Als Tierärzte sind wir uns der Bedeutung von neu auftretenden Viruserkrankungen bewusst. Besonders, wenn sie sich schnell ausbreiten und die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt sind. Das equine Coronavirus ist seit Langem als Verursacher von Durchfallerkrankungen bei Fohlen bekannt, wurde aber in den letzten Jahren auch mit Erkrankungen bei erwachsenen Pferden in Verbindung gebracht.
Coronaviren sind einzelsträngige, nicht segmentierte, behüllte RNA-Viren, die zur Familie der Coronaviridae gehören. Sie kommen bei zahlreichen Säugetier- und Vogelarten vor, wo sie verschiedene enterische, respiratorische, hepatische oder neurologische Erkrankungen verursachen. Das equine Coronavirus (ECoV) wird zusammen mit dem bovinen Coronavirus (BCoV) in die Gattung Betacoronavirus 1 eingeordnet. ECoV unterscheidet sich jedoch genetisch vom menschlichen SARS-CoV-2, und es gibt bisher keine Hinweise, dass sich Pferde damit infizieren oder SARS-CoV-2 auf andere Tiere oder Menschen übertragen könnten. Durch die hohe Speziesspezifität der Coronaviren erscheint auch eine Übertragung auf andere Tierarten oder umgekehrt als sehr unwahrscheinlich.
Die Ausscheidung des Virus erfolgt über den Kot von erkrankten oder asymptomatischen Pferden, sodass überwiegend der fäkal-orale Übertragungsweg bei der Verbreitung eine Rolle spielt. In großen Beständen mit engem Pferdekontakt ist auch eine vektorenabhängige Übertragung möglich. Das ECoV als klinisch relevantes Pathogen spielt sowohl bei Einzeltieren als auch bei Pferdebeständen eine Rolle; Ausbrüche treten überwiegend während der kalten Jahreszeit auf.
Symptome
Vor 11 Jahren wurde in Japan ein ungewöhnlicher Ausbruch von Fieber und gastrointestinalen Symptomen bei 2 – 4 Jahre alten Rennpferden beobachtet. Von den 132/600 (22 %) erkrankten Pferden zeigten nur 10 % enterische Symptome. Auf derselben Rennbahn kam es 3 Jahre später zu einem weiteren Ausbruch mit ähnlichen Symptomen. Ausbrüche wurden seitdem in ganz Europa und den USA beobachtet.
Aufgrund der kurzen Inkubationszeit kann bereits 72 – 96 Stunden nach der Inokulation ECoV-RNA nachweisbar sein und sie kann zudem bis zu 10 – 14 Tage post infectionem und bis zu 25 Tage nach dem ersten Auftreten klinischer Symptome detektiert werden.
Häufige Symptome bei klinisch erkrankten Tieren sind hohes Fieber, Anorexie, Lethargie und/oder gastrointestinale Symptome (Kolik oder Durchfall), wobei letztere nur in etwa 10 % der Fälle auftreten.
Die Abwesenheit von gastrointestinalen Symptomen wie Koliken und/oder Veränderungen der Kotkonsistenz kann mit dem vom Virus betroffenen Darmabschnitt zusammenhängen. ECoV kann nachweislich sowohl bei Fohlen als auch bei erwachsenen Pferden eine diffuse nekrotisierende Enteritis verursachen. Während die Enteritis bei Fohlen hauptsächlich mit Durchfall einhergeht, hat sie bei infizierten erwachsenen Pferden möglicherweise keinen Einfluss auf den Kotcharakter, da diese, wenn überhaupt, nur Koliksymptome zeigen. Die Morbiditätsrate liegt Berichten zufolge sehr variabel zwischen 17 und 57 %, wobei die Mortalität sehr gering ausfällt.
Interessant ist die Beobachtung, dass die klinische Ausprägung der ECoV-Infektion altersabhängig zu sein scheint, wobei auch Fohlen selten eine klinische Erkrankung entwickeln. Wie bei einigen anderen Viruserkrankungen (z.B. EHV4 & 5) scheint das ECoV hauptsächlich in Jungpferde- oder Fohlengruppen zu zirkulieren, ohne klinische Symptome zu verursachen. In Anbetracht des Fehlens dokumentierter Ausbrüche in großen Zuchtbetrieben scheint das zirkulierende Virus unter Fohlen und Zuchttieren einen Schutz vor klinischer Krankheit zu bieten. Treten allerdings Co-Infektionen mit den Erregern typischer Jungtiererkrankungen auf (z.B. Rotavirus oder Rhodococcus), ist mit eher schwereren Krankheitsverläufen zu rechnen.
Bei erkrankten Pferden häufig festgestellte hämatologische Veränderungen sind Leukopenie mit Neutropenie und/oder Lymphopenie, die zwar nicht ECoV-spezifisch sind, aber durchaus auf eine Viruserkrankung hindeuten können.
