Urothel- und Prostatakarzinome
Sowohl die urothelialen Karzinome (UCa) von Harnblase und Urethra als auch das Prostatakarzinom (PCa) des Hundes sind hochmaligne Neoplasien, die oft erst verhältnismäßig spät diagnostiziert werden (z. B. mittels Ultraschall, Abb. 1) und eine schlechte Prognose haben. Mit Hilfe der Untersuchung auf das Vorliegen der Mutation V595E im BRAF-Gen kann die Diagnose bereits in frühen Stadien auch im Urinsediment gelingen.
NEU ist ein ergänzender Test, der angewendet werden kann, wenn keine BRAF-Mutation gefunden wurde und die Sensitivität der Gesamtuntersuchung erhöht werden soll. Der Kombi-Test heißt bei LABOKLIN BRAF comp.
Beide Tests sollen hier noch einmal vorgestellt werden.
BRAFV595E-Mutation
Die aus der Humanmedizin bekannte BRAF-Variante V595E wurde 2015 erstmals von Mochizuki et al. in einer Vielzahl von Tumoren des Hundes untersucht. Im Gegensatz zum Menschen, bei dem die Mutation v. a. in malignen Melanomen, Ovartumoren, Schilddrüsenkarzinomen und kolorektalen Karzinomen vorkommt, fanden Mochizuki et al. (2015) die Mutation beim Hund am häufigsten in urothelialen Karzinomen und Prostatakarzinomen.
Es handelt sich bei der BRAFV595E-Mutation um eine somatische Mutation im Chromosom 16, die nur in Tumorzellen detektiert werden kann. Über eine permanente Aktivierung des MAP-Kinase-Wegs führt diese Mutation zur Tumorentstehung.
Indikationen
Die Untersuchung auf das Vorliegen der BRAFV595E-Mutation kann bei folgenden Indikationen sinnvoll sein:
- Screening zur Früherkennung bei prädisponierten Rassen (s. u.)
- Eine invasive Probenentnahme soll durch die Un-tersuchung von Spontanurin (Sediment) vermieden werden.
- In Fällen mit fraglichen pathohistologischen und zytologischen Diagnosen (schlechte Probenqualität, überlagernde Bilder einer Entzündung und Neoplasie) kann eine wiederholte invasive Probenentnahme umgangen werden.
- Individualisierte Therapie bei ausgewählten BRAF-positiven Fällen (z. B. mit Sorafenib; Chon et al. 2024)
Mögliche Probenmaterialien
- Gewebe (z. B. Biopsien in Formalin fixiert, mind. 5 mm)
- mind. 2 zytologische Ausstriche (z. B. tumorzellreiche Feinnadelaspirate, Harnsediment)
- Urin (1 ml Harnsediment, Empfehlung: spontaner Morgenurin)
Da das hochsensitive Verfahren der droplet digital PCR (ddPCR) angewandt wird, reichen bereits 2 Tumorzellen mit BRAFV595E-Mutation aus, um die Diagnose eines Karzinoms sicher zu stellen.
Methodische Limitationen
Auswertungen des Routinematerials zur BRAFV595E-Mutation-Diagnostik aus den vergangenen 6 Jahren haben gezeigt, dass in etwa 10 % der Proben keine DNA zu isolieren war. Dies passiert v. a. dann, wenn nicht-zentrifugierter Urin anstelle von Sediment eingesandt wird. Da die DNA in den Zellen vorliegt, muss ein ausreichend hoher Anteil an Epithelzellen in der Probe vorhanden sein, damit ausreichend DNA isoliert werden kann. Grundsätzlich ist zwar auch zellfreie DNA detektierbar, aber dies ist keine Option, auf die man sich bei der Auswahl des Materials verlassen sollte.
In seltenen Fällen können auch Inhibitoren die Ursache dafür sein, dass trotz ausreichender Zellzahl keine DNA zu isolieren ist.
Für den Nachweis der BRAFV595E-Mutation ist eine bakterielle Überwucherung im Urin meist kein Problem.
