Kürzlich wurde die Nomenklatur der equinen Atemwegserkrankungen überarbeitet.
Die RAO (recurrent airway obstruction; früher: COPD, chronic obstructive pulmonary disease genannt), die IAD (inflammatory airway disease) und SPAOPD (summer pasture-associated obstructive pulmonary disease) werden nun als „equines Asthma (Syndrom)“ bezeichnet (Bond et al., 2018). Es ist eine Lungenerkrankung bei Pferden mit – ähnlich manchen Formen des menschlichen Asthmas – charakteristischen Merkmalen der Atemwegsüberempfindlichkeit. Equines Asthma geht mit bronchoalveolärer neutrophiler Entzündung, Bronchospasmus und exzessiver Mukussekretion einher und ist ein ideales Modell, um humanes Asthma zu erforschen.
IAD: gering- bis mittelgradige Erkrankung im Rahmen des equinen Asthma Syndroms, reversibel und mit besserer Prognose!
RAO: die gleiche Erkrankung wie COBD, aber weniger genau definiert und eher im englischen Sprachraum verbreitet.
Der alte Begriff „COPD“ wird nicht mehr verwendet, da er aus der Humanmedizin stammt und eine andere Pathogenese (Rauchen und Schadgase) aufweist.
Es wird vorgeschlagen, die anderen Unterbegriffe nicht mehr zu verwenden, sondern stattdessen mildes bis moderates und hochgradiges equines Asthma einzusetzen.
Eine Inzidenz von > 14 % in der Pferdepopulation wird beschrieben. Die klinische Symptomatik wird durch eine allergische Reaktion auf verschiedenste Allergene ausgelöst wie z.B. Schimmelpilzsporen im Heu- und Strohstaub, aber auch andere Allergene wie Pollen, Hausstaub- und Vorratsmilben aus dem Stallstaub sowie aus Futtermitteln. Je nach Vorliegen der Allergene kann die Erkrankung saisonal oder ganzjährig auftreten. Häufig sind ältere Pferde (> 6 Jahre) betroffen, die das ganze Jahr über aufgestallt sind, wobei u.a. Stallklima, Einstreumaterial oder Art der Fütterung als die Allergie unterstützende Faktoren angesehen werden. Vor allem im Winter ist die Stallluft oft derart hochgradig mit Schimmelpilzsporen belastet, dass Allergien der Atmungsorgane in dieser Jahreszeit besonders häufig vorkommen. In seltenen Fällen – besonders bei Tieren mit Weidehaltung – tritt das equine Asthma ausschließlich saisonal auf. Dieses Problem wird dann als SPAOPD (summer pasture-associated obstructive pulmonary disease) bezeichnet, deren Ursache in einer Pollenallergie liegt.
Die unheilbare Natur des equinen Asthmas führt häufig zur Euthanasie der betroffenen Pferde oder zu einer vorzeitigen Pensionierung. Eine gezielte Allergenvermeidung stellt unumstritten die beste Therapie beim allergischen Geschehen dar. In einer Studie konnte die Lungenfunktion bereits 3 Tage nach Etablierung eines Umweltmanagements der betroffenen Tiere verbessert werden. Eine erfolgreiche Änderung der Haltungsbedingungen ist jedoch in vielen Fällen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht konsequent durchführbar.
In einer Studie wurde der Zusammenhang zwischen RAO und IBH (insect bite hypersensititvity, Sommerekzem) untersucht. Die Forscher konnten feststellen, dass RAO-Pferde ein erhöhtes Risiko haben, auch an IBH zu erkranken.
Diagnose
Für die exakte Diagnosestellung wird eine sehr ausführliche Anamnese erhoben und das Pferd klinisch untersucht. Dies führt zu einer Liste von Differentialdiagnosen, welche mit Hilfe verschiedener diagnostischer Tests erhärtet oder ausgeschlossen werden. Die bronchoalveoläre Lavage liefert einen wertvollen Beitrag bei der Diagnostik respiratorischer Erkrankungen, detaillierte Informationen dazu entnehmen Sie bitte dem Artikel: Christian M. Zytologie bei Atemwegsproblemen – Indikation, optimiertes Probenhandling und Aussagekraft der Befunde. Pferdespiegel 2021; 24: 1-4. Die endgültige Diagnose der Allergien und vor allem der auslösenden Allergene stellt die Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Therapie mit dauerhafter Wirkung dar.
Mit serologischen Allergietests wird der allergenspezifische IgE-Titer gegen ein bestimmtes Allergen im Blut bestimmt. Eine typische allergische Reaktion auf häufige Umweltallergene (Pollen, Hausstaub-, Vorratsmilben, Schimmelpilze usw.) ist durch die Überproduktion von IgE gekennzeichnet. In einer Studie konnte ein direkter Zusammenhang zwischen signifikant erhöhtem IgE-Spiegel als Reaktion auf die Milbenallergene bei RAO-Pferden im Gegensatz zu gesunden Pferden festgestellt werden.
