Fehler in der Haltung und Fütterung von Vögeln und Reptilien sind eine der Hauptursachen für die Vorstellung der Tiere in der tierärztlichen Praxis. Dies liegt auch daran, dass es oft nicht so einfach ist, alle Bedingungen aus dem Ursprungsgebiet in der Haltung nachzuahmen oder zu ersetzen. Die Tiere kommen häufig aus tropischen Regionen mit ganz anderem Klima und vor allem einer deutlich stärkeren Sonneneinstrahlung, welche für die Bildung von Vitamin D entscheidend ist. Auch die Nahrung ist in der Regel eine andere. Das Futterspektrum in der Natur ist viel weiter und viele Pflanzen oder auch Futtertiere sind hier gar nicht erhältlich und können nicht gefüttert werden (Abb. 1), sodass der Nährstoffgehalt im Futter häufig auch ein anderer ist. Sämereien zum Beispiel sind oft arm an Vitamin A und D, aber auch an Calcium (Harper and Skinner 1998; Koutsos 2016). Ein ähnliches Problem gibt es auch bei Insekten, die vor dem Verfüttern durch eigenes gutes Futter aufgewertet werden sollten (Boyer and Scott 2019). Fleischfressende Arten sollten bevorzugt ganze Futtertiere bekommen, weil der Nährstoffgehalt in den Organen, wie Leber, ein anderer ist als im reinen Muskelfleisch.
-
Abb. 1: Scharlachara (Ara macao) beim Fressen von Früchten des Strandmandelbaums (Terminalia catappa) in Costa Rica
Bildquelle: C. Leineweber
Vitamine sind essentiell für den Organismus und haben verschiedenste Funktionen:
- Vitamin A (Retinol) ist wichtig für die Sehfähigkeit, die Reproduktion, die Embryonalentwicklung, das Immunsystem, den Knochenstoffwechsel, die Blutbildung und das Epithelgewebe. Viele Pflanzenfresser können β-Carotin aus der Nahrung zu Vitamin A spalten und dieses nutzen, sodass es hier seltener zu Mangelerscheinungen kommt.
- Vitamin B1 (Thiamin) ist für das Nervensystem von Bedeutung. Neurologische Störungen durch einen Thiaminmangel kommen besonders häufig bei fischfressenden Arten vor, da sich im Fisch häufig Thiaminase-bildende Bakterien befinden, die das Thiamin spalten und zerstören.
- VitaminB2 (Riboflavin)ist ein wichtiger Enzymbestandteil für oxidative Prozesse.
- Vitamin B3 (Niacin) spielt eine Rolle bei der Nährstoffaufnahme und Verdauung, der Hormonbildung und Durchblutung.
- Vitamin B5 (Panthothensäure) ist für den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sowie die Synthese von Cholesterin notwendig.
- VitaminB6 (Pyridoxal)ist unerlässlich für den Aminosäure- und Lipidstoffwechsel und die Synthese von Epinephrin und Norephinephrin.
- Vitamin B7 (Biotin) spielt als Cofaktor für verschiedene Enzyme eine wichtige Rolle im Kohlenhydrat-, Fett und Eiweißstoffwechsel.
- Vitamin B9 (Folsäure) und B12 (Cobalamin) werden für die Blutbildung benötigt.
Die meisten B-Vitamine werden bei pflanzenfressenden Arten durch Bakterien im Verdauungstrakt synthetisiert, sodass es bei diesen Arten selten zu Mangelerscheinung kommt.
- Vitamin C (Ascorbinsäure) hat eine antioxidative Wirkung und ist ein wichtiges Coenzym im Protein- und Kollagenstoffwechsel.
- Vitamin D, besonders Vitamin D3 (Cholecalciferol), ist notwendig für den Calcium-, Phosphat- und Magnesiumstoffwechsel und hat eine wichtige Bedeutung für den Knochenstoffwechsel.
- Vitamin E (Tocopherol) ist ein wichtiges Antioxidanz und spielt zusammen mit Selen eine große Rolle für den Fett- und Muskel-Vitamin E-Mangelerscheinungen wurden auch schon bei verschiedensten, besonders carnivoren Reptilien, wie Krokodilen, Schlangen, Echsen, aber auch Meeresschildkröten beschrieben (Boyer and Scott 2019).
Es erscheint naheliegend, eine potenzielle Unterversorgung durch eine großzügige Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen ausgleichen zu wollen, aber auch eine Überversorgung mit einigen Substanzen kann zu Erkrankungen führen. Die bekannteste Vitaminüberversorgung bei Reptilien ist die Hypervitaminose A bei Schildkröten, die zu einer massiven Ablösung der Haut führen kann und daher auf jeden Fall vermieden werden sollte. Eine Überdosierung mit Vitamin D kann zu einer Calciumeinlagerung in verschiedenen Organen führen.
