Teil I: BEVA-Congress, September 2022, Liverpool
John Pringle (Swedish University of Agricultural Sciences): Druse
Der Vortragende diskutierte einige neue Studien, die auf die Detektion von Silent-Carrier-Pferden eingehen. Laut Pringle ist eine einzige Untersuchung einer Luftsackspülprobe nicht ausreichend, um einen möglichen Carrierstatus auszuschließen.
Mehrere Nasopharyngealspülungen sind ebenfalls anwendbar, wenn die Durchführung mehrerer Luftsackspülungen nicht möglich ist. Die Prävalenz von Silent Carriern variiert nach einem Ausbruch zwischen 3 und 35 %. Zeitnah nach einer Infektion ist eine Luftsackspülprobe bei Pferden mit Empyem ausreichend zur Trägeridentifzierung. Bei Trägern hingegen, die erst viele Monate nach der Genesung identifiziert werden, ist scheinbar die Durchführung sowohl einer Nasopharyngeallavage als auch einer Luftsackspülprobe erforderlich, da Langzeitcarrier oft weder ein Empyem noch Chondroide aufweisen. Eine rein visuelle Untersuchung reicht demnach nicht aus, um einen Carrier auszuschließen. Wichtig zu beachten ist, dass negative PCR-Ergebnisse aus Luftsackspülproben bei diesen Pferden vorkommen können. Einfachere Methoden, wie z. B. die Kombination von Luftsack- und Nasopharyngealspülproben, könnten somit in Zukunft den Nachweis von Trägertieren erleichtern.
Eine Antikörperuntersuchung bei Verdacht auf Carrierstatus bietet keine Vorteile, da viele Langzeitträger seronegativ sind oder sich potentiell nach Ausbrüchen serologisch nicht von genesenen Herdenmitgliedern unterscheiden. Außerdem korreliert eine kürzliche Exposition nicht mit Antikörpertitern. Die Untersuchung auf Antikörper wird nur für den Nachweis einer Serokonversion während eines Ausbruchs empfohlen, um Pferde den richtigen Quarantänegruppen zuordnen zu können (grün, gelb, rot). Eine Möglichkeit der Prävention schwerer Krankheitsverläufe kann der neu auf dem Markt erhältliche Markerimpfstoff sein. Die Anwendung eines Markerimpfstoffes bedeutet, dass keine falsch positiven serologischen Tests zu erwarten sind und somit Antikörper nur bei einer natürlichen Infektion messbar wären. Ziel der Impfung ist es, klinische Symptome bei akuter Infektion und die Anzahl der Abszesse zu reduzieren. Des Weiteren ist eine Immunisierung gesunder Pferde (ab einem Alter von 5 Monaten) während eines Ausbruchs möglich. Ein potentieller Einfluss auf einen Carrierstatus ist noch nicht bewiesen, allerdings könnte durch die reduzierte Anzahl der Abszesse auch eine potentielle Erregerausscheidung verhindert/reduziert werden. Ob die Impfung eines Carriers erfolgsversprechend ist, ist bisher noch fraglich.
Richard J. Piercy (RVC): Myopathien – PSSM 1/2 und atypische Weidemyopathie
1. PSSM 1/2
Laut Piercy kann der Verdacht auf eine Myopathie zunächst durch den Nachweis erhöhter Serum- oder Plasmaaktivitäten der Muskelenzyme Kreatinkinase (CK) und Aspartat-Aminotransferase (AST) bestätigt werden. Oft werden aber bei Pferden mit Leistungsinsuffizienz (scheinbar) subklinische Erhöhungen von CK und AST festgestellt. Die klinische Relevanz dieser Erhöhungen ist häufig schwer zu beurteilen. Bei manchen Myopathien sind die CK- und AST-Aktivitäten sogar im Referenzbereich, obwohl die Pferde klinisch auffällig sind. CK und AST können einen wichtigen Hinweis auf Ausmaß und Zeitpunkt des Muskelschadens geben. Die CK-Aktivität ist 6 – 12 h nach einer Muskelschädigung am höchsten und nimmt dann mit einer Halbwertszeit (HWZ) von etwa 12 h ab. Im Gegensatz dazu ist die AST-Aktivität etwa nach 24 h am höchsten und kann ebenfalls mehrere Tage bis Wochen lang erhöht bleiben. Eine CK-Aktivität von 10.000 IU/L deutet auf 400 – 500 mg geschädigter Muskelmasse hin.
