Beim erkrankten Meerschweinchen stellt die Labordiagnostik weiterhin eine wichtige Zusatzuntersuchung in der Diagnostik dar. Aufgrund der – für den Tierbesitzer – erst spät sichtbaren, unspezifischen klinischen Symptome werden Meerschweinchen oftmals erst bei fortgeschrittenen Erkrankungen beim Tierarzt vorgestellt. Eine Labordiagnostik ist zu diesem Zeitpunkt meist unabdingbar. Die Blutuntersuchung sollte neben weiterführender, bildgebender Diagnostik immer bei schlechtem Allgemeinbefinden, Inappetenz oder im Rahmen eines PräOP-Screening durchgeführt werden.
Präanalytik
Da Meerschweinchen und andere Kleinsäuger Fluchttiere und somit stressanfälliger als Hunde und Katzen sind, ist es im Vorfeld einer Blutuntersuchung wichtig, sich alle benötigten Materialen zurechtzulegen. Somit kann die Dauer der Manipulation auf das Nötigste reduziert werden.
Aufgrund von Körpergröße und Gesamtblutvolumen (69 – 75 ml/kg) sollte man kleine Probenröhrchen wählen. Besonders geeignet beim Meerschweinchen ist die Verwendung von Lithium-Heparin-Röhrchen. Hier besteht die Möglichkeit, neben einem Blutbild und der Untersuchung der klinisch-chemischen Parameter auch T4 und fT4 zu bestimmen. Lithium-Heparin-Blut (1 ml) ist somit eine gute Alternative zu EDTA-Blut und Serum, wenn im Vorfeld der Blutprobenentnahme schon mit wenig zu gewinnendem Blut zu rechnen ist.
Zudem ist es immer sinnvoll, direkt in der Praxis Blutausstriche anzufertigen, um im Fall von transportbedingten Zelldegenerationen im Probenröhrchen die Auswertung des Differentialblutbildes zu ermöglichen.
Punktionsstellen
Die Blutentnahme kann an unterschiedlichen Punktionsstellen mit einer Kanüle der Größe 20 – 21 G (mit oder ohne Konus) erfolgen.
Die Vena saphena lateralis ist hierfür am besten geeignet. Sie befindet sich caudal am Unterschenkel und ist sowohl gut sicht- als auch tastbar (Abb. 1a). Eine Punktion (Abb. 1b) erfolgt auf halber Höhe zwischen Schenkelspalt und Tarsalgelenk in einem Winkel von 30° zur Beinachse.
Es ist auch möglich, die sich lateral am Vorderbein befindliche Vena cephalica antebrachii zu punktieren (Abb. 2). Hierbei empfiehlt es sich, das Bein parallel zur Tischkante zu lagern.
Hämatologie
Meerschweinchen weisen im Vergleich zu anderen Tierarten weniger, aber dafür größere Erythrozyten auf (6,6 – 7,9 μm). Der Hämatokrit (0,39 – 0,55 l/l) ist ähnlich dem des Hundes, auch Jungtieranämien können auftreten. Eine Bestimmung der Retikulozyten zur Klassifizierung einer Anämie ist auch beim Meerschweinchen möglich (Kaufhold et al., 2017).
Im Gegensatz zu Hund und Katze weisen Meerschweinchen ein lymphozytäres Blutbild auf. Physiologischerweise zirkulieren im peripheren Blut mehr Lymphozyten als neutrophile Granulozyten. Bei akuten, bakteriellen Infektionen oder Entzündungen kommt es zur sogenannten „Pseudolinksverschiebung“ – einer Verschiebung vom lymphozytären zum granulozytären Blutbild. Eine deutliche Leukozytose sowie das Auftreten von stabkernigen Neutrophilen ist in diesem Fall – im Vergleich zu anderen Tierarten – selten sichtbar. Beim sogenannten „Stressleukogramm“ sind die Lymphozyten und Granulozyten annähernd gleich verteilt.
Die neutrophilen Granulozyten der Meerschweinchen werden aufgrund der azidophilen Färbung auch als „Pseudoeosinophile“ (Abb. 4) bezeichnet. Diese können leicht mit eosinophilen Granulozyten verwechselt werden, sind aber im Vergleich zu diesen kleiner. Zudem ist ihr Kern weniger segmentiert und weist kleinere Granula auf.
