Mit dem LABOKLIN aktuell 6/2007 berichteten wir im vergangenen Jahr über Harnsteinbefunde beim Hund. Viele allgemeine Aussagen gelten ebenso für die Katze. Zur Erinnerung:
Die Urolithiasis ist eine Form der FLUTD (feline lower urinary tract disease). Hinter diesem Begriff verbergen sich vielfältige Erkrankungen, deren Symptomatik sehr ähnlich ist und daher keinen eindeutigen Rückschluss auf die zugrunde liegende Form der FLUTD gibt. Aus diesem Grund sollte man immer ein einheitliches diagnostisches Schema inklusive weiterführender Untersuchungen wie Urinanalyse und Röntgen/Ultraschall fahren sowie den isolierten Stein auf seine Zusammensetzung untersuchen. Hierdurch erhält man wichtige Hinweise zu Therapie, Rezidivgefahr und Prophylaxe. Eine rein adspektorische Untersuchung des Steins kann leicht in die Irre führen, da man zum einen verschiedenartige Mineralien innerhalb eines Steines nicht erkennen kann und zum anderen gleichartige Steine sehr unterschiedliches Aussehen annehmen können. Soweit zur kurzen Wiederholung der Thematik.
Nach Daten aus Nordamerika reichen die Raten der Katzen, die in Praxen mit einer Form von FLUTD vorgestellt werden, je nach Studie von 6 bis fast 10%. Für Europa lagen Zahlen von um die 4% vor. Innerhalb der FLUTD spielt die Urolithiasis nach der idiopathischen Zystitis die zweitwichtigste Rolle und ist für bis zu knapp einem Drittel der Fälle von FLUTD verantwortlich. Ebenso wie beim Hund ist auch bei der Katze die Häufigkeit der nachgewiesenen Harnsteintypen einem stetigen Wandel unterworfen. Mit der vorliegenden Arbeit vervollständigen wir für Sie das Bild der derzeitigen Verteilung von Harnsteintypen im deutschsprachigen Raum, so dass Sie jetzt für die beiden am häufigsten betroffenen Tierarten Hund und Katze einen aktuellen Überblick aus 5 Untersuchungsjahren (06/01 bis 06/06) erhalten. In diesem Zeitraum wurden in unserem Labor die Harnsteine von 1947 Katzen untersucht. Abb. 1 zeigt die Verteilung der häufigsten Harnsteintypen, mit deren Therapie und Prophylaxe sich der Praktiker hauptsächlich auseinandersetzen muss. Der Anteil anderer Steine lag bei unter 0,1% (Calciumcarbonat, Apatit). Mischsteine konnten keinem bestimmten Material zugeordnet werden, dazu zählten auch die 0,3% aller Steine, die alle oder fast alle Steinkomponenten enthielten.
Signalement – Welche Katzen neigen am ehesten zu Harnsteinen?
Geschlecht (n = 1865)
Die Verteilung der Geschlechter unserer Patienten mit Harnsteinen lag bei 58% männlicher Tiere und 42% weiblicher Tiere, was exakt der Verteilung der Normalpopulation von Katzen in Deutschland entspricht (Kraft und Danckert, 1997). Somit lässt sich aus unseren Daten keine besondere Neigung eines Geschlechts zu Harnsteinen ablesen. Auch die Rate der kastrierten Tiere entsprach in etwa der Verteilung in der normalen Population.
Alter (n = 1657)
Abb. 2 stellt die Häufigkeit von Katzen mit Harnsteinen in bestimmten Altersgruppen der Altersverteilung der Normalpopulation von Katzen gegenüber. Harnsteine kommen grundsätzlich bei Tieren aller Alterstufen vor, treten aber besonders zahlreich im mittleren Alter auf. Auffällig ist die Häufung in der Altersgruppe 2 bis 7 Jahre. Nach unseren Daten setzt bei Katzen im Vergleich zu Hunden die Harnsteinbildung bereits gehäuft in jüngeren Lebensjahren ein. Altersabhängigkeit bestimmter Steinarten: s. dort.
Rassen (n = 1724)
Harnsteine werden bei vielen Rassen gebildet. Die Steine der von uns untersuchten Tiere stammten von ca. 25 verschiedenen Rassen. In Abb. 3 sind die Rassen mit häufigen Harnsteinbefunden im Verhältnis zu ihrer Häufigkeit in der Normalpopulation dargestellt (Berechnung s. auch Info 6/2007). Dabei bedeutet ein Wert von 1, dass die Rasse genauso häufig in der Population vorkommt, wie sie auch Harnsteine bildet. Hieraus lässt sich somit keine Neigung zur Harnsteinbildung ablesen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Europäische Kurzhaar (EKH), die die häufigste Rasse in der deutschen Katzenpopulation darstellt. Nach unseren Daten bilden Kartäuser, Britisch Kurzhaar und Maine Coon noch deutlich vor den Persern überproportional häufig Harnsteine.
