Der Vogel mit Hautveränderungen in der tierärztlichen Praxis
Wie bei Säugetieren ist auch bei Vögeln die Haut wichtiges Schutz- und Sinnesorgan und spiegelt sowohl ein ungestörtes Allgemeinbefinden als auch eine Verminderungen desselben wider.
Im Gegensatz zu Hunden und Katzen können Hautprobleme bei Vögeln schwieriger durch die Besitzer zu erkennen sein. Günde hierfür sind z.B. eine geringgradige Ausprägung von Symptomen durch biologisch sinnvolle Maskierung einer Schwäche. Des Weiteren existieren ausgesprochen heterogene Haltungsbedingungen zahlreicher verschiedener Vogelarten. Zu Vögeln, die in größeren Schwärmen gehalten werden, haben die Besitzer oft einen weniger engen Kontakt als zu Einzeltieren, die als „Familienmitglied“ auch räumlich nahe mit den Menschen vergesellschaftet sind. Dies sollte bei der Einschätzung des Falles berücksichtigt werden, da sich das diagnostische Vorgehen bei Individualpatienten und Schwärmen u.U. unterscheidet. Indikationen für eine Vorstellung in der Praxis sind z.B. Verhaltensauffälligkeiten wie verstärktes Kratzen/Putzen/Federn zupfen (außerhalb der Mauser), sowie Unruhe, Apathie, etc. oder eine deutlich sichtbare Veränderung des Federkleides bezihungsweise der Haut. Schon bei der dermatologischen Beurteilung in der Praxis können wertvolle Informationen zur Früherkennung von Erkranungen und weiterführende Untersuchungen gewonnen werden.
Wichtig für zielgerichtete labordiagnostische Tests ist eine detaillierte Anamnese, die vor allem folgende Punkte beinhalten sollte:
- Haltungsform (Einzel- oder Gruppenhaltung, Innen- oder Außenbereich)
- Einzeltiererkrankung oder Bestandsproblem
- Art der Läsion(en)
- Lokalisation/Verteilung der Läsion(en) am Tierkörper
- bereits erfolgte Behandlung(en) und Ansprechen auf die Therapie
- Ergebnisse bereits durchgeführter Tests
Diagnostisches Vorgehen
Eine Kategorisierung dermatologischer Veränderungen ist sinnvoll, um entsprechende labordiagnostische Untersuchungen gezielt auswählen zu können. Zum einen sollen die Untersuchungsergebnisse adäquat in die Gesamtinterpretation des Falles eingebunden werden, zum anderen ist oft eine Kostenkalkulation von Seiten der Besitzer erwünscht.
Wesentliche Kategorien für eine Klassifizierung dermatologischer Hautläsionen bei Vögeln sind:
- infektiöse Hauterkrankungen
- nicht-infektiöse Hauterkrankungen
- metabolische Erkrankungen mit kutaner Manifestation
- endokrine Erkrankungen
Labordiagnostische Untersuchungen
Abklärung infektiöser Hauterkrankungen
Ektoparasiten
Insbesondere in Volierenhaltungen häufig vorkommende Ektoparasiten sind Milben, jedoch werden auch Flöhe, Zecken und Federlinge regelmäßig nachgewiesen. Klinische Symptome können z.B. Beschädigungen von Federn, oder Federverlust, Hautrötungen und Unruhe sein.
Untersuchungsmaterial der Wahl sind Federn und/oder oberflächliche sowie tiefe Hautgeschabsel. Hierbei ist zu beachten, dass im Gegensatz zu Säugetieren mit größerer Vorsicht bei der Entnahme eines Geschabsels vorgegangen werden muss, da die Vogelhaut fragiler ist. Beprobt werden klar erkennbare Veränderungen, stark ulzerierte Bereiche sollten jedoch vermieden werden. Die Geschabsel werden auf Glasobjektträger aufgebracht und mit einem Deckgläschen versehen versandt.
Auch die Untersuchung von Federn kann Hinweise auf eine Infektion mit Ektoparasiten liefern. Läuse (Mallophaga) beispielsweise zerbeißen die Federn, was klinisch zu „ausgefransten“ Rändern der Schwungfedern oder wie „ausgestanzt“ erscheinenden Defekten in den Federn führt. Eingesandt werden ganze veränderte Federn oder Federkiele in einer durchsichtigen, verschlossenen(!) Plastiktüte/einem Ziploc-Beutel. Dies ist notwendig, da zahlreiche Ektoparasiten von den Federn abwandern.
Bakterien und Pilze
Bakterielle Infektionen treten häufig sekundär zu einer prädisponierenden Vorschädigung der Haut auf (z.B. Trauma). Bei Verdacht auf eine komplizierte Infektion ist die weiterführende bakteriologische Untersuchung eines Tupfers oder von nativen Gewebeproben aus den veränderten Hautbereichen vor Beginn einer antimikrobiellen Therapie sinnvoll.