Bei adulten Pferden treten Komplikationen eher selten auf und äußern sich hauptsächlich durch eine Störung der gastrointestinalen Schleimhautbarriere bei Durchfallpatienten, die zu Endotoxämie, Septikämie und Enzephalopathie aufgrund einer intestinalen Hyperammonämie führen kann. Diese Pferde fallen mit Ataxie, Kreiswandern oder Kopfpressen auf. Das Auftreten von Komplikationen geht dementsprechend mit einer höheren Mortalität einher (bis zu 27 %). Je nach Komplikation können entsprechende Veränderungen in klinisch-chemischen Parametern auftreten (erhöhte Leberenzymaktivitäten, erhöhte Nierenwerte, Hypoproteinämien oder Elektrolytimbalancen).
Kommt es bei den Patienten infolge einer ECoV-Erkrankung zu systemischen Entzündungen oder Stoffwechselstörungen, kann eine intensive Therapie notwendig sein. Die meisten infizierten erwachsenen Pferde erholen sich jedoch mit minimaler oder sogar ohne medikamentöse Behandlung innerhalb von 2 – 4 Tagen. Bei Einzeltiererkrankungen scheint die Krankheitsdauer etwas kürzer zu sein (etwa 1 Woche) als bei einem Bestandsausbruch (etwa 3 Wochen). Generell ist aber nur eine symptomatische Therapie mit nicht-steroidalen Antiphlogistika, Flüssigkeitssubstitution, Adsorbentien, Laktulose und bei Endotoxämie eine Hufreheprophylaxe indiziert. Bei schweren Verläufen kann eine antibiotische Behandlung zur Verhinderung von Sekundärinfektion angeraten sein. Informationen zur Wirksamkeit einer antiviralen Therapie sind bisher nicht beschrieben.
Differenzialdiagnostisch müssen andere fieberhafte Erkrankungen sowie Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts in Betracht gezogen werden, die mit Fieber, Kolik und/oder Durchfall einhergehen.
Diagnostik von ECoV
Das Fehlen von gastrointestinalen Symptomen verleitet den Pferdepraktiker oft dazu, einen enterischen Erreger auszuschließen. Die festgestellte Leukopenie aufgrund von Neutropenie und/oder Lymphopenie ist zwar nicht spezifisch für ECoV, sollte aber die Diagnostik auf eine Viruserkrankung lenken.
RT-PCR wird zum Nachweis von ECoV in Fäkalien verwendet und hat sich als empfindlicher und spezifischer erwiesen als andere Testmethoden wie z.B. Elektronenmikroskopie und Antigen-Capture-ELISAs. Der RT-PCR-Test hat eine schnellere Durchlaufzeit und ist außerdem kostengünstiger. Das ECoV scheint wenig Tropismus für respiratorische Epithelzellen (im Gegensatz beispielsweise zum BCoV) aufzuweisen und wird daher eher selten in Nasentupfern nachgewiesen. Zu berücksichtigen ist, dass das ECoV auch bei asymptomatischen Pferden im Kot nachgewiesen werden kann und somit gesunde Ausscheidertiere eine Infektionsquelle darstellen können.
Es scheint, dass bei klinisch erkrankten Pferden eine längere Dauer und höhere Spitzenwerte der Virusausscheidung beobachtet werden als bei nicht klinisch erkrankten Pferden, obwohl beide Gruppen zur Kontamination der Umwelt und zur Übertragung des Virus beitragen können.
Zu berücksichtigen ist, dass eventuell in der frühen Phase der Infektion das Virus noch nicht im Kot nachgewiesen werden kann. Eine Wiederholung der Untersuchung nach beispielsweise 2 Tagen ist daher angeraten.
Während mehrere Faktoren, wie z.B. der Virusstamm, das Alter des Patienten und die Co-Morbidität, den Ausgang der Infektion beeinflussen, konnte in einer kürzlich durchgeführten Studie die mittels RT-qPCR gemessene ECoV-Viruslast mit der Mortalität in Verbindung gebracht werden, wie dies auch bei anderen Coronaviren, z.B. dem felinen Coronavirus (FCoV) und dem menschlichen SARS-CoV-2, beobachtet wurde.
Für die Diagnostik post mortem ist es aufgrund der schnellen Autolyse des Gastrointestinaltrakts wichtig, eine schnelle Sektion für die Probenentnahme durchzuführen. Geeignet sind hierfür z.B. Kot- oder Gewebeproben von Magen- oder Darmschleimhaut, die für den ECoV-Nachweis eingefroren (Kot) und zur pathologischen Beurteilung in Formalin eingelegt werden (Gewebe). Die PCR kann auch aus Gewebeproben durchgeführt werden.
Prophylaxe
Es gibt noch keine Impfstoffe gegen ECoV, und spezifische vorbeugende Maßnahmen sind kaum vorhanden. Aufgrund der engen genetischen Homologie von ECoV mit BCoV wurden kürzlich serologische Reaktionen auf BCoV-Impfstoffe untersucht, die messbare Antikörper gegen BCoV zeigten. Diese werden aufgrund fehlender Wirksamkeitsdaten derzeit nicht zur Anwendung empfohlen.
