Fäkale Biomarker stellen eine wertvolle, nicht-invasive Möglichkeit dar, Informationen über patho-physiologische Prozesse im Magen-Darm-Trakt zu gewinnen. Sie ermöglichen die Differenzierung entzündlicher und nicht-entzündlicher Ursachen chronischer Enteropathien, geben Hinweise auf Proteinverlust oder helfen in der Verlaufskontrolle und Therapieplanung. Die wichtigsten derzeit in der Veterinärmedizin verfügbaren fäkalen Biomarker stellen wir Ihnen nachfolgend vor.
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1. α1-Antitrypsin
α1-Antitrypsin (α1-AT) ist ein Protein aus der Familie der Serinprotease-Inhibitoren (Serpine). Es wird primär in der Leber synthetisiert und zirkuliert in relativ stabiler Konzentration im Blutplasma. Seine physiologische Funktion besteht darin, proteolytische Enzyme – insbesondere Neutrophilenelastase – zu hemmen, um Gewebeschäden durch überschießende Entzündungsreaktionen zu verhindern. Besondere Relevanz erlangt α1-AT jedoch durch seine Verwendung als diagnostischer Marker bei Protein-Verlust-Enteropathien (PLE). Anders als viele andere Proteine ist α1-AT gegen den enzymatischen Abbau im Gastrointestinaltrakt weitgehend resistent. Wird es durch eine gestörte intestinale Barriere – z. B. bei Entzündung oder Ulzeration – aus dem Plasma in das Darmlumen abgegeben, bleibt es im Kot intakt nachweisbar. Das macht α1-AT zu einem idealen fäkalen Marker für den Verlust von Plasmaeiweißen über den Darm. Ein Nachweis in Faeces deutet somit auf eine gestörte intestinale Barrierefunktion hin und wird als Indikator für einen intestinalen Proteinverlust gewertet.
Indikation
Beim Hund ist der Nachweis von fäkalem α1-AT insbesondere als geeigneter Frühmarker einer sich entwickelnden PLE bei einer hierfür prädisponierten Rasse (z. B. Soft Coated Wheaten Terrier) gut untersucht. Die Ergebnisse zeigen an, dass der Marker schon früh, noch bevor klinische Symptome oder eine im Blut sichtbare Hypoalbuminämie vorhanden sind, eine entsprechende intestinale Barrierestörung anzeigt. Ein weiteres Einsatzgebiet kann die Abklärung einer Hypoproteinämie/ Hypoalbuminämie sein. Nicht immer geht die PLE mit Durchfall einher, sodass das fäkale α1-AT hilfreich sein kann, die Ursache einer entsprechenden Veränderung im Blut zu erklären. Bei Patienten mit chronischer Enteropathie zeigt eine erhöhte fäkale α1-AT-Konzentration ein entsprechend schweres Erkrankungsgeschehen an.
Zudem kann der Parameter zum Therapiemonitoring eingesetzt werden: Rückläufige Werte unter Therapie sprechen für eine verbesserte Darmbarrierefunktion.
Was beachtet werden sollte
Die Messung erfolgt meist mittels ELISA. An sich werden bereits geringe Mengen, die durch eine geschädigte Mukosa entweichen, erfasst. Allerdings sind sowohl tageszeitliche Schwankungen als auch eine inhomogene Verteilung innerhalb einer Kotprobe bekannt. Das kann unter Umständen dazu führen, dass trotz entsprechender Erkrankung die Untersuchung niedrige oder nicht messbare Konzentrationen anzeigt. Die Testung von drei aufeinanderfolgenden Kotproben erhöht die diagnostische Aussagekraft.
Die Beurteilung von fäkalem α1-AT sollte immer im klinischen Kontext erfolgen. Das Referenzintervall ist weit, Überschneidungen mit gesunden Kontrolltieren sind möglich und die tagesabhängigen Schwankungen sowie die ungleiche Verteilung im Kot können sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse verursachen. Zudem ist zu beachten, dass die Konzentrationen logischerweise erhöht sind, wenn gastrointestinale Blutungen oder eine erhöhte Schleimproduktion im Darm vorhanden sind.
α1-AT erlaubt keine Aussagen über die Ätiologie einer PLE – es handelt sich um einen quantitativen Marker für Proteinverlust, er ist nicht spezifisch für Entzündung oder Neoplasie.