Spezifität und Sensitivität
Die Spezifität der BRAFV595E-Mutationsdiagnostik liegt bei 100 %, da die BRAF-Mutation bei keinem der Hunde mit Zystitis, Harnblasenpolyp o. ä. nachgewiesen werden konnte. Das gilt entsprechend auch für die Prostatakarzinome, da die BRAFV595E-Mutation bei benigner Prostatahyperplasie, Plattenepithelmetaplasie oder Atrophie der Prostata nicht gefunden wurde (Mochizuki et al. 2015a).
Die Sensitivität des Nachweises der BRAF-Mutation im UCa liegt je nach Studie und Hunderasse bei bis zu 86 % bzw. für die PCa bei etwa 61 %. Bereits Frühstadien eines UCa (Dysplasie), die eine BRAF-Mutation aufweisen, waren in einem Fallbericht nachweisbar (Chamber et al. 2024).
Aktuelle Auswertungen des Routinematerials von LABOKLIN aus den vergangenen 6 Jahren haben gezeigt, dass bei bestimmten Terrierrassen (Abb. 2), Shetland Sheepdogs und Beaglen der Anteil der BRAF-positiven Proben im Einsendungsmaterial besonders hoch ist. Dies sagt allerdings nichts über die Sensitivität aus, da keine Informationen dazu vorliegen, ob bei den negativen Fällen tatsächlich ein Tumor vorlag oder nicht. Aber diese Beobachtungen geben einen Hinweis, dass die Mutation sehr regelmäßig bei Proben von diesen Rassen gefunden wird.
Interpretation des Ergebnisses
Nur das positive Ergebnis ist beweisend für ein Karzinom.
Falls keine BRAF-Mutation in der Probe nachweisbar ist, können folgende Szenarien möglich sein:
- Es liegt kein UCa / PCa vor (z. B. Polyp, benigne Hyperplasie).
- Es sind keine mutierten Zellen in der Probe vorhanden, aber es liegt ein Karzinom vor (fragliche Repräsentativität der Probe, z. B. zellarme Zytologie/Harn).
- Das Karzinom ist nicht durch die BRAFV595E-Mutation verursacht.
- Der neue CNA-Test kann sinnvoll sein (s. u.).
NEU: BRAF comp.
Die Diagnostik von Harnblasenkarzinomen konnte nun bei LABOKLIN um einen weiteren molekulargenetischen Test (CNA) zu einem Gesamtpanel BRAF comp. erweitert werden. Die CNA-Analyse beruht auf dem Nachweis einer veränderten Anzahl bestimmter Genabschnitte.
Grundsätzlich kann es bei strukturellen Genveränderungen zu einem Verlust oder Vervielfachung von Gensegmenten kommen (Veränderungen der Kopienzahl = Copy Number Alteration, CNA), s. Abb. 3.
Copy Number Alteration (CNA) beim urothelialen Karzinom des Hundes
Duplikationen auf den Chromosomen 13 und 36 oder Deletionen auf Chromosom 19 zeigten sich in >75 % der Fälle von kaninen urothelialen Karzinomen, wobei >93 % zwei oder mehr dieser CN-Veränderungen aufweisen (Shapiro et al. 2015). Diese Veränderungen fehlten in Urinproben von Hunden mit Harnwegsinfektionen, Zystitis oder gutartigen Blasenpolypen (Mochizuki et al. 2016).
Bei Prostatakarzinomen des Hundes sind diese Gen-veränderungen NICHT nachweisbar (s. Abb. 4).
Mittels der Quantifizierung dieser Copy Numbers können nun auch solche urothelialen Karzinome identifiziert werden, die keine BRAFV595E-Mutation aufweisen. Der kombinierte Test wird als BRAF comp. von LABOKLIN angeboten und entspricht dem Test CADET® BRAF-PLUS in den USA.
