Untersuchungsmethode und Präanalytik
Die Zusammensetzung der Harnsteine eines Patienten sollte grundsätzlich analysiert werden, um entscheidende Hinweise für Therapie, Prophylaxe und Prognose zu gewinnen. Ein Vergleich der Abbildungen 1 und 2 zeigt, dass Harnsteine unabhängig von ihrer Zusammensetzung ein ähnliches Aussehen annehmen können. Ebenso können Harnsteine gleicher Zusammensetzung völlig unterschiedlich aussehen. Eine exakte Diagnose ist daher Speziallaboratorien vorbehalten. Das Ergebnis sollte alle chemischen Bestandteile eines Steins ab 5% Gewichtsanteil enthalten, im besten Fall sogar mit einer Angabe der Verteilung der Gewichtsanteile in Prozent. Es stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die besten Ergebnisse werden mit der Infrarotspektrometrie erreicht. Mit dieser Methode werden auch Mischsteine aus verschiedenen Materialien sicher erkannt. Bestimmte Kristalle oder Proteinbestandteile in Harnsteinen können ausschließlich mit dieser Methode identifiziert werden. Die Harnsteine sollten immer unmittelbar nach ihrer Gewinnung zur Analyse eingesandt werden. Dazu werden sie kurz mit Wasser abgespült und feucht oder trocken in entsprechend vom Labor zur Verfügung gestellten Gefäßen verpackt. Falls die Urolithen getrocknet werden, sollte dies bei Raumtemperatur erfolgen. Ein Versand in Formalin oder anderen Transportmedien ist nicht notwendig und stört sogar die Analytik. Die Steine sollten dann mit einem vollständig ausgefüllten Begleitschreiben versendet werden, welches mindestens die Angabe zu Tierart, Rasse, Alter, Geschlecht, Kastration und Lokalisation der Steine bzw. Art der Steinentfernung enthält. Zur Vermeidung von Missverständnissen sind genaue Angaben sehr wichtig. Das Labor muss die Steine zur Vorbereitung der Messung vollständig im Mörser zu Steinmehl zermahlen. Mögliche Fotos für den Besitzer, Fallbeschreibungen etc. sollten daher bitte vor der Einsendung gemacht werden.
Häufigkeit der einzelnen Harnsteinarten bei Hunden
In den Jahren 2014 bis 2016 wurden bei LABOKLIN insgesamt 5310 Harnsteine von Hunden mittels Infrarotspektrometrie untersucht. Bei 65% der Steine wurde nur ein einzelnes Material im Stein festgestellt, bei 35% der Steine handelte es sich um Mischsteine mit zwei Komponenten. Die Häufigkeit der einzelnen Stoffe bei Steinen des Hundes aus nur einem Material entnehmen Sie der Abbildung 3. Calciumoxalat kann aus den Bestandteilen Weddellit (Calciumoxalat-Dihydrat) und Whewellit (Calciumoxalat-Monohydrat) bestehen, was mit der Messmethode auch unterschieden werden kann. Da sich keine Unterschiede in Therapie und Prophylaxe ergeben, wurden zur Vereinfachung in Abb. 3 alle Calciumoxalate (CaOx) zusammengefasst dargestellt. Zu den sehr selten auftretenden Stoffen (Andere = 1%) zählten Harnsäure, Calciumphosphat, Apatit, Sulfadiazin und Silikat.
