Das Pankreas ist ein sehr wichtiges Verdauungsorgan bei Hund und Katze und besteht aus einem exokrinen und einem endokrinen Teil. Das exokrine Pankreas sezerniert als seröse Drüse Enzyme, die für die Verdauung aller relevanten Nährstoffklassen unverzichtbar sind. Anatomisch betrachtet besteht das exokrine Pankreas aus den Azini und dem Gangsystem. Die Enzyme werden von den Drüsenzellen in den Azini gebildet und in Granula gespeichert.
1. Pankreatitis
Die Pankreatitis ist eine sehr schmerzhafte Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die durch eine verfrühte Aktivierung und Freisetzung proteolytischer Enzyme aus den Azinuszellen entsteht. Als Folge kommt es zu lokaler und systemischer Zerstörung von Geweben durch die Pankreasenzyme selbst und durch Entzündungsmediatoren, die während des Prozesses freigesetzt werden. Betroffen sind vornehmlich mittelalte bis alte Hunde und Katzen. Rassedispositionen bestehen für Zwergschnauzer, Yorkshire Terrier, Pudel, bei Katzen scheinen Siamesen vermehrt betroffen zu sein.
Das Vorkommen der Pankreatitis bei Kleintieren ist schon lange bekannt. Zunächst wurden Entzündungserscheinungen am Pankreasgewebe eher zufällig bei Nekropsien von Hund und Katze festgestellt. Dies führte zu der Annahme, dass Pankreatitiden weitaus häufiger bei Hund und Katze vorkommen als bisher angenommen. Zahlreiche Forscherteams haben seitdem zu einem besseren Verständnis dieser Erkrankung beigetragen. Doch obwohl mittlerweile anerkannt ist, dass Erkrankungen des exokrinen Pankreas, insbesondere die Pankreatitis, weitaus häufiger bei Hund und Katze anzutreffen sind als ursprünglich gedacht, sind die klinische Diagnose wie auch Behandlung nicht einfacher geworden. Die Leitsymptome sind sehr unspezifischer Natur und umfassen Anorexie, Erbrechen, Abdominalschmerz, Schwäche, Durchfall, (Ikterus Katze), wobei nicht immer alle Symptome auftreten und bei sehr milden Verläufen auch gar keine Veränderungen feststellbar sind. Bei der Katze sind die klinischen Symptome noch weitaus undeutlicher als beim Hund. Es sollte daher bei allen gastrointestinalen Störungen die Pankreatitis als Differentialdiagnose mit berücksichtigt werden.
2. Pankreatitis ‒ Diagnose/Labordiagnostik
Blutbild und klinische Chemie weisen zumeist nur sehr unspezifische Veränderungen auf, die auf eventuell vorhandenes Erbrechen und Durchfall zurückzuführen sind. Diese Veränderungen helfen nicht bei der Diagnose, sind aber geeignet, um den Gesundheitsstatus des Patienten einschätzen zu können.
2.1 Amylase/Lipase
Sie sind keine pankreasspezifischen Enzyme, sondern kommen auch im Darm, in der Muskulatur, in den Speicheldrüsen und in der Leber vor. Die Sensitivität der Lipase liegt beim Hund bei etwa 55%. Eine Erhöhung der Lipase um das ca. 3-fache ist relativ spezifisch beim Hund, jedoch kann auch eine Pankreatitis vorliegen, wenn die Lipase-Aktivität nicht erhöht ist. Bei der Katze sind Amylase und Lipase noch weniger spezifisch als beim Hund. Beide Enzyme können erhöht sein bei Leber- und Nierenerkrankungen, Neoplasien oder nach Glukokortikoidgabe und diabetischer Ketoazidose.
2.2 TLI (Trypsin-like-Immunreaktivität)
Gemessen werden bei diesem Parameter Trypsin und seine inaktive Vorstufe Trypsinogen. Trypsinogen wird ausschließlich im Pankreas synthetisiert. Jedoch weisen nur ca. 30-60% aller Hunde und Katzen mit einer Pankreatitis eine Erhöhung dieses Wertes auf. Wahrscheinlich ist dies auf die sehr kurze Halbwertszeit des Enzyms (<20 min.) zurückzuführen. Futteraufnahme und Nierenerkrankungen führen ebenfalls zu erhöhten Werten. Der TLI-Wert ist ein besserer diagnostischer Marker für die exokrine Pankreasinsuffizienz.
