Schildkröten sind populäre Haustiere, die, wenn sie entsprechend gehalten werden, ein hohes Alter erreichen können. Neben den häufig gehaltenen europäischen Arten, wie der Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni) (Abb. 1), werden von erfahrenen Haltern auch gerne exotische Arten wie Stern- (Astrochelys radiata) oder Pantherschildkröten (Stigmochelys pardalis) gehalten. Da Schildkröten bei Erkrankungen oft erst sehr spät und nur sehr unspezifisch klinische Symptome zeigen, stellt die Laboruntersuchung neben der klassischen klinischen Untersuchung und der Bildgebung das wichtigste Diagnostikum dar, um schnell und frühzeitig eine genaue Diagnose stellen zu können.
Dies ist besonders im Spätsommer bei Tieren aus gemäßigten Klimazonen wichtig, da hier vor dem Winterschlaf eine ausführliche Diagnostik angeraten ist, um das „böse Erwachen“ bzw. Nicht-Erwachen während und nach dem Winterschlaf möglichst zu vermeiden. Zu den hilfreichen Laboruntersuchungen gehören vor allem die Hämatologie und Biochemie, Parasitologie, Molekularbiologie und Serologie.
Blutuntersuchungen bei Schildkröten
Für die Blutuntersuchung bei Schildkröten (Abb. 2) eignet sich am besten Lithium-Heparinblut. Die klinische Chemie ist besonders wichtig zur Überprüfung der Organfunktionen. Denn besonders während des Winterschlafs können Beeinträchtigungen der Leber oder Niere für die Tiere gefährlich werden.
Bei den klinisch-chemischen Parametern kann es abhängig von Spezies, Geschlecht, Jahreszeit und Temperatur zu Veränderungen der einzelnen Parameter kommen, die beachtet werden müssen. Auch die Beimengung von Lymphe führt unter anderem zu erniedrigten Proteinen, Leberassoziierten Enzymen, Harnsäurewerten und zu einer Verschiebung der Elektrolyte. Traumata bei der Blutentnahme, zum Beispiel durch mehrfach missglückte Venenpunktion, können zu einer Erhöhung der alkalischen Phosphatase und der Kreatinkinase führen.
Aufgrund der starken Variation der Normalwerte bei einigen Spezies empfiehlt es sich, Blutuntersuchungen auch bei gesunden Tieren durchzuführen, um die Ergebnisse dann im Krankheitsfall besser vergleichen und interpretieren zu können.
Nierenerkrankungen
Als wichtigstes Endprodukt des Protein- und Purinstoffwechsels bei terrestrischen Arten dient die Harnsäure als Hauptindikator für Nierenerkrankungen. Starke Erhöhungen kommen bei diversen Nierenerkrankungen, Gicht, Nierenfunktionsstörungen durch Bakteriämie und Septikämie sowie bei Nierennekrosen durch nephrotoxische Medikamente wie Aminoglykoside und Sulfonamide vor. Durch die Fütterung tierischer Kost wie zum Beispiel physiologischerweise bei einigen Wasserschildkrötenarten kann es auch zu einer Erhöhung der Harnsäure kommen. Erniedrigte Werte kommen im Zusammenhang mit Lebererkrankungen vor.
Harnstoff spielt bei terrestrischen Arten nur eine untergeordnete Rolle, da die Werte auch bei hohen Harnsäurewerten lange Zeit im Normbereich bleiben. Bei aquatilen Arten dient auch der Harnstoff als Ausscheidungsprodukt des Proteinstoffwechsels, wodurch er hier auch eine größere Rolle für die Diagnostik von Nierenerkrankungen spielt. Bei Nierenerkrankungen kommt es auch zum Anstieg des Phosphatgehaltes im Blut, jedoch kann eine Hyperphosphatämie auch durch exzessive Zufuhr mit der Nahrung, Hypervitaminose D und Hämolyse bedingt sein. Bei Jungtieren ist der Phosphatgehalt neben dem Calcium und der alkalischen Phosphatase durch das Knochenwachstum physiologisch erhöht.
Lebererkrankungen
Als Indikator für Leberzellschäden dient vor allem die GLDH (Glutamatdehydrogenase), diese kommt natürlicherweise in den Mitochondrien der Leberzellen vor und wird erst durch Zerstörung der Zellen ins Blut freigesetzt. Weitere Enzyme, die auch in den Leberzellen vorkommen sind die ALT (Alanin- Amino-Transferase), die AP (alkalische Phosphatase) und die AST (Aspartat-Amino-Transferase).
Diese Enzyme sind jedoch nicht nur in der Leber, sondern auch in anderen Organen des Körpers zu finden, sodass sie nicht so spezifisch sind und im Zusammenhang mit anderen Blutwerten und physiologischen Zuständen interpretiert werden müssen. Als Leberfunktionsparameter dienen Stoffe, die natürlicherweise von der Leber synthetisiert werden und bei einer Störung der Leberfunktion erniedrigt oder erhöht sind. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Gallensäure zu nennen, diese kann jedoch auch durch die Fütterung, eine Verlegung der Gallengänge und Dehydration verändert sein. Weitere Funktionsparameter sind die Eiweißfraktionen im Blut, welche jedoch auch durch die Nahrungsaufnahme und die Nierenfunktion beeinflusst werden. Zur Diagnostik von Leberzellverfettungen kann es sinnvoll sein, den Triglyzerid- und Cholesterinspiegel im Blut zu bestimmen, da diese in diesem Zusammenhang erhöht sind. Zu beachten ist jedoch, dass diese bei Weibchen während der Eianbildung (Vitellogenese) physiologisch erhöht sind.
Hämatologie
Durch die Bestimmung des Hämatokrits kann eine Anämie oder Dehydration diagnostiziert werden. Die hämatologische Untersuchung kann auch wichtige Informationen im Hinblick auf Entzündungen liefern. Verschiebungen in der Zellzahl fallen bei Reptilien geringer aus als bei Säugern und sind daher schwieriger zu interpretieren. Aber auch hier können bakterielle und parasitäre Infektionen sowie Stress zu einem Anstieg der heterophilen Granulozyten führen. Die eosinophilen Granulozyten sind bei parasitären Infektionen und einer Stimulation des Immunsystems erhöht. Erhöhte Lymphozytenzahlen kommen bei Wundheilung, Entzündungen sowie parasitären und viralen Infektionen vor. Veränderungen in der Morphologie der einzelnen Zellen können auch Hinweise auf Infektionen geben. Im Ausstrich können zudem auch Parasiten oder Einschlüsse durch virale oder bakterielle Infektionen diagnostiziert werden, welche aber nicht mit Artefakten verwechselt werden dürfen, die z. B. durch die Herstellung oder Trocknung des Ausstrichs entstanden sind. Spezies, Geschlecht, Alter und physiologischer Zustand des Tieres beeinflussen auch die Anzahl und das Verhältnis der verschiedenen Leukozyten. Wichtig zu beachten ist aber auch, dass es physiologisch zu starken saisonalen Schwankungen in der Zellverteilung kommen kann.
Elektrophorese
Neben der Hämatologie kann auch die Plasmaelektrophorese nützliche Informationen über den Gesundheitszustand der Schildkröte liefern. Zum einen liefert sie zuverlässige Albuminwerte, zum anderen können durch die Auftrennung der Globuline Aussa- gen darüber getroffen werden, ob es sich bei einem kranken Tier eher um einen akuten (Erhöhung der alpha- und beta-Globuline) oder einen chronischen Prozess (Erhöhung der gamma-Globulinfraktion) handelt. Wichtig zu beachten ist jedoch, dass sich die Elektrophoresekurven sehr stark zwischen den einzelnen Arten unterscheiden und auch viele weitere Faktoren wie das Geschlecht und die Jahreszeit einen Einfluss auf die Proteine haben.
