Die atopische Dermatitis (AD) ist eine IgE-vermittelte allergische Hauterkrankung gegen Umweltallergene. Bei ihrer Entstehung spielen mehrere Faktoren eine Rolle, vor allem die Veränderung der Hautbarriere und der Immunantwort (genetische Faktoren) sowie diverse Umwelteinflüsse.
Klinisch manifestiert sie sich mit Juckreiz und den damit verbundenen Läsionen. Die genetische Komponente bestimmt ihre Chronizität und die Notwendigkeit einer lebenslangen Behandlung.
Überlegungen vor der Behandlung der atopischen Dermatitis
- Diagnose der Erkrankung (Ausschluss anderer mit Juckreiz einhergehender Hautkrankheiten, einschließlich der Futtermittelallergie)
- Ganzjährige Flohprophylaxe. Kontakt mit Flöhen kann eine Flohspeichelallergie-Dermatitis auslösen und die atopische Dermatitis verkomplizieren
- Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die lebenslang behandelt werden muss. Die Therapie wird je nach klinischem Erscheinungsbild ganzjährig oder saisonal durchgeführt.
Ein häufiger Fehler besteht darin, die Behandlung abzubrechen sobald das Tier keine klinischen Anzeichen mehr aufweist, was zu einer Reaktivierung des Entzündungsprozesses führt. Sobald die Entzündung die Juckreizschwelle überschreitet, fängt das Tier wieder an sich zu kratzen und die klinischen Anzeichen kehren zurück.
REAKTIVE UND PROAKTIVE THERAPIE
Die “Reaktive Therapie” stellt die Behandlung einer aktiven Erkrankung dar, die darauf abzielt, Juckreiz und bestehende Läsionen zu kontrollieren. Es handelt sich um eine Notfallbehandlung, die auf der Anwendung systemischer entzündungshemmender / juckreizstillender Medikamente mit schneller Wirkung und hoher Wirksamkeit basiert, meist zusammen mit einer intensiven topischen Therapie.
Nachdem das Krankheitsbild für einige Wochen kontrolliert und stabil war, wird die sogenannte „proaktive Therapie“ etabliert, um eine Reaktivierung des Entzündungsprozesses zu vermeiden.
Während dieser Behandlungsphase besteht das Ziel darin, das Tier mit der minimal wirksamen Dosis frei von klinischen Anzeichen zu halten. In der proaktiven Therapie können eine antiinflammatorische / juckreizstillende Behandlung, eine topische Behandlung und eine Allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT) zur Anwendung kommen.
MULTIMODALE, AN DAS JEWEILIGE TIER ANGEPASSTE BEHANDLUNG
Die Behandlung sollte multimodal sein und Folgendes umfassen:
- konsequente ganzjährige Flohprophylaxe
- Behandlung des Juckreizes mit entzündungshemmenden / juckreizstillenden Medikamenten (systemisch und topisch)
- Restrukturierung und Hydratation der Haut
- Therapie der Sekundärinfektionen
- Allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT)
1. FLOHKONTROLLE
Atopische Tiere sind anfälliger für die Entwicklung anderer Allergien, daher kann der Kontakt mit Flöhen den allergischen Prozess auslösen. Es ist daher wichtig, eine wirksame ganzjährige Flohkontrolle zu etablieren.
2. ENTZÜNDUNGSHEMMENDE / ANTIPRURITISCHE BEHANDLUNG
Die Kontrolle von Entzündungen und Juckreiz ist wesentlich, um die atopischen Tiere frei von den klinischen Anzeichen der Krankheit zu halten. Medikamente mit nachgewiesener Wirksamkeit bei der Behandlung der atopischen Dermatitis sind:
Glukokortikoide sind entzündungshemmende und immunsuppressive Medikamente (je nach Dosis), die eine schnelle und sehr gute Wirkung bei der Behandlung von Hautentzündungen, Juckreiz und damit verbundenen Läsionen aufweisen. Sie können bei Hunden und Katzen angewandt werden.
Zur Behandlung der atopischen Dermatitis reichen niedrige entzündungshemmende Dosen oraler Kortikosteroide aus. Verwenden Sie keine hohen Dosen oder verzögert wirkende Glukokortikoide, da diese nicht wirksamer sind, aber Nebenwirkungen verstärken.
