Mit der Änderung der Beziehung vom Gebrauchshund zum Sozialpartner Hund und Katze ist die Erwartung der Tierbesitzer, diese Gefährten möglichst lange und gesund bei sich zu haben, in den Fokus gerückt.
Nach ihrer aktiven Zeit sollen Hund oder Katze ohne Einschränkungen alt werden.
Gesunde Patienten im fortgeschrittenen Alter sind selten in der Praxis anzutreffen, mit dem rechtzeitigen Beginn von Vorsorgeuntersuchungen kann deren Anteil erhöht werden.
Ziel von Vorsorgeuntersuchungen bei älteren Hunden und Katzen ist es, Risikofaktoren für Erkrankungen wie Übergewicht, mangelnde Zahnhygiene und Stressoren bzw. bereits bestehende okkulte Schäden zu erkennen und folgend die entsprechenden präventiven oder therapeutischen Maßnahmen einzuleiten. Dadurch kann eine längere symptomfreie Lebenszeit bei guter Lebensqualität erreicht werden. Eine frühzeitige Therapie ist zudem häufig kostengünstiger und erfolgreicher.
Regelmäßige Untersuchungen, die bereits bei gesunden Tieren beginnen, haben den Vorteil, dass man vor allem in Bezug auf Laborergebnisse individuelle Referenzwerte erhält und über die Zeit Veränderungen verfolgt werden können; diese fallen dann schon auf, auch wenn die gemessenen Werte noch im Referenzbereich liegen.
Laboruntersuchungen sind ein integraler Bestandteil, aber nicht die Hauptsache von Vorsorgeuntersuchungen. Von der AAHA (American animal hospital association) und der AAFP (American association of feline practitioners) gibt es publizierte Empfehlungen: https://www.aahanet.org/Library/SeniorCare.aspx bzw. http://www.catvets.com/guidelines/practice-guidelines/senior-care-guidelines
Praxisanalysen aus den USA zeigen, dass bis zu 34% des Praxisumsatzes aus Vorsorgeprogrammen lukriert werden können. Ca. 40% der Vorsorgeuntersuchungen führten zu weiterführender Diagnostik oder Therapiemaßnahmen.
Wegen der richtigen Patientenvorbereitung, aber auch, weil Anamnese- und Beratungsgespräch relativ zeitaufwändig sein können, empfiehlt es sich, einen Termin für die Vorsorgeuntersuchung zu vereinbaren. Das lässt sich mit einer gezielten Einladung der Patienten verbinden. Dies kann zu Beginn der Vorsorge mit den Impfterminen gekoppelt werden, später sollten dann zusätzliche Extratermine anberaumt werden.
Wie alt ist ein Senior?
Beim Hund spricht man von einem Senior-Patienten, wenn das Tier 75% der rasse-typischen Lebenserwartung erreicht hat. Als Richtwert kann man beim Hund > 9 Jahre ansetzen, bei großen Rassen zwei Jahre früher. Mit Vorsorgeprogrammen soll 2 Jahre vor dieser Altersgrenze begonnen werden.
Katzen werden eingeteilt in mittelalt (mature) 7-10 Jahre, Senioren 11-14 Jahre und geriatrische Tiere mit > 15 Jahren.
Welche Parameter werden untersucht?
Die Empfehlungen der AAHA sehen vor, dass der „senior health check“ neben einer ausführlichen Anamnese eine gründliche klinische Untersuchung, eine Blutdruckmessung und Laboruntersuchungen von Harn, Blut und Serum umfasst. Diese sollen bei geriatrischen Tieren halbjährlich, vorher zumindest jährlich durchgeführt werden. Zur Abklärung der wichtigsten Organsysteme wurde angeraten, folgende Parameter im Labor zu untersuchen:
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Harnstatus
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Großes Blutbild
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Klinische Chemie:
Eiweiß, Albumin, Globulin, Harnstoff, Kreatinin, ALT, AP, Na, K, Ca, Phosphat, T4 bei der Katze
Da neue Erkenntnisse zeigen, dass weitere Parameter für die Früherkennung von Erkrankungen sinnvoll sind, haben wir in unser geriatrisches Profil zusätzlich SDMA oder den Urin Protein/Kreatinin-Quotienten (U P/C), die Fructosamine, die Lipase sowie einige weitere Parameter aufgenommen. Der Harnstatus ist nicht im Profil enthalten, denn er wird häufig gleich in der Praxis untersucht. Bei Bedarf kann die Untersuchung gerne zusätzlich angefordert werden.
Zur Abklärung des cardialen Status empfiehlt sich die Bestimmung der Troponin-I-Konzentration.
Bei intakten Rüden ist zusätzlich CPSE als Marker für eine Prostata-Hyperplasie zu empfehlen.
Präanalytik
Die Tiere sollen nüchtern einbestellt werden (Katzen: 8-10 Stunden nüchtern, nicht länger), um Störfaktoren zu reduzieren.
