Der relevanteste in Europa vorkommende Vertreter des Genus Orthopoxvirus stellt das Kuhpockenvirus („cowpox“ virus) dar, welches zur Familie der Poxviridae zählt. Kuhpockenviren besitzen ein zoonotisches Potential und treten endemisch in Europa sowie in Nord- und Zentralasien auf.
Als Wirte wurden bislang zahlreiche Spezies identifiziert, unter anderem der Mensch, Farbratten und Katzen. Darüber hinaus finden sich einzelne Nachweise auch bei Hunden, Primaten sowie Elefanten, Nashörnern und exotischen Feliden. Als natürliches Reservoir für Kuhpocken gelten wild lebende Nagetiere, vor allem Wühlmäuse (z.B. Rötelmaus). Haustiere mit engem Kontakt zum Menschen stellen die größte Zoonose-Gefahr dar.
Feline Kuhpockeninfektionen treten relativ selten auf. Diese werden jedoch oftmals klinisch nicht erkannt und stellten in den vergangenen Jahren einen wichtigen Transmissionsweg vom Tier zum Menschen dar.
Infektionen werden überwiegend bei Katzen beobachtet, die Freigänger sind. Sie treten vor allem im Spätsommer sowie im Herbst auf, da zu diesem Zeitpunkt die Nagetierpopulation ihren Höhepunkt aufweist.
Die Primärinfektion erfolgt meist durch lokale Bisswunden insbesondere im Bereich der Vorderextremitäten, im Brustbereich sowie im Gesicht durch infizierte Beutetiere. Initial handelt es sich um lokale kleine Veränderungen, die sich durch sekundäre Infektionen verschlechtern können. Multiple/generalisierte Hautläsionen können sich durch eine leukozytenassoziierte Virämie innerhalb weniger Wochen entwickeln.
Systemische Veränderungen werden bei immunkompetenten Katzen selten beobachtet, bei Katzenwelpen, immunsupprimierten Tieren und exotischen Feliden (Geparden) sind jedoch fatale Pneumonien zu beobachten.
Es ist zu beachten, dass einzelne Fallberichte existieren, die eine rein respiratorische Symptomatik oder nur sekundäre, atypische Hautläsionen aufgezeigt haben. In diesen Fällen konnte die Diagnose erst nach Biopsieentnahme, der betroffenen Lokalisationen bzw. mittels weiterführender Untersuchung gestellt werden.
Klinik
Bei der klinischen Vorstellung handelt es sich vorberichtlich überwiegend um Freigänger, welche schlecht heilende bis sich ausbreitende Hautläsionen besonders im Kopf und Brustbereich oder an den Vorderpfoten und Ohren aufweisen. Diese Läsionen stellen sich initial als gut umschriebene, zuerst kleine hyperämische Flecken oder Maculae dar, welche zu Papeln und Knoten heranwachsen. Als charakteristisches Merkmal entwickeln diese eine zentrale Ulzeration mit abgesenkter Nekrose. Derartige Veränderungen können auch an der Zunge sowie der Maulschleimhaut vorkommen. In der Regel heilen die krustösen Veränderungen mit Narbenbildung innerhalb von 3 – 12 Wochen ab. Rezidive treten in der Regel nicht auf, jedoch kann sich die Abheilung in Verbindung mit einer Sekundärinfektion (bakteriell oder mykotisch) verzögern. Systemische Veränderungen können in der virämischen Phase beobachtet werden, stellen sich jedoch als mild dar. Sollten jedoch feline Kuhpocken als Co-Infektion bei immunsupprimierten Tieren, im Rahmen von Infektionen mit felinem Immundefizienzvirus (FIV), felinem Leukosevirus (FeLV) oder felinem Parvovirus auftreten, kann dies zu fatalen Komplikationen führen. Tödliche Pneumonien können auch aufgrund einer iatrogenen Immunsuppression (Kortikosteroid-Therapie) beobachtet werden.
Es ist zu beachten, dass auch ungewöhnliche Manifestationen von Kuhpockeninfektionen entstehen können, diese wurden erst kürzlich in der Literatur beschrieben (Jungwirth et al., 2018). Diese Patienten wurden aufgrund einer anderen Symptomatik (z.B. Trauma) vorstellig und entwickelten im Nachhinein Hautveränderungen, welche durch eine lokal ausgeprägte Ödematisierung und Hyperämie der Haut gekennzeichnet waren, sowie milde Plaque im Bereich der Extremitäten.
Eine weitere ungewöhnliche Präsentation zeigte eine junge Katze (Schöniger et al., 2007). Diese wurde vorstellig mit rein respiratorischer Manifestation mit beginnender akuter Dyspnoe, gefolgt von einem Pneumothorax. In diesem Fall wurde eine Biopsie entnommen, diese wies eine nekrotisierende bis proliferative bronchointerstitielle Pneumonie mit Pneumozyten auf, welche indikative intrazytoplasmatische Einschlüsse aufwiesen. Mittels molekularbiologischer Untersuchung konnte die Diagnose „feline Kuhpocken“ gestellt werden.