Eckpfeiler der ECoV-Prävention sind konsequente Hygienemaßnahmen, die darauf abzielen, das Risiko der Einschleppung und Verbreitung von ECoV auf dem Betriebsgelände zu reduzieren. Die Tenazität von Coronaviren ist gering: So überlebt das ECoV in der Umgebung nur wenige Tage, die Überlebensrate steigt allerdings mit sinkenden Temperaturen. Es wurde gezeigt, dass SARS-CoV-2 bis zu 2 Tage in Abwasser und entchlortem Leitungswasser, 3 Tage in Fäkalien und 17 Tage in Urin bei Raumtemperatur überleben kann. Die Überlebensdauer des Virus ist bei niedrigeren Temperaturen sogar noch länger. Gängige Desinfektionsmittel sind in der Lage, ECoV zu inaktivieren.
Betroffene Pferde sollten schon frühzeitig isoliert gehalten werden, um eine Ausbreitung im Bestand zu verhindern. Es empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle der inneren Körpertemperatur der übrigen Tiere. Quarantänemaßnahmen bei einem Bestandsausbruch sollten für mindestens 6 Wochen nach dem letzten Auftreten klinischer Symptome aufrechterhalten werden.
Fazit
Bei der Aufarbeitung von Fieberpatienten mit Anorexie und Lethargie, mit oder ohne gleichzeitige enterische Symptome, sollte das equine Coronavirus als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden. Isolationsmaßnahmen sollten getroffen werden, bis ECoV sowie andere potenzielle Infektionserreger (z.B. Influenza-A-Virus, Equines Herpesvirus 1 und 4, Streptococcus equi equi) durch eine PCR-Untersuchung ausgeschlossen worden sind. Die Diagnostik bei fieberhaften Erkrankungen unklarer Genese stellt eine Ausschlussdiagnostik dar, bei der man nur mit der korrekten Probenentnahme zum Ziel gelangt. Nicht nur die Art der Probe, sondern auch der Entnahmezeitpunkt und die Lokalisation sollten bei der Interpretation der Laborbefunde berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich, zusätzlich zu einer EDTA-Vollblutprobe (für die Hämatologie und Erreger-PCR) immer zeitgleich einen tiefen Nasentupfer (besser nasopharyngeal) ohne Medium und einen Tupfer aus Faeces zu entnehmen und für ein PCR-Profil in das Labor zu senden. Besonderheiten bei der Tupferprobenentnahme bezüglich Lokalisation und Material für spezielle Erregernachweise sind in Tabelle 1 aufgeführt. Wird in dem eingesandten Untersuchungsmaterial kein Erreger nachgewiesen, ist eine Nachtestung wenige Tage später und/oder eine Beprobung mehrerer Tiere desselben Bestandes anzuraten. Dies kann sinnvoll sein, um auch subklinisch infizierte Individuen aufzudecken, die das Virus ebenfalls asymptomatisch ausscheiden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Pferdepraktiker von den Erkenntnissen profitieren können, die in den letzten 10 Jahren auf dem Gebiet von ECoV bei erwachsenen Pferden und Fohlen gewonnen wurden. Obwohl weitere Untersuchungen erforderlich sind, haben wir mehr Einblicke in die Krankheit, ihr klinisches Bild, verfügbare Diagnoseinstrumente und Behandlungsmodalitäten, um eine erfolgreiche Diagnose und Behandlung von mit ECoV infizierten Pferden durchzuführen.
Tabelle 1: Darstellung verschiedener beim Pferd relevanter Infektionserreger und die richtigen Probenmaterialien für die optimale Diagnostik
Erreger | Probenmaterial | Besonderheiten | Untersuchungsmethode |
EHV 1 und 4 | Fieber/resp. Symptome: EDTA-Vollblut + Nasentupfer
Abort: Abortmaterial, Plazenta, Fruchtwasser EHM: Liquor, Gehirn |
Tupfer ohne Medium | PCR |
EHV 2 und 5 | Nasentupfer,
EHV2: Abstrich Kornea |
Tupfer ohne Medium
Auge: Cytobrush möglich |
PCR |
Influenza-A-Virus | Nasentupfer | PCR | |
Strep. equi equi/zooepidemicus | Nasentupfer, Luftsack- oder Rachenspülprobe | PCR: Tupfer ohne Medium, Kultur: Tupfer mit Medium | PCR oder kulturelle Anzucht |
Rhodococcus equi | Nasentupfer, Abszessmaterial, Faeces | Tupfer ohne Medium | PCR |
Equines Coronavirus | Faeces, Gewebe (Darm) | Tupfer ohne Medium, Gewebeproben nativ | PCR |
Lawsonia intracellularis | Faeces | Tupfer ohne Medium | PCR |
Equines Arteritisvirus | Akut: Nasentupfer, Konjunktivaltupfer, Vaginalabstrich, Abortmaterial + EDTA-Vollblut
Hengste: Samen ohne Verdünner |
Tupfer ohne Medium, am besten Tupfer von verschiedenen Entnahmelokalisationen | PCR |
Charlotte Hoffmann-Timmol, DVM und Dr. Svenja Möller