α1-Antitrypsin bei der Katze
Bei Katzen liegen ebenfalls Daten vor, die zeigen, dass die Konzentration bei chronischen Enteropathien signifikant erhöht sein kann. Die Interpretation muss im klinischen Kontext erfolgen. Insgesamt scheint bei Katzen die chronische Enteropathie häufiger mit einem intestinalen Proteinverlust einherzugehen als beim Hund. Die Definition einer PLE ist daher bei dieser Spezies nicht ganz einfach.
2. Calprotectin
Calprotectin ist ein kalziumbindendes Protein aus der Familie der S100-Proteine, das primär in neutrophilen Granulozyten vorkommt und bei entzündlichen Prozessen vermehrt freigesetzt wird. Im Fall gastrointestinaler Entzündungen wird Calprotectin über die Darmmukosa ins Darmlumen abgegeben und kann somit im Kot nachgewiesen werden. Seine Bestimmung im Kot ermöglicht eine nicht-invasive Einschätzung der Entzündungsaktivität im Gastrointestinaltrakt – sowohl in der Human- als auch zunehmend in der Veterinärmedizin.
Indikation
Beim Hund wird fäkales Calprotectin als Marker für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen genutzt. Studien zeigen, dass erhöhte Konzentrationen mit der Schwere der histologischen Veränderungen sowie mit dem klinischen Aktivitätsindex (CCECAI) korrelieren. Es kann hilfreich für die Differenzierung zwischen entzündlicher und nicht-entzündlicher Diarrhoe, zur Einschätzung der Krankheitsaktivität sowie zur Therapiekontrolle sein.
Die Relevanz von Calprotectin liegt insbesondere in seiner Fähigkeit, den Schweregrad einer chronischen Enteropathie widerzuspiegeln. Studien zeigten, dass Hunde mit höherem CCECAI (z. B. ≥12) signifikant erhöhte Werte aufweisen. Der Parameter kann Hinweise auf die Notwendigkeit einer immunsuppressiven Therapie geben und Prognoseaussagen ermöglichen. Je höher die fäkale Calprotectin-Konzentration, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Patient eine immunsuppressive Behandlung benötigt. In der Verlaufsbeurteilung kann das nicht vollständige Abfallen ein Hinweis auf eine unvollständige Remission bedeuten. Ein erneuter Anstieg ist bereits vor einer klinisch sichtbaren Verschlechterung möglich.
Was beachtet werden sollte
Wie bei allen Biomarkern gilt: Calprotectin ist nicht krankheitsspezifisch. Es zeigt lediglich das Vorhandensein und Ausmaß einer Entzündung an. Es kann auch bei bakteriellen Infektionen, Parasitosen oder Tumorerkrankungen erhöht sein. Eine Interpretation sollte daher immer im klinischen Kontext erfolgen und durch weiterführende Diagnostik (z. B. Bildgebung, Endoskopie, Histologie) ergänzt werden. Calprotectinkonzentrationen im Normalbereich bedeuten nicht, dass keine Enteropathie vorhanden ist. Dies kann beim Hund durchaus vorkommen und erklärt sich vermutlich daraus, dass bei Hunden weniger häufig eine neutrophile als vielmehr eine lymphoplasmazytäre Entzündungsreaktion vorliegt. Zudem scheinen beim Hund viele Enteropathien Futter-responsiv zu sein. Eine starke neutrophile Entzündungsreaktion ist bei diesen Patienten nicht zu erwarten.
Calprotectin bei der Katze
Auch bei der Katze zeigt Calprotectin vielversprechende Resultate. Es wird unter anderem bei chronischen Diarrhoen als unterstützender Marker eingesetzt. Besonders relevant sind Untersuchungen zur Differenzierung zwischen entzündlichen und neoplastischen Prozessen (z. B. niedrig-maligne Lymphome). Fäkales Calprotectin könnte beim Lymphom deutlich höher sein. Allerdings konnte bisher noch nicht klar gezeigt werden, dass eine Differenzierung möglich ist.