Zu den Artefakten (< 0,5% aller Steine) zählten beim Hund „Steine“ aus reinem Protein oder Harnstoff. Harnstoff wird ab und zu bei Katzen nachgewiesen, wenn der Besitzer fest eingetrockneten Katzenurin aufsammelt. Dieser kann eine krümelige Konsistenz annehmen und fälschlicherweise für spontan abgegangene Steine oder Gries gehalten werden. Bei Hunden ist dies normalerweise eher nicht zu erwarten. „Steine“ aus reinem Protein deuten beim Hund in der Regel auf massive Entzündungsprozesse in den harnableitenden Wegen hin, es kann sich aber auch um aufgefundenes und fälschlicherweise für einen Stein gehaltenes Fremdmaterial handeln. Auch Silikate stellen eine Herausforderung in der Interpretation dar. Silikatsteine sind ein extrem seltenes Ereignis bei Haustieren und sind in der Regel mit einer unphysiologischen Aufnahme von Futter durch Fressen von Sand, Erde, Kot oder ähnliches verbunden. Noch seltener werden sie durch silikathaltige Futtermittel verursacht. Deshalb geht man zur Zeit beim Nachweis von Silikaten bei Katzen davon aus, dass Katzenstreu zur Untersuchung eingesendet wurde. Somit überrascht dieser Nachweis bei Hunden. Bei Hunden aus dem Ausland mit unklarer Vorgeschichte könnten Silikatsteine aber möglich sein. Eventuell gibt es auch Besitzer kleinerer Hunderassen, die ebenfalls eine Toilette mit Katzenstreu verwenden.
Bei Hunden dominiert Struvit als Bestandteil von Harnsteinen deutlich. Dies gilt sowohl für den Nachweis von Steinen aus nur einem Material (siehe Abb. 3), als auch für die Mischsteine. Bezieht man auch solche Steine, die mehrere Materialien enthalten in die Auswertung mit ein, ist Struvit an 51% der Steine beteiligt. Calciumoxalat ist an 36% aller Steine beteiligt und Calciumphosphat, welches als reiner Stein kaum in Erscheinung tritt, ist an 22% aller Steine beteiligt. Somit tritt Calciumphosphat fast ausschließlich in Mischsteinen auf. In den Mischsteinen treten sehr viele Kombinationen der unterschiedlichen Stoffe auf, die jede für sich dann eher selten sind. Die häufigsten Kombinationen sind Calciumoxalat mit Calciumphosphat (52% aller Mischsteine) und Struvit mit Ammoniumurat (31% aller Mischsteine).
Häufigkeit der einzelnen Harnsteinarten bei Katzen
In den Jahren 2014 bis 2016 wurden bei LABOKLIN insgesamt 2755 Harnsteine von Katzen mittels Infrarotspektrometrie untersucht. 68,5% der Steine bestanden aus einem reinen Material (Verteilung siehe Abb. 4), bei 31% der Steine lagen zwei verschiedenen Komponenten vor und 0,5% der „Steine“ entpuppten sich als Artefakte.
Artefakte bei Katzen bestanden aus Harnstoff und Silikaten. Hier gilt das, was bereits im Abschnitt über die Hunde besprochen wurde. Weitere Artefakte in unserem Untersuchungsgut bestanden aus Stärke, Plastik und Holz. Es sollte also gut darauf geachtet werden, was der Besitzer aus der Katzentoilette mitbringt und unter Umständen für etwas hält, das seine Katze ausgeschieden haben könnte. Manchmal werden solche Substanzen aber in der Tat als Bestandteil von Harnsteinen gefunden und haben nach der Matrixtheorie dann als Kristallisationspunkt fungiert. Beispielsweise sind Kiefernnadeln schon mehrmals innerhalb von Harnsteinen aufgetreten. Bei Katzen dominiert im Gegensatz zu Hunden der Stoff Calciumoxalat (CaOx). Auch bei Betrachtung der Mischsteine ändert sich die prozentuale Verteilung von Calciumoxalat und Struvit nur unwesentlich. Wie beim Hund kommen Calciumphosphate in Mischsteinen wesentlich häufiger vor, als in reinen Steinen, nämlich in 20% aller Mischsteine. Die häufigsten Kombinationen sind – ebenso wie beim Hund – Calciumoxalat mit Calciumphosphat (59% aller Mischsteine) und Struvit mit Ammoniumurat (31% aller Mischsteine). Auch bei den Katzen wurde Weddellit und Whewellit als Calciumoxalat zusammengefasst. Die Steine mit einer überwiegend genetisch bedingten Komponente wie Cystine und Urate spielen bei den Katzen eine untergeordnete Rolle. Häufiger noch als diese werden reine Proteinpfropfen nachgewiesen, denen eine besondere Bedeutung in der Pathogenese einer blockierten Harnröhre zukommen.
02 / 2018
LABOKLIN Aktuell