Die Hypothyreose ist eine häufig vorkommende Endokrinopathie beim Hund. Wir haben Ihnen wichtige Fragen und Antworten aus der Expertenrunde zum Thema Hypothyreose zusammengestellt.
Teilnehmer der Expertenrunde waren:
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- Dr. Astrid Wehner, Dipl. ECVIM-CA (Leitung der endokrinologischen Abteilung, Medizinische Kleintierklinik der LMU München),
- Dr. Florian Zeugswetter, (Leitung der endokrinologischen Abteilung der Universitätsklinik für Kleintiere Wien),
- Alenka Hrovat, PhD, Dipl. ECVIM-CA (Pride Veterinary Center, University of Nottingham, UK) – sie hat über den Zusammenhang von Verhaltensänderungen und Hypothyreose publiziert,
- Prof. Andrea Fischer, Dipl. ECVN, Dipl. ACVIM (Leitung der Abteilung Neurologie, Medizinische Kleintierklinik der LMU München) – sie beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Hypothyreose und neurologischen Symptomen und
- Prof. Wolfgang Bäumer, Dipl. ECVPT (Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Fachbereich Veterinärmedizin, FU Berlin) – er ist Mitglied des Bundestierärztekammer-Ausschusses für Arznei- und Futtermittelrecht.
Ist das Hypothyreose oder nicht?
Eine niedrige Serum T4-Konzentration ist nicht unbedingt mit Hypothyreose gleichzusetzen. Insbesondere andere Erkrankungen können zu Reduktionen führen. Wie kann solch ein Wert darauf hin überprüft werden, ob er tatsächlich eine Hypothyreose anzeigt oder lediglich aufgrund einer anderen, nicht-thyreoidalen Erkrankung reduziert ist?
Dr. Astrid Wehner betont den Wert der klinischen Untersuchung. Zeigt der Hund keinen typischen Vorbericht wie Gewichtszunahme bei normaler Futteraufnahme und Leistungsminderung und fallen bei der Allgemeinuntersuchung keine klassischen Veränderungen wie verdickte Haut, schlechte Fellqualität, ggf. auch Alopezie auf, ist Skepsis angezeigt.
Dr. Florian Zeugswetter bestätigt, dass ein vollständiges Schilddrüsenprofil helfen kann, Licht ins Dunkle zu bringen. Insbesondere die Kombination von T4 und TSH sei bekanntermaßen extrem wertvoll. Ist T4 niedrig bei gleichzeitig erhöhtem TSH, können wir uns relativ sicher sein, dass eine Hypothyreose vorliegt. Leider ist bei ca. 30 % der hypothyreoten Hunde das TSH in der Norm.
Die Thyreoglobulin-Antikörper (ATG) können ebenfalls eine Hilfestellung geben. Sind sie positiv, liegt eine Schilddrüsenpathologie vor und kann in Grenzfällen den Verdacht einer Hypothyreose bestärken. Allerdings heißt das nicht automatisch, dass eine Hypothyreose vorhanden ist. Viele Hunde bilden im Laufe ihres Lebens Antikörper gegen Thyreoglobulin, T4 oder T3, aber nur ein relativ geringer Prozentsatz entwickelt in Folge eine manifeste Hypothyreose. Das Wissen über die Antikörper hat jedoch noch eine weitere Bedeutung: T4-Konzentrationen können durch die Interferenz mit Antikörpern verfälscht sein. Dabei ist nicht nur eine falsch hohe, sondern auch eine falsch niedrige Messung möglich. Somit ist Vorsicht bei der Interpretation der T4-Konzentration geboten, wenn ATG nachgewiesen werden.
Natürlich schloss sich die Frage nach dem Wert der Messung von freiem T4 (fT4) an. Dr. Florian Zeugswetter weist auf den Unterschied zwischen den unterschiedlichen Messmethoden hin. Der Goldstandard ist weiterhin die so genannte Equilibrium Dialyse mit nachfolgender Bestimmung des gefilterten fT4 mittels Radioimmunassay (RIA). Mit dieser Methode gemessenes fT4 wird weniger von nicht-thyreoidalen Erkrankungen beeinflusst als Gesamt-T4. Für das mittels anderer Verfahren bestimmte fT4 gilt dies nur bedingt. Da die Dialyse-RIA Technik nur noch von einzelnen Laboren in den USA angeboten wird, müssen wir uns allerdings meist mit den mittels so genannter CLIA-Verfahren bestimmten Werten begnügen. Wir sollten dabei unbedingt im Hinterkopf behalten, dass diese ebenfalls von anderen Erkrankungen und Medikamenten beeinflusst werden.
In diesem Zusammenhang kam es zu einer Diskussion bezüglich beeinflussender Medikamente. Solche Medikamente sind z. B. Glukokortikoide aber auch Antikonvulsiva wie Phenobarbital.