3. Zonulin
Zonulin ist ein körpereigenes Protein, das eine zentrale Rolle in der Regulation der Darmpermeabilität spielt. Es kontrolliert die Durchlässigkeit der tight junctions – also jener Zellverbindungen, die die Darmepithelzellen eng miteinander verknüpfen und so das Eindringen unerwünschter Substanzen verhindern. Eine vermehrte Zonulinfreisetzung führt zur Lockerung dieser Zellverbindungen und damit zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmschleimhaut – einem Zustand, der als «leaky gut» bezeichnet wird. Unter physiologischen Bedingungen ermöglicht Zonulin eine temporäre Öffnung der Darmbarriere, beispielsweise zur Immunüberwachung oder bei Transportprozessen. Diese Regulation ist fein abgestimmt und normalerweise reversibel. Pathologische Zustände entstehen, wenn diese Öffnung anhaltend oder übermäßig stark erfolgt, was unter anderem die Passage von bakteriellen Bestandteilen, Toxinen oder unvollständig verdauten Nahrungsproteinen ins Gewebe erlaubt.
Indikation
Zonulin wurde als potenzieller Marker für die Integrität der intestinalen Barriere identifiziert. Erhöhte fäkale oder serologische Zonulinwerte wurden insbesondere bei Hunden mit chronischer Enteropathie, Futtermittelallergien oder entzündlicher Darmerkrankung beschrieben. Studien deuten darauf hin, dass eine dysregulierte Zonulinexpression mit einer erhöhten Darmpermeabilität einhergeht – also einem gestörten Barrieremechanismus. Die Bestimmung von Zonulin bietet daher insbesondere einen nicht-invasiven Einblick in die Funktionalität der Darmschleimhaut. Trotz derzeit noch begrenzter klinischer Datenlage bei Kleintieren eröffnet die Zonulinmessung neue diagnostische und therapeutische Perspektiven in der ganzheitlichen Betrachtung gastrointestinaler Erkrankungen.
Was beachtet werden sollte
Zonulin ist kein krankheitsspezifischer Marker. Wie bei vielen neueren Biomarkern gilt auch bei Zonulin: Die Ergebnisse müssen im klinischen Gesamtkontext interpretiert werden. Erhöhte Werte alleine erlauben keine Diagnose, sondern liefern Hinweise auf funktionelle Störungen der Barriere. Faktoren wie Stress, Medikamente, Alter oder Ernährung können die Konzentration beeinflussen.
Zonulin bei der Katze
Erste Pilotstudien bei Katzen deuten darauf hin, dass das Protein auch bei felinen chronischen Enteropathien (z. B. lymphoplasmazytäre Enteritis oder niedrig-maligne Lymphome) eine Rolle spielen könnte.
4. Fäkales sekretorisches Immunglobulin A (sIgA)
Immunglobulin A (IgA) ist ein zentrales Element der mukosalen Immunabwehr. Es wird in Form von sekretorischem IgA (sIgA) von Plasmazellen in der Lamina propria des Darms gebildet und aktiv über das Epithel in das Darmlumen transportiert. Dort bildet es eine erste Schutzbarriere gegen pathogene Mikroorganismen, ohne dabei entzündliche Reaktionen auszulösen. sIgA agiert somit als „Türsteher“, der die Schleimhaut vor bakterieller Adhärenz, Toxinwirkung und Invasion schützt. Sekretorisches IgA bindet an Oberflächenantigene von Bakterien, Viren oder Toxinen und neutralisiert diese, bevor sie in Kontakt mit den Epithelzellen treten. Anders als IgG oder IgM aktiviert IgA jedoch nicht das Komplementsystem und wirkt somit nichtentzündlich. Dies ist für die immunologische Toleranz im Darm essenziell, da dort ständig zahlreiche harmlose Antigene (z. B. Futterbestandteile, Kommensalen) präsent sind.
Indikation
Eine reduzierte Konzentration in Faeces kann auf eine funktionelle Immunschwäche der intestinalen Mukosa hindeuten. Besonders bei Deutschen Schäferhunden mit chronischer Enteropathie wurde eine verminderte sIgA-Produktion beschrieben.
Was beachtet werden sollte
sIgA wird als Kennzahl für die mukosale Immunkompetenz im Darm betrachtet, wenngleich die Interpretation vorsichtig erfolgen muss – sie kann durch Alter, Stress, Diät und sogar Probenhandhabung beeinflusst werden. Die Bestimmