Besonderheiten des Verdauungstrakts des Pferdes
Der Verdauungsapparat von Pferden ist auf die optimale Verwertung pflanzlicher Nahrung ausgelegt. Die Verdauung beginnt bereits mit der Zerkleinerung und Einspeichelung des Futters im Maul. Gesunde Zähne sind dafür Grundvoraussetzung. Pferde sind bei Zahnproblemen, hastigem Fressen oder der Gabe ungeeigneten Futters anfällig für Schlundverstopfungen. Der Magen ist beim Dauerfresser Pferd im Vergleich zur Größe des Tieres eher klein und fasst nur 8 – 15 Liter, wodurch immer nur kleine Mengen aufgenommen werden können. Der pH-Wert ist mit 2 sehr sauer. Es wird ständig Magensäure produziert. Mit der Futteraufnahme und der Durchmischung mit dem Futterbrei steigt der pH-Wert an und einer Übersäuerung wird vorgebeugt. Damit sinkt das Risiko für Magengeschwüre. Im Dünndarm finden die enzymatische Verdauung und die Resorption der Nährstoffe statt. Hier erfolgt die Aufspaltung von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten.
Der Dickdarm gliedert sich in Caecum, Colon und Rektum. Im Blinddarm werden schwer verdauliche Faserstoffe, wie bspw. Zellulose und Pektin, von zahlreichen Mikroorganismen in kurzkettige Fettsäuren metabolisiert, die dem Tier als Energiequelle dienen. Von der Art des Futters hängt die Besiedlung mit Mikroorganismen ab. Gerät diese aus dem Gleichgewicht, kommt es zu Fehlgärungen. Im Colon findet die Bildung von wasserlöslichen B-Vitaminen und Vitamin C sowie die Resorption von Flüssigkeit und Elektrolyten statt.
Klinische Symptome von Verdauungsstörungen
Allgemeine Hinweise auf Störungen des Gastrointestinaltrakts sind bei Pferden vielfältig.
Zu ihnen zählen unter anderem:
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- Diarrhö
- Obstipation, sehr trockener Kot
- Koliken: abdominale Schmerzen, Aufstampfen, unter den Bauch treten, Schweifschlagen, häufiges Wälzen, Schwitzen, Unruhe, Apathie
- Appetitverlust
- Kotabsatzschwierigkeiten
- Aufgasung
- Leistungsverlust, Unrittigkeit
- Flehmen, vermehrtes Gähnen
- Schlundverstopfung, v.a. bei älteren Pferden
Die Ursachen von Durchfall sind vielfältig. So können bspw. bakterielle Infektionen im Darm zu einer Hypersekretion von Flüssigkeit in den Darm führen, was das Absetzen von wässriger Flüssigkeit vor oder nach dem Kotabsatz in Form von Kotwasser zur Folge hat. Auch Resorptionsstörungen können Durchfall begünstigen. Eine verminderte Absorptionsleistung von Elektrolyten und Flüssigkeit an der Darmschleimhaut aufgrund von viralen, bakteriellen oder parasitären Infektionen kann ein osmotisches Ungleichgewicht verursachen. Dieses erhöht den Flüssigkeitsgehalt des Verdauungsbreis im Darm und weicht den Kot auf. Gastrointestinale Beschwerden können sich auch als Veränderungen in der Darmmotorik äußern. Der Verdauungsapparat von Pferden krümmt und verengt sich an vielen Stellen. Harter, trockener Kot kann das Risiko von Blockaden deutlich erhöhen. Fehlgärungen verursachen Aufgasungen, wodurch es zu Lageveränderungen von Darmabschnitten kommen kann.
Die Kotprobe – Möglichkeiten der Diagnostik
Bakterien:
Als primär pathogen werden toxinbildende Stämme von Clostridium perfringens und Clostridium difficile, Salmonellen, Lawsonia intracellularis und Rhodococcus equi angesehen.
Clostridien können in der anaeroben Kultur zwar angezüchtet werden, die klinischen Symptome werden jedoch i.d.R. durch die Toxine hervorgerufen. Insofern ist ein Toxinnachweis mittels Enzymelinked Immunosorbent Assay (EIA) diagnostisch wertvoller als die langwierige Anzucht, zumal Clostridien auch Bestandteil der gesunden Darmflora sind.
