liegt in den Mitochondrien der Leberzellen vor, die in besonders großer Anzahl in den Zellen um die Zentralvene vorkommen. Diese perivenösen Bereiche des Leberläppchens werden als Erste durch hypoxische und metabolische Noxen, sowie durch cholestatische Prozesse geschädigt. Eine selektive Erhöhung der GLDH-Aktivität kann daher auf einen Stauungsprozess hinweisen. (Tab. 1)
Ein Anstieg der AP (alkalische Phosphatase) ist bei Katzen anders zu interpretieren als beim Hund. Katzen weisen wenig hepatozelluläre AP auf, die außerdem eine sehr kurze Halbwertszeit hat. Daher ist jeder Anstieg der Enzymaktivität im Blut bedeutsam und sollte abgeklärt werden. Neben extrahepatischen Vorgängen wird eine Erhöhung der AP-Aktivität bei Katzen vor allem bei hepatischer Lipidose und Cholangitis beobachtet. Katzen mit hepatischer Lipidose zeigen meistens einen besonders starken Anstieg der AP im Vergleich zum Anstieg der GGT.
Die GGT (γ-Glutamyl-Transferase) ist wie die AP ein membranständiges Enzym, das in vielen verschiedenen Geweben vorkommt. Die höchsten Aktivitäten werden in der Niere und dem Pankreas gefunden; da die renale GGT jedoch mit dem Urin ausgeschieden wird und die pankreatische in das Duodenum sezerniert wird, stammt der Großteil der Serum-GGT-Aktivität aus der Leber, mit Ausnahme des Anstieges bei Welpen nach der Aufnahme von Kolostrum. Sie ist bei der Katze ein sensitiver Parameter für die Diagnose einer Cholestase.
Funktionsdiagnostik
Albumin wird zwar nur in der Leber synthetisiert, ist aber von vielen Einflüssen abhängig und deshalb relativ unspezifisch. Extrahepatische Ursachen für eine Hypalbuminämie müssen ausgeschlossen werden, wie Proteinverlustenteropathie, Proteinurie, exsudative Hautläsionen, Mangelernährung und Sequestration in dritte Kompartimente (z.B. Aszites).
Ein Großteil der Gerinnungsfaktoren wird in der Leber synthetisiert und im Zuge von schwerwiegenden akuten und chronischen Hepatopathien kann es zu Gerinnungsstörungen kommen. Die Prothrombinzeit und die aktivierte partielle Thromboplastinzeit sind verlängert, was besondere Bedeutung erlangt, wenn eine Leberbiopsie durchgeführt werden soll.
Harnstoff wird in der Leber über den Harnstoffzyklus aus dem toxischen Ammoniak gebildet. Schwere Hepatopathien und portosystemische Shunts können zu erniedrigten Harnstoffwerten führen, gleichzeitig steigt die Plasma-Ammoniak-Konzentration.
Die Leber besitzt eine große Reservekapazität, um die Glukose-Homöostase aufrecht zu erhalten. Im Endstadium von chronischen Hepatitiden, bei hochgradigem Leberversagen und bei portosystemischen Shunts kann dennoch eine Hypoglykämie auftreten.
Die Bilirubin-Konzentration im Serum gibt Auskunft über die Aufnahme in die Leberzelle, die Konjugation und die Ausscheidung über die Galle. Allerdings ist dieser Parameter nicht sehr spezifisch, da ein erhöhter Bilirubinspiegel auch extrahepatische Ursachen haben kann, wie hämolytische Anämie und extrahepatische Cholestase. Die unterschiedlichen Formen der Hyperbilirubinämie können durch gemeinsame Interpretation mit anderen Laborbefunden oder auch Ergebnissen der bildgebenden Diagnostik unterschieden werden. Bei jedem ikterischen Patienten ist ein Blutbild anzufertigen, um eine Hämolyse auszuschließen.
Die Gallensäuren werden an den Mitochondrien der Hepatozyten aus Cholesterol synthetisiert und anschließend zum Großteil an Taurin konjugiert. Durch die Konjugierung liegen die primären Gallensäuren im Darm in ionisierter Form vor und können zunächst nicht reabsorbiert werden. Erst nach der Emulgierung des Nahrungsfettes werden die Gallensäuren im Ileum an spezifischen Rezeptoren rückresorbiert und gelangen über das Pfortaderblut wieder in die Leber. Der Großteil der Galle wird in der Gallenblase gespeichert, ca. 10-20% der Gallensäuren werden kontinuierlich in das Duodenum sezerniert und repräsentieren die sogenannten Nüchterngallensäuren. Bei gesunden Tieren steigt die Serumkonzentration der Gallensäuren (postprandialer Wert) nach der Nahrungsaufnahme geringgradig an, da die Gallenblase kontrahiert, die Gallensäuren im Darm reabsorbiert und über das Blut zurück zur Leber transportiert werden (enterohepatischer Kreislauf). Die große Menge an Gallensäuren übersteigt die Clearance Kapazität der Leberzellen.
Die aussagekräftigsten Informationen erhält man bei der gepaarten Messung sowohl der präprandialen (nach 12-stündigem Fasten) als auch der postprandialen (2 Stunden nach Testmahlzeit) Gallensäurenkonzentration, obwohl auch die Spezifität der einzelnen Messungen sehr hoch ist.
Erhöhte Gallensäurenkonzentrationen zeigen eine Funktionsstörung der Leber an (oder vaskuläre Anomalien der Lebergefäße), noch vor dem Auftreten von Ikterus.
Hämatologische Veränderungen
Anämie ist ein häufiger Befund im Verlauf von Lebererkrankungen, wobei diese im Falle von Blutungen (Koagulopathien, gastrointestinale Ulzera) regenerativ ist. Häufiger kommt es jedoch aufgrund einer ineffizienten Nutzung der Eisenspeicher zu einer aregenerativen Anämie.
Entzündliche Hepatopathien können mit einer Leukozytose einher gehen.
Harnuntersuchung
Das spezifische Gewicht kann aufgrund der häufig im Zuge von Lebererkrankungen auftretenden Polyurie/Polydipsie erniedrigt sein.
Im Harn gesunder Katzen ist kein Bilirubin nachweisbar, daher ist jede Bilirubinurie ein signifikanter Befund und indiziert eine Abklärung. Ammoniumuratkristalle sind bei 15% aller Katzen mit portosystemischem Shunt und bei schweren Leberfunktionsstörungen im Harnsediment nachweisbar.
Biopsie
Die klinische Untersuchung, Labordiagnostik und bildgebende Verfahren können lediglich die Organdiagnose „Hepatopathie“ stellen. Die eindeutige Diagnose des vorliegenden Krankheitsprozesses kann nur mithilfe von Biopsieproben festgestellt werden.
Es stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung, um eine Gewebsprobe zu erhalten. Die einfachsten Techniken sind die Feinnadelaspiration (FNA) und die Stanzbiopsie. Sie können blind oder ultraschallgestützt vorgenommen werden, Stanzbiopsien werden auch laparoskopisch durchgeführt.
Die FNA hat zwar viele Vorteile, wie den minimalen Materialaufwand und das seltene Auftreten von Komplikationen, Studien zeigen jedoch, dass bei nur ca. 30% der untersuchten Patienten die Diagnose von Zytologie und Pathohistologie völlig übereinstimmte.
Häufig auftretende Lebererkrankungen der Katze
Hepatische Lipidose
Die feline hepatische Lipidose ist eine häufig auftretende und potentiell letale Erkrankung. Adipöse Katzen zeigen eine Prädisposition zur Entwicklung einer Fettleber.
In 5% der Fälle tritt die Lipidose idiopathisch auf, meistens liegen aber Grunderkrankungen vor, die eine katabole Stoffwechsellage verursachen. Die Anflutung von Fettsäuren aus den Körperfettdepots übersteigt die Kapazität der Leber, diese zu verarbeiten.
Am häufigsten sind übergewichtige Katzen mittleren Alters betroffen, die Inappetenz von mehreren Tagen, Gewichtsverlust, Lethargie und teilweise Vomitus zeigen. Die vergrößerte Leber ist meistens palpierbar und 70% der Tiere sind ikterisch.
Laborveränderung können je nach vorhandener Grunderkrankung sehr unterschiedlich sein. Typisch ist eine deutliche Erhöhung der AP-Aktivität bei nur moderater Erhöhung der Aktivität von ALT und AST. Eine zusätzlich deutlich erhöhte GGT-Aktivität weist auf eine Grunderkrankung im Bereich der Leber oder des Pankreas hin. Hyperbilirubinämie und erhöhte Gallensäurenkonzentrationen sind üblich (Tab. 2)
Neutrophile Cholangitis
Die neutrophile Cholangitis tritt vorwiegend bei mittelalten bis älteren Katzen auf. Die Tiere erkranken meist akut und zeigen Anorexie, Lethargie und Fieber. Meist sind die Tiere ikterisch und die Palpation des cranialen Abdomens ist schmerzhaft. Chronische Fälle gehen mit milder Symptomatik einher.
Charakteristische Laborwertveränderungen sind Hyperbilirubinämie und Aktivitätserhöhung der ALT, in geringerem Maße auch von AP und GGT. Die Gallensäurenkonzentration ist im Allgemeinen erhöht. Das Blutbild zeigt eine Leukozytose mit Neutrophile, häufig mit Linksverschiebung. Die kulturelle Untersuchung von Lebergewebe oder Galle ist empfohlen, da als Ursache der neutrophilen Cholangitis aufsteigende Infektionen aus dem Dünndarm angenommen werden. Die neutrophile Cholangitis ist häufig mit einer Pankreatitis oder IBD (inflammatory bowel disease) vergesellschaftet. Treten alle drei Erkrankungen gleichzeitig auf, spricht man von Triaditis. Möglicherweise begünstigt die IBD die aufsteigenden bakteriellen Infektionen in Leber und Pankreas (Tab. 3)
Lymphozytäre Cholangitis
Die lymphozytäre Cholangitis tritt bei jungen Katzen auf, ca. 50% der betroffenen Tiere sind unter 4 Jahre alt. Perser sind prädispositioniert. Die Ätiologie ist nicht geklärt, es wird aber ein immunmediiertes Geschehen angenommen. Die klinische Symptomatik beginnt oft nur sehr mild, die Fresslust ist erhalten oder sogar gesteigert, gleichzeitig verlieren die Tiere Gewicht. Die Hauptsymptome Ikterus und Aszites sind initial oft noch nicht ausgeprägt. Hepatomegalie und Lymphadenopathie kann auftreten. In leichten Fällen bzw. frühen Stadien sind die einzigen Laborwertveränderungen oft nur milde Aktivitätssteigerungen aller Leberenzyme. In fortgeschritteneren Fällen sind auch Bilirubin und die Gallensäurenkonzentration deutlich erhöht. Häufig ist die Totalproteinkonzentration aufgrund einer Hypergammaglobulinämie erhöht. FIP ist eine wichtige Differentialdiagnose der lymphozytären Cholangitis, da auch die Beschaffenheit des Aszites bei beiden Erkrankungen sehr ähnlich ist (Tab. 4).
Gemischtzellige Cholangitis
Es treten auch Fälle von gemischtzelliger Cholangitis auf, bei denen es sehr schwierig bzw. unmöglich ist festzustellen, ob die primäre Entzündung eutrophil oder lymphozytär war. Die Klinik ist mild und unspezifisch, wechselnder Appetit, Gewichtsverlust und zeitweise Lethargie sind vorherrschend. Manchmal ist ein akuter Beginn des Krankheitsverlauf nachvollziehbar, was dann auf eine chronisch gewordene neutrophile Cholangitis hinweist.
Die gemischtzellige Cholangitis stellt eine therapeutische Herausforderung dar, weil die Therapie von neutrophiler und lymphozytärer Cholangitis konträr ist. Während Erstere primär antibiotisch therapiert wird, ist bei Letzterer die Glukokortikoidtherapie essentiell. Daher wird bei gemischtzelliger Cholangitis empfohlen, zuerst eine antibiotische Therapie einzuleiten und falls sich keine deutliche Besserung innerhalb von 12 Wochen zeigt, zusätzlich Prednisolon in antiinflammatorischer Dosis einzusetzen.
07 / 2013