Die beiden wichtigsten Retrovirusinfektionen der Katze, FIV und FeLV, begleiten einen durch die tägliche Praxis und den Laboralltag.
Es vergeht sicher kaum ein Tag an dem man nicht einen In-Praxis-Test durchführt oder eine Probe ins Labor schickt.
Doch was genau steckt hinter diesen Viren?
Schon 1904 wurden die ersten „Leukämieviren“ bei Hühnern entdeckt. Retroviren sind behüllte RNA-Viren mit den drei charakteristischen Hauptstrukturgenen gag-env-pol.
Der „Vorteil“ einer Hülle ist, dass sie aus einer Protein-Lipid-Doppelmembran mit wichtigen Hüllproteinen besteht, die zum einen den Infektionsverlauf beeinflussen kann, aber auch auf Desinfektionsmittel viel empfindlicher reagiert als beispielsweise unbehüllte Viren wie Parvo und Calici.
Sprich: sie haben eine geringere Tenazität, sind empfindlich für Seifen und Waschmittel sowie haushaltsübliche Desinfektionsmittel.
Bei der Vermehrung von RNA-Viren gibt es keine Fehlerkorrekturfunktionen, sodass häufige Mutationen eine rasche Evolution erlauben, die auch medizinische Folgen haben kann. Sie können sich sehr rasch ihrem Wirtszellorganismus anpassen und sich dadurch einen Überlebensvorteil sichern. Dies macht die Entwicklung von Impfstoffen schwierig und kann auch in der Diagnostik dieser Infektionen zu Problemen führen.
Felines Leukämie Virus
FeLV wurde im Jahr 1964 erstmals beschrieben und wird direkt von Katze zu Katze übertragen. Hauptübertragungsquelle ist dabei der Speichel. Bissverletzungen stellen ein großes Übertragungspotential dar, weil hier der infektiöse Speichel direkt in die Blutbahn gelangen kann. In den meisten Fällen kommt es zunächst zu einer oropharyngealen Infektion. Das Virus dringt in die Schleimhäute ein und vermehrt sich dort innerhalb von zwei Tagen sowie in den Tonsillen und retropharyngären Lymphknoten. Über infizierte Lymphozyten und Monozyten gelangt das Virus nach etwa zwölf Tagen in den Blutkreislauf und weiter in das Knochenmark.
Eine auftretende Lymphopenie beruht auf dem Verlust hauptsächlich von CD4+T-Lymphozyten. Anfänglich fallen auch die CD8+Zellzahlen ab, erholen sich aber nach einiger Zeit. Durch den T-Zellverlust kommt es zur Reduzierung der zellvermittelten Abwehr. Die übrigen T-Zellen zeigen eine reduzierte Aktivität.
Das Hüll- bzw. Transmembranprotein p15E ist verantwortlich für das Eindringen des Virus in die Zelle. Entsprechende neutralisierende Antikörper verhindern dies und darüber hinaus wahrscheinlich eine persistente Infektion!
Neue Forschungen zum Nachweis von Antikörpern gegen p15E zeigen vielversprechende Ergebnisse für Diagnostik und Prognose.
Zu den primären Infektionsfolgen zählen die Organschädigungen, die aus der Virusvermehrung resultieren. Es kommt vor allem zu einer FeLV-assoziierten Knochenmarkdepression. Hierbei werden die mitotisch aktiven Zellen der hämatopoetischen Linien infiziert. In der frühen virämischen Phase steht eine Knochenmarkhypoplasie mit verschiedenen Graden von Anämie, Leukopenie und Thrombozytopenie im Vordergrund. Eine Anämie tritt bei fast 50 % der FeLV-infizierten Katzen auf, bei etwa 8 % führt sie zum Tod. Dabei handelt es sich vorwiegend um eine aplastische Anämie, die durch eine gestörte Erythropoese verursacht wird. Eine verminderte Anzahl von Retikulozyten weist auf eine nicht regenerative Anämie hin.
Kommt es bei der Katze zu einer Infektion mit FeLV, so führt diese in ca. 45 % der Fälle nur zu einer transienten, abortiven Infektion mit kurzer Virämie. Das Immunsystem ist in der Lage, das Virus zu eliminieren. Die Katze erkrankt nicht. Darüber, ob die entstandenen virusneutralisierenden Antikörper in der Lage sind eine belastbare Immunität zu erzeugen, gibt es widersprüchliche Forschungsergebnisse.
