Der Patient Hund mit Problemen im Bereich der Reproduktion ist eher die Ausnahme in der Praxis. Die Pathogenese von Fertilitätsstörungen bei der Hündin oder beim Rüden kann vielfältig sein.
Neben bakteriellen und viralen Infektionen, neuronalen Erkrankungen, angeborenen oder erworbenen Veränderungen im Genitalbereich sowie Verhaltensstörungen werden zusammen mit anderen hormonell bedingten Störungen auch immer wieder Erkrankungen der Schilddrüse als Ursache vermutet.
Zusammenhänge
Die von der Schilddrüse produzierten und sezernierten Hormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) haben im Körper vielfältige Funktionen und sind in nahezu jedem Organsystem an der Regulation der Stoffwechselvorgänge beteiligt.
Untersuchungen am Menschen haben gezeigt, dass sich Rezeptoren für Schilddrüsenhormone in vielen Teilen des Reproduktionstraktes finden, beispielsweise in verschiedenen Anteilen der Ovarien mit den Follikeln in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien sowie im Uterus. Auch beim männlichen Mensch/Tier finden sich solche Rezeptoren im Hoden und in den akzessorischen Geschlechtsdrüsen wie der Prostata.
Thyreotropin Releasing Hormone (TRH) steigert die Prolaktinsekretion und ist damit auch direkt am Zyklusgeschehen beteiligt. Im Gegenzug finden sich auch Rezeptoren für die Hormone Östradiol, Progesteron und Testosteron in der Schilddrüse und dem übergeordneten regulierenden Zentrum, dem Hypothalamus-Hypophysen-System. Viele Untersuchungen im Human-, aber auch im Veterinärbereich belegen die vielfältige Interaktion dieser beiden Organsysteme. Es liegt nahe, dass durch eine so enge Verknüpfung bei Erkrankung eines Systems das andere in seiner Funktion beeinträchtigt wird.
Schilddrüse: Funktion und Unterfunktion
Die Hypothyreose ist eine der häufigsten Endokrinopathien des älteren Hundes.
Laut diverser Studien ist die Ursache einer Hypothyreose beim Hund bei mehr als 50 % der Patienten eine lymphozytäre Thyreoiditis, in deren Verlauf es zur Zerstörung des Schilddrüsengewebes mit zunehmendem Funktionsverlust kommt. Während verschiedener Phasen dieser Erkrankung kann es zu unregelmäßigen Hormonausschüttungen kommen, die durch Zerstörung der Schilddrüsenfollikel bedingt sind und auch bis in den grenzwertig hyperthyreoten Bereich gehen können.
Pathohistologisch ist der Beginn der Erkrankung bereits im Alter von 2-6 Jahren nachzuweisen. Sind 75% des aktiven Schilddrüsengewebes zerstört, ist mit der typischen klinischen Symptomatik der Hypothyreose zu rechnen.
Von Beginn der Erkrankung, d.h. mit dem Einwandern der ersten Lymphozyten, bis zum Auftreten von spezifischen Symptomen kann es mehrere Jahre dauern. Die akute Phase, in der es zu Zerstörung von Gewebe kommt, ist meist mit einer Antikörperbildung gegen verschiedene Anteile der Schilddrüse gekoppelt, wie Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-Ak), gegen Thyreoglobulin sowie gegen die Hormone T4 und T3 selber. Hohe Antikörperkonzentrationen werden vor allem gegen T3 gemessen, seltener gegen T4. Wie bei den meisten Autoimmunerkrankungen werden Antikörper häufig nicht gegen alle dieser Antigene gebildet.
Schilddrüse und Fertilität
Aus zahlreichen Studien am Menschen und an Labortieren ist bekannt, dass Veränderungen der Schilddrüsenfunktion mit Fertilitätsproblemen verbunden sind.
Die auf das Reproduktionsgeschehen bezogene Symptomatik reicht von verlängerten Zyklen bis zu deren möglichem Ausbleiben über Probleme in der Schwangerschaft/Trächtigkeit bis zu Totgeburten oder der Geburt lebensschwacher Nachkommen.
Der Verdacht liegt nahe, dass dies auch beim Hund der Fall ist. So könnte eine ausbleibende oder stille Läufigkeit, das Nicht-Aufnehmen, Aborte und Frühgeburten bzw. unreife Welpen, verzögerte Geburt bzw. Übertragen auf eine Hypothyreose zurückgeführt werden.
Untersuchungen an mittels Thyreoidektomie oder mit radioaktivem Jod künstlich ausgelösten Hypothyreosen bei der Hündin haben allerdings gezeigt, dass es zwar zu vermehrter Sterblichkeit um den Geburtszeitraum und niedrigem Geburtsgewicht bei Welpen kommt, dass aber die Hündinnen regulär läufig werden, aufnehmen und in die Geburt kommen. Bei Rüden zeigte sich keine Einschränkung der Spermienproduktion und der Fertilität.
Erklärungen
Viele Fallberichte zeigen allerdings, dass eine Hormonsubstitution bei dem Verdacht einer durch Hypothyreose verursachten Reproduktionsstörung einen positiven Einfluss auf die Fertilität bei der Hündin und dem Rüden haben kann. Hunde mit Reproduktionsstörungen werden zumeist in den Praxen vorgestellt, wenn sie noch keine klassischen Symptome einer Hypothyreose zeigen. Im Gegenteil haben sie oft die Zuchtzulassung aufgrund von Showergebnissen und/oder Leistungsprüfungen erhalten und sind eher in einem guten bis sehr guten gesundheitlichen Allgemeinzustand, allerdings in einem Alter, in dem die Autoimmunthyreoiditis in der akuten Phase mit manifester Gewebezerstörung und Antikörperbildung vorliegen kann.
Der Therapieerfolg durch T4-Substitution bei Hunden mit Fertilitätsstörungen mit Verdacht auf oder diagnostizierter Hypothyreose ist eher auf den positiven Einfluss auf das Autoimmungeschehen zurückzuführen als auf die direkte Wirkung auf den Stoffwechsel. In der Phase der akuten Thyreoiditis kann die T4-Substitution durch Ruhigstellen der Restaktivität der Schilddrüse zur Normalisierung des Immunsystems in Bezug auf die Schilddrüse und damit zum Absinken der Antikörperkonzentration unter die Nachweisgrenze führen.
Diagnose der Hypothyreose
In den verschiedenen Phasen der Hypothyreose kann die Diagnose schwierig sein, denn die erwartet klassische Kombination von erniedrigtem T4 bei erhöhtem TSH findet sich nicht bei allen Patienten. Zudem können vor allem Probleme in der Reproduktion bereits auftreten, wenn die T4- und TSH-Konzentrationen in der untersuchten Probe im Normbereich sind, aber bereits Antikörper gebildet werden.
Was kann untersucht werden?
Auch wenn die Aussage der Schilddrüsenhormone eingeschränkt ist, sollten immer die T4-, TSH- und bei Patienten mit Verdacht auf schilddrüsenbedingte Fertilitätsstörungen die fT4-Konzentration bestimmt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, die Thyreoglobulin-Antikörper, T3- und T4-Antikörper – möglicherweise aus mehreren aufeinanderfolgenden Proben – zu bestimmen.
10 / 2016