UPDATE zur felinen infektiösen Peritonitis (FIP)
Mehrmals im Jahr laden wir zu einer spannenden Diskussion unter Experten ein. Eine Runde, in der die jeweiligen Themen wissenschaftlich fundiert diskutiert und Antworten auf spannende Fragen gegeben werden. Die wichtigsten Auszüge zum Thema FIP haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Teilnehmer der Expertenrunde zum Thema FIP waren: Prof. Katrin Hartmann aus der LMU München, ihre zahlreichen Studien zur FIP und insbesondere die Publikation zur oralen Therapie mit dem GS-441524 beinhaltenden Xraphconn® (Fa. Mutian) haben Aufmerksamkeit erregt. Als Expertin auf dem Gebiet Labordiagnostik hat Prof. Regina Hofmann-Lehmann von der Universität Zürich wertvolle Hinweise gegeben. Sie hat sich eingehend mit dem Thema PCR im Rahmen der FIP-Diagnostik beschäftigt. Prof. Wolfgang Bäumer, Pharmakologe der FU Berlin, hat das Thema Therapie aus arzneimittelrechtlicher Sicht beleuchtet. Vanessa Steppuhn ist ehrenamtlich bei #gemeinsamgegenfip tätig. Die Gruppe hat insgesamt bereits über 3000 Katzen mit FIP während der Therapie mit GS-441524 betreut.
Die Diagnostik
Oft werden die Corona-AK Titer angefragt und FIP gleichgesetzt – was können wir mit den Titern machen, was nicht? Zu welcher Diagnostik raten Sie?
Prof. Hofmann-Lehman betont, dass die Corona Antikörper leider keine Hilfe bei der Diagnostik der FIP darstellen. Die Höhe des Titers sagt nichts darüber aus, ob eine Katze an FIP erkrankt ist oder nicht. Auch ist der Ausschluss einer FIP über einen negativen Antikörper-Test nicht möglich.
Die PCR aus Blut, Ergussflüssigkeit oder Gewebe bietet hingegen oft gute Ergebnisse. Dabei ist eine Quantifizierung der in der Probe vorhandenen Viren für die Beurteilung sehr nützlich. Die PCR aus Kot hilft bei der Diagnose der FIP für einen individuellen Patienten allerdings nicht. Sie spielt bei der Bestandsbetreuung eine Rolle.
Ob ein Mutations-Nachweis in jedem Fall unbedingt notwendig ist, beantwortet Katrin Hartmann mit nein. Dieser ist in klinisch nicht eindeutigen Fällen mit nur geringer Viruslast sinnvoll. Für Katzen mit für FIP typischen Befunden, bei denen in Blut, Ergussflüssigkeit oder Gewebe eine hohe Viruslast nachgewiesen wurde, steht die Diagnose auch ohne Sequenzierung auf eine vorhandene Mutation. Hinzu kommt, dass mit den bisherigen Methoden nicht in allen FIP-Fällen eine Mutation nachgewiesen werden kann.
Zur Diagnostik im Weiteren: Wenn eine FIP-Katze im Haushalt war, wie groß ist die Gefahr, dass andere Katzen erkranken?
Frau Steppuhn gibt hierzu einen Erfahrungsbericht. Es wird tatsächlich immer wieder gesehen, dass in Mehrkatzenhaushalten weitere Katzen erkranken. Sehr selten kommt dies vor, wenn ein Nachfolger einer Einzeltierhaltung ins Haus geholt wird. Die Beobachtungen stimmen aber mit der wissenschaftlichen Meinung, dass es sich bei solchen FIP-Fällen um individuelle Erkrankungen handelt, überein.
Prof. Hartmann und Prof. Hofmann-Lehmann bestätigen, dass Ausbrüche auf einen hohen Infektionsdruck in Verbindung mit Stressoren oder genetischen Prädispositionen zurückzuführen sind. Die FIP entsteht nicht durch Übertragung des mutierten felinen Corona-Virus (FCoV), sondern durch Mutation im Individuum selbst. Tests, die eine prädisponierte Katze sicher identifizieren, gibt es nicht. Aktuell wird davon ausgegangen, dass häufige Reinfektionen mit FCoV die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer FIP erhöhen. Der Hygiene sowie der Isolation von Hochausscheidern kommt somit eine wesentliche Bedeutung zu.
Die FIP-Therapie und deren rechtliche Aspekte
Die Erfolge mit dem Nukleotid-Analog GS-441524 sind in aller Munde. Die Expertenrunde hat sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt.
Eine der ersten Fragen galt Frau Steppuhn. Sie bezog sich auf die persönlichen Erfahrungen in der Gruppe mit GS- 441524.
