Am 01.03.2018 trat die „Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken“ in Kraft. Die neuen Regelungen betreffen insbesondere die Abgabe, Verschreibung oder Anwendung von Arzneimitteln mit antibakterieller Wirkung (im Weiteren kurz „Antibiotika“ genannt). Letztendlich haben die Maßnahmen der TÄHAV zur Folge, dass die Tierärzteschaft sich intensiver mit dem Thema Antibiose und Resistenzen auseinandersetzt als zuvor.
Anforderungen an Antibiogramme laut neuer TÄHAV
In § 12d der TÄHAV wird vorgeschrieben, dass die Durchführung der Antibiogramme nach nationalen/internationalen Standards zu erfolgen hat, ohne diese Standards nochmals näher zu definieren. Somit muss man sich am aktuellen Stand der Wissenschaft orientieren. Zunächst müssen die relevanten Keime isoliert und dann als Reinkultur für das Anfertigen des Antibiogrammes verwendet werden. Nur so können die einzelnen getesteten Antibiotika unabhängig vom verwendeten Verfahren auch ausreichend bewertet werden. In einem Direktausstrich können schnell wachsende Keime wie aerobe Sporenbildner relevante, aber langsamer wachsenden Erreger überwuchern und ein falsches Resistenzspektrum vortäuschen.
Diese in einer Reinkultur angezüchteten Keime werden dann einem anerkannten Verfahren zur Resistenzbestimmung unterzogen. Für eine korrekte Auswertung des Antibiogrammes müssen gemäß den Erläuterungen der Bundestierärztekammer zur TÄHAV die Keime mindestens bis Gattungs-, besser noch bis zur Speziesebene identifiziert werden.
Das nach aktuellem Stand der Wissenschaft beste Verfahren zur Durchführung eines Antibiogramms ist die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK), da dieses Verfahren am einfachsten zu standardisieren ist und hierfür die meisten klinischen Grenzwerte zur Verfügung stehen. Klinische Grenzwerte sind erforderlich, um das quantitative Ergebnis des Antibiogramms – also entweder die MHK in μg/ml Wirkstoff oder die Größe des Hemmhofes in mm – in eine qualitative Aussage (sensibel, intermediär, resistent) zu überführen (s. auch Laboklin aktuell 09/2017). Die klinischen Grenzwerte sind für das jeweilige Antibiotikum, den Keim, die Tierart und das betroffene Gewebe spezifisch. Die Bestimmung der MHK ist ein aufwändiges Verfahren, welches in der eigenen Praxis kaum umgesetzt werden kann.
Der in der Tierarztpraxis durchgeführte Agardiffusionstest gehört ebenfalls zu den anerkannten Verfahren. Er ist aber deutlich schlechter zu standardisieren und es stehen weniger klinische Grenzwerte für die Übertragung der Hemmhöfe in ein qualitatives Ergebnis zur Verfügung. In der Beilage zum Deutschen Tierärzteblatt 01/2019 für die Bewertung von Antibiogrammen sind alle derzeit verfügbaren veterinärmedizinischen klinischen Grenzwerte tabellarisch aufgelistet.
Die Durchführung eines Antibiogramms nach national/international anerkannten Standards bedarf nach aktuellem Stand der Wissenschaft einer Qualitätskontrolle. Dies wird auch in den Erläuterungen der Bundestierärztekammer zur TÄHAV nochmals aufgegriffen. Hierzu sind geeignete Kontrollstämme bei der Erstellung von Antibiogrammen regelmäßig mitzuführen. Beziehen kann man die Kontrollstämme bei der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ), sie fallen unter die Risikogruppe 2. Die DSMZ verlangt bei Erwerb dieser Qualitätskontrollstämme eine Erlaubnis nach § 44 Infektionsschutzgesetz. Für diese Erlaubnis ist neben dem Studium z.B. der Veterinärmedizin auch eine mindestens zweijährige hauptberufliche Tätigkeit mit Krankheitserregern unter Aufsicht einer Person mit der Erlaubnis nach oben genanntem § 44 erforderlich. Somit hilft es nicht viel, dass § 45 desselben Gesetzes für die orientierende Diagnostik in der tiermedizinischen Praxis Ausnahmen von der Erlaubnispflicht vorsieht.