Eine Eosinophilie tritt, im Gegensatz zum Kaninchen, nicht nur bei Gewebeverletzungen und Infektionen von mastzellhaltigem Gewebe (Haut, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Uterus), sondern auch bei Parasitosen auf.
Auch Meerschweinchen können leukämische Lymphome mit massiver Leukozytose entwickeln, die sich – verglichen mit anderen Tierarten – gut über eine Blutuntersuchung diagnostizieren lassen.
Eine letzte hämatologische Besonderheit bei dieser Tierart stellen die Foa-Kurloff-Zellen (Abb. 6) dar. Foa-Kurloff-Zellen sind mononukleäre Leukozyten (oftmals Lymphozyten, selten Monozyten) mit Einschlusskörperchen (Kurloff-Körperchen), die aufgrund ihrer Optik nicht mit einem intrazellulären Erreger verwechselt werden dürfen. Sie können 3 – 4 % der Leukozyten ausmachen.
Eine besonders hohe Anzahl dieser Einschlusskörperchen ist während der Trächtigkeit beschrieben und korreliert mit dem Östrogenspiegel. Sie sind vermutlich ein Äquivalent zu den Killerzellen bei anderen Säugetieren und stellen eine Barriere zwischen Fetus und Mutter dar.
Besonderheiten der klinisch-chemischen Untersuchung
Viele Labore bieten so genannte Heimtierprofile an, die dem Tierarzt einen guten Überblick über die jeweilige Stoffwechsellage geben. Oftmals sind Leber-, Nieren- und Muskelparameter sowie Fructosamine, Gesamteiweiß und Elektrolyte darin enthalten.
Um den Leberstoffwechsel zu beurteilen, sollte man den Enzymveränderungen von GLDH, ALT und AST Beachtung schenken. GLDH ist beim Meerschweinchen ein empfindliches Enzym und steigt bei akuten Hepatopathien schnell an, obwohl es auch in Nierenzellen zu finden ist. Da ALT und AST in geringen Konzentrationen nicht nur in der Leber, sondern auch in anderen Organen vorkommen, sind sie nicht spezifisch für hepatozelluläre Schäden. Erhöhte Enzymkonzentrationen in Verbindung mit anderen Leberwerterhöhungen deuten auf ein chronisches Lebergeschehen hin. Eine gesteigerte AST-Aktivität sollte immer auch in Verbindung mit der CK beurteilt werden, da die AST neben Leber, Niere und Pankreas auch in Herz- und Skelettmuskelzellen vorkommt. Obwohl der Fettstoffwechsel des Meerschweinchens weniger aktiv ist als der des Kaninchens, neigen diese ebenso zu einer Leberlipidose. Sowohl die AP als auch die γ-GT sind reaktionsträge und steigen erst bei chronischen Geschehnissen an. Die Beurteilung von Harnstoff und Kreatinin unterscheidet sich nicht von anderen Tierarten.
Da v.a. caecotrophe Herbivoren nie nüchtern sind (und auch nicht vor der Blutentnahme gefastet werden sollen), weisen diese generell hohe Glukosewerte von 5,0 – 16,0 mmol/l auf. Der physiologische Bereich der Fructosamine liegt aber vergleichsweise niedrig bei < 271 μmol/l. Als prognostischer Faktor bei Ileus oder Stase ist die Glukose aussagekräftig. Denn je höher und länger eine Hyperglykämie besteht, desto schlechter ist die Prognose des erkrankten Tieres. Ein zusätzlicher Natriumabfall (< 129 mmol/l) erhöht die Mortalitätsrate um das 2,3fache (Bonhevi et al., 2014).
Endokrinologische Labordiagnostik
Hormonelle Erkrankungen sind beim Meerschweinchen im Gegensatz zu Hund und Katze in geringer Zahl beschrieben. Fallbeschreibungen von Hyperthyreose, Morbus Cushing, Diabetes mellitus und Insulinom sind zu finden.
Hyperthyreose
Oft werden hyperthyreote Tiere mit höherem Alter, progressivem Gewichtsverlust bei gleichbleibendem oder gesteigertem Appetit, einer Umfangsvermehrung am ventralen Hals sowie Verhaltensveränderungen vorgestellt. Im fortschreitenden Verlauf kann es zu PU/PD, Alopezie, Inappetenz, chronisch-schmierenden Durchfällen und Herzproblemen kommen.