Bei Verdacht auf eine belastungsabhängige Myopathie sollte ein Belastungstest durchgeführt werden. Leider gibt es keine einheitlichen Protokolle. Piercy empfiehlt 20 Minuten leichte bis mittelschwere Bewegung (Trab) an der Longe, wobei die CK- und AST-Aktivität vorab, nach 4 h und nach 24 h gemessen werden sollte. Bei myopathischen Pferden kann der prozentuale Anstieg der CK-Aktivität nach dem Training jedoch sehr unterschiedlich ausfallen – bei einigen gibt es trotz einer ausgeprägten Muskelerkrankung überhaupt keine Veränderung.
Zu den belastungsabhängigen kongenitalen Myopathien gehört die Polysaccharid-Speichermyopathie (PSSM). PSSM-heterozygote Tiere weisen oft normale Muskelenzymaktivitäten auf. Homozygote Tiere hingegen können erhöhte Muskelparameter haben. Für die Diagnostik von PSSM1 steht ein Gentest zu Verfügung. Die equine maligne Hyperthermie (EMH) und die immun-mediierte Myositis können ebenfalls mittels Gentests ausgeschlossen werden. Bezüglich PSSM2 oder der myofibrillären Myopathie (MFM) gibt es inzwischen Hinweise, die die Aussagekraft angebotener Gentests widerlegen.
Die Diagnose von PSSM2 kann nach wie vor nur durch eine Muskelbiopsie bestätigt werden und basiert auf amylaseresistenten Einschlüssen, myopathischen Muskelfasern und einem negativen PSSM1-Gentest. Desminaggregate hingegen bestätigen die Diagnose einer MFM. Laut Piercy ist die Muskelbiopsie die optimale Methode zur Bestätigung einer Equine Motor Neuron Disease, Sarkozystose oder Myopathie bei einem Pferd mit gelegentlichen oder leichten Erhöhungen der CK- oder AST-Aktivität sowie bei einem Pferd, das andere klinische Symptome zeigt (wie z. B. Parese) ohne Muskelenzymerhöhungen. Bei der belastungsabhängigen Rhabdomyolyse ist eine Muskelbiopsie nicht hilfreich, da diese nur Aufschluss über den Schweregrad und die Chronizität der Erkrankung gibt. Bei Sportpferden hingegen kann eine Beurteilung der Prognose einer Rhabdomyolyse durch eine Muskelbiopsie von Interesse sein.
Unspezifische Myopathien mit geringgradigen CK- und AST-Erhöhungen kommen laut Piercy bei Isländern, Connemara Ponys oder Warmblutpferden vor.
Sein Fazit war: Atypische Myopathien sollten bei Pferden mit unspezifisch erhöhten CK- und AST-Aktivitäten in Betracht gezogen werden. Muskelbiopsien sollten unfixiert und gekühlt in einem Plastikcontainer an ein Speziallabor für die pathologische Untersuchung gesendet werden.
2. Atypische Weidemyopathie
Die Prävalenz der atypischen Weidemyopathie (AM) hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Ursache der Krankheit ist das Hypoglycin-A-Toxin (HGA) aus Samen und Keimlingen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus), das Pferde auf der Weide im Herbst, Frühjahr und Winter aufnehmen können. Die Mortalität liegt bei ca. 60 – 70 %. Pferde mit AM können unterschiedliche Anzeichen von Muskelschmerzen, Steifheit, Schwäche, hängenden Kopf und Hals, Muskelfaszikulationen oder -zittern, Atembeschwerden, Lethargie, Koliksymptome und typischerweise Myoglobinurie aufweisen. Es bestehen individuelle Empfindlichkeiten für HGA. Das bedeutet auch, dass scheinbar klinisch unauffällige Pferde hohe Konzentrationen von HGA im Blut aufweisen können und umgekehrt. HGA konnte laut Piercy bei Pferden mit geringgradigen Erhöhungen der CK-Aktivität (CK <1000 IU/L) ohne erkennbare Ursache im Serum detektiert werden. Subklinische Fälle sind daher möglich, das einzige klinische Symptom kann Leistungsinsuffizienz sein. Für die Diagnose einer atypischen Weidemyopathie können HGA und auch die Metaboliten im Serum oder Plasma bestimmt werden. Beim HGA ist eine HWZ von 2 Tagen im Blut bekannt. Wenn große Mengen Acylcarnitine als Stoffwechselprodukte entstehen, ist die Überlebensrate der betroffenen Pferde deutlich reduziert.
S. Möller (Laboklin): Colchicinnachweis bei Verdacht auf Herbstzeitlosenvergiftung
Herbstzeitlosenvergiftungen entstehen durch die Aufnahme von Tropolonalkaloiden (u. a. Colchicin) aus Blättern (Frühjahr), Samenkapseln (Sommer) oder Blüten (Herbst) (Abb. 1). Häufig fressen die Pferde getrocknete Pflanzenbestandteile im Heu. Die Aufnahme von Colchicin in hohen Dosen kann zu Koliken, blutigem Durchfall, Durchblutungsstörungen oder sogar zum Tod führen. Laut Literatur führt bereits eine Dosis von 0,17 mg/kg KGW zu schwerem Durchfall, während die letale Dosis für Pferde bei 1 mg/kg KGW (per os) liegt. Ziel der Studie war es, ein valides Testverfahren zum Nachweis einer Colchicinvergiftung zu entwickeln.
Es wurden 91 Routineurinproben von Pferden auf Colchicin untersucht. Aus einem Betrieb, in dem Pferde nach Aufnahme kontaminierten Heus erkrankten, wurden 28 Urin- und Blutproben (EDTA, Serum) untersucht. Die Pferde zeigten wiederkehrende Koliken unbekannter Ursache, Durchfall oder Kotwasser, Magengeschwüre, Hypoproteinämie, Ödeme sowie Lahmheiten unklarer Ursache. In allen Urinproben der Verdachtspferde konnte Colchicin detektiert werden (13,20 ± 32,12 ng/ml, max. 152,80 ng/ml). Die Blutproben hingegen wurden negativ auf Colchicin getestet. Die Studie zeigt, dass ein Nachweis von Colchicin im Urin möglich ist und somit die Diagnose Herbstzeitlosenintoxikation unterstützen kann.
Teil II: AAEP Annual Convention, November 2022, San Antonio/Texas
Bei der „Kester News Hour“ wurden verschiedene Veröffentlichungen von Bedeutung aus dem zurückliegenden Jahr vorgestellt.
Thane et al.: Einfluss von abweichenden Probeentnahmezeiten auf die Ergebnisse des TRH-Stimulationstestes in der PPID-Diagnostik
Fazit: Die 2. Blutprobe sollte exakt 10 Minuten nach der TRH-Applikation genommen werden. Probenentnahmen nach 9 oder 11 Minuten führen zu ca. 10 % abweichenden Ergebnissen und ungefähr 20 % falschen Interpretationen.
N. Pusterla: Rolle von Sars-CoV-2 in der Pferdepopulation
Pferde sind für das Virus empfänglich, entwickeln aber keine klinischen Symptome. Sie können aber serokonvertieren. In einem Rennstall mit sehr vielen erkrankten Jockeys waren 3,5 % der Pferde seropositiv, aber keines zeigte eine positive PCR.
C.B. Fernandes: Verhalten sowie einige perinatale Parameter bei Maultierfohlen
Weltweit gibt es ca. 10 – 11 Millionen Maultiere, welche als extrem arbeitsam, ausdauernd, futtergenügsam, intelligent und wenig schreckhaft gelten. Auch bei Maultierfohlen sind die ersten Lebenstage durch Umstellung der fetalen Zirkulation und Ernährung auf pulmonale Atmung und enterale Ernährung die kritischsten. Maultierfohlen haben einen höheren APGAR-Score als Pferdefohlen; sie suchen eher das Euter, stehen eher und saugen eher. Bei Stuten mit Maultierfohlen geht die Nachgeburt deutlich schneller ab als bei Stuten mit Pferdefohlen. Der Mekoniumabgang bei Maultierfohlen ist allerdings deutlich später: bis zu 72 Stunden p. p. Insgesamt zeigen Maultierfohlen eine schnellere neurologische und hormonelle Adaptation an das extra-uterine Leben („hybrid vigor phenomenon“, „genetic improvement“). Die Trächtigkeitsdauer bis zur Geburt der Maultierfohlen ist gleich wie bei Pferdefohlen.
L. Huggins: Retrograde Auswertung von Stuten mit abnormalem Verhalten und deren endokrinologische Untersuchungsergebnisse, v. a. Granulosazelltumor-Diagnostik
In die Studie gingen 31981 Blutproben von Stuten mit abnormalem Verhalten ein. 86 % der Stuten waren endokrinologisch unverdächtig. Die Sensitivitäten der Testverfahren lagen für AMH bei 90 %, Inhibin B bei 80 % und Testosteron bei 40 %. Abweichende rektale Befunde sowie der Vorbericht „hengstartiges Verhalten“ korrelierten dagegen mit abweichenden Hormonbefunden.
Fazit: Bei Problemen mit verhaltensauffälligen Stuten sind diese eher selten im Reproduktionstrakt zu finden.
Equine Endocrinology Group: Was ist neu?
Von einer Testung auf PPID bei Pferden ohne Symptome wird abgeraten!
Die ACTH-Referenzbereiche wurden leicht angehoben. Daraus resultieren weniger positive, aber mehr grenzwertige Befunde. ACTH-Konzentrationen im grenzwertigen Bereich lassen keine direkte PPID-Diagnose zu; diese Pferde sollten aber weiter verfolgt werden. Liegen die ACTH-Konzentrationen behandelter Pferde immer noch über dem Referenzbereich, obwohl die Pferde klinisch deutlich besser sind, muss nicht automatisch die Dosis erhöht werden! Dafür sollte öfter die Klinik des Patienten überprüft werden. Bei grenzwertigen Befunden, bei denen auch die Klinik nicht eindeutig ist, sollte man eine kurzzeitige diagnostische Behandlung erwägen.
Für Pferde, die die Pergolid-Tabletten schlecht oder gar nicht aufnehmen, steht in den USA ein injizierbares Cabergolin-Präparat zur Verfügung (human), welches einmal alle zwei Wochen injiziert wird und zur Verbesserung der Klinik führt. H.C. Schott berichtete von langzeitbehandelten PPID-Patienten, bei denen er beobachtete, dass es auch Jahre nach Beginn der Pergolid-Behandlung noch zu Anpassungen der ACTH-Wertes kommen kann. Insgesamt verbessert Pergolid die Lebensqualität, nicht aber die Lebensdauer.
EMS: Bei dem oralen Karolight Test sollte die Blutprobenentnahme nach 60 und/oder 90 Minuten erfolgen. Bestimmt werden Insulin und Glucose.
Alternativ kann der Insulin-Toleranz-Test durchgeführt werden. Nüchtern nicht erforderlich! Durchführung: Basalblutprobe für Glucosebestimmung, direkt danach Injektion von 0,10 IU/kg Insulin.
2. Blutprobe nach 30 Minuten: Die Glucosekonzentration sollte um 50 % gesunken sein.
Es ist auch möglich, erst einmal die Insulinantwort auf das gewohnte Futter zu untersuchen: Pferde normal füttern oder 5 – 6 Stunden Weide. Dann nach 2 Stunden eine Blutprobe zur Insulinbestimmung nehmen.
Adipöse Pferde (Abb. 2) mit normalem Insulin: Die Insulin-Regulation funktioniert noch. Eventuell Leptin bestimmen, was allerdings kommerziell noch nicht angeboten wird.
Einen sehr erfolgversprechenden Ansatz zur EMS-Therapie stellten T. Sundra et al. aus Australien vor: Die Gruppe setzte Ertugliflozin zur Behandlung von Hyperinsulinämie und Hufrehe ein. Es handelt sich dabei um einen Natrium-Glucose-Cotransporter-2-Inhibitor, welcher die Glucose-Ausscheidung über die Niere fördert. Die Studie wurde an 36 Ponys durchgeführt. Behandelt wurde erst einmal für 6 Wochen, einige Pferde auch länger. Das Ergebnis war vielversprechend: Bei allen Ponys wurde die Insulinkonzentration drastisch gesenkt und die Pferde zeigten einen starken Gewichtsverlust. Auch die Lahmheit verschwand weitgehend, wobei die Pferde aber röntgenologisch unverändert waren.
Es traten keine weiteren Reheschübe mehr auf. Leberwerte und Triglyceride sollten engmaschig kontrolliert werden. Triglyceride waren häufig erhöht, aber kein Pferd entwickelte eine Hyperlipämie. Einige Pferde entwickelten unter Therapie eine PU/PD. Langzeitstudien und Kontrollen fehlen noch und das Medikament ist wohl sehr teuer. Aber die gezeigten Ergebnisse und Bilder lassen einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung von EMS möglich erscheinen.
Dr. Antje Wöckener, Dr. Svenja Möller