Zubildungen der Maulhöhle spielen bei Hund und Katze gleichermaßen eine Rolle. Im Gegensatz zu Umfangsvermehrungen der Haut, die meist schneller auffallen, bleiben Läsionen innerhalb der Maulhöhle häufig länger unentdeckt. Erst nach Erreichen einer bestimmten Größe, durch vermehrtes Speicheln oder Störungen bei der Futteraufnahme werden viele Tierbesitzer darauf aufmerksam. Eine regelmäßige Adspektion der Maulhöhle ist daher vorbeugend wichtig.
Neben einer Reihe entzündlicher Läsionen können in der Maulhöhle verschiedene epitheliale, mesenchymale, melanozytäre oder Rundzellneoplasien auftreten – wie auch in anderen Lokalisationen und Organsystemen. Als Besonderheit gibt es nur in der Maulhöhle die sogenannten odontogenen Tumoren und Zysten, die von den unterschiedlichen Bestandteilen der Zähne, der Zahnanlagen und dem umgebenden Stroma ausgehen. Abgeleitet von den beteiligten Zellursprungstypen existiert für odontogene Zubildungen aktuell eine eher beschreibende Nomenklatur. Viele Namen sind in Anlehnung an die humanmedizinische Klassifikation odontogener Tumoren entstanden, die jedoch nicht eins zu eins mit den veterinärspezifischen Varianten gleichzusetzen ist. Durch vergleichende Pathologie und neue Erkenntnisse unterliegt die Nomenklatur in den letzten Jahren und aktuell einem stetigen Wandel. Auf die besonderen Eigenschaften odontogener Zubildungen anhand einer Auswahl von vier Vertretern wird im folgenden eingegangen.
Canines akanthomatöses Ameloblastom
Das canine akanthomatöse Ameloblastom (CAA) (Abbildung 2) kommt ausschließlich beim Hund vor und war vormals als akanthomatöse Epulis oder peripheres Ameloblastom bekannt. Es stellt den häufigsten Vertreter beim Hund dar. CAA können überall in der Maulhöhle angrenzend an Zähne vorkommen, in circa 50% der Fälle ist aber die rostrale Mandibula betroffen. Das Auftreten des CAA wird insbesondere bei mittelgroßen und großen Rassen berichtet, es können aber grundsätzlich alle Rassen betroffen sein.
Da bislang keine Metastasen beschrieben worden sind, wird das CAA als benigne Neoplasie eingestuft. Nichtsdestotrotz kann das CAA ein sehr variables biologisches Verhalten aufweisen, das sich von einem langsamen und nur minimal lokal invasiven Wachstum bis hin zu einem schnellen und ausgedehnt invasiven Wachstum mit Knochenbeteiligung erstreckt. Insbesondere die vorwiegend intraosseär wachsenden CAA sind mit einem hochaggressiven biologischen Verhalten assoziiert. Einhergehend mit Zahnverlust, können diese Tumoren zu einer massiven Destruktion und Osteolyse des zugrundeliegenden Kieferknochens führen, was röntgenologisch festgestellt werden kann.
Der exakte Zellursprung des CAA ist noch nicht eindeutig geklärt. Es wird aktuell aber am ehesten davon ausgegangen, dass diese Tumoren ihren Ursprung vom odontogenen und nicht vom Schleimhautepithel nehmen. Immunhistochemische Studien zur Bestimmung einer definitiven Ursprungszelle waren bislang nicht erfolgreich.
Makroskopisch stellt sich das CAA sehr variabel dar und lässt sich rein morphologisch nicht von anderen oralen Läsionen wie beispielsweise Gingivahyperplasie, fibromatöser Epulis oder Plattenepithelkarzinom abgrenzen. Da all diese Läsionen eine unterschiedliche Prognose und einen anderen Behandlungsansatz aufweisen, unterstreicht dies die Wichtigkeit einer zuverlässigen Diagnosestellung mittels histologischer Untersuchung.