In etwa 30 % der Infektionen entwickelt sich zwar eine ausreichende Immunantwort, um eine Virusreplikation zu verhindern, doch ist eine Viruselimination nicht möglich. Resultat ist eine latente Infektion, wobei die Fibroblasten des Knochenmarks den Latenzort darstellen. Dies wird auch als regressive Infektion bezeichnet. Bei diesen Katzen kann zwar Provirus nachgewiesen werden, doch sind sie p27, sprich im Antigen-ELISA negativ.
Andere Infektionserkrankungen oder Stress können zu einer Reaktivierung mit Virämie führen.
In den übrigen Fällen kommt es zur persistenten Infektion, die meist in einem heftigen und kurzen Krankheitsverlauf endet.
Zur Diagnose der FeLV ist der Antigennachweis im ELISA üblich. Ein Problem stellt der Nachweis in der Latenzphase dar, da sich in dieser Zeit kein Antigen nachweisen lässt.
Dies führt vor allem dann zu Verwirrung und Diskreditierung des Impfstoffes, wenn diese Tiere nach einem negativen Test geimpft wurden und es, häufig erst nach Jahren, zu einer erneuten Virämie kommt und diese Katzen im Test positiv sind.
Eine Impfung gegen FeLV ist, da es sich um gentechnisch hergestellte Impfstoffe handelt, sehr sicher und verleiht eine relativ gute protektive Immunität. Da es sich dabei nicht um Vollerreger-Impfstoffe handelt, interferieren diese nicht mit den Nachweismethoden.
Ein Nachweis von proviraler FeLV-cDNA (Provirus) mittels PCR ist zur Bestätigung eines positiven Antigentests sinnvoll.
Problematisch ist dies allerdings in der Frühphase einer Infektion. Aus Studien ist bekannt, dass sogar geimpfte Katzen nach experimenteller Infektion bis zu 100 Tage positiv in der PCR sind, ohne zu erkranken und ohne Antigen zu bilden. Latent infizierte Katzen sind dauerhaft positiv, wenn man diese auf Provirus mittels PCR untersucht. Diese Tiere stellen aber ein großes Risiko dar, wenn man sie als Spender für Bluttransfusionen einsetzt! Einer neuen Studie zu Folge wurde Blut von antigen-negativen aber Provirus (PCR)-positiven Katzen auf SPF-Tiere transfundiert. Alle 15 Empfänger waren für mehr als 15 Wochen Provirus-positiv und zwei Katzen blieben persistent auch Antigen-positiv. Damit konnte der Beweis geführt werden, dass eine Übertragung der Infektion durch Bluttransfusion möglich ist.
Felines Immunschwäche Virus
Auch FIV gehört zur Familie der Retroviridae, allerdings zum Genus Lentivirus. Das Virus ist eng verwandt mit HIV, doch für den Menschen nicht infektiös. Es wurde kurz
nach der Entdeckung von HIV 1987 erstmals in Kalifornien beschrieben.
In der Epidemiologie der FIV-Infektion spielen Haltungs-und Umweltbedingungen sowie das Geschlecht der Katzen eine Rolle. Da FIV vor allem durch Bissverletzungen übertragen wird, ist die Inzidenz der infizierten Tiere in der Gruppe der nicht-kastrierten Kater über fünf Jahre am höchsten. Eine intrauterine Infektion oder eine Infektion über das Kolostrum führen zu Abort oder zum sogenannten „Fading-Kitten-Syndrome”. FIV ist weltweit verbreitet und kommt auch bei Wildfeliden vor. Die Prävalenz in Deutschland liegt bei ca. 3 – 5 %. Eine Infektion mit FIV erfolgt meist schon lange Zeit bevor die Katze erstmals gravierende klinische Symptome zeigt.
Die Infektionsanzeichen sind zunächst eher unauffällig. Beobachtet werden kurzzeitiges Fieber und ein Abfall der neutrophilen Granulozyten im peripheren Blut über einige Wochen. Deutlicher dagegen ist die auftretende Lymphadenopathie, die durchaus über einige Monate nachweisbar ist. Sehr selten treten schon zu diesem Zeitpunkt schwerere Verlaufsformen auf.
Durch die Infektion von immunkompetenten Zellen kommt es nach und nach zu einer Erschöpfung des Immunsystems.