Frau Steppuhn berichtet, dass die Erfolge sehr gut seien. Etwa 90% der Katzen erfahren eine dauerhafte Heilung. Allerdings ist die Therapie nach dem bisherigen Protokoll aufwendig. Sie erfordert tägliche subkutane Injektionen über einen Zeitraum von 84 Tagen. Zudem ist eine tierärztliche Betreuung zwingend erforderlich, da die Patienten oft in einem sehr schlechten Zustand sind. Neben der Verabreichung des Medikamentes an sich müssen die meisten Katzen intensivmedizinisch betreut werden. Zudem sind regelmäßige Blutkontrollen erforderlich. Die reinen Medikamentenkosten betragen für den gesamten Zeitraum ca. 3500,- Euro. Die orale Therapie wird aber in Zukunft sicherlich einen hohen Stellenwert haben.
Aus eigener Erfahrung im Umgang mit dem an der LMU erfolgreich getesteten oralen Medikament Xaphroconn® bestätigt Prof. Hartmann, dass die (oft intensivmedizinische) tierärztliche Betreuung essentiell für die FIP-Patienten ist.
Remdesevir ist ein sogenanntes Prodrug für GS-441524 und wird im Körper entsprechend verstoffwechselt. Es ist für Klinikapotheken seit dem 1.6.2021 bestellbar und hat auch eine Zulassung. Damit müsste doch eigentlich eine Umwidmung möglich sein?
Prof. Bäumer bestätigt dies im Grundsatz. Allerdings bedeutet das nicht, dass es auch für Tierärzte verfügbar ist. Denn die Zulassung bezieht sich nur auf Klinikapotheken. Tierärzte können es nicht erwerben.
Die nächste Frage ergibt sich natürlicherweise: Gibt es Bestrebungen vom Hersteller Gilead, GS-441524 zuzulassen?
Prof. Bäumer hat hierzu bereits im Vorfeld Erkundigungen eingehoolt. Er verliest eine Mitteilung von Gilead, dass dies nicht der Fall ist. Er betont, dass es keine zugelassenen, für Tierärzte legal zu beziehenden Formulierungen von GS-441524 auf dem Markt gibt, auch wenn Interneteinträge bestimmter Anbieter so etwas vermuten lassen.
Prof. Hartmann wirft ein, dass die BOVA Apotheke in England die Substanz GS-441524 legal umformulieren darf, solange sie nicht als zugelassenes Präparat auf dem Markt verfügbar ist. Die Möglichkeit einer oralen Formulierung wird derzeit geprüft. Eine groß angelegte wissenschaftliche Langzeitstudie ist geplant.
Prof. Bäumer gibt allerdings zu bedenken, dass den deutschen Tierärzten außerhalb einer wissenschaftlichen Studie trotzdem die Hände gebunden sind. Das Präparat ist in der EU nicht für die Tiermedizin zugelassen und darf somit nicht importiert werden.
Wie sieht es mit dem Import über den Schwarzmarkt aus? Welche Strafen drohen?
Prof. Bäumer betont: Der Import der Substanz GS-441524 durch einen Tierarzt ist eine Straftat. Tierärzte riskieren ihre Approbation.
Welche legalen Möglichkeiten haben Tierärzte, die Halter auf die Therapie aufmerksam zu machen und sie bei der Therapie zu unterstützen?
Prof. Bäumer bestätigt, dass Tierärzte sich nicht strafbar machen, wenn sie die Therapie mit GS-441524 empfehlen, und zwar auch dann nicht, wenn dieses Medikament keine Zulassung hat. Verabreicht ein Tierhalter unter der Aufsicht eines Tierarztes eine nicht zugelassene Substanz, sollte dies kein Problem darstellen. Tierärzte sollten allerdings nicht eine ihnen durch den Tierhalter übergebene Substanz anwenden.
Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl blieben einige Fragen unbeantwortet. Ein paar wichtige zur Diagnostik haben wir daher hier zusammengestellt.
Die immunhistochemische Untersuchung einer Biopsie auf das FCoV gilt immer noch als Goldstandard bei der Diagnose der FIP. Die quantitative PCR nimmt aber einen immer größeren Stellenwert ein.
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- Ist die Immunhistochemie in Deutschland möglich?
Ja, sie wird z. B. von Laboklin angeboten und erfolgt an Bioptaten.
Da Ergebnisse von Studien Zweifel an der Sensitivität und der Spezifität der FCoV-Färbung an zytologischen Präparaten aufkommen lassen (Felten et al. 2017; Hellemans et al., 2020, Litster et al. 2013), wird dagegen die Immunzytologie nicht bei Laboklin durchgeführt.