Vor der Blutabnahme müssen jedoch Absetzfristen von Medikamenten (besonders Kortison, auch z.B. in Salbenform und inhalativ) beachtet werden.
Therapie
Bei vielen Fällen von allergischen Erkrankungen bietet die Allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT, Hyposensibilisierung) eine effektive Behandlungsmöglichkeit. Diese Therapieform ist bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Aus jenen Allergenen, auf welche das Tier im Allergietest positive Reaktionen gezeigt hat, wird speziell für dieses Pferd eine individuelle Therapielösung hergestellt. Grundsätzlich wird eine ASIT immer dann empfohlen, wenn die Beschwerden des Tieres mehr als vier Monate im Jahr andauern. Bei saisonalem Geschehen beginnt man am Ende der Saison. Der Allergietest wird jedoch in der Saison oder kurz nach der Saison durchgeführt.
Die Auswahl der Allergene sollte sich an den Krankheitssymptomen orientieren.
Folgende Allergene werden für die Therapie ausgewählt:
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- diejenigen, welche im Allergietest positiv reagiert haben (unabhängig von der Stärke der Reaktion),
- jene Allergene, welche mit dem Vorbericht und den klinischen Symptomen korrelieren,
- Allergene, die auch vorberichtlich bzw. nachweislich in der Umgebung des Tieres vorkommen.
- Da die Allergenanzahl für die Therapie meist limitiert ist, wird entsprechend der Kreuzreaktionen jeweils ein repräsentatives Allergen aus der kreuzreagierenden Gruppe oder eine kreuzreagierende Mischung verwendet.
Zu Beginn der Therapie ist oftmals eine begleitende Behandlung mit anderen Medikamenten erforderlich, damit die respiratorische Symptomatik für das Tier erträglich bleibt. Sollte der Einsatz dieser symptomunterdrückenden Medikamente notwendig sein, dann empfiehlt es sich, diese Medikamente so niedrig wie möglich zu dosieren, um sicher zu stellen, dass man gerade zu Beginn der ASIT die Symptome nicht ganz unterdrückt, sondern nur lindert. Denn der Grad der Beschwerden des Patienten ist ein wichtiger Indikator, der dazu dient, bei Bedarf den Therapieplan der ASIT anpassen zu können.
Bei der üblicherweise angewandten subkutanen ASIT erfolgt die Injektion anfangs in wöchentlichen Abständen, später werden die Intervalle bis hin zu monatlichen Injektionen deutlich verlängert. Begonnen wird die Therapie mit einem stark verdünnten Allergenextrakt und dann später mit einem stärker konzentrierten fortgesetzt. Das Tier soll hierdurch eine gesteigerte Toleranz gegenüber den injizierten Allergenen entwickeln, damit es nicht mehr zu den bekannten klinischen Symptomen – ausgelöst durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems – kommt. Die ASIT ist die einzige Therapie, die kausal ins Krankheitsgeschehen eingreift. In der Veterinärmedizin wird bei einem guten Ansprechen auf diese Therapie empfohlen, sie lebenslang fortzuführen, da Allergien nicht heilbar sind und die Erfahrung gezeigt hat, dass nach dem Absetzen der Therapie häufig innerhalb von spätestens 1 – 2 Jahren mit einem erneuten Auftreten der Symptome zu rechnen ist. Eine regelmäßige klinische Kontrolle der Therapie durch den behandelnden Tierarzt ist zu empfehlen, da vereinzelt Anpassungen in Bezug auf Injektionsintervall und/oder -dosis notwendig werden können.
Für den Tierbesitzer ist der Erfolg einer Therapie entscheidend.
Symptom | Erfolg ASIT |
Atemwegserkr. | 80% |
Atemwegserkr. Innerhalb v. 2J | 86% |
Eigene Untersuchungen von Pferden mit allergischen Atemwegserkrankungen ergaben, dass bei über 80 % der erfassten Patienten eine sehr gute bis deutliche Besserung der klinischen Symptomatik erzielt werden konnte. Bei einem Therapiebeginn innerhalb der ersten 2 Jahre nach Auftreten erster Krankheitserscheinungen konnten diese Erfolgsaussichten sogar auf 86 % erhöht werden. Das heißt gerade bei Pferden mit Atemwegsproblematik, welche sogar häufig durch diese Erkrankung unreitbar werden, ist die ASIT eine extrem Erfolg versprechende Therapie.
Außerdem sollte beachtet werden, dass allen allergischen Geschehen eine genetische Komponente zugrunde liegt, d.h. betroffene Tiere sollten von der Zucht ausgeschlossen werden, was besonders für Zuchthengste mit einer hohen Anzahl an Nachkommen von großer Bedeutung ist.
Dr. Regina Wagner