2.3 PLI (pankreatische Lipase Immunreaktivität)
Die pankreatische Lipase wird ausschließlich in den Azinuszellen des Pankreas synthetisiert. Physiologischerweise befinden sich geringe Mengen der pankreatischen Lipase in der peripheren Zirkulation. Kommt es im Verlauf einer Pankreatitis zur Zerstörung der Azinuszellen, gelangen erhöhte Konzentrationen in die Zirkulation. Der Grad der Erhöhung der Konzentration korreliert mit dem Grad der Entzündung und damit Zellzerstörung des Pankreas. Die Bestimmung der pankreatischen Immunreaktivität beruht auf Strukturmerkmalen, die spezifisch für die aus dem Pankreas stammende Lipase ist. Dies ist ein signifikanter Unterschied zu anderen Tests, die die Lipase Aktivität bestimmen. Die Aktivität ist für jede Lipase gleich, unabhängig von ihrem Ursprungsgewebe. Es wurden spezifische Tests entwickelt zur Quantifizierung der felinen (fPLI) und caninen (cPLI) pankreatischen Lipase. Die Spezifität beim Hund liegt bei ca. 71% und die Sensitivität bei 93%. Bei Katzen ist der Test zu 91% spezifisch und zu 67% sensitiv. Die Bestimmung der PLI wird nicht von einer eventuellen Enzymsubstitution beeinflusst und auch Hämolyse und Lipämie beeinträchtigen die Bestimmung nicht. PLI ist sehr stabil. Die Bestimmung der PLI im Serum von Hunden und Katzen wird zurzeit als der zuverlässigste, nichtinvasive Test zur Diagnose einer Pankreatitis anerkannt.
3. Exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI)
Bei EPI ist die Synthese und Sekretion von pankreatischen Enzymen unzureichend, was zu Maldigestion und -absorption führt. Klinische Symptome treten auf, wenn das funktionale Gewebe bis auf 10-15% reduziert ist. Eine EPI äußert sich darin, dass die Tiere eine ungestörte bzw. erhöhte Futteraufnahme zeigen, trotzdem aber an Gewicht verlieren. Häufig haben die Tiere chronischen Durchfall und das Haarkleid erscheint struppig und glanzlos. Der Kot ist beim Hund oft ungeformt, sehr voluminös und je nach aufgenommenem Futter gelblich-fettig mit unverdauten Nahrungsbestandteilen. Eine EPI kann angeboren oder erworben sein. Beim deutschen Schäferhund und Collie ist bekannt, dass es einen genetischen Defekt gibt, der zur pankreatischen Azinaratrophie führt (PAA). Betroffene Hunde erkranken schon in sehr jungen Jahren und können fast bis zum Skelett abmagern. Sehr häufig ist die EPI Folge von chronisch rezidivierenden Pankreatitiden, die nicht entsprechend erkannt und behandelt wurden. Daher handelt es sich zumeist um eine Erkrankung von mittelalten bis alten Hunden und Katzen. In seltenen Fällen kann auch eine Neoplasie des Pankreas zur EPI führen. Ist die EPI Folge einer chronisch-rezidivierenden Pankreatitis, kann sich sekundär ein Diabetes mellitus entwickeln. Fast immer ist eine EPI mit einem Mangel an Vitamin B12 vergesellschaftet. Das kommt daher, dass im Pankreas auch der intrinsische Faktor synthetisiert wird, der notwendig für die Resorption von Vitamin B12 im Ileum ist. Desweiteren fehlen auch benötigte Puffersysteme und antimikrobielle Substanzen, die ebenfalls Produkte des exokrinen Pankreas sind. Daher kommt es im Verlauf einer EPI sehr häufig auch zu einer Erkrankung des Darmes (IBD = inflammatory bowel disease). Bei der Katze tritt die EPI nur sehr selten auf und ist meist Folge einer chronischen Pankreatitis oder auch einer Obstruktion des Drüsenabflusses (Adenokarzinom).