Salmonellen verursachen beim Pferd starke, fieberhafte Durchfälle. Bei Fohlen kommt es auch zu systemischen Erkrankungen. Eine asymptomatische Erregerausscheidung bei adulten Tieren ist möglich. Infektionsquellen sind v.a. durch Kot von infizierten Vögeln, Nutz- und Nagetieren kontaminiertes Futter und Wasser. Salmonellen können mittels Kultur auf Spezialnährböden angezüchtet oder mittels PCR nachgewiesen werden. Es ist zu beachten, dass sie nicht kontinuierlich ausgeschieden werden. Bei Laboklin ist die Untersuchung auf Salmonellen immer Bestandteil der bakteriologischen Kotuntersuchung.
Lawsonia intracellularis, ein gramnegatives, obligat intrazelluläres Bakterium, ist Erreger der Equinen Proliferativen Enteropathie (EPE). Betroffen sind Saugfohlen, aber v.a. Absetzer. Erkrankte Tiere können durch einen schlechten Allgemeinzustand, Durchfälle und Koliksymptome auffallen, oft ist „Kümmern“ aber auch alleiniges Symptom. Der Nachweis erfolgt mittels PCR aus dem Kot.
Rhodococcus equi verursacht bei Fohlen schwere Pneumonien. Zusätzlich können intestinale Störungen auftreten. Der Erreger kann durch Anzucht und PCR aus Tracheobronchialsekret (TBS) oder Kot nachgewiesen werden. Die PCR besitzt die höhere Sensitivität. Aufgrund von Störfaktoren, die im Kot vorkommen können, ist TBS hier als Probenmaterial zu bevorzugen.
Autovakzine:
Der Herstellung einer Autovakzine muss eine bakteriologische Untersuchung vorausgehen, um gram-negative Keime zu isolieren. Aus den inaktivierten Bakterien wird eine Schluckvakzine angefertigt, die dem Pferd über 20 Tage oral verabreicht wird. Hierdurch soll die Produktion von sekretorischem IgA an der Schleimhaut angekurbelt werden. Besonders bewährt hat sich der Einsatz der Autovakzine bei chronischen Verdauungsstörungen, v.a. bei Kotwasser. Zu beachten ist, dass die Herstellung ca. 3 Wochen dauert und für die Bestellung ein tierärztliches Rezept benötigt wird.
Viren:
Rotavirus: Spielt insbesondere beim Fohlen als Durchfallerreger eine Rolle. Typischerweise erkranken mehrere Fohlen innerhalb kurzer Zeit. Die Diagnose erfolgt mittels EIA aus dem Kot.
Coronavirus: Es erkranken v.a. adulte Tiere. Oft ist Fieber das einzige Symptom. Bei hoher Morbidität ist die Mortalitätsrate hingegen gering. Der Nachweis gelingt mittels PCR aus dem Kot.
Parasiten:
Parasitologische Kotuntersuchungen sollten nicht nur bei Vorliegen von Verdauungsstörungen durchgeführt werden, sondern auch bei unauffälligen Pferden in regelmäßigen Abständen erfolgen. Zur Erhöhung der Nachweissensitivität wird die Untersuchung von Sammelkotproben über 3 Tage empfohlen.
Zur Diagnostik von Strongyliden stehen 2 unterschiedliche Untersuchungsverfahren zur Verfügung:
Die Flotation liefert ein semiquantitatives Ergebnis. Der Gehalt wird je nach Anzahl der Eier pro Blickfeld in gering, mäßig und hoch angegeben. Beim modifizierten McMaster-Verfahren wird eine definierte Kotmenge in einer Zählkammer flotiert, sodass die vorhandenen Parasitenstadien mikroskopisch ausgezählt werden können. Hier erhält man das Ergebnis als Eizahl pro Gramm Kot. Dies ist notwendig, wenn die Pferde selektiv entwurmt werden.
Eier großer und kleiner Strongyliden sind mikroskopisch nicht zu unterscheiden. Soll hier differenziert werden, muss eine Larvenkultur angelegt werden.
Parascaris spp. ist der wichtigste Endoparasit bei Fohlen und Jährlingen. Bei adulten Tieren ist ein patenter Befall selten. Der Nachweis erfolgt mikroskopisch nach Flotation.