Tabelle 1 REAKTIVE / PROAKTIVE BEHANDLUNG VON HUNDEN MIT ATOPISCHER DERMATITIS | ||||||
PHARMAZEUTIKUM |
REAKTIVE THERAPIE |
PROAKTIVE THERAPIE |
||||
Milder Juckreiz /milde Läsionen |
Starke entzündliche Läsionen, PododermaFFs, interdigitale Zysten. | |||||
Dosis | Behandlungsdauer | Dosis | Behandlungsdauer | Dosis | Behandlungsdauer | |
Prednisolon / Prednison |
0.5mg/kg q 24h |
3-5 Tage dann gradueller Rückgang zu einer proac>ven Dosis. |
1mg/kg q 24h |
Bis zur Kontrolle der Läsionen, dann Rückgang zu einer proak>ven Dosis. |
0.25mg q 48h |
Ganzjährig wenn ein ganzjähriges Problem vorliegt. Im Fall einer saisonal auQretenden Allergie während der Zeit der klinischen Symptome. |
Dexamethason |
0.05mg/kg |
0.1mg/kg |
0.025mg/kg q48h |
|||
OclaciFnib |
0.4-0.6mg/kg q12h | 14 Tage dann q 24h | 0,4-0.6mg/kg q12h |
14 Tage dann q 24h |
0.4-0.6 mg/kg q 24h |
|
Lokivetmab | 1-2mg/kg | Jede 4 Wochen | Nein | 1-2mg/kg für gewöhnlich monatlich. | ||
Cyclosporin | Keine Einzelanwendung. Es kann zusammen mit anderen Medikamenten begonnen werden um später als proak>ve Therapie fortgesetzt zu werden. 5mg/kg daily | 5mg/kg daily | 1 Monat dann jeden 2. Tag -> 2 Tage / Woche. | |||
ASIT | 1ml monatlich | Lebenslang | ||||
Shampoo-Therapie | Jeden zweiten Tag bzw. so oQ als notwendig. | Wöchentlich |
Tabelle 2- REAKTIVE / PROAKTIVE THERAPIE VON KATZEN MIT ATOPISCHER DERMATITIS | ||||||
PHARMAZEUTIKUM |
REAKTIVE THERAPIE |
PROAKTIVE THERAPIE |
||||
Milder Juckreiz /milde
Läsionen |
EGC Läsionen | |||||
Dosis | Behandlungsdauer | Dosis | Behandlungsdauer | Dosis | Behandlungsdauer | |
Prednisolon/Prednison | 1mg/kg q 24h |
4-7 Tage dann gradueller Rückgang zu einer proac>ven Dosis. |
1mg/kg q 12h | Bis zur Abheilung der Läsionen dann gradueller Rückgang zu einer proac>ven Dosis. | 0.25-0.5mg/kg q 48h |
Ganzjährig wenn ein ganzjähriges Problem vorliegt. Im Fall einer saisonal auQretenden Allergie während der Zeit der klinischen Symptome. |
Dexamethason | 0.1mg/kg | 0.1mg/kg | 0.025-0.05mg/kg q 48h | |||
OclaciFnib (nicht für Katzen zugelassen) | 1-1,3 mg/kg q 12h | 15 – 30
Tage |
15-30 Tage |
0.8-1mg/kg q12-24h |
||
Cyclosporin | Keine Einzelanwendung. Es kann zusammen mit anderen Medikamenten begonnen werden um später als proak>ve
Therapie fortgesetzt zu werden. 7mg/kg daily |
7mg/kg | 1 Monat dann jeden 2. Tag -> 2 Tage / Woche. | |||
ASIT | 1 ml monatlich | Lebenslang. |
Die Dosierung von Glukokortikoiden hängt von ihrer Wirksamkeit ab; die am häufigsten verwendeten sind Prednisolon und Prednison, seltener werden Dexamethason oder Triamcinolon angewandt. Dexamethason ist zehnmal stärker wirksam als Prednisolon / Prednison, daher muss die Dosis zehnmal niedriger berechnet werden. Die Nebenwirkungen von Glukokortikoiden sind proportional zur Wirkstärke, zur Dosierung und zur Dauer der Verabreichung.