4. Diagnose der EPI
4.1 Klinische Chemie und Blutbild
Sehr oft unauffällig.
4.2 TLI (Trypsin-like-Immunreaktivität)
Wie bereits unter Pankreatitis erwähnt, bestimmt die TLI das Trypsin und seine inaktive Vorstufe Trypsinogen im Serum von Hund und Katze in jeweils Speziesspezifischen Tests. Es ist der Test der Wahl, wenn es um die Diagnose einer exokrinen Pankreas insuffizienz geht. Die Sensitivität und Spezifität des TLI beim Hund liegen bei annähernd 100%. Bei der Katze ist die Sensitivität der TLI nicht bekannt, die Spezifität liegt bei 85-100 %. Die EPI ist gekennzeichnet durch eine erniedrigte TLI-Serum-Konzentration, jedoch ist ein einmalig erniedrigter TLI-Wert ohne entsprechende Klinik nicht beweisend für eine EPI und sollte nach einigen Wochen bestätigt werden. Nur wenn dauerhaft die Serum-TLI-Konzentration erniedrigt ist, ist das beweisend für eine EPI. Cave: Tier muss gefastet haben (8, besser 12 Stunden), Futteraufnahme führt zu falsch hohen Werten. Falsch hohe Werte kommen auch bei Niereninsuffizienzen und bei stark kachektischen Hunden vor.
4.3 Pankreatische Elastase
Die pankreatische Elastase ist eine verdauungsresistente Endoprotease, die ausschließlich in den Azinuszellen des Pankreas gebildet wird. Sie kann zurzeit nur im Kot von Hunden bestimmt werden. Ein entsprechender Test für Katzen steht nicht zur Verfügung. Bei einer exokrinen Pankreasinsuffizienz ist die fäkale pankreatische Elastase stark vermindert, kann aber auch bei gesunden Hunden vermindert sein, daher sollte ein positiver Befund durch anschließende Bestimmung der TLI bestätigt werden. (Spezifität ca. 50%). Zu beachten ist, dass es bei Patienten mit Durchfall zu einem „Verdünnungseffekt“ kommt. In solchen Fällen sollte der Test wiederholt werden und der TLI-Wert im Serum bestimmt werden.
4.4 Vitamin B12 (Cobalamin) / Folsäure
Sie sind beides wasserlösliche Vitamine aus dem B-Komplex. Sie können vom Körper nicht selber synthetisiert werden und müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Kommerzielle Futtermittel enthalten in der Regel genug von beiden Vitaminen, so dass eine fütterungsbedingte Mangelerscheinung unwahrscheinlich ist, es sei denn, ein Tier wird ausschließlich vegetarisch ernährt. Vitamin B12 ist an Nahrungsproteine gebunden und muss von diesen mit Hilfe pankreatischer Enzyme gespalten und an den intrinsischen Faktor, der ebenfalls aus dem Pankreas stammt, gebunden werden, um im Ileum resorbiert werden zu können.
Bei der exokrinen Pankreasinsuffizienz wird nicht genügend intrinsischer Faktor gebildet, so dass die Resorption von Vitamin B12 im Ileum reduziert ist. Viele intestinale Bakterien verstoffwechseln ihrerseits Vitamin B12, was den Mangelzustand noch verstärkt. Folsäure wird im proximalen Dünndarm über spezifische Rezeptoren absorbiert. Liegt dort eine Erkrankung vor, die zur Schädigung der Rezeptoren führt, kann ein Folsäuremangel entstehen. Bei einer Über- oder Fehlbesiedelung des Dünndarms kann aber auch ein Überschuss an Folsäure entstehen, da intestinale Bakterien Folsäure synthetisieren können. Da es im Verlauf einer EPI häufig zu einer veränderten Darmflora kommt, sind auch Veränderungen in der Konzentration von Folsäure und Vitamin B12 diagnostisch hilfreich. Diese Zusammenhänge machen deutlich, dass eine EPI leicht zu einem Vitamin-B12-Mangel und erhöhter Folsäure im Serum führen kann. Daher ist die Kontrolle beider Vitamine bei allen Patienten mit gastrointestinalen Symptomen und/oder EPI-Verdacht anzuraten.
05 / 2016