Das Virus persistiert lebenslang. Es zeigt einen deutlichen Tropismus für T-Lymphozyten und Makrophagen. Hauptbetroffen von der Schädigung sind dabei die T-Lymphozytenfunktionen, wobei quantitative und auch qualitative Defekte der T-Helferzellpopulation vorherrschen. Dabei kommt es zuerst zu einem prozentualen und dann zu einem absoluten Abfall der CD4-Zahl. Der CD4+/CD8+- Quotient verkleinert sich mit fortschreitender Infektion. Die humorale Immunabwehr zeigt erst relativ spät Schäden in ihrer Funktion. Die Katzen zeigen nun eine ganze Reihe von Symptomen und Symptomkomplexen, je nach der Art der hinzu kommenden Sekundärinfektion. Dabei stehen Erkrankungen des Respirationstraktes wie Rhinitis, Bronchitis, Laryngitis und Pneumonien im Vordergrund.
Vor allem Erkrankungen der Maulhöhle mit schweren Gingivitiden sind in 30 bis 50 % der Fälle zu beobachten. In seltenen Fällen kommt es durch Schädigungen durch das Virus selbst zu ZNS-Erkrankungen und Augenveränderungen. FIV-positive Katzen können in ihrem Gleichgewichtssinn eingeschränkt sein. Neue Forschungen zeigen auch, dass die Plasmakonzentrationen von Hormonen durch eine Infektion beeinflusst werden können. Dabei kann es zu einer Erhöhung von T4 und fT4 kommen.
Die Diagnose von FIV wird in der Regel durch den Nachweis von Antikörpern mittels ELISA durchgeführt. Da es sich um eine persistierende Infektion handelt, lassen ab etwa 2-3 Wochen nach einer Infektion Antikörper nachweisen.
Ein Nachweis von Antigen ist vor allem in der Persistenzphase wegen der niedrigen Virusreplikationsrate schwierig und wird deshalb nicht in der Routine-Diagnostik durchgeführt.
Das Virus selbst kann mittels einer qualitativen oder quantitativen Polymerase Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden. Dabei wird die Viruslast (Anzahl
Viruspartikel im Plasma) oder auch die Proviruslast (Anzahl DNA-Kopien des viralen Genoms bezogen auf eine bestimmte Anzahl Lymphozyten) bestimmt.
Leider ist dieser Nachweis von Virusgenom mittels PCR manchmal problematisch, da es zahlreiche Subtypen und Varianten gibt, die einen Genomnachweis erschweren. So können seltene Stämme unter Umständen nicht erfasst werden. Bei Katzen, die mit
antiretroviralen Medikamenten (z.B. Zidovudine, AZT, CART [combined antiretroviral therapy] etc.) therapiert werden, führt dies entweder zur Blockade der Infektion neuer Zellen oder zur Verhinderung der Virusfreisetzung von bereits infizierten Zellen.
In diesen Fällen kann mittels einer quantitativen PCR die Viruslast bestimmt und so eine Therapiekontrolle durchgeführt werden.
Als weiterer guter prognostischer Parameter eignet sich die Erstellung eines zellulären Immunstatus, bei dem die Zahl von CD4-, CD8- und B-Zellen und ebenso der CD4+/ CD8+-Quotient bestimmt werden. Viele Katzen zeigen über Jahre Werte im Referenzbereich. Erst in der Spätphase der Infektion nimmt die Zellpopulation deutlich ab. Dies kann sogar so weit führen, dass keine Antikörper mehr gebildet werden können und ein Antikörpernachweis über einen FIV-ELISA-Test negativ ausfällt.
Die Lebenserwartungs-Prognose für eine Katze mit einer FIV-Infektion ist inzwischen nicht maßgeblich geringer als bei Katzen ohne Infektion. Zwar sollte der Besitzer versuchen, den Freigang soweit wie möglich einzuschränken, doch zeigen zwei Studien aus Schottland, dass nur ein minimales Risiko einer Ansteckung in einem Haushalt mit einer integrativen Katzengruppe besteht.
Infektionen mit Retroviren wie dem Felinen Leukämie-Virus (FeLV) und dem Felinen Immundefizienz-Virus (FIV) kommen in Deutschland mit einer Prävalenz von etwa 1,5 % resp. etwa 3,5 % in der Katzenpopulation vor. Der prozentuale Anteil an positiv getesteten Proben ist im Labor aber deutlich höher anzusiedeln, da hier meist schon deutliche Verdachtsmomente einer Infektion vorliegen und die Prävalenz daher bei mehr als 5 % bzw. 7 %. liegt.