Bei Bandwürmern besitzt der koproskopische Nachweis nur eine geringe Sensitivität. Die Anwendung kombinierter Sedimentations-Flotations-Techniken kann die Nachweisrate zwar erhöhen, problematisch bleibt jedoch die intermittierende Eiausscheidung.
Der Serum-EIA ist dem Erregernachweis aus Kot aufgrund der höheren Sensitivität überlegen. Besonders für die Diagnose auf Bestandsebene kann er sehr nützlich sein.
Strongyloides westeri kommt v.a. bei Fohlen bis zum Alter von 6 Monaten vor, gelegentlich sind auch adulte Pferde befallen. Die Eier können mittels Flotation in frischen Kotproben nachgewiesen werden. Ist die Kotprobe bereits mehrere Stunden alt, erfolgt der Nachweis mittels Auswanderungsverfahren nach Baermann-Wetzel.
Protozoen führen i.d.R. nur beim Fohlen zu Erkrankungen:
Cryptosporidien können mittels EIA oder mit einem mit Karbolfuchsin gefärbten Kotausstrich diagnostiziert werden. Eimeria leuckarti und Giardien können nach Anreicherung mikroskopisch gefunden werden – für den Giardiennachweis besitzen EIA und PCR allerdings eine höhere Sensitivität.
Sand:
Bei Heufütterung auf Sandpaddocks oder bei mangelndem Weideaufwuchs besteht die Gefahr, dass Pferde beim Fressen zu viel Sand aufnehmen – das Risiko für Sandkoliken steigt. Sand im Kot kann relativ einfach direkt am Stall oder in der Praxis nachgewiesen werden. Hierfür werden die Pferdeäpfel mit Wasser aufgeschwemmt, bspw. in einem Untersuchungshandschuh. Sand sedimentiert und wird als Bodensatz sichtbar. Der positive Sandnachweis ist beweisend. Aber auch wenn kein Sand ausgeschieden wird, kann das Vorhandensein von Sand im Verdauungstrakt nicht ausgeschlossen werden.
Ausblick:
Tränkwasser:
Neben infektiösen Durchfallerregern gibt es eine ganze Reihe weiterer Ursachen, die zu Verdauungsstörungen führen können. Nicht vergessen werden sollte die Kontrolle der Futtermittel- und Wasserqualität. Insbesondere wenn den Tieren kein Trinkwasser zur Verfügung steht und sie stattdessen Wasser aus offenen Gewässern oder Brunnen aufnehmen, sollte die Wasserqualität in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Bei Laboklin steht demnächst ein speziell auf das Pferd abgestimmtes Tränkwasserprofil zur Verfügung.
Mikrobiom:
Wie bei allen anderen Säugetieren steht auch beim Pferd das Darmmikrobiom in enger funktionaler Verbindung mit dem Wirt. Ein funktionierendes Verdauungssystem mit einer gut aufgestellten intestinalen Bakterienflora ist damit von essentieller Bedeutung für die Pferdegesundheit. Auch wenn die kausalen Zusammenhänge noch Gegenstand aktueller Forschung sind, ist die intestinale mikrobielle Homöostase im Darm stark beeinflusst von Faktoren wie Verdauungsstörungen oder Futterumstellungen. Erste Studien zur Charakterisierung von dysbiotischen Veränderungen des Darmmikrobioms bei Pferden zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse. Beispielsweise scheinen bestimmte Vertreter der Proteobakterien bei Pferden mit Kotwasser signifikant über repräsentiert zu sein.
Im Gegensatz dazu sind anaerobe Clostridienspezies und Mitglieder des Stamms der Verrucomikrobien deutlich reduziert. Eine gezielte Untersuchung des Darmmikrobioms könnte zukünftig dabei helfen, Verschiebungen der intestinalen Mikrobiota zu diagnostizieren und Prädispositionen für gastrointestinale Beschwerden aufzudecken. Ausgehend davon wäre es möglich, bereits vor dem Auftreten von klinischen Symptomen mittels abgestimmter Therapiekonzepte (bspw. ausgewählte prä- und probiotische Wirkstoffe) gastrointestinalen Störungen vorzubeugen bzw. diese zu behandeln.
Ann-Kathrin Schieder, Dr. Ronnie Gueta