Erregernachweis
Als Mittel der Wahl für den Erregernachweis gelten die Gewebebiopsie mit anschließender pathohistologischer Untersuchung sowie die molekularbiologische Untersuchung mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zum Nachweis von viraler DNA.
Es ist zu beachten, dass die Biopsie im Randbereich mit epidermalen und dermalen Anteilen entnommen wird, da sich in diesen charakteristische Strukturen (Einschlusskörperchen) nachweisen lassen. In frühen Läsionen ist eine Diagnosestellung oftmals leichter, da in späten Veränderungen großflächige Nekrosen mit Gewebeverlust dominieren können.
Bei der histologischen Untersuchung findet sich typischerweise eine hochgradige epidermale und adnexale Nekrose (Abb. 1) mit großen, intrazytoplasmatischen, eosinophilen Einschlusskörperchen (Abb. 2).
Die histologische Untersuchung wird empfohlen, um den möglichen Verdacht auf eine feline Kuhpockeninfektion zu bestätigen sowie einen sekundären Prozess bzw. weitere mögliche Differenzialdiagnosen abzuklären.
Differenzialdiagnosen
Nicht oder schlecht heilende, sich ausbreitende krustöse Veränderungen im Kopfbereich, an den Ohren sowie den Extremitäten bei der Katze können zahlreiche infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen haben, die von einer felinen Kuhpockeninfektion abgegrenzt werden müssen.
Differenzialdiagnostisch kommen bakterielle sowie mykotische Infektionen in Betracht, aber auch ein autoimmuner Prozess wie ein Pemphigus foliaceus, welcher sich histologisch mit subkornealen und intrakornealen neutrophilen Pusteln mit akantholytischen Keratinozyten (abgerundete und hypereosinophile Keratinozyten) präsentiert. Diese abgestorbenen akantholytischen Zellen können fälschlich als eosinophile Einschlusskörperchen interpretiert werden. Eine weitere Differenzialdiagnose kann der sogenannte eosinophile Granulomkomplex darstellen. Dieser weist histologisch in ausgeprägter Form eine hochgradige dermale Eosinophilie mit typischen „flame figures“ auf. Aber auch neoplastische Prozesse (z.B. das bowenoide In-situ-Karzinom oder das Plattenepithelkarzinom) stellen mögliche Differenzialdiagnosen dar. Darüber hinaus sollten auch andere virale Infektionen, wie das feline Herpesvirus 1 als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden. Das feline Herpesvirus 1 kann sich histologisch sehr ähnlich wie feline Kuhpocken darstellen, mit dem Unterschied, dass dieses charakteristische intranukleäre basophile Einschlusskörperchen aufweist, im Gegensatz zu den felinen Kuhpocken, welche intrazytoplasmatische eosinophile Einschlüsse zeigen. Oftmals sind Einschlusskörperchen histologisch jedoch nicht nachweisbar oder nur sehr schwer zu identifizieren.
Therapie und Management
Es gibt keine spezifische Therapie für eine kutane Kuhpockeninfektion. Diverse unterstützende Maßnahmen zur Verhinderung einer sekundären bakteriellen Infektion, wie zum Beispiel eine gründliche Reinigung und bei Bedarf eine Antibiose, können indiziert sein. Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf brauchen eine intensive unterstützende Therapie. Eine Behandlung mit Glukokortikoiden ist kontraindiziert.
Eine Isolation der Katze bis zur vollständigen Abheilung der Läsionen sowie dementsprechende Hygienemaßnahmen werden empfohlen. Als effektiv erweisen sich die laut Deutscher Veterinärmedizinischen Gesellschaft empfohlenen viruziden Desinfektionsmittel (Alkohol sowie Ethylether sind nicht geeignet). Zusätzlich ist eine Inaktivierung bei >80°C möglich.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass Viruspartikel in Krustenmaterial sowie in trockenen Tupfern bei Raumtemperatur über einen längeren Zeitraum (Monate) aktiv bleiben können.
Grundsätzlich gilt, dass der Kontakt zu Kindern und immunsupprimierten Personen bis zur vollständigen Abheilung vermieden werden sollte – speziell aufgrund der hohen Viruslast im Krustenmaterial sowie im Sekret der Hautwunden von infizierten Tieren.
Fazit
Die feline Kuhpockeninfektion ist eine seltene, jedoch sporadisch immer wieder vorkommende Zoonose, die speziell Freigängerkatzen betrifft. Zeigen sich klinisch schlecht heilende, erhabene papulöse bis pustulöse Hautveränderungen mit zentraler Einziehung besonders im Kopf- und Brustbereich und an den Vorderextremitäten, sollte eine Pockenvirusinfektion in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus wird empfohlen, Besitzer über das zoonotische Potential zu informieren, speziell bei immunsupprimierten Kontaktpersonen, und eine weiterführende Abklärung (histologische Untersuchung und/oder molekularbiologische Untersuchung) durchzuführen.
Es ist zu beachten, dass, laut Tierseuchenrecht eine Säugerpockeninfektion meldepflichtig ist und somit eine Meldung an die zuständige Veterinärbehörde erfolgen muss.
Dr. Nicole Jungwirth