Pilzinfektionen der Haut und der Federn sind seltener als Dermatophytosen bei Hunden und Katzen und Ausdruck einer schweren Immunsuppression. Fungale Infektionen im Bereich der Zunge (z.B. Candida sp., Aspergillus sp.), der übrigen Schnabelhöhle und des Kropfes werden dagegen öfter beobachtet.
Eine diagnostische Abklärung kann mittels mykologischer und/oder zytologischer Untersuchung von Hautgeschabseln und Abstrichen erfolgen. Für eine zytologische Untersuchung werden entweder die Tupfer vorsichtig auf einem Glasobjektträger abgerollt oder die (z.B. aus dem Kropf gewonne) Spülflüssigkeit zentrifugiert und ausgestrichen.
Viren
Bei Schäden des Gefieders sind insbesondere Infektionen dem PBFD-Virus (Circovirus) und Polyomaviren in Betracht zu ziehen. Krustöse Hautläsionen im Augen-, Schnabel- und Kloakenbereich können auf eine Infektion mit Avipoxviren hinweisen.
Für die meisten Virusinfektionen steht keine kausale Therapie zur Verfügung. Aus diesem Grund sowie wegen massiver Durchseuchungsraten und hoher Sanierungskosten kommt der präventiven diagnostischen Abklärung von virusbedingten Erkrankungen eine entscheidende Bedeutung zu. Diese kann z.B. beim Zukauf von neuen Tieren in Schwärme in der Quarantänezeit erfolgen. Es ist zu beachten, dass u.U. bis zu drei Monate mit wiederholten Tests notwendig sein können (s.a. Polyomavirusinfektionen), bevor die Vögel vergesellschaftet werden.
Circovirusinfektion (Psittacine Beak and Feather Disease, PBFD)
Die Erkrankung betrifft sowohl Papageien als auch Sittiche und manifestiert sich klinisch in deutlichen Federanomalien (z.B. persistierenden Federscheiden (s. Abb.1), Federbruch oder -verlust) und Schäden des Schnabelhorns. Die Läsionen verschlimmern sich häufig von Mauser zu Mauser. Weiterhin schädigt das Virus zentrale Organe des Immunsytems (Bursa fabricii, Thymus, Leukozyten).
Goldstandard des Virusnachweises ist die PCR aus frisch ausgezogenen Federkielen veränderter Schwung- und Stoßfedern sowie aus Blut.
Polyomavirusinfektion (Budgeriar Fledgeling Disease, Rennerkrankheit, französische Mauser)
Neben fulminanten Erkrankungsverläufen mit hoher Nestlingssterblichkeit bei Papageien und Sittichen stellen vor allem subklinische Erkrankungsverläufe älterer Vögel mit persistierender Erregerausscheidung ein Problem in Beständen dar. Wird eine Erstinfektion überlebt, ist ein Verlust der Schwanz- und Schwungfedern auffällig, aus dem eine Flugunfähigkeit resultiert.
Auch hier wird mittels PCR an frisch ausgezogenen Federkielen und/oder Blut der Virusnachweis geführt.
Entscheidend bei positiv getesteten Vögeln ohne klinische Symptomatik ist eine Nachkontrolle mittels PCR nach 3 Monaten, da eine Eliminierung des Virus durch das Immunsystem möglich ist.
Pockenvirusinfektionen
Insbesondere bei Kanarienvögeln verursachen Infektionen mit Avipoxviren auf Grund systemischer Erkrankungen schwere Verluste in Beständen, jedoch können auch andere Vogelarten betroffen sein. Besonders bei krustösen Hautveränderungen im Bereich der Augen und des Schnabels, der Kloake oder der Ständer sollten Avipoxinfektionen als ätiologische Differenzialdiagnose berücksichtigt werden (s. Abb. 2a).
Das Untersuchungsmaterial der Wahl sind Gewebeproben veränderter Hautbereiche. Weiterhin können Abklatschpräparate aus Krustenmaterial für eine zytologische Untersuchung hergestellt werden.
Mittels histopathologischer Untersuchung von Gewebeproben können Pockenvirus-typische Läsionen nachgewiesen und gegen Veränderungen anderer Genese (z.B. Mykobakterieninfektion, Tumoren, Pilzgranulome, etc.) abgegrenzt werden (s. Abb. 2b). Gegebenenfalls kann eine PCR aus parallel eingesandtem Nativmaterial zum Nachweis von Pocken-DNA durchgeführt werden.
