Was genau ist Hypoadrenokortizismus?
Warum sagt man nicht mehr M. Addison?
Wie diagnostiziere ich den Hypoadrenokortizismus?
Tabelle 1: Rasseprädispositionen beim Hund für Hypoadrenokortizismus
Hunderassen | |
Erbliche Komponente nachgewiesen oder sehr wahrscheinlich | Pudel, Portugiesischer Wasserhund, Nova Scotia Duck Tolling Retriever, Soft Coated Wheaten Terrier, Bearded Collie |
Familäres Auftreten | Leonberger, Pomerania |
Erhöhtes Risiko | Deutsche Dogge, West Highland White Terrier, Rottweiler, Pyrenäen Berghund |
Reduziertes Risiko | Golden Retriever, Yorkshire Terrier, Lhasa Apso |
– Harnanalyse: Trotz der prärenalen Azotämie, die normalerweise mit einer Konzentration des Harns einhergehen sollte, kommt es beim HypoA zu einer Reduktion des Urin-spezifischen Gewichts (USG).
Das Na/K Verhältnis als Screening Methode
Tabelle 2: Differentialdiagnosen für ein erniedrigtes Na/K-Verhältnis
Reduziertes Na/K-Verhältnis |
Hypoadrenocortizismus |
Gastrointestinal
o Parasiten (Ancylostoma spp, Trichuris spp) o Salmonellose o Parvovirose, Staupe o Schwere Malabsorption o Duodenale Perforation o Magendrehung |
Pyometra |
Mykotoxine |
Leberversagen |
Chylothorax |
Kongestives Herzversagen |
Primäre Polydipsie |
Auch gesunde Hunde können im Cortisol-Screening sehr niedrige Werte zeigen
Aufgrund der pulsatilen Ausschüttung des Cortisols können zu einem beliebigen Zeitpunkt gemessene Werte zufällig niedrig sein. Auch bei gesunden Hunden kann es vorkommen, dass die Serum-Cortisol-Konzentration sogar unterhalb der Nachweisgrenze liegen. Ein ACTH-Stim ist somit bei Werten unter dem Cut Off in jedem Fall notwendig.
Weshalb Cortisol zur Messung in ein Labor eingesandt werden sollte
Das ALIVE-Gremium der ESVE (European Society of Veterinary Endocrinology) weist auf die Notwendigkeit der korrekten Testvalidierung und der sicher durchgeführten Qualitätskontrollen bei der Messung von Cortisol hin. Die Messung des Cortisols im Referenzlabor wird daher empfohlen.
Serum ist das optimale Probenmaterial
Cortisol kann auch aus (Heparin-) Plasma gemessen werden. Im Sinne der Standardisierung von Hormonmessungen sollte jedoch Serum genutzt werden. In jedem Fall muss vermieden werden, verschiedene Probenmaterialien innerhalb eines Funktionstests zu benutzen.
Es muss nicht immer „Addison“ sein
Eine ungenügende Stimulation von Cortisol nach Injektion von Tetracosactid/Cosyntropin bei normaler Nebennierenfunktion kann ihre Ursache in einer fehlerhaften Testdurchführung haben. Weitaus häufiger ist jedoch eine Glukokortikoid-Vorbehandlung verantwortlich. Schon kleine Mengen, kurzzeitig verabreicht, länger zurückliegend sowie topisch appliziert (inkl. Augentropfen und Ohrensalbe), können einen Einfluss auf die Hypophysen-Nebennieren-Achse haben. Exogen zugeführte Glukokortikoide führen zu einem Feedback an die Hypophyse, die ihre ACTH-Produktion einstellt. Die Nebennieren reagieren sehr sensibel auf diese fehlende endogene ACTH-Stimulation mit einer Atrophie der Nebennierenrinde. Die Zeit, die die Nebennierenrinde zur Erholung benötigt, ist individuell unterschiedlich. Ähnliches gilt auch für Progestagene, die ebenfalls eine glukokortikoide Wirkung haben. Die Anamnese in Bezug auf mögliche Vorbehandlungen muss daher sehr gewissenhaft erfolgen.
Kann man im Notfall Dexamethason geben, wenn gerade kein ACTH-Stim durchgeführt werden kann?
Dexamethason wird von den weitläufig genutzten Cortisol-Assays nicht detektiert und interferiert damit nicht mit der Messung. Benötigt ein Patient in einer Notfallsituation sofort ein Glukokortikoid noch bevor der ACTH-Stim durchgeführt werden kann, wird daher oft der Einsatz von Dexamethason angeraten. Der ACTH-Stim muss dann aber im direktem Anschluss erfolgen. Jede zeitliche Verzögerung (u.U. schon wenige Stunden) kann die Beurteilbarkeit des Testergebnisses negativ beeinflussen. Dexamethason beeinflusst die Hypophysen-Nebennieren-Achse wie jedes andere Glukokortikoid.
Der mit Glukokortikoiden vorbehandelte Patient
Bei gesunden Beagles waren die Funktionstests bereits zwei Wochen nach Absetzen einer dreimonatigen Prednisolon-Behandlung wieder in der Norm. Beobachtungen anderer Studien haben jedoch Patienten identifiziert, die auch nach relativ geringen Mengen an Glukokortikoiden noch mehrere Wochen nach Absetzen eine subnormale Reaktion auf Tetracosactid/Cosyntropin gezeigt haben. Generell wird ein Abstand von 6-8 Wochen zu einer Glukokortikoid-Gabe empfohlen.
Ist dies nicht möglich, können die endogene ACTH-Messung (eACTH) und/oder die Messung der stimulierten Aldosteron-Serumkonzentration in Erwägung gezogen werden.
Wenn sich ein Cortisol-Anstieg stimulieren lässt und es trotzdem ein Hypoadrenokortizismus ist
Im klassischen Fall wird ein Patient mit HypoA keinerlei Anstieg der Cortisol-Konzentration im Rahmen des ACTH-Stim zeigen. Es ist aber zu beachten, dass eine gewisse Stimulation von Cortisol durchaus möglich ist. Für die Diagnose HypoA wird für das stimulierte Cortisol als Cut-Off das untere Quartil des Referenzbereiches angegeben (oft 20 ng/ml). Manchmal werden jedoch auch höhere Stimulationswerte gesehen, so dass bei begründetem Verdacht ein HypoA nicht in jedem Fall bei Überschreiten des Cut-Offs ausgeschlossen werden sollte.
Des Weiteren ist ein isolierter Aldosteron-Mangel beschrieben, der mit Hyperkaliämie und Hyponatriämie bei physiologischer Cortisol-Stimulierbarkeit einhergeht. Dies beschränkt sich allerdings auf Fallberichte.
Vorgehen bei fraglichem Resultat des ACTH Stim
Es sollte unbedingt die Korrelation mit klinischen Symptomen und labordiagnostischen Veränderungen hergestellt werden. Je mehr Hinweise vorliegen, desto eher ist das Ergebnis als passend für einen HypoA zu interpretieren. In jedem Fall müssen die Differentialdiagnosen überprüft werden. Auch sollten unbedingt eine sehr genaue Anamnese hinsichtlich möglicher Vorbehandlung mit Glukokortikoiden des Patienten sowie einer topischen Glucocorticoidtherapie der Personen, die regelmäßig intensiven Umgang mit dem Patienten haben, erfolgen sowie Fehler bei der Testdurchführung ausgeschlossen werden.
Die Messung von endogenem ACTH (eACTH) kann die Diagnose des primären HypoA unterstützen. Beim primären HypoA sollte eACTH messbar oder erhöht sein. Bei Vorbehandlung mit Glukokortikoiden wird kein eACTH ausgeschüttet. Allerdings sind eACTH-Konzentrationen unterhalb der Nachweisgrenze nicht beweisend für einen absoluten eACTH-Mangel und der Test ist somit nur im positiven Fall (eACTH nachweisbar) als Hilfestellung zur Interpretation des ACTH-Stim nutzbar.
Dies hat zwei Gründe: Zum einen kann suboptimales Probenhandling aufgrund der Instabilität des caninen eACTH zu falsch niedrigen Messwerten führen. Zum anderen wird eACTH pulsatil aus der Hypophyse ausgeschüttet. Erfolgt die Blutentnahme zu einem Zeitpunkt, an dem gerade keine Sekretion erfolgt, wird eine niedrige Konzentration vorhanden sein.