Prof. Andrea Fischer erklärt, dass wir gerade beim Phenobarbital vor großen Problemen stehen. Die mit Phenobarbital behandelten Hunde sind klinisch oft ähnlich träge wie hypothyreote Patienten. Phenobarbital reduziert T4 und kann sogar die TSH-Konzentration erhöhen (allerdings meist nur innerhalb des Referenzintervalls).
Optimal wird bei solchen Patienten ein Funktionstest durchgeführt.
Es ist bekannt, dass der TSH-Stimulationstest zwar sehr aussagekräftig, aber leider für den Routine-einsatz zu teuer ist. Die Szintigraphie ist nur in Spezialzentren möglich.
Dr. Astrid Wehner weiß zu berichten, dass eine Neuinterpretation des kostengünstigen und einfach durchführbaren TRH-Tests an der Universität Utrecht überprüft wurde. In der Studie bewies ein mindestens 57%iger Anstieg von TSH 45 Minuten nach Injektion von TRH (10 ug/kg i. v.) eine physiologische Funktion der Schilddrüse, während der TSH-Anstieg bei hypothyreoten Hunden geringer ausfiel. Noch fehlt die klinische Erfahrung, um diese Resultate für den praktischen Alltag zu bestätigen. Die Expertenrunde ist sich aber einig, dass der Test sehr nützlich erscheint.
Alenka Hrovat verweist auf den Therapieversuch als valide Möglichkeit in der Praxis. Allerdings sollte dieser nicht nur aufgrund einer niedrigen T4-Konzentration, sondern immer nur bei begründetem Verdacht erfolgen.
Dr. Florian Zeugswetter wirft ein, dass insbesondere bei Hunden mit Verhaltensauffälligkeiten beachtet werden muss, dass Thyroxin ein psychotroper Wirkstoff ist. Unabhängig von einer Hypothyreose-induzierten Symptomatik wird die Gabe zu Verhaltensänderungen führen. Dies kann interessanterweise auch die Reduktion von Aktivität sein, was bei hyperaktiven/ängstlichen Junghunden zu Fehlinterpretationen führen kann.
Können Junghunde eine Hypothyreose haben?
Dr. Astrid Wehner hält die oft gesehene Praxis der Supplementierung mit Schilddrüsenhormonen von verhaltensauffälligen Junghunden, die keine klassischen Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion zeigen und deren T4-Konzentrationen in der Regel im Normbereich liegen, für problematisch. Diagnostisch ist zu beachten, dass insbesondere junge und gesund-erscheinende Hunde immer eine TSH-Erhöhung aufweisen würden, wenn ein Mangel an T4 besteht. Zeigt ein Junghund keine TSH-Erhöhung, ist eine Hypothyreose unwahrscheinlich. Eine isoliert niedrige T4-Konzentration bei einem Junghund ist sehr verdächtig für eine nicht-thyreoidale Erkrankung.
Subklinische Hypothyreose ist definiert als eine TSH-Erhöhung bei noch normaler T4-Konzentration und stellt damit ein frühes Stadium einer Schilddrüsenerkrankung dar. Symptome gibt es in der Regel in diesem Stadium nicht (daher der Begriff „subklinisch“). Ein Monitoring sollte erfolgen, um solche Hunde, die im Verlauf eine klinische Hypothyreose entwickeln, von denen, die euthyreot bleiben, zu unterscheiden. Leider wird der Begriff oft falsch verwendet und soll Tiere beschreiben, die unter Verhaltensauffälligkeiten leiden und physiologische TSH- und T4-Konzentrationen aufweisen.
Es gibt prädisponierte Rassen, wie Rhodesian Ridgeback oder Golden Retriever und es ist möglich, dass sich eine Hypothyreose bereits im Jungtieralter entwickelt. Diese Hunde sollten jedoch die klassischen Diagnostik-Kriterien (klinische Symptomatik + niedriges T4 + hohes TSH) erfüllen.
Auch Alenka Hrovat fürchtet, dass viele Junghunde mit Verhaltensauffälligkeiten unbegründet mit Schilddrüsenhormonen supplementiert werden. Wissenschaftlich konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass Ängstlichkeit oder Aggressivität mit einer Hypothyreose in Verbindung stehen.
Die vielen Gesichter der Hypothyreose
Prof. Andrea Fischer ist ähnlicher Meinung und weist darauf hin, dass es eher andere Symptomkomplexe aus der Neurologie sind, wo die Hypothyreose als immunmediierte Begleiterkrankung oder Ursache für eine Muskelschwäche eine Rolle spielen kann. Beispiele sind Myopathie, Polyneuropathie, Myasthenia gravis, Larynxparalyse, Fazialisparese, Megaoesophagus und sehr selten auch das Vestibularsyndrom. Außerdem kann eine Hypothyreose eine mögliche Ursache für einen Infarkt (Schlaganfall) sein.
Die Therapie
Es herrscht Unsicherheit über das neue Arzneimittelgesetz und den Umgang mit den Herstellerangaben. Was tun, wenn der eine Hersteller eine einmal und der andere eine zweimal tägliche Dosierung angibt?