EKH und Perser waren die einzigen Rassen mit ausreichenden Fallzahlen für weitere Aufschlüsselungen nach einzelnen Steinarten oder nach Geschlecht. Bei beiden Rassen ergaben sich hierbei keine (EKH) bzw. allenfalls tendenzielle (Perser: leichte Tendenz zu Calcium-Oxalat (CaOx)) Abweichungen von den Gesamtergebnissen bei allen Katzen. In der Literatur gibt es viele verschiedene Angaben bezüglich Rassedispositionen für bestimmte Steinarten, einige Studien kommen dabei sogar zu gegensätzlichen Ergebnissen. Hieran zeigt sich, wie wichtig Fallstudien mit großen Tierzahlen sind: selbst bei der hier vorliegenden Fallzahl von fast 2000 Tieren werden nur bei 2 Rassen ausreichende Tierzahlen für genauere Berechnungen erreicht.
Steinarten
Calciumoxalate (CaOx mit den Formen Whewellit und Whedellit) und CaOx-Struvit Mischsteine
Bei den von uns untersuchten Katzen lag, ebenso wie schon bei den Hunden, der Nachweis von CaOx deutlich über dem von Struvit, wobei der Mischstein aus CaOx und Struvit auch hier den größten Anteil einnahm. Dieser Mischstein ist bei uns häufiger vertreten als in anderen Studien, da wir im Vergleich mit anderen Untersuchern auch geringere Mineralanteile innerhalb eines Steins im Befund angeben. So kann frühzeitig ein möglicherweise abwechselndes Auftreten von CaOx und Struviten erkannt und die Therapie entsprechend angepasst werden. CaOx wurden in den frühen 1980er Jahren bei Katzen in den USA nur zu ca. 3% aller Steine nachgewiesen, um dann kontinuierlich auf über 50% Anfang dieses Jahrhunderts zu steigen. In den letzten Jahren ist wieder eine rückläufige Tendenz zu beobachten, so dass 2005 wieder etwas mehr Struvite als CaOx nachgewiesen wurden. Frenk (2006) ermittelte in ihrer Dissertation für Deutschland und das angrenzende europäische Ausland einen Anstieg von CaOx von 2,2% auf 33% zwischen 1981 und 2000. CaOx sind medizinisch besonders interessant, da sie nur operativ entfernt und nicht durch Diäten aufgelöst werden können. Sie neigen außerdem eher als Struvite zum Feststecken oder zur Verletzung des Harntrakts. Die Zunahme von CaOx kann nicht allein durch eine relative Häufigkeitsverschiebung wegen Auflösung der Struvitsteine erklärt werden. Es gibt Hinweise, dass Diäten zur Unterdrückung von Struvit über verschiedene Mechanismen wiederum das CaOx- Risiko steigern können, weshalb gerade bei Fütterung einer solchen harnansäuernden Diät auch geringen Anteilen von CaOx in einem Stein Bedeutung beigemessen werden sollte.
Bewegungsarmut und Adipositas, zwei Probleme, die eine zunehmende Zahl von Hauskatzen betrifft, sollen ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung dieser Steine spielen. CaOx nehmen, wie beim Hund, mit zunehmendem Alter zu. Nach unseren Daten ist diese Zunahme allerdings sprunghaft bereits ab dem Alter von 2 Jahren zu erkennen, um dann auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu bleiben. Da sich die Alterspyramide bei den Hauskatzen kontinuierlich in Richtung „älter“ verschiebt, ist ein Teil der Zunahme von CaOx wohl auch damit zu erklären.
Struvite (Tripelphosphat, Magnesium-Ammonium-Phosphat)
Entsprechend der Zunahme der Rate von CaOx-Steinen haben die Struvitsteine über die Jahre kontinuierlich abgenommen: in den USA sank die Nachweisrate von 90% in den frühen 1980er Jahren auf 34% in 2001 um sich jetzt bei um die 50% wieder einzupendeln. Frenk (2006) ermittelte in ihrer Dissertation für Deutschland und angrenzende europäische Länder einen kontinuierlichen Rückgang von 80% auf 58% zwischern 1981 und 2000. Der Grund hierfür liegt sicherlich darin, dass Struvitsteine teilweise diätetisch kontrolliert werden können und Futtermittelhersteller sich darauf eingestellt haben. Wir fanden reine Struvitsteine nur bei 20% aller Katzen. Während beim Hund Struvite besonders im Zusammenhang mit Harnwegsinfektionen zu finden sind, sind die Mehrzahl der Struviturolithen von Katzen steril.