Im Gegensatz zur sehr variablen Makroskopie haben CAA unabhängig vom biologischen Verhalten (langsam progressives versus aggressiv invasives Wachstum) ein charakteristisches und einheitliches histologisches Erscheinungsbild, bei welchem die odontogene epitheliale Komponente vorherrschend ist und sich homogen darstellt. Eine intraepitheliale Zystenbildung durch Degeneration ist möglich. Die Unterscheidung zwischen CAA und einem Plattenepithelkarzinom kann infolge der variablen intraepithelialen Keratinisierung mikroskopisch eine Herausforderung darstellen und in manchen Fällen sogar unmöglich sein. Abschließend lässt sich festhalten, dass neben der histologischen Untersuchung zusätzliche bildgebende diagnostische Verfahren (Röntgen, Computertomographie) nützliche Werkzeuge für Therapieplanung und Prognoseeinschätzung sind. Es wird allgemein empfohlen, die Neoplasie vollständig chirurgisch zu entfernen mit Tumorrändern, die zwei Zentimeter im Gesunden liegen. Dann ist die Prognose günstig und Rezidive treten nur selten auf.
Fibromatöse Epulis ausgehend vom periodontalen Ligament (“Fibromatous epulis of periodontal ligament origin”) / Peripheres odontogenes Fibrom
Die fibromatöse Epulis ausgehend vom periodontalen Ligament/das periphere odontogene Fibrom (FEPLO/POF), auch bekannt als “Epulis” oder “fibromatöse/ossifizierende Epulis”, stellt eine sehr häufige Gingivazubildung bei Hunden (und selten Katzen) jeden Alters dar. Diese Läsion kann fokal oder multifokal in sämtlichen Bereichen der Gingiva auftreten. Die Bezeichnung “Epulis” hat während der vergangenen Jahrzehnte eine große Zahl an Nomenklaturänderungen erlebt und ein klarer Konsens zur zutreffendsten Benennung wurde bislang nicht gefunden. Man geht davon aus, dass es sich eher um eine reaktive hyperplastische Läsion und nicht um einen Tumor handelt.
Makroskopisch wachsen diese Zubildungen häufig als exophytische, blass rosafarbene Massen auf der Gingiva, die eine glatte oder unregelmäßige Oberfläche aufweisen und ulzeriert sein können. Histologisch bestehen sie überwiegend aus proliferierten mesenchymalen Zellen mit unterschiedlichem Gehalt an odontogenem Epithel und der zahnzement-osseären Matrix. Da diese proliferativen Läsionen kein lokal invasives Wachstum aufweisen und eine vollständige chirurgische Entfernung kurativ ist, ist die Prognose günstig.
Amyloid-produzierender odontogener Tumor
Der amyloid-produzierende odontogene Tumor (APOT; auch amyloid-produzierendes Ameloblastom, APA) kommt selten vor und betrifft hauptsächlich Katzen, kann aber auch bei Hunden und verschiedenen anderen Tierarten auftreten. APOT fallen klinisch als umschriebene, nicht bekapselte Massen auf, die sowohl in der Gingiva als auch im knöchernen Gewebe von Maxilla oder Mandibula entstehen können. Ein lokal invasives Wachstum ist möglich, aber nicht die Regel. Deshalb werden APOT grundsätzlich als benigne eingestuft. Röntgenologisch stellen sich diese Tumoren sehr variabel dar, da sie sehr unterschiedliche Mengen an mineralisiertem Material enthalten können.
Der exakte Zellursprung des APOT ist bislang unklar. Man nimmt aber an, dass Komponenten des odontogenen Epithels an der Entstehung beteiligt sind. Als besonderes Merkmal zeigt sich histologisch eine extrazelluläre Ablagerung eines pinken, azellulären Materials, das mittels Spezialfärbung (Kongorot) als Amyloid identifiziert werden kann, was für die Namensgebung des Tumors ausschalggebend ist. Die röntgenologisch nachweisbaren verkalkten Areale sind häufig assoziiert mit den Amyloidablagerungen.