Wie kann überprüft werden, ob ein Tier ausreichend mit allen Vitaminen versorgt ist? Das ist nicht so einfach. Zunächst muss zwischen den zwei Gruppen von Vitaminen unterscheiden werden, den fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin A, D, E und K und den wasserlöslichen Vitaminen wie Vitamin B1, B2, B3, B5, B6, B9, B12 und C. Fettlösliche Vitamine werden in der Leber, aber auch im Fettgewebe, gespeichert. Das heißt zum einen, dass ein Mangel nicht sofort zu Symptomen führt, zum anderen aber auch, dass zur kompletten Überprüfung des Vitaminhaushalts des Tieres Organproben, wie etwa Leberbiopsien, untersucht werden müssten. Eine Studie bei Nymphensittichen (Nymphicus hollandicus) hat gezeigt, dass Vögel auch nach zwei Jahren ohne Vitamin A im Futter noch keine klinischen Mangelerscheinungen entwickelt haben (Koutsos et al. 2003). Andererseits führt die Speicherung fettlöslicher Vitamine aber auch eher zu Intoxikationen, da sich die Vitamine über die Zeit im Körper anreichern, wenn sie dauerhaft in hohen Konzentrationen aufgenommen werden. Die wasserlöslichen Vitamine werden hingegen nur sehr kurz (meist wenige Tage) im Körper gespeichert, sodass es hier schneller zu Symptomen bei einem Mangel kommt. Intoxikationen treten aber seltener auf, weil zu viel aufgenommene Vitamine direkt (zum Beispiel die meisten B-Vitamine und Vitamin C über den Urin) wieder ausgeschieden werden. Eine Möglichkeit, die Vitaminversorgung zu überprüfen, ist die Messung der Vitamine im Blut. Jedoch muss man beachten, dass es sich hier nur um die aktuell zirkulierenden Konzentrationen handelt, die durch die aktuelle Aufnahme über die Nahrung und die Freisetzung aus den Speichern beeinflusst werden.
Bei Vögeln und Reptilien gibt es eine Reihe von Faktoren, die bei der Interpretation von Vitaminkonzentrationen im Blut beachtet werden müssen. So konnten wir in eigenen Studien feststellen, dass sich der Zugang zu natürlichem Sonnenlicht positiv auf den Vitamin D-Gehalt im Blut von Schildkröten (Testudo hermanni und Trachemys scripta) (Geisler et al. 2023) und Graupapageien (Psittacus erithacus) auswirkt. Auch die Fütterung hat einen deutlichen Einfluss auf die Vitaminkonzentrationen im Blut. So waren die Vitamin D-Konzentrationen im Blut von Graupapageien höher, wenn diese verschiedenen Supplemente erhalten haben. Bei Schildkröten zeigten sich auch saisonale Unterschiede. So waren bei Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni) die Konzentrationen für Vitamin B1, B2 und B6 im Sommer am höchsten. Eine Erklärung dafür ist, dass die Tiere im Winter durch den Winterschlaf keine Nährstoffe aufnehmen und die Konzentrationen dadurch im Frühjahr sehr niedrig sind und dann im Sommer durch die verstärkte Aufnahme über die Nahrung ansteigen. Im Laufe des Sommers verändert sich aber der Nährstoffgehalt in den Pflanzen (der Rohfasergehalt nimmt zu) und auch das gefressene Pflanzenspektrum, sodass die Vitaminkonzentrationen im Blut zum Herbst wieder abfallen. Auch das Geschlecht hat einen Einfluss. So konnten wir bei Griechischen Landschildkröten feststellen, das Weibchen niedrigere Konzentrationen für Vitamin A, B1 und B2 hatten, jedoch höhere für Vitamin E. Letzteres konnten wir auch bei Schmuckschildkröten (Trachemys scripta) nachweisen (Leineweber et al. 2025). Grund dafür könnte der unterschiedliche hormonbedingte Metabolismus sein und die Tatsache, dass Weibchen Vitamine und andere Nährstoffe während der Vitellogenese ans Ei abgeben. Aufgrund dieser Einflussfaktoren ist es schwierig, Referenzwerte für jede Art zu etablieren, da die Konzentrationen bei den einzelnen Arten durch die unterschiedliche Ernährung sehr stark variieren.
Eine Messung kann trotzdem gerade bei Verdacht auf eine Hypo- oder Hypervitaminose sinnvoll sein, um den Verdacht zu bestätigen und um den Therapieverlauf zu überwachen. Neu ist ein Vitaminprofil für Vögel und Reptilien, welches Vitamin A, D2, D3 und E enthält und für das 500 µl Serum oder Heparinplasma benötigt wird. Alle Vitamine sind als Einzelbestimmungen möglich.
Fazit
Die Vitaminkonzentrationen im Blut von Vögeln und Reptilien sind von vielen Faktoren abhängig, was die Interpretation der Befunde erschwert. Eine Bestimmung ist dennoch bei bestimmten Fragestellungen sinnvoll.
Dr. Christoph Leineweber
Unsere Leistungen rund um Reptilien und Vögel
- Bestimmung von Einzelvitaminen
- Vitaminprofil für Vögel und Reptilien (Leistungsnummer 1217)