- Ist die Immunhistochemie in Deutschland möglich?
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- Wie steht die quantitative PCR im Vergleich zur Immunhistochemie da?
Eine positive Immunfärbung an Bioptaten (= Immunhistochemie) ist sehr spezifisch und verlässlich. Ein positives Ergebnis gilt als beweisend. Allerdings schließt ein negatives Ergebnis eine FIP nicht vollständig aus, da das FCoV im Gewebe unterschiedlich verteilt sein kann. Je nach histologischem Befund sollten im Zweifelsfall weitere Schnitte angefertigt werden. Eine Kontaktaufnahme mit dem Pathologen kann hier sehr wertvoll sein (Stranieri et al., 2020; Tasker, 2018).Eine realtime PCR (RT-PCR) im Gewebe kommt, je nachdem, was für eine Probe untersucht wird, vermutlich nahe an die Immunhistochemie (ICH) heran. Für Lunge und Leber z. B. wurde kein wesentlicher Unterschied gefunden. Für andere Organe war die IHC insbesondere bezüglich der Spezifität klar im Vorteil (weniger falsch positive Ergebnisse). Die Studie, auf die sich diese Aussage bezieht, hat keine Quantifizierung angegeben (Stranieri et al., 2020). Bei beiden Verfahren sollte darauf geachtet werden, verändert erscheinende Gewebe zu beproben.Für die Praxis relevanter ist aber der Vergleich einer quantitativen PCR aus einer Flüssigkeit (z. B. Abdomen-/Thoraxpunktat) und einer IHC aus einem Organ. Sprich die Frage, ob eine PCR aus Punktatflüssigkeit für die Diagnose ausreichen kann und somit eine Biopsieentnahme nicht mehr notwendig wird. Da wird es schon deutlich schwieriger, eine konkrete Aussage zu treffen. Bei Kammerwasser und Liquor sind die Studienergebnisse sehr variabel und es ist fraglich, wie verlässlich das Ergebnis einer PCR hier ist. Für Blut gibt es ebenfalls unterschiedliche Ergebnisse. Die Aussagekraft der PCR ist vermutlich abhängig von der Auswahl des Patienten und der Qualität der durchgeführten Methode. Für die RT-PCR in Flüssigkeitspunktaten werden je nach Studie Sensitivitäten von 72 – 100% angegeben, bei nur wenigen falsch positiven Ergebnissen. Wird mittels quantitativer PCR, bei gleichzeitigem Vorliegen verdächtiger Symptome, eine hohe Viruslast detektiert, ist eine FIP sehr wahrscheinlich. Eine Bestätigung mittels IHC ist dann in den meisten Fällen nicht notwendig. Wird aber nur eine niedrige Viruslast gefunden und/oder gibt es wenige klinische Hinweise auf eine FIP, ist die IHC sicherlich die zuverlässigere Nachweismethode (Barker et al., 2017; Doenges et al, 2016; Dunbar et al., 2019; Felten et al., 2017; Stranieri et al., 2018; Stranieri et al., 2020)
- Wie steht die quantitative PCR im Vergleich zur Immunhistochemie da?
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- Gibt es bei Laboklin die Möglichkeit einer quantitativen Corona-PCR und wenn ja, mit welchem Material wird sie durchgeführt?
Ja, Laboklin bietet die Quantifizierung (= Ermittlung der Kopienzahl an FCoV in einer Probe) an. Vormals nur an Kot durchgeführt, ist dies nun auch für EDTA-Blut und Punktate möglich.Bei mittels Feinnadelaspiration gewonnenem Material ist die Interpretation der Befunde schwierig, da bei Einsendung der tatsächliche Zellgehalt in der Probe nicht ersichtlich ist. Eine quantitative Angabe sollte sich immer auf eine Messeinheit (mg Kot, ml Blut/Punktat) beziehen. Bei Bedarf kann aber der ct-Wert angefragt werden. Hieraus lässt sich ein Hinweis auf die in der Probe enthaltene Virenzahl ableiten.
- Gibt es bei Laboklin die Möglichkeit einer quantitativen Corona-PCR und wenn ja, mit welchem Material wird sie durchgeführt?
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- Wird Ihr Test in Ringversuchen validiert?
Laboklin ist ein akkreditiertes Labor. Das bedeutet, dass regelmäßig Ringversuche in allen Bereichen durchgeführt werden. Somit werden auch die PCRs entsprechend überprüft.
- Wird Ihr Test in Ringversuchen validiert?
Dr. Jennifer von Luckner