Überblick und Datenlage
Neben orthopädischen Problemen sind bei Pferden intestinale Erkrankungen die häufigsten Gründe für Vorstellungen in der tierärztlichen Praxis. Zwar sind hierbei primäre Tumoren als Ursache selten, sie kommen aber durchaus vor. Die am häufigsten auftretenden Tumoren sind hierbei Lymphome, Spindelzelltumoren und Adenokarzinome.
Für Kliniker kann es eine diagnostische Herausforderung sein, zwischen chronischen Enteritiden, raumfordernden entzündlichen Prozessen und intestinalen oder extraintestinalen Neoplasien zu unterscheiden, da die klinischen Symptome zumeist unspezifisch sind. Neben Gewichtsverlust und akuter Kolik treten auch rezidivierende Koliken und seltener Anorexie, Durchfall oder Fieber auf.
Darmtumoren kommen bei allen Rassen vor, es scheint keine Disposition zu geben. In einer amerikanischen Arbeit über intestinale Tumoren bei Pferden wurde zwar eine Rassedisposition für Araber beschrieben, da diese Rasse in der Studie fast die Hälfte der Tiere ausmachte, hängt die deutliche Dominanz der Araber vermutlich mit der Verteilung der amerikanischen Pferdepopulation zusammen.
Leider ist es makroskopisch nicht möglich, eine Aussage hinsichtlich der Art der Umfangsvermehrung oder deren Dignität zu machen. Tumoren, sowohl benigne als auch maligne, können in ihrer Größe stark variieren. Eine histologische Untersuchung ist daher zur Klärung von Ursprung und Dignität unerlässlich. Es ist wichtig, nach einer Entfernung nach Möglichkeit immer den ganzen Tumor einzusenden, um eine möglichst sichere Aussage hinsichtlich der Abgrenzung und vorliegender Gefäßeinbrüche zu erhalten und gegebenenfalls die Lymphknoten ebenfalls zu resezieren. Denn dies trägt entscheidend zur Einschätzung der Prognose bei.
Tumorarten, deren Besonderheiten und Prognosen
Die „klassischen“ Darmtumoren beim Pferd sind die Spindelzelltumoren, die Lymphome und die Adenokarzinome, wobei die Lymphome in der Literatur den Großteil ausmachen. Es gibt wenige größere Fallsammlungen. In einer internen Studie bei Laboklin wurden 34 Fälle von 2011 – 2023 aus der Routinediagnostik gesammelt, die das Kriterium direkte Assoziation zum Darm erfüllten. 25 davon wurden als Tumoren klassifiziert (Abbildung 1), bei den Restlichen handelte es sich um reaktive bzw. entzündliche Prozesse.
Spindelzelltumoren
Bei den Spindelzelltumoren handelt es sich um Tumoren mesenchymalen Ursprungs. Die häufigste Lokalisation ist der Dünndarm. Zur Differenzierung zwischen benignen und malignen mesenchymalen Tumoren ist insbesondere das infiltrative Wachstum als wichtigstes diagnostisches Kriterium heranzuziehen. Sie lassen sich weiterhin in verschiedene Typen differenzieren, die z. T. nur mittels Immunhistologie voneinander unterschieden werden können.
In unserem Untersuchungsgut machten die Spindelzelltumoren den größten Anteil aus, wobei das Verhältnis von benignen Leiomyomen zu malignen Varianten (Leiomyosarkome, gastrointestinaler stromaler Tumor (GIST)) in etwa 1:1 war. Dabei waren alle Leiomyome und zwei Leiomyosarkome im Dünndarm zu finden, ein Leiomyosarkom im Kolon und das GIST im Zäkum.
Bei Pferden mit Leiomyosarkomen im Bereich des Dünndarms findet zwar ein lokal invasives Wachstum statt, jedoch ist zum jetzigen Zeitpunkt in der Literatur keine Metastasierung beschrieben. Es steht daher zur Diskussion, ob eine vollständige Entfernung des Tumors mit ausreichendem Abstand zum gesunden Gewebe im Bereich des Dünndarms als kurativ anzusehen ist. Anders verhält es sich anscheinend bei Leiomyosarkomen des Zäkums, bei denen Metastasen in der Leber oder dem Peritoneum nachgewiesen werden konnten und diese somit als prognostisch schlechter einzuschätzen sind.
Lymphome
Das Lymphom ist der häufigste Tumor des Pferdes und die intestinale Form ist, nach der multizentrischen und der Hautform, mit 11 % die dritthäufigste Lokalisation.
Auch bei Lymphomen ist die häufigste Lokalisation der Dünndarm (Abbildung 2), was sowohl in der Literatur als auch in unserem Untersuchungsgut bestätigt werden konnte. Auch ein multizentrisches Auftreten unter Einbeziehung von Lymphknoten bzw. der Milz und anderen Organen ist möglich und kann bei entsprechendem Einsendungsmaterial nachgewiesen werden.