Infektionen mit struvitfördernden Mikroorganismen treten allerdings häufiger bei Katzen unter einem Jahr oder bei älteren, immungeschwächten Tieren auf. Auf diesen Zusammenhang könnte die deutliche altersabhängige Verteilung der Struvite in unserer Studie zurückzuführen sein:
Tiere der Altersgruppe 0 bis 1 Jahre hatten zu 34% Struvite (fast 3fach mehr als CaOx).
Die Nachweisrate der Struvite fiel dann mit steigendem Alter kontinuierlich auf minimal 18% in der Altergruppe 12 bis 15 Jahre, um bei den ganz alten Katzen nochmals auf 25% anzusteigen. Weitere Zusammenhänge z.B. zu Geschlecht oder Rasse konnten in unseren Daten nicht gefunden werden.
Harnsäure
Harnsäuresteine entstehen bei Katzen im Zusammenhang mit einem portosystemischen Shunt oder einer anderen schweren Leberdysfunktion. Sie sind daher nicht wie beim Hund einer bestimmten Rasse zuzuordnen. Die Nachweisrate von Uraten hat sich weder in den USA noch in Deutschland über die Jahre signifikant verändert und liegt zwischen 2 und 6 %. Bei unseren Fällen wurden Urate lediglich bei 1% der Katzen gefunden.
Cystin
Cystinsteine werden in der Literatur bei Katzen sehr selten beschrieben. Frenk (2006) gab für Deutschland die Häufigkeit mit 1% an, für Italien jedoch mit 3,8%. Es zeigt sich, dass länderspezifische Populationen einen Einfluss auf die Nachweisrate verschiedener Steine haben kann. In unseren eigenen Daten findet sich Cystin, meist in Kombination mit anderen Komponenten, bei 3% der untersuchten Steine.
Cystine entstehen wie beim Hund aufgrund eines angeborenen Stoffwechseldefektes. Eine Disposition für bestimmte Rassen läge somit nahe. In der Literatur wird die Siamkatze als eine Rasse mit gehäuftem Auftreten von Cystinen beschrieben. Da die Siamkatze eine selten gehaltene Katze ist (in Deutschland weniger als 1% der Katzenpopulation), ist es schwierig ausreichende Fallzahlen für eine solide Statistik zu erreichen. Tendenziell lässt aber das Datenmaterial bei Frenk (2006) und bei uns eine Disposition dieser Rasse für Cystine vermuten.
Zusammenfassung
- Harnsteine sollten immer einer qualitative Analyse unterzogen werden, da das Erscheinungsbild auch gleichartiger Steine sehr unterschiedlich sein kann (vergleiche auch Abbildung in LABOKLIN aktuell 6/2007).
- Harnsteine kommen bei Katzen bei vielen Rassen und in jedem Alter – mit einer besonderen Häufung in der Altersgruppe 2 bis 7 Jahre – vor. Nach unseren Daten ist kein Geschlecht häufiger betroffen als das andere. Kartäuser, Britisch Kurzhaar und Maine Coon zeigen noch vor der Perserkatze eine Neigung zur Harnsteinbildung.
- Der häufigste Stein bei Katzen ist nach unseren Daten der Mischstein aus CaOx und Struvit, gefolgt vom reinen CaOx- Stein. Die Häufigkeit von CaOx steigt ab einem Alter von 2 Jahren sprunghaft an. Laut Literatur neigen Perserkatzen zu CaOx, unser Datenmaterial konnte nur eine Tendenz in diese Richtung bestätigen. Struvite werden in den letzten Jahren oft diätetisch kontrolliert und sind daher nur noch der dritthäufigste Stein in unserer Studie. Sie kommen bei sehr jungen Katzen unter 1 Jahr fast 3mal so häufig vor wie CaOx, um dann mit steigendem Alter zunehmend seltener zu werden. Cystine kommen bei uns bei 3% der Katzen und damit häufiger als nach Literaturangaben vor. Tendenziell scheint die Siamkatze hier eine Disposition zu besitzen. Harnsäuresteine sind bei der Katze i.d.R. durch portosystemische Shunts und schwere Leberdysfunktionen bedingt und nach unseren Daten die seltensten Steine (1%).
04 / 2008