Ziel der zytologischen Untersuchung ist, die Art pathologischer Veränderungen von Geweben oder Körperflüssigkeiten zu erkennen oder zumindest eine zweckmäßige Planung des weiteren diagnostischen Vorgehens zu ermöglichen.
Makroskopische Beurteilung
Die Ausstriche werden vor dem Färben makroskopisch beurteilt und auf das Vorliegen von Fetttröpfchen, die nicht trocknen, geprüft. Diese werden durch die Alkoholfixierung und die Eosin-Farblösung der Schnellfärbungen teilweise abgeschwemmt, und falls nur wenig fettiges Material punktiert wurde, ist dieses am gefärbten Präparat unter Umständen nicht mehr vorhanden. Bei der mikroskopischen Beurteilung findet man meist noch einzelne, nur bei halbgeschlossener Blende sichtbare Fetttröpfchen. Der gefärbte Ausstrich wird auf seinen Zellgehalt und das Färbeergebnis geprüft.
Mikroskopische Beurteilung
Das Präparat wird zunächst bei kleiner Vergrößerung (100x oder 200x) durchge mustert. Hierbei wird beurteilt, ob die gewünschte Struktur überhaupt getroffen wurde und ob der Gehalt an diagnostisch auswertbaren Zellen ausreichend ist. Weiters wird der vorherrschende Zelltyp bestimmt und nach den optimalen Ausschnitten für die weitere Beurteilung gesucht. Nachdem ein Überblick über das Präparat gewonnen und das Material für beurteilbar befunden wurde (Abb.1), werden die vorhandenen Zellen mit 400-facher Vergrößerung näher beurteilt. Das ÖlImmersions-Objektiv (meistens 1000x) wird nur verwendet, wenn die zellulären und hier vor allem die nukleären Details mit 400facher Vergrößerung nicht genau genug zu erkennen sind oder wenn nach Mikroorganismen gesucht wird.
Klassifikationskriterien
Prinzipiell wird zwischen Entzündungszellen und Gewebszellen unterschieden (Abb.1).
Die Einteilung von Entzündungen erfolgt einerseits nach dem vorherrschenden Zelltyp und andererseits nach der Beteiligung von Mikroorganismen.
Handelt es sich bei mehr als 80% der Zellen um neutrophile Granulozyten, liegt eine eitrige Entzündung vor. Eitrige Entzündungen können steril sein (z.B. immunmediierte Erkrankungen, Begleitentzündung von Neoplasien) oder erregerbedingt. Im Fall von bakteriellen Infektionen zeigen die Neutrophilen häufig degenerative Veränderungen. Die Kerne sind aufgequollen und nur blass gefärbt, in Extremfällen sind die Zellen kaum noch als Neutrophile zu erkennen. Meistens sind zugleich intra zelluläre Bakterien nachweisbar, die im Gegensatz zu extrazellulär gelegenen beweisend für das Vorliegen eines septischen Geschehens sind, sofern das Probenmaterial nicht flüssig gelagert wurde, z.B. Körperhöhlenpunktate, Zystenflüssigkeit – hier kann es durch Kontamination während der Probenentnahme zur In-vitro-Vermehrung und Phagozytose von Bakterien kommen. Auch Pilze und Protozoen können eitrige Entzündungen verursachen.
Liegen neben Neutrophilen auch bis zu 50% Makrophagen vor, besteht eine pyogranulomatöse Entzündung, bei mehr als 50% Makrophagen wird die Entzündung als granulomatös klassifiziert. Für die Entstehung dieser beiden Typen von Entzündung sind die gleichen Ursachen verantwortlich, i.A. handelt es sich um chronische Prozesse. Typisch sind Reaktionen auf Fremdkörper, Mykosen, Infektionen mit Protozoen und einige Bakterien (z.B. Mykobakterien, Aktinomyzeten – Abb.2).
Die eosinophile Entzündung ist durch einen Anteil von mehr als 10% eosinophilen Granulozyten neben anderen Entzündungszellen gekennzeichnet. Sind bei eosinophilen Entzündungen intrazelluläre Bakterien nachweisbar, so stellen diese meistens eine Sekundärinfektion dar. Primärursachen dieser Entzündungen sind Erkrankungen des Eosinophilen-Granulom-Komplexes, Neoplasien (v.a. Mastzelltumore und Lymphome), Allergien und Parasiten. Häufig sind Mastzellen und manchmal auch basophile Granulozyten in unterschiedlicher Menge zwischen den Eosinophilen zu finden. Ist der Gehalt an Mastzellen sehr hoch, kommt ein Mastzelltumor (Abb. 3) als Differentialdiagnose in Frage.
Lymphozytäre, plasmazelluläre und lymphoplasmazelluläre Entzündungen (mehr als 50% Lymphozyten/Plasmazellen) treten meistens im Zuge von chronischen Prozessen auf, bei immunmediierten Geschehen, viralen Infektionen und auch bei Hypersensitivitätsreaktionen. Ist der Gehalt an Plasmazellen sehr hoch, muss differentialdiagnostisch ein Plasmazelltumor in Betracht gezogen werden. Sind vermehrt mittelgroße Lymphozyten, lymphoide Blasten oder eine monomorphe Population von Lymphozyten vorhanden, ist das Vorliegen eines Lymphoms abzuklären.
Gewebszellen werden zytomorphologisch in vier Kategorien eingeteilt (Abb. 1).
Rundzellen exfoliieren als Einzelzellen mit deutlichen Zellgrenzen, die Zellkerne sind rund bis oval. Der Zellgehalt der Präparate ist meistens hoch. Zytoplasmatische Charakteristika geben oft Aufschluss über den Zellursprung (z.B. Granula der Mastzellen, juxtanukleäre Zytoplasmaaufhellung von Plasmazellen).
Epitheliale Zellen exfoliieren in Zellverbänden, manchmal sind Desmosomen in Form einer ungefärbten Linie zwischen den einzelnen Zellen erkennbar. Die Zellen sind polygonal bis abgerundet und weisen deutlich erkennbare Zellgrenzen auf. Die Kerne sind rund.
Mesenchymale Zellen liegen normalerweise einzeln oder in lockeren Verbänden, insgesamt ist der Zellgehalt oft gering. Vor allem in Fällen schlecht differenzierter mesenchymaler Neoplasien können jedoch auch dichte Cluster gefunden werden. Die Zellform ist variabel, sie kann spindelförmig, rundlichoval bis zu sternförmig sein. Die Zellgrenzen sind undeutlich, die Kerne oval bis rund.
Endokrines / neuroendokrines Gewebe zeigt auf zytologischen Präparaten das typische Bild der „nackten Kerne im Zytoplasmasee“. Die Zellkerne sind rund und befinden sich in lockeren Zellclustern, die keine Zellgrenzen erkennen lassen.
Bisweilen ist es nicht möglich das zu untersuchende Gewebe in eine dieser vier Kategorien einzuteilen. Meistens liegt in diesen Fällen eine schlecht differenzierte Neoplasie vor, die am besten durch eine patho histologische Untersuchung einer Stanzbiopsie oder der gesamten Umfangsvermehrung diagnostiziert wird.
Malignitätskriterien
Ist der Gewebetyp identifiziert, bleibt noch abzuklären, ob normales Gewebe, eine Hyperplasie, eine benigne oder eine maligne Neoplasie vorliegt. Die Unterscheidung der ersten drei „gutartigen“ Befunde ist zytologisch im Allgemeinen nicht möglich, für die klinische Vorgangsweise ist aber ohnehin am relevantesten, ob es sich um ein malignes Geschehen handelt. Zur Diagnose eines solchen werden die Malignitätskriterien herangezogen (Abb. 4).
Allgemeine Malignitätskriterien sind z.B. Anisozytose (unterschiedliche Zellgröße), Pleomorphismus (variable Zellgestalt) und Makrozytose (Riesenzellen). Am wichtigsten für die Diagnose von Malignität sind die nukleären Malignitätskriterien: erhöhte Kern/Zytoplasma-Ratio (erhöhtes Kern volumen in Relation zum Zytoplasma), variable Kern/Zytoplasma-Ratio, Anisokaryose (ungleich große Kerne), Riesenkerne, Mehrkernigkeit, Mehrkernigkeit mit Anisokaryose, eine erhöhte Mitoserate oder atypische Mitosen, grobscholliges Kernchromatin, große, prominente und multiple Nukleoli, irreguläre Nukleoli (z.B dreieckig), Anisonukleoliose (ungleich große Nukleoli) und Kerndeformationen.
Zeigt die Mehrzahl der Zellen drei oder mehr nukleäre Malignitätskriterien, wird ein malignes Geschehen diagnostiziert, vorausgesetzt es liegt keine Entzündung vor. Denn als Reaktion auf eine Entzündung entwickeln Gewebszellen häufig ausgeprägte Dysplasien, die nicht eindeutig von den Malignitätskriterien neoplastischer Zellen unterschieden werden können.
In Körperhöhlenpunktaten sind mindestens fünf nukleäre Malignitätskriterien Voraussetzung für die Diagnose einer malignen Neoplasie. Vor allem epitheliale Tumorzellen sind im Punktat kaum von reaktiven Mesothel zellen zu unterscheiden. Diese weisen, im Besonderen wenn eine Entzündung vorliegt oder der Erguss chronisch ist, hochgradige Dysplasien auf, die Malignitätskriterien vortäuschen können.
Auch bei der Beurteilung von lymphatischem Gewebe kann die Faustregel der drei nukleären Malignitätskriterien nicht angewendet werden. Normales und hyperplastisches Lymphgewebe zeigen ein polymorphes Zellbild. Es liegt eine gemischte Population aus kleinen Lymphozyten, mittelgroßen Lymphozyten, wenigen lymphoiden Blasten und bei Hyperplasie auch Plasma zellen vor. Im Fall eines Lymphoms (Abb. 5) zeigt sich ein monomorphes Zellbild gleichartiger lymphoider Zellen. D.h. ein monomorphes Bild weist auf das Vorliegen eines Lymphoms hin, auch wenn es sich um morphologisch unauffällige kleine Lymphozyten handelt.
Schließlich gibt es Tumore, die trotz zytologisch benigne erscheinendem Zellbild ein malignes biologische Verhalten zeigen. Hierzu gehören alle endokrinen / neuroendokrinen Neoplasien, melanozytäre Tumore sowie Karzinome der Analbeuteldrüsen (Abb. 6) und anderer Hautanhangsdrüsen.
Die zytologische Diagnostik ist eine minimal invasive, kosteneffektive und jederzeit verfügbare Untersuchungsmethode zur Abklärung der Ursache von Umfangsvermehrungen, Gewebeveränderungen und Veränderungen von Körperflüssigkeiten.
Liegt eine gemischte Population von Gewebs und Entzündungszellen vor, kann oft keine eindeutige Diagnose hinsichtlich der Dignität der Veränderung gestellt werden, weil Gewebszellen hochgradige entzündungsbedingte Dysplasien entwickeln können und dann morphologisch nicht mehr von neoplastischen Zellen zu unterschieden sind. In diesen Fällen oder wenn der klinische Verlauf nicht zum zytologischen Befund passt, ist eine Abklärung durch eine pathohistologische Untersuchung indiziert.
08 / 2015