Die Diagnostik von Nierenerkrankungen bei Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen ist nicht einfach, da sie von vielen Faktoren wie der Art, der Lebensweise, der Ernährung und bei einigen Tierarten zum Beispiel sogar von der Jahreszeit abhängig ist. Es gibt also nicht den einen Nierenparameter, der für alle Arten geeignet ist und auch nicht die uneingeschränkt nutzbaren Referenzwerte. Im Folgenden gehen wir auf die einzelnen Parameter und Einflussfaktoren näher ein und möchten damit einen kleinen Leitfaden und Überblick erstellen.
Fangen wir mit der unterschiedlichen Lebensweise der Tiere an und warum diese so viel Einfluss auf die Nierenparameter hat. Je trockener der Lebensraum, in dem das Tier lebt und je weniger Wasser es zur Verfügung hat, desto mehr versucht es, dieses Wasser zu sparen. Auch die Physiologie hat sich darauf angepasst. Bei Tieren, die aus trockenen Gebieten stammen, produziert die Niere Ausscheidungsprodukte, die mit möglichst wenig Wasser ausgeschieden werden können, v. a. Harnsäure. Das ist besonders bei Echsen, Schlangen, Schildkröten und Vögeln aus trockenen Lebensräumen der Fall, aber auch manche Amphibien wie einige Baumfrösche bilden Harnsäure. Bei Geckos und Agamen z. B. findet sich diese in Form trockener, weißer Kristalle am Kot wieder (Abb. 1). Je feuchter der Lebensraum wird, desto weniger Harnsäure wird gebildet und desto mehr Harnstoff, der mit mehr Wasser ausgeschieden wird, sodass sich die Ausscheidung von fest über pastös zu flüssig verändert. Dies ist z. B. bei Sumpfschildkröten, Alligatoren und einigen Amphibien der Fall. Leben die Tiere komplett im Wasser, wird auch Ammonium über den Harn ausgeschieden wie z. B bei Meeresschildkröten, einigen Krokodilen, Fischen und Amphibien. Je nach Lebensweise ist auch das Endprodukt des Purinstoffwechsels ein anderes und dementsprechend variiert auch der am besten geeignete Parameter zur Diagnostik von Nierenerkrankungen. Ammonium bzw. Ammoniak ist sehr flüchtig und instabil. Es muss daher möglichst zügig aus der Blutprobe bestimmt werden, um genaue Werte zu erzielen.
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Abb. 1: Kot von einem Leopardgecko (Eublepharis macularius)
mit Harnsäureanheftungen
Bildquelle: Laboklin
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Abb. 2: Niere von einer Kornnatter (Pantherophis guttatus) mit
Nierengicht und massiven Harnsäureeinlagerungen
Bildquelle: Laboklin
Eine zuverlässige Messung in Einsendelaboren ist deshalb nicht möglich. Neben den Endprodukten des Purinstoffwechsels gibt es bei Säugertieren auch noch eine Reihe anderer Nierenparameter wie das Kreatinin, das symmetrische Dimethylarginin (SDMA), das Cystatin C, das Indoxylsulfat, den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF23) und beim Menschen das N-acetyl-β-d-glucosaminidase (NAG). Kreatinin wird von Reptilien und Vögeln nur in geringen Maßen und sehr variabel gebildet und ausgeschieden, sodass es sich nicht als zuverlässiger Diagnostikmarker bei diesen Tierarten eignet. Beim Vogel wird z. B. schon das Vorprodukt Kreatinphosphat über den Urin ausgeschieden. Zum SDMA liegen schon erste Studien bei Exoten vor. Eine Studie bei Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni) (Lehmann et al. 2022) hat gezeigt, dass SDMA bei dieser Tierart messbar ist und Referenzwerte etabliert. Hauseigene nicht publizierte Daten von Laboklin konnten auch zeigen, dass SDMA bei Griechischen Landschildkröten mit Nierenerkrankung mit steigender Harnsäure ansteigt. Eine weitere Studie etablierte Referenzwerte für SDMA bei Hispaniolaamazonen (Amazona ventralis) und Mönchsittichen (Myiopsitta monachus) (Moreno et al. 2024). Es gibt jedoch noch keine Daten zu klinisch kranken Tieren. Cystatin C wurde schon bei Hühnern als Marker für akute Nierenschäden getestet (Konopska et al. 2013). Beim Vogel gibt es schon einige Studien zum NAG, welches sich auch als Marker für akute Nierenschäden eigenen könnte (Wimsatt et al. 2009; Dijkstra et al. 2015). Das Problem ist aber, dass in der Praxis eher Vögel und Reptilien mit chronischen Nierenerkrankungen vorgestellt werden, bei denen diese Marker nur mäßig geeignet scheinen. Zu den anderen Analyten liegen derzeit noch keine Studien bei Vögeln und Reptilien vor. Bei der Diagnostik von Nierenerkrankungen bei Amphibien und Fischen stehen wir noch ganz am Anfang. Das heißt, dass die labordiagnostischen Möglichkeiten bei diesen Tieren limitiert sind.