Canines eACTH ist instabil. Für eine zuverlässige Messung ist abzentrifugiertes und abpipettiertes EDTA-Plasma, das gekühlt im Labor ankommen muss, unabdingbar.
Wenn ein ACTH-Stimulationstest nicht durchgeführt werden kann
Steht ein ACTH-Stim nicht zur Verfügung, kann der Cortisol/eACTH-Quotient eine Hilfestellung geben. Ob er jedoch den ACTH-Stim als diagnostischen Test ablösen kann, bleibt aktuell noch fraglich, auch wenn es Studiendaten gibt, die dies unterstützen. Hier ist dringend zu betonen, dass das EDTA-Plasma für die Bestimmung von eACTH gekühlt eingeschickt werden muss, um Fehlmessungen zu vermeiden.
Stichwort eunaträmischer/eukalämischer Hypoadrenokortizismus („atypischer“ Addison)
Das Vorhandensein einer Hyperkaliämie ist ein Anzeichen für das Vorliegen eines Aldosteron-Mangels. Allerdings gibt es Patienten, die keine typischen Elektrolytverschiebungen aufweisen. Der Umkehrschluss, dass bei diesen Patienten in jedem Fall eine isolierte Cortisol-Defizienz bei ausreichender Aldosteron-Produktion vorliegt, ist allerdings nicht zulässig. Auch bei Patienten mit „klassischem“ primären HypoA, bei denen sowohl Cortisol als auch Aldosteron unzureichend produziert werden, können die Elektrolyte unter bestimmten Bedingungen im Referenzbereich bleiben. Eine isolierte Glukokortikoid-Defizienz kann vorkommen, ist aber eher selten. Das Vorhandensein und die Stimulierbarkeit des Aldosterons können anzeigen, ob ein entsprechender, therapeutisch relevanter Mangel vorliegt oder nicht.
Hypoadrenokortizismus kommt auch bei Katzen vor
Der HypoA ist, wenn auch selten, bei Katzen beschrieben. Insbesondere werden auffällig oft Katzen der Rasse Britisch Kurzhaar in der Literatur genannt. Die Symptomatik ist ähnlich wie beim Hund. Die Diagnose wird ebenfalls über den ACTH-Stim gestellt. Diagnostische Cut-Offs werden dabei vom Hund extrapoliert.
Die Laboklin-Parameter und -Profile zur Diagnostik des Hypoadrenokortizismus
Zusätzlich zu den Einzelmessungen von Cortisol, eACTH und Aldosteron bietet Laboklin die Messung von Cortisol und Aldosteron im Rahmen des ACTH-Stim, den Cortisol/eACTH-Quotienten sowie hilfreiche Profile an (Tabelle 3).
Das neu zusammengestellte „Addison“-Profil enthält die für ein Screening wichtigen Parameter, wenn ein Verdacht auf HypoA im Raum steht. Da der HypoA gerne mit unspezifischen Magen-Darm-Symptomen einhergeht, ist auch im neuen Darmprofil die Messung des Cortisols neben anderen wichtigen Parametern wie der pankreasspezifischen Lipase (PLI) und der Trypsin-like Immunoreactivity (TLI) enthalten.
Dr. Jennifer von Luckner
Bezeichnung | Bestimmte Parameter | Benötigtes Material |
ACTH-Stimulationstest | 2 x Cortisol | 2 x 0,5 ml Serum |
Addisonprofil | Cortisol, Kalium, Natrium, Chlorid, Glucose, Albumin, Kreatinin | 1 ml Serum |
Cortisol/ACTH-Quotient | eACTH Cortisol |
1 ml EDTA-Plasma (gekühlt) 1 ml Serum |
Darmprofil | Protein, Albumin, Globuline, Alb/Glob-Quotient, Kalium, Natrium, Chlorid, Cortisol, PLI, TLI, Vitamin B12, Folsäure, Blutbild | 1 ml Serum EDTA-Vollblut Blutausstrich |
Literatur
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https://www.esve.org/alive/search.aspx
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