Die veränderte Kopienzahl steht jedoch in keinem Zusammenhang mit der BRAF-Mutation, sondern es handelt sich um ein unabhängiges molekulargenetisches Phänomen, das nur in den Tumorzellen der kaninen urothelialen Karzinome nachweisbar ist. Die molekularen Konsequenzen auf Proteinebene oder innerhalb von Signal-Kaskaden sind noch nicht untersucht. Ob und inwieweit eine therapeutische oder prognostische Aussage für Hunde mit diesen CNA im Harnblasenkarzinom möglich ist, muss noch untersucht werden.
Methodische Limitationen
Grundsätzlich kann das bereits eingesandte Material von der BRAF-Mutationsanalyse (s. o.) auch für die CNA-Analyse verwendet werden.
ABER: Es ist eine bessere DNA-Qualität nötig, da nicht nur die BRAFV595E-Punktmutation untersucht wird, sondern größere Gensegmente analysiert werden, die dementsprechend in guter Qualität vorliegen müssen. Daher besteht das Risiko, dass die CNA-Analyse kein verwertbares Ergebnis liefert, wenn der Urin zellarm und/oder bakteriell überwuchert ist.
Deshalb wird empfohlen, zunächst die BRAFV595E-Mutations-Analyse durchzuführen und nur im negativen Fall eine anschließende CNA-Analyse in Betracht zu ziehen (s. Abb. 4). Da das Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchungen immer erst feststeht, wenn die Analyse vollständig abgeschlossen ist, wird der volle Preis fällig, auch, wenn trotz wiederholter Testung kein verwertbares Ergebnis erzielt werden konnte.
Fazit
Die Untersuchung auf die BRAF-Mutation ist ein hochspezifisches Verfahren (100 %) für den Nach-weis von Urothel- und Prostatakarzinomen beim Hund. Die neu etablierte Untersuchung auf Variatio-nen in der Kopienzahl bestimmter Genabschnitte (CNA) kann die Sensitivität der molekulargenetischen Diagnostik der urothelialen Karzinome erhöhen.
PD Dr. Heike Aupperle-Lellbach, Alexandra Kehl
Leistungen zum Thema
#8675 BRAF-Mutation (V595E)
#518 BRAF comp. (V595E + 2 CNA)
Nachforderung der CNA bei negativem BRAF direkt über das Labor
Weiterführende Literatur
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Aupperle-Lellbach H, Grassinger J, Hohloch C et al. Diagnostische Aussagekraft der BRAF-Mutation V595E in Urinproben, Ausstrichen und Bioptaten beim kaninen Harnblasenkarzinom. Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2018; 46: 289–95.
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Aupperle-Lellbach H, Kehl A, Merz S et al. Die BRAF-Mutation V595E im Übergangszellkarzinom – Untersuchungen zur Rassedisposition bei Terriern. Kleintiermedizin 2019; 22(1): 30–3.
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Chambers JK, Takahashi N, Kato S et al. Diagnostic challenge in veterinary pathology: Detection of BRAF(V595E) mutation in a dog with follicular cystitis and flat urothelial lesion with atypia. Vet. Pathol. 2024; 61: 335-8.
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Chon E, Hendricks W, White M et al. Precision Medicine in Veterinary Science. Vet Clin North Am Small Anim Pract. 2024; 54(3):501-21.
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Grassinger JM, Aupperle-Lellbach H, Erhard H et al. Nachweis der BRAF-Mutation bei kaninen Prostataerkrankungen. Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere. 2019; 47: 313-20.
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Mochizuki H, Kennedy K, Shapiro SG et al. BRAF Mutations in Canine Cancers. PloS one 2015; 10: e0129534.
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Mochizuki H, Shapiro SG, Breen M. Detection of BRAF Mutation in Urine DNA as a Molecular Diagnostic for Canine Urothelial and Prostatic Carcinoma. PLoS ONE 2015a; 10, e0144170.
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Mochizuki H, Shapiro SG, Breen M. Detection of Copy Number Imbalance in Canine Urothelial Carcinoma with Droplet Digital Polymerase Chain Reaction. Vet. Pathol. 2016; 53: 764–72.
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Shapiro SG, Raghunath S, Williams C et al. Canine urothelial carcinoma: Genomically aberrant and comparatively relevant. Chromosome Res. 2015; 23: 311–31.