Parasitologische Untersuchungen bei Schildkröten
Darmparasiten können das Tier während des Winterschlafs durch Schädigung der Darmwände, Blutentzug und die Freisetzung toxischer Stoffwechselprodukte schwächen. Daher sollte bei allen Tieren im Spätsommer eine Kotprobe auf einen möglichen Parasitenbefall untersucht werden. Wichtig zu beachten ist, dass es nach einer medikamentellen Behandlung bis zu 6 Wochen dauern kann, bis alle Medikamentenrückstände verstoffwechselt wurden und das Tier sorgenfrei in den Winterschlaf gehen kann.
Molekularbiologische Untersuchungen bei Schildkröten
Während der Winterruhe ist die Funktion des Immunsystems stark eingeschränkt, sodass die Abwehr gegen Infektionserreger stark verringert ist. Damit es nicht zur Übertragung und Ausbruch von Erkrankungen kommt, sollten die Tiere frei von den häufigsten Infektionserregern sein. Hierzu gehören Herpes-, Rana- und Torchi-(Picorna-) viren. Herpesviren werden v. a. in Rachentupfern nachgewiesen. Ranaviren können in Rachen- und Kloakentupfern nachgewiesen werden, allerdings sind Gewebeproben sensitiver. Torchiviren können in Rachen- und Kloakentupfern nachgewiesen werden. Mykoplasmen kommen bei Schildkröten häufig vor und können in Rachentupfern und Nasenspülproben nachgewiesen werden. Intranukleäre Kokzidien (TINC) können ebenfalls mittels PCR nachgewiesen werden. Sie kommen v. a. bei tropischen Schildkröten (v. a. Sternschildkröten) vor, können aber auch viele andere Spezies betreffen. Sie werden in Rachen- und Kloakentupfern sowie Gewebeproben nachgewiesen.
Serologische Untersuchungen bei Schildkröten
Die bei Schildkröten eingesetzten serologischen Untersuchungen weisen Antikörper gegen bestimmte Erreger nach und können somit auf längere Zeit zurückliegende Infektionen hinweisen. Bisher stehen nur für Landschildkröten serologische Untersuchungen zur Verfügung. Plasma von diesen Tieren kann im Labor auf Antikörper gegen die am häufigsten vorkommenden Herpesviren, testudinid Herpesvirus 1 (TeHV-1) und TeHV-3, untersucht werden. Da Herpesviren latente Infektionen verursachen, sollen alle Tiere, bei denen Antikörper gegen ein Herpesvirus nachgewiesen werden, unabhängig vom Gesundheitsstatus als dauerhafte Träger angesehen werden.
Neben den Herpesviren können auch Antikörper gegen Torchiviren (Familie der Picornaviridae) bei Landschildkröten nachgewiesen werden. Diese Viren können besonders bei Jungtieren zu Nierenerkrankungen und einer Erweichung des Panzers führen.
Mikrobiologische Untersuchungen bei Schildkröten
Viele verschiedene Bakterien und Pilze, die kulturell nachgewiesen werden können, können ebenfalls relevant für die Gesundheit der Schildkröten sein. Allerdings sind viele hiervon fakultativ pathogen und kommen auch bei gesunden Tieren vor, sodass solche Untersuchungen nur bei kranken Tieren und spezifischen Lokalisationen sinnvoll sind.
Schildkrötendiagnostik in der Zukunft
Um auch in Zukunft die bestmögliche Diagnostik bei Schildkröten zu gewährleisten, sind wir ständig darum bemüht, unser Leistungsspektrum zu erweitern, daher können in Zukunft auch neue PCR-Tests, Hormon-, Vitamin- und Mineralstoffwerte eine wichtige Rolle spielen.
PD Dr. Rachel E. Marschang,
Dr. Christoph Leineweber