In manchen Fällen, insbesondere bei transmuralem Wachstum, ist die Diagnose eines Lymphoms bereits an kleinen tiefen Biopsien (bis 0,5 cm) zu stellen. Das Wachstumsverhalten in die Tiefe ist ein hilfreicher Hinweis zur Bewertung der Malignität und Unterscheidung zwischen einem reaktiven und einem neoplastischen Prozess. Da die tieferen Anteile des Darms in Darmbiopsien jedoch häufig nicht vorhanden sind, muss die Lymphozytenpopulation allein anhand ihrer Morphologie, der Mitosezahl, die häufig sehr niedrig ist, und unter Einbeziehung des klinischen Vorberichts bewertet werden. Somit stellt diese weniger invasive Methode durchaus eine Herausforderung für die Pathologen dar, da der vorherrschende Lymphomtyp beim Pferd kleinzellig, mitosearm und gut differenziert ist und anhand von Biopsien zum Teil nur schwer von reaktiven Lymphozyteninfiltraten zu unterscheiden ist. Es ist zu beachten, dass bei Pferden zumeist keine Leukämie vorliegt und andere lymphatische Organe (z. B. periphere Lymphknoten) oft nicht vergrößert sind. Da beim Pferd außerdem keine Klonalitätsuntersuchung möglich ist, die bei Hunden und Katzen zur Abklärung eines Lymphoms sowohl aus Biopsien als auch aus zytologischen Präparaten zur Verfügung steht, wird in solchen Fällen häufig auf eine immunhistologische Untersuchung zurückgegriffen, die durch eine B- und T-Zell-Differenzierung in vielen Fällen entscheidend zur Diagnose beitragen kann. Sowohl in der hauseigenen Studie als auch in der Literatur handelt es sich in den meisten Fällen um T-Zell-Lymphome (Abbildung 3). Ein B-Zell-Lymphom im Untersuchungsgut zeigte als Besonderheit noch eine Amyloidablagerung, die auch im tributären Lymphknoten nachweisbar war.
Grundsätzlich haben intestinale Lymphome beim Pferd eine ungünstige Prognose. Die mediane Überlebenszeit ist abhängig vom histologischen/immunhistologischen Typ und wird in einer aktuellen Studie mit einem Median von 60 Tagen angegeben (Bacci et. al., 2020). Allerdings war auch ein Pferd dabei, dass zum Zeitpunkt der Publikation eine Überlebenszeit von 650 Tagen aufwies.
Adenokarzinome
Zur Lokalisation von Adenokarzinomen gibt es in der Literatur widersprüchliche Angaben, so wird sowohl von einer Dominanz im Dünndarm als auch im Dickdarm berichtet (Abbildung 4). In unserem Untersuchungsgut ließ sich keine Tendenz hinsichtlich der Verteilung erkennen. Sie zeichnen sich histologisch durch ein zumeist deutlich infiltratives Wachstum aus und weisen häufiger eine ossäre Metaplasie auf (Abbildung 5).
Intestinale Adenokarzinome werden grundsätzlich prognostisch als ungünstig eingeschätzt und neigen neben infiltrativem Wachstum zur Metastasierung. Dennoch gibt es Berichte, nach denen eine chirurgische Entfernung zu einer Überlebenszeit von drei bis fünf Jahren nach Diagnosestellung bis hin zur vollkommenen Heilung ohne Metastasierung und Rezidiven geführt hat und somit auch hier, ähnlich wie bei den Spindelzelltumoren, eine frühzeitige, vollständige Resektion zu einer längeren Überlebenszeit führen kann (falls bis dato keine Metastasen oder Gefäßinfiltration vorliegen).
Andere Tumoren und Umfangsvermehrungen
Neben den bereits aufgeführten „klassischen“ Tumoren gibt es neben nicht-neoplastischen Veränderungen (Hämatome, noduläre Entzündungen) auch seltenere Neoplasien. So traten im eigenen Untersuchungsgut beispielsweise noduläre Gefäßproliferate auf. Hierbei handelte es sich um Angiomatosen im Dickdarm und ein Lymphangiom im Dünndarm.
Fazit
Darmtumoren beim Pferd sind selten, müssen aber dennoch differentialdiagnostisch bei gastrointestinalen Problemen in Betracht gezogen werden.
Ein Rückschluss von der unspezifischen klinischen Symptomatik oder der Makroskopie auf die Histogenese und Dignität ist nicht möglich ist. Häufig fallen die Pferde klinisch erst auf, wenn die Umfangsvermehrungen eine gewisse Größe erreicht haben und dann, unabhängig von der Dignität, mit der durch die Umfangsvermehrung einhergehenden Obturationen und Passagestörungen zur Kolik führen, wie sie auch bei anderen Lageveränderungen auftreten können. Weder Größe noch Gestalt lassen Rückschlüsse auf die Histogenese und Dignität zu, eine weiterführende histologische und ggf. auch immunhistologische Untersuchung ist somit unverzichtbar.
Letztlich bleibt bis zur endgültigen histopathologischen Diagnosestellung bei nodulären Veränderungen nur eine möglichst vollständige Resektion inklusive der Lymphknoten. Je nach Befund kann diese aber bereits kurativ sein oder eine Verlängerung der Überlebenszeit bedeuten.
Dr. Lena Kempker
Weiterführende Literatur:
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