Aufgrund des potentiell lokal aggressiven Wachstums ist – sofern aufgrund der Lokalisation möglich – eine vollständige chirurgische Entfernung der Tumormasse mit Rändern, die circa einen Zentimeter im Gesunden liegen, sinnvoll. Auch wenn noch kaum Studien zum genauen biologischen Verhalten der APOT existieren, scheint dieses chirurgische Vorgehen kurativ zu sein.
Feliner induktiver odontogener Tumor
Bei dem felinen induktiven odontogenen Tumor (FIOT) (Abbildung 3) handelt es sich um eine selten vorkommende Neoplasie der Hauskatze ohne bekannte Geschlechts- oder Rassedisposition. Es sind typischerweise junge Katzen unter einem Jahr betroffen. Klinisch werden diese Tumoren meist im Bereich der rostralen Maxilla beobachtet, sie können aber überall im mandibulären und maxillären Knochen oder im gingivalen Weichteilgewebe entstehen. Röntgenologisch stellen sich diese Tumoren als lokalisierte Massen dar, häufig angrenzend an einen nicht durchgebrochenen Zahn. Es können auch kleine Mineralisierungsherde nachweisbar sein.
Histologisch ist der FIOT gekennzeichnet durch das Vorhandensein verschiedener Gewebselemente der Zahnanlage. Da sich das histologische Bild allerdings sehr variabel darstellen kann, sind vorberichtliche Informationen zu Tierart und Alter sehr wichtig, da je nach Probenqualität eine Diagnose nur in Kombination mit der Klinik möglich ist. Zum biologischen Verhalten des FIOT ist bislang nur wenig bekannt.
Da infiltratives Wachstum vorkommen kann, empfiehlt sich eine vollständige chirurgische Exzision mit Tumorrändern, die einen Zentimeter im gesunden Gewebe liegen. Dann ist von einer guten Prognose auszugehen. Es besteht kein bekanntes metastatisches Potential.
Zusammenfassung
Da makroskopisch häufig keine Unterscheidung zwischen verschiedenen proliferativen Läsionen der Maulhöhle möglich ist, ist eine histologische Untersuchung zu empfehlen. Die auftretenden Überschneidungen zwischen verschiedenen Entitäten kann in manchen Fällen eine diagnostische Herausforderung darstellen. Letzteres unterstreicht die Wichtigkeit eines ausführlichen klinischen Vorberichts (Tierart und Alter, Angabe der exakten Entnahmelokalisation, röntgenologisch Osteolyse ja/nein) sowie einer guten Probenqualität.
Tabelle 1: Überblick über charakteristische Merkmale von CAA, FEPLO/POF, APOT und FIOT
Merkmal | CAA | FEPLO/POF | APOT | FIOT |
Häufigkeit | häufig | häufig | selten | selten |
Tierart | Hund | Hund, Katze | Katze, Hund | Katze |
Alter | jedes Alter | jedes Alter | jedes Alter | < 1 Jahr |
Prädisponierte intraorale Lokalisation | rostrale Mandibula | Gingiva | Gingiva, Maxilla, Mandibula | Rostrale Maxilla |
Entität | Tumor | Reaktiv vs. Tumor? | Tumor | Tumor |
Knocheninvasion | möglich | nein | möglich | möglich |
CAA: Canines akanthomatöses Ameloblastom; FEPLO/POF: Fibromatöse Epulis ausgehend vom periodontalen Ligament/Peripheres odontogenes Fibrom; APOT: Amyloid-produzierender odontogener Tumor; FIOT: Feliner induktiver odontogener Tumor.
Dr. Christina Stadler, Fachtierärztin für Pathologie & Cynthia de Vries, DVM, MSc, Dipl. ECVP