Untersuchungsmaterial: für den U P/C ist aufgefangener Harn möglich, EDTA-Vollblut für das Blutbild sowie Serum für die klinische Chemie und das T4. Für Troponin-I und CPSE ist abzentrifugiertes, gekühltes Serum oder EDTA- bzw. Heparinplasma Pflicht.
Organsysteme und Laborwertveränderungen
Nicht alle Organsysteme werden im Prozess des Älterwerdens im gleichen Maße von Veränderungen betroffen. Viele Faktoren, mit denen sich der Körper im Lauf des Lebens auseinandersetzt, haben Einfluss auf ganz verschiedene Organe oder funktionelle Systeme. Bei vielen Erkrankungen, die im Alter vermehrt auftreten, ist die Pathogenese nicht auf ein auslösendes Agens zurückzuführen.
Erbliche Prädisposition hat ebenso einen Einfluss wie Vorerkrankungen, aber auch der Einsatz im Leistungssport.
Klassisch werden mit dem „Alter“ Erkrankungen der Leber, der Niere, des Herz-Kreislauf-Systems und des Bewegungsapparates assoziiert.
Häufig zu finden ist vor diesen Krankheitsbezeichnungen der Vorsatz „chronisch“, z.B. cNI (chronische Niereninsuffizienz), cHCM (chronische hypertrophe Cardiomyopathie).
Aber auch viele Endokrinopathien treten gehäuft im Alter auf wie Schilddrüsenerkrankungen und Diabetes mellitus bei Hund und Katze sowie das Cushing-Syndrom beim Hund. Da ein Organsystem nicht für sich alleine funktioniert, sondern immer von anderen beeinflusst wird oder andere beeinflusst, sehen wir in unseren Screeninguntersuchungen mit steigendem Alter seltener unveränderte Laborwerte und der Anteil an Tieren, bei denen Parameter von mehr als einem Organsystem verändert sind, steigt an.
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Niere und harnableitende Wege
Nierenwerte (SDMA, Kreatinin)
Die Kreatininkonzentration ist im Durchschnitt bei älteren „nierengesunden“ Tieren etwas niedriger als bei mittelalten oder jungen Tieren, dies hängt mit der Abnahme der Muskelmasse im Alter zusammen, insbesondere bei Tieren, die Probleme mit dem Bewegungsapparat haben und deshalb inaktiver sind. Bei hyper-thyreoten Katzen ist mit Muskelatrophie und in Folge niedrigeren Kreatininspiegeln zu rechnen, durch die assoziierte erhöhte Nierenperfusion wird die Kreatininkonzentration im Blut gesenkt. Der sogenannte „kreatinin-blinde“ Bereich, in dem eine Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) bereits besteht, aber noch keine Erhöhung des Kreatinins über den Referenzbereich hinaus gemessen wird, steigt.
In diesem kreatininblinden Bereich greift SDMA (symmetrisches Dimethylarginin). SDMA wird während des Proteinstoffwechsels aus Arginin in konstanter Rate gebildet und ohne weitere Metabolisierung exklusiv über die Niere ausgeschieden und ist somit ein zuverlässiger Marker für die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). SDMA steigt bereits bei ca. 30 % Reduzierung der GFR, Kreatinin erst zuverlässig ab 70 %. Bei der Katzen zeigte ein Studie einen Anstieg der SDMA-Konzentration bereits ein Jahr vor dem Anstieg der Kreatininkonzentration über den jeweiligen Grenzwert. Die SDMA-Konzentration ist unbeeinflusst von der Körpermasse und ermöglicht auf Grund dessen auch die Erkennung einer Niereninsuffizienz, wenn die Kreatininkonzentration noch in der Norm ist.
Harnstatus
Ist nicht im Profil enthalten, deswegen aber nicht weniger wichtig. Harnwegsinfektionen sind bei Niereninsuffizienz, Prostatahyperplasie, Hyperthyreose, Diabetes mellitus und Morbus Cushing häufige Begleiterkrankungen UND sie werden in >80% der Fälle vom Besitzer nicht bemerkt. Eine vermehrte Protein- und/oder Glucoseausscheidung gibt Hinweis auf eventuell unerkannte subklinische Erkran-kungen wie Diabetes mellitus oder Morbus Cushing, Nephropathien oder bestimmte Tumorerkrankungen. Erhöhte Bilirubinausscheidung kann ein Hinweis auf eine Hepatopathie sein.
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Hepatopathien
Leberenzyme (ALT, GLDH, AP)
Hepatopathien sind nicht typische Erkrankungen des älteren Patienten. Mit dem Alter nimmt aber die Regenerationsfähigkeit des Lebergewebes ab und leberschädigende Noxen wie Infektionen, Intoxikationen, cardiale und Stoffwechselerkrankungen werden schlechter verarbeitet. Erhöhte Leberwert-konzentrationen geben einen Hinweis auf eine aktuelle oder v.a. im Alter chronische Leberbelastung.