Prof. Wolfgang Bäumer kann hier beruhigen. Solange im Beipackzettel eine Dosierungsempfehlung und keine explizite Dosierungsvorgabe angegeben wird, sind wir Tierärzte nicht daran gebunden. Die Präparate können unabhängig von der Herstellerempfehlung ein- oder zweimal täglich gegeben werden.
Die Frage drängt sich auf, ob die Präparate, für die unterschiedliche Angaben seitens des Herstellers gemacht werden, sich in ihrer Pharmakokinetik unterscheiden?
Hier erläutert Prof. Wolfgang Bäumer, dass dies nicht der Fall sein muss. Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeit des Thyroxins erscheint aus pharmakologischer Sicht eine zweimal tägliche Gabe sinnvoll. Dabei können klinische Symptome sicherlich in vielen Fällen auch mit der einmal täglichen Gabe behoben werden. Interessant ist allerdings, dass in der Humanmedizin diskutiert wird, den Wechsel von Präparaten während der Behandlung möglichst zu vermeiden.
Dr. Florian Zeugswetter gibt Schilddrüsenhormone immer auf nüchternen Magen. Er ist davon überzeugt, dass sie sonst nicht ausreichend resorbiert werden. Prof. Wolfgang Bäumer bestätigt grundsätzlich die bessere Resorption bei nüchternem Patienten, gibt aber zu bedenken, dass es für den Hund individuelle Abweichungen geben könnte. Alenka Hrovat merkt an, dass die Compliance von Hund und Halter bei der Medikamentengabe mit dem Futter besser sei. Sie bevorzugt daher diese Variante und hat damit im klinischen Alltag wenig Probleme bezüglich der Einstellung. Alle Experten sind sich einig, dass das gewählte Schema am Tag der Blutentnahme für das Monitoring beibehalten werden muss.
Wie sieht es nun mit der Dauermedikation aus rechtlicher Sicht aus?
Prof. Wolfgang Bäumer weist darauf hin, dass auch ein Patient mit einer Dauermedikation regelmäßig zur klinischen Untersuchung vorstellig werden muss. Was genau regelmäßig bedeutet, ist allerdings nicht eindeutig im Tierarzneimittelgesetz geklärt. Spätestens alle 3 Monate sollte jedoch eine entsprechende Vorstellung dokumentiert werden.
Leider ist auch im Fall einer Dauermedikation der postalische Versand nicht zulässig!
Auch darf das Medikament nicht im Auftrag eines anderen Kollegen (z. B. wenn die Halter im Urlaub die Tabletten vergessen haben) ohne Untersuchung des Hundes abgegeben werden. Eine Überprüfung der Diagnose durch Anforderung der Schilddrüsenbefunde ist jedoch nicht vorgeschrieben.
Monitoring
Was, wenn die T4-Konzentration unter Substitution nicht ansteigt?
Dr. Astrid Wehner rät dringend dazu, in einem solchen Fall die Diagnose nochmal ins Visier zu nehmen. Wurde eine nicht-thyreoidale Erkrankung übersehen? Solche Erkrankungen können zu einer Fehldiagnose geführt haben. Es ist auch möglich, dass weitere Erkrankungen zusätzlich zur Hypothyreose bestehen, und die Einstellung erschweren. Ein ähnliches Problem kann bei Interferenzen mit bestimmten Medikamenten auftreten. Zudem reduzieren Medikamente, die die Magensäurebildung hemmen oder Calcium beinhalten, die Thyroxin-Resorption. Das gilt auch für im Magen vorhandene Nahrung.
Prof. Wolfgang Bäumer wirft ein, dass aus pharmakologischer Sicht unbedingt der zeitliche Abstand zur Tablettengabe beachtet werden sollte. Wird ein Zeitabstand von 4 – 6 Stunden nach Tablettengabe überschritten wird die T4-Konzentration bereits wieder deutlich abfallen.
Alenka Hrovat erinnert daran, dass der Zielbereich für T4 im oberen Referenzbereich liegen sollte.
Wie es mit der zusätzlichen Bestimmung von TSH und/oder Thyreoglobulin-Antikörpern im Rahmen des Monitorings aussieht, weiß Dr. Florian Zeugswetter zu berichten. Eine TSH-Messung kann zur Überprüfung des Therapieerfolges Sinn machen, wenn das TSH bei Diagnosestellung erhöht war. Dabei sollte eine TSH-Konzentration im Referenzbereich angestrebt werden. Das Absinken der Thyreoglobulin-Antikörper unter Therapie hat keine Aussagekraft hinsichtlich des Therapieerfolges. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Antikörper die T4-Konzentrationen verfälschen können. Das kann eine Rolle spielen, wenn Laborergebnis und klinischer Zustand des Patienten voneinander abweichen. Hunde mit Autoantikörpern benötigen in der Regel nicht mehr L-Thyroxin als andere Patienten!
Dr. Jennifer von Luckner