Abklärung nicht-infektiöser Erkrankungen
Viele Läsionen des Gefieders und der Haut wie z.B. Schäden der Federn, Stresslinien, Abrasionen, Pododermatitis, Abszesse, etc. können haltungsbedingt oder in Folge suboptimaler Besatzdiche entstehen (z.B. Kahlrupfen der Hennen durch Hähne, psychogenes Federrupfen). Die größte Bedeutung kommt hier einer umfassenden Anamnese in Verbindung mit einer allgemeinen und dermatologischen Untersuchung zu. Weiterführend kann das diagnostische Work-up den Ausschluss der oben beschriebenen infektiösen Erkrankungen sowie die histopathologische Untersuchung von Hautbioptaten beinhalten. Insbesondere bei Umfangsvermehrungen unklarer Genese kann die histopathologische Unterscheidung zwischen benignen und malignen Neoplasien oder reaktiven Prozessen (z.B. chronische Entzündungen, Federbalgzysten) wertvolle Hinweise für die prognostische Einschätzung des Falles liefern.
Abklärung metabolischer und endokriner Erkrankungen mit kutaner Manifestation
Grundsätzlich können internistische Erkrankungen unterschiedlicher Genese mit kutaner Manifestation und struppigem Gefieder einhergehen; hervorzuheben sind jedoch insbesondere Hepato- und Nephropathien, Mangelerkrankungen, Schwermetallintoxikationen und endokrine Dysfunktionen.Aus Entzündungen von Leber und Nieren resultieren oft graduell variable Funktionsbeeinträchtigungen der Organe. Auch Tumoren (z.B. Adenokarzinome, Leukose) oder schwere degenerative Veränderungen (z.B. Verfettungen, Schwermetallablagerungen) können zu einer Störungen der Organfunktionen führen. Neben der bildgebenden Diangnostik zum Nachweis von Formveränderungen der Organe sollte eine Beurteilung von frischem Kot hinsichtlich Farb- und Konsistenzveränderungen erfolgen. Im zweiten Schritt sollte eine hämatologische und blutchemische Untersuchung empfohlen werden um die betroffenen Organsysteme zu ermitteln und und das Ausmaß des Schadens einzuschätzen. Es ist zu beachten, dass auf Grund der großen Speziesvielfalt die Referenzwerte deutlich variieren und insbesondere bei seltenen Arten eine Interpretation der Ergebnisse nur im klinischen Kontext möglich ist. Falls möglich, können endoskopisch entnommene Bioptate von Leber und Niere(n) für eine komplementäre histopathologische Untersuchung entnommen werden, um die Läsionen noch weiter zu spezifizieren.
Mangelerkrankungen stellen eine komplexe Herausforderung an die Diagnostik dar. Da das klinische Bild sehr variabel ist, erfordern sie neben einer umfassenden Fütterungsanamnese, allgemeiner und dermatologischer Untersuchung auch eine ausführliche serologische Überprüfung der Organfunktionen. Grundsätzlich können Federverlust ohne Juckreiz, Nachwachsen atypischer Federn (z.B. Daunen), Pigmentveränderungen des Gefieders und Formveränderungen von Krallen und Schnabel Hinweise auf eine Mangelerkrankung sein.
Gefiederläsionen in Folge einer Schilddrüsenfunktionsstörung sind selten. Ein entsprechender klinischer Verdacht, z.B. bei Umfangsvermehrungen im distalen Halsbereich oder Atemnot, kann durch eine zytologische Untersuchung von Feinnadelaspiraten oder der histopathologischen Untersuchung eines Bioptats erhärtet werden.Häufiger sind tumoröse, zystische oder entzündliche Veränderungen der Gonaden, die mit (symmetrischem) Federverlust ohne Juckreiz im Bereich von Hals, Hinterkopf und Flügeln einhergehen können. Im Endstadium ist ein völliger Federverlust möglich. Neben Röntgenaufnahmen und/oder der sonografischen Darstellung der inneren Organe ist auch hier mittels zytologischer Untersuchung von Feinnadelaspiraten oder histopathologischer Beurteilung von Gewebeproben eine Diagnose der Läsion und eine prognostische Aussage möglich.
Therapieansätze
Neben der gezielten medikamentellen Behandlung dermatologischer Probleme beim Vogel sollte der Optimierung von Haltung, Fütterung und dem sozialen Umfeld der Tiere eine mindestens ebenso große Bedeutung beigemessen werden. Zahlreiche Erkrankungen stellen eine Kombination von obligat pathogenen Erregern/Läsionen mit suboptimalen Haltungsbedingungen und Managementfehlern dar. Daher ist in den Behandlungsgesprächen immer auch den besonderen Anforderungen der entsprechenden Vogelspezies Rechung zu tragen.
04 / 2017