Zusätzlich sind bauliche Anforderungen der Schutzstufe 2 an ein mikrobiologisches Labor für die Praxis zu legen. (Nützlicher Link: https://rp.baden-wuerttemberg.de/Themen/Gesundheit/Documents/IfSG_Leitfaden_2018-03-01.pdf).
Erstellung des Antibiogramms und Interpretation der Ergebnisse
Der Zeitpunkt der Erstellung eines Antibiogramms ist in der TÄHAV nicht näher geregelt und obliegt dem fachlichen Ermessen des Tierarztes. Die Proben sollten sinnvollerweise aber frühzeitig im Verlauf des Infektionsgeschehens gewonnen werden, also möglichst bevor man eine notwendige antibakterielle Therapie einleitet. Die Wahl des Antibiotikums muss dann evtl. entsprechend dem Resultat des Antibiogrammes angepasst werden. Das Ergebnis eines in vitro als „sensibel“ getesteten Antibiotikums macht eine klinische Wirksamkeit des ausgewählten Wirkstoffes hoch wahrscheinlich. Daher plädieren auch einige Experten dafür, die Tests nicht als Resistenztests, sondern als „Empfindlichkeitstest“ zu bezeichnen. Demgegenüber ist das Ergebnis „resistent“ mit mehr Einschränkungen verbunden, oft ist eine Wirkung zu erzielen, obwohl das Antibiotikum als resistent getestet wurde. Diese Divergenz kann in vitro vs. in vivo bedingt sein. Bei der Therapieentscheidung muss daher dem klinischen Ergebnis immer der Vorzug vor dem In-vitro-Ergebnis gegeben werden. Hat man nach Erhalt des Ergebnisses des Antibiogramms klinischen Erfolg mit der seit einigen Tagen durchgeführten empirischen Therapie, sollte man diese mit dem ausgewählten Wirkstoff weiterführen. Ist noch keine klinische Verbesserung zu sehen, wählt man einen Wirkstoff, gegen den die isolierten Keime laut Antibiogramm sensibel sind, der sich im betroffenen Gewebe gut anreichert und der ein möglichst enges Spektrum aufweist. Sollte es sich beim zunächst ausgewählten Wirkstoff jedoch um ein Breitspektrumantibiotikum handeln, sollte auch bei klinischer Wirksamkeit grundsätzlich geprüft werden, ob nicht auch ein anderes Antibiotikum mit engerem Spektrum einsetzbar wäre (sogenannte Deeskalation).
Dokumentation
Auch die Dokumentationspflichten haben sich mit Änderung der TÄHAV drastisch erhöht. Neben vielen anderen Eintragungen, die vorzunehmen sind, müssen nach § 13 (4), Satz 4 der TÄHAV neben den qualitativen auch die quantitativen Ergebnisse des Antibiogramms festgehalten werden. Das bedeutet, dass der Praktiker, wenn er das Antibiogramm selbst durchführt, die jeweiligen Hemmhöfe in mm dokumentieren muss. Dementsprechend muss er von seinem Labor die MHK-Werte (oder Hemmhöfe) einfordern. Sie finden daher bei den Befunden von LABOKLIN neben den qualitativen Ergebnissen („sensibel“, „intermediär“, „resistent“) auch die von uns gemessenen Werte der MHK in μg/ml Antibiotikum. Die Befunde von LABOKLIN enthalten somit alles, was der Praktiker für die ordnungsgemäße Dokumentation benötigt (u.a. auch Beginn und Ende der Untersuchung, auch das ist neu).
Fazit
Als Quintessenz kann man festhalten, dass an die Erstellung eines Antibiogramms in der Praxis hohe Anforderungen baulicher, organisatorischer und fachlicher Art gestellt werden und einige Gesetze, Verordnungen und technische Regeln zu beachten sind. Jede Vermeidung eines Selektionsdrucks auf Kommensalen hilft, die Resistenzentwicklung zu verlangsamen. Dementsprechend sollten Antibiogramme auch nicht darauf ausgerichtet sein, nur die Wirkstoffe zu testen, die nach der TÄHAV der Antibiogrammpflicht unterliegen. Wenn wir Tierärzte einen Beitrag zur Reduktion von Resistenzen leisten wollen, ist ein verantwortungsvoller Einsatz von Antibiotika gemäß Leitlinien und neuestem Stand der Wissenschaft unabdingbar.