Zur Diagnosestellung sollte T4 bestimmt werden (mind. 250 μl Serum oder Heparinplasma). Um Differentialdiagnosen auszuschließen, empfehlen sich eine Blut-, Harn- und Kotuntersuchung sowie eine zytologische Untersuchung der Umfangsvermehrung.
Morbus Cushing/Hyperadrenokortizismus
Patienten mit Verdacht auf Morbus Cushing werden häufig mit bilateraler, an den Flanken und am ventralen Abdomen beginnender Alopezie, Apathie, PU/PD, Polyphagie und bilateralem Exophthalmus vorgestellt. Im Krankheitsverlauf können auch dünnere Haut, Gewichtsverlust und Muskelatrophie auftreten.
Die Labordiagnostik kann in Form eines ACTH-Stimulationstests aus Blut oder Speichel sowie über die Durchführung eines Dexamethason-Supressionstests erfolgen.
Durch die hohe Frequenz an pulsatil sezerniertem ACTH weisen Meerschweinchen generell hohe Basalcortisolkonzentrationen im Blut auf. Jeglicher Stress, wie auch die Blutentnahme, steigert die Cortisolkonzentration im Blut zusätzlich.
Eine stressärmere Alternative zur Blutentnahme stellt die Messung der Cortisolkonzentration im Speichel dar. Hier ist die Belastung für das individuelle Tier deutlich geringer. Die Durchführung des ACTH-Stimulationstests aus Speichel ist identisch zu dem aus Blut. Zunächst wird eine Basalprobe entnommen mit darauffolgender intramuskulärer Injektion von 20 I.E. ACTH. Die Entnahme der Stimulationsprobe erfolgt 4 Stunden post injectionem. Für die Gewinnung der Speichelprobe müssen zwingend Salivetten (Abb. 7, Firma Saarstedt) verwendet werden.
Die Kunststofffaserrolle im Inneren der Salivette ist zu entnehmen und sollte bis zu 5 Minuten zwischen Molaren und Backenschleimhaut platziert werden. Um ein Abrutschen zu verhindern, kann die Kunststofffaserrolle fixiert werden (Abb. 8). Nach erfolgreicher Probenentnahme muss das Trägermaterial (Kunststofffaserrolle) wieder in die Salivette verbracht und versandt werden.
Ein Dexamethason-Supressionstest (LDDS mit 0,01 mg/kg oder HDDS mit 0,1 mg/kg Dexamethason) ist möglich. In der Literatur liegen allerdings bisher keine validen Referenzwerte vor. Ähnlich wie beim Hund ist hier die Supprimierung der Cortisolkonzentration entscheidend.
Beim Meerschweinchen ist Morbus Cushing jedoch immer noch eine Ausschlussdiagnose und sollte durch weiterführende Untersuchungen, wie eine sonographische Darstellung der Nebennieren, verifiziert werden.
Diabetes mellitus
Erkrankte Tiere zeigen v.a. Adipositas und PU/PD. Bilaterale Katarakte sind beschrieben. Sowohl der hereditäre Typ I als auch der erworbene Typ II kommen vor.
Labordiagnostisch fallen eine deutliche Hyperglykämie, eine Erhöhung der Fructosamine sowie Glukosurie auf. Zum Ausschluss von Differentialdiagnosen sollte ein Heimtierprofil inklusive Blutbild, T4 und ein ACTH-Stimulationstest sowie eine Harnuntersuchung durchgeführt werden.
Insulinom
In der Literatur sind bisher nur zwei Fälle zu finden. Schwäche, Paralyse sowie Zuckungen und Krämpfe wurden beschrieben. Bei der klinisch-chemischen Untersuchung zeigten sich niedrige Glukose- sowie Fructosaminwerte. Die Bestimmung von Insulin ist aufgrund der intermittierenden Sezernierung und fehlender Referenzwerte nicht empfehlenswert.
Fazit
Die Blutuntersuchung beim Meerschweinchen hat sich in den letzten ca. 50 Jahren durch den stetig wachsenden Anteil von Kleinsäugern im Haustiersektor etabliert. Weitere Forschung ist jedoch unabdingbar.
09 / 2019
LABOKLIN Aktuell