Neben diesen wenigen Analyten, die bei Tieren mit Verdacht auf Nierenerkrankungen gemessen werden können (Abb. 2), gibt es auch verschiedene Faktoren, die die Messergebnisse der verbleibenden Analyte beeinflussen können. Harnstoff und Ammonium werden durch den Hydratationszustand, die Nahrungsaufnahme, die Leberfunktion und die Nierenfunktion beeinflusst. Bei einigen Wüstenbewohnern ist der Harnstoff physiologisch höher im Blut als bei Tieren aus feuchteren Regionen. Auch die Harnsäure steigt durch Dehydratation, Nahrungsaufnahme (besonders bei carnivoren Arten) und sinkende Umgebungstemperaturen bei Reptilien. Anorexie, verminderte Futteraufnahme, massive Lebererkrankungen und die Gabe von Allopurinol können im Blut die Harnsäurewerte absinken lassen. Auch das Alter der Tiere (Stacy et al. 2000), das Geschlecht (Leineweber et al. 2019; Stacy et al. 2000), die Haltungsform (Padilla et al. 2011) und die Jahreszeit (Laube et al. 2016; Leineweber et al. 2019; Yang et al. 2014) können einen Einfluss auf die Nierenparameter im Blut haben. Die Blutanalyse sollte daher bei Tieren stattfinden, die gefastet haben, normotherm sind und vor bzw. nach der Flüssigkeitstherapie je nach Dehydratationszustand.
Nierenerkrankungen führen häufig zu Azotämie und Hyperosmolalität. Außerdem kann es zu einer Hypercholesterinämie, Hyperphosphatämie, Hypocalcämie, Hyperchlorämie, Hyponatriämie, Hyperkaliämie, steigender Aspartat-Aminotransferase (AST), zum Teil steigender Gamma-Glutamyltransferase (GGT) und Anämie kommen.
Bei Arten, die eine Harnblase besitzen, wie die Europäischen Landschildkröten, kann auch Harn aus der Blase punktiert und untersucht werden. Wichtig zu beachten ist jedoch, dass der Harn aus den Ureteren nicht direkt in die Harnblase gelangt, sondern erst in die Kloake, sodass es zu Kontaminationen kommen kann. Zudem wird z. B. bei Schildkröten Wasser sowohl aus der Blase resorbiert als auch Wasser über die Kloake beim Baden aufgenommen und gespeichert, was das spezifische Gewicht im Harn beeinflusst.
Fazit:
Die Diagnostik von Nierenerkrankungen bei Vögeln und Exoten ist herausfordernd. Die Wahl geeigneter Parameter richtet sich nach der Lebensweise und Physiologie der jeweiligen Tierart.
Dr. Christoph Leineweber
Unsere Leistungen rund um Exoten
• Vogel-Screening
• Reptilien-Screening (klein und groß)
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• Fisch-Screening
• sowie weitere Einzelparameter
Literatur
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