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Hormonell bedingte Erkrankungen im Alter
Wichtig bei allen Endokrinopathien ist, dass diese rechtzeitig erkannt werden und über eine Therapie entschieden wird. Bei diagnostizierter Hyperthyreose können bei rechtzeitiger Behandlung assoziierte Symptome wie Proteinurie, Bluthochdruck, Hypertrophie des Herzens vermieden oder reduziert werden. Bei geringgradig erhöhten T4-Werten sollte zur Bestätigung zusätzlich TSH bestimmt werden.
Die Hypothyreose des Hundes ist nicht unbedingt eine Erkrankung des älteren Patienten. Der Beginn der Erkrankung ist häufig schon mit 2 – 6 Jahren festzustellen. Trotzdem ist bei vielen Patienten erst im Alter eine Symptomatik erkennbar. Eine subklinische Hypothyreose hat aber Einfluss auf viele andere Organsysteme wie Herz-Kreislauf, Immunsystem uvm. und sollte somit rechtzeitig erkannt werden.
Diabetes gehört zu den häufigsten Endokrinopathien der älteren Hunde und Katzen. 5,8% der älteren Hunde und 8,8% der Katzen zeigen bei uns erhöhte Fructosaminkonzentrationen. Die Messung der Fructosaminkonzentration hat den Vorteil gegenüber der alleinigen Glukosebestimmung, dass sie von einer transienten Stresshyperglykämie, wie z.B. beim Tierarztbesuch, unbeeinflusst bleibt.
Das Cushing-Syndrom, eine Endokrinopathie des mittelalten bis alten Hunde-Patienten, zeigt sich vielfach schon frühzeitig in erhöhten AP- und steigenden Fructosaminkonzentrationen sowie einem Stressleukogramm. Hier können weiterführende Parameter wie die Messung der hitzestabilen AP – der Corticosteroid-induzierten Isofraktion von AP – weitere Hinweise geben.
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Lipase
Pankreatitiden können in jedem Alter auftreten. Bei älteren Patienten bleiben sie aufgrund sich überlagernder Symptome mehrerer Erkrankungen nicht selten unentdeckt. Die Messung der Lipase mittels DRRG-Methode gibt deutliche Anhaltspunkte für eine Pankreatitis. Zur Diagnosesicherung kann eine Nachtestung über den cPLI-Test erfolgen.
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Gesamteiweiß, Albumin und Globuline
Fast jedes Krankheitsgeschehen hat Einfluss auf eine oder mehrere Eiweißfraktion(en). Sowohl erhöhtes Gesamteiweiß und erhöhte Globuline als auch erniedrigtes Albumin kommen bei älteren Tieren häufiger vor als bei jungen-erwachsenen. Diese Veränderungen werden ergänzend zur Symptomatik oder dem übrigen Laborbefund gesehen und sind ein Mosaikstein im Gesamtbefund.
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Cardiales Troponin I
Nahezu alle Erkrankungen, die ein Organismus im Laufe seines Lebens durchmacht, belasten auch den Herzmuskel. Chronische Erkrankungen oder Endokrinopathien – selbst wenn sie medikamentös eingestellt sind – können zur anhaltenden Schädigung der Herzmuskelzellen führen. Troponin-I ist ein Strukturprotein der Herzmuskelzelle, das physiologisch nur in extrem geringen Konzentrationen im Blut gemessen werden kann. Über die Bestimmung der Troponin-I- Konzentration kann das Ausmaß der momentanen Schädigung des Herzmuskels ermittelt werden. Eine Messung vor und während der Therapie zeigt auch an, ob die cardiale Belastung ursächlich in der diagnostizierten Erkrankung z.B. Hyperthyreose liegt oder ob weitere Erkrankungen anhaltend den Herzmuskel schädigen.
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CPSE (canine prostataspezifische Arginin-Esterase)
Die benigne Prostatahyperplasie (BHP) ist bei älteren intakten Rüden ein häufiger Befund. Klinisch auffallend werden diese Patienten indirekt durch z.B. Kotabsatzbeschwerden, Hämaturie, Zystitiden, Perinealhernien, aber auch Prostatitiden oder Prostatazysten. Das Enzym CPSE wird unter Kontrolle der Sexualsteroide, v.a. Testosteron, durch die Prostatazellen sezerniert. Wenn die Prostatazellen hyperplastisch werden, steigt CPSE signifikant an. Die Statistik zur CPSE zeigt, dass eine Prostatahyperplasie ein relevantes Problem bei intakten Rüden ist.
Blutbild
Die Erstellung eines Blutbildes ist ein wichtiger Bestandteil jeder Laboruntersuchung. Dies ist unabhängig von Alter und Tierart. Beim geriatrischen Patienten dient es unter anderem dazu, die ermittelten Befunde zu interpretieren und einzuschätzen bzw. Hinweise auf eine Erkrankung zu bekommen, die mit den übrigen Parametern nicht erfasst wurden.
Zusammenfassung
Geriatrische Vorsorge ist ein lohnendes Beschäftigungsfeld. Neben optimaler Versorgung der Patienten ist bei guter Betreuung auch eine Kundenbindung und erhöhte Besuchsfrequenz zu erreichen.
01 / 2017