Oclacitinib (Apoquel®) ist ein Inhibitor von IL-31, dem Hauptzytokin, das am Mechanismus von Pruritus beteiligt ist, indem es an seinen Janus-Kinase-Rezeptor bindet und diesen blockiert. Seine Wirkung tritt sehr schnell ein und hält maximal 24 Stunden an, es reduziert Entzündungserscheinungen und Juckreiz.
Es ist nicht für die Anwendung bei Katzen zugelassen, aber es gibt gute wissenschaftliche Beweise für seine Wirksamkeit bei dieser Tierart bei einer Dosis von 1 mg / kg alle 12 oder 24 Stunden. Die Verwendung außerhalb der Registrierung erfordert eine engmaschige Überwachung der betroffenen Tiere.
Lokivetmab (Cytopoint®) ist ein kaninisierter monoklonaler Anti-IL-31-Antikörper, der spezifisch an IL-31 bindet und dieses neutralisiert. Es wird subkutan in einer Dosis von 1 – 2 mg/kg verabreicht und die Wirkungsdauer beträgt durchschnittlich 4 Wochen. Es hat eine schnelle juckreizstillende Wirkung, im Allgemeinen innerhalb von 8 Stunden nach der Verabreichung. Da es sich um einen artspezifischen monoklonalen Antikörper handelt, kann er nur bei Hunden angewandt werden.
Cyclosporin (CsA) ist ein immunmodulatorisches, juckreizstillendes und entzündungshemmendes Medikament. Es hat keine sofortige Wirkung und es kann bis zu einem Monat dauern, bis die atopische Dermatitis wirksam kontrolliert werden kann. Die häufigsten Nebenwirkungen sind vorübergehende Magen-Darm-Störungen, die durch die Verabreichung von gefrorenen Kapseln normalerweise vermieden werden können.
Zugelassen ist CsA für Katzen und Hunde. Es wird täglich bis zum Wirkungseintritt verabreicht und anschließend wird der Verabreichungsplan verlängert (abwechselnde Tage -> 3 – 2 Tage pro Woche), der von Fall zu Fall variiert.
Andere
Heute ist bekannt, dass Histamin bei Tieren mit atopischer Dermatitis keine Hauptrolle als Vermittler von Pruritus spielt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Wirksamkeit von begleitend eingesetzten Antihistaminika zur Behandlung der AD null bis mäßig ist und dass die Wirksamkeit als Monotherapie sogar noch geringer ist. In Einzelfällen kann es jedoch wirksam sein, daher ist es immer einen Versuch wert.
Topische Behandlung
Das klinische Bild der atopischen Dermatitis stellt sich bei jedem Tier unterschiedlich dar. Bei jedem Individuum existieren Bereiche (Ohren, Pfoten, Achsel, Bauch, Nacken, Leistengegend …), an denen Entzündungserscheinungen und Juckreiz unterschiedlich stark ausgeprägt sein können und in denen diese Anzeichen mehr oder weniger leicht aufflammen können. Die topische ergänzt die systemische Behandlung zur Kontrolle der empfindlichsten Körperstellen und ist als reaktive und proaktive Therapie sehr nützlich.
Glukokortikoide und topisches Tacrolimus sind wirksam bei der Kontrolle von lokalisiertem Juckreiz. Das empfohlene Glukokortikoid ist das Hydrocortisonaceponat, da es in der Haut metabolisiert wird und keine systemischen Wirkungen aufweist. Andere Glukokortikoide können zur Entwicklung von iatrogenem Cushing und von Hautatrophie beitragen.
3. RESTRUKTURIERUNG UND HYDRATATION DER HAUT
Bei atopischen Tieren wurden Veränderungen der Haut und der Hautbarriere nachgewiesen. Diese sind mit genetischen Faktoren der Erkrankung und der Entzündung verknüpft. Diese Hautveränderungen begünstigen die Vermehrung von Infektionserregern (Bakterien und Malassezien), das Eindringen von Allergenen und die Entstehung von Juckreiz, was letztendlich die Entstehung weiterer Hautläsionen fördert. Eine topische Behandlung, die auf die Wiederherstellung der physiologischen und funktionellen Eigenschaften der Haut ausgerichtet ist, ist bei atopischen Tieren daher unerlässlich.
Die Shampoo-Therapie entfernt Allergene, die sich auf der Haut oder den Haaren ablagern, sowie Krusten, Zelltrümmer, Sekrete und Bakterien. Sie hilft bei der Restrukturierung und Hydratation der Haut und hat eine beruhigende, entzündungshemmende und juckreizstillende Wirkung.
Neben Bädern gibt es Produkte in Form von Schäumen, Cremes oder Spot-on mit restrukturierenden Eigenschaften.
Eine vollständige und ausgewogene Ernährung mit Ernährungskomplexen, die an atopische Erkrankungen angepasst sind, ist ebenfalls erforderlich.
4. KONTROLLE VON SEKUNDÄRINFEKTIONEN
Sekundäre bakterielle (Pyodermie) oder Malassezia-Infektionen sind bei atopischen Tieren sehr häufig. Eine Hautinfektion verursacht Juckreiz und verstärkt Entzündungen. Juckreiz aufgrund einer Infektion wird mit juckreizstillenden Medikamenten nicht kontrolliert.
Bei jedem atopischen Tier mit aktiven Läsionen muss daher das mögliche Vorhandensein einer infektiösen Komponente zwingend bewertet und gegebenenfalls behandelt werden.
5. ALLERGEN-SPEZIFISCHE IMMUNTHERAPIE (ASIT)
Die ASIT ist die einzige Behandlung, die kausal ins Krankheitsgeschehen eingreift. Es handelt sich um eine Langzeitbehandlung, deren Ziel es ist, das Immunsystem so zu „konditionieren“, dass es nicht auf Umweltallergene überreagiert. Die Anwendung wird bei allen Tieren empfohlen, bei denen eine atopische Dermatitis diagnostiziert wurde.
ASIT hat keine sofortige Wirkung, da die “Konditionierung” des Immunsystems Zeit braucht.
Einige Tiere können innerhalb von 4 – 6 Monaten ausgezeichnete Resultate zeigen, aber in anderen Fällen kann es bis zum maximalen Effekt einer ASIT 1 – 2 Jahre dauern. Eine aktuelle Studie beschreibt eine Verbesserung des Krankheitsbildes in durchschnittlich 4,7 Monaten. 58 % der Hunde konnten in weniger als 10 Behandlungsmonaten ausschließlich mit ASIT stabil gehalten werden, ohne dass zusätzliche Medikamente benötigt wurden.
Eine ASIT sollte zusammen mit einer juckreizstillenden Behandlung durchgeführt werden, bis eine Verringerung oder das Aussetzen der juckreizstillenden Behandlung möglich ist (bessere Wirksamkeit nach einem Behandlungsjahr).
Dr. Carmen Lorente
Literatur: Das Literaturverzeichnis erhalten Sie gerne auf Anfrage.
Literatur:
-
Fischer NM and Müller Allergen Specific Immunotherapy in Canine Atopic Dermatitis: an Update. 2019. Current Dermatology Reports. 8: 297–302
-
Mueller RS et Treatment of the feline atopic syndrome – a systematic review. 2021. Veterinary Dermatology. 32 (1) 43-48.
-
Olivry T et Treatment of canine atopic dermatitis: 2010 clinical practice guidelines from the International Task Force on Canine Atopic Dermatitis. 2010. Veterinary Dermatology 21 (3) 233-48
-
Olivry T et Treatment of canine atopic dermatitis: 2015 updated guidelines from the International Committee on Allergic Diseases of Animals (ICADA). 2015. BMC Veterinary Research 11(1):210.
-
Olivry T, Banovic Treatment of canine atopic dermatitis: time to revise our strategy? 2019,. Vet Derm Volume30 (2) 87-90.
-
Ramió‐Lluch L et al. Efficacy of allergen‐specific immunotherapy in dogs with atopic dermatitis: a retrospective study of 145 Vet Rec.2020 Dec 19;187(12):493.
-
Tamamoto-Mochizuki C et al. Proactive maintenance therapy of canine atopic dermatitis with the anti-IL-31 lokivetmab. Can a monoclonal antibody blocking a single cytokine prevent allergy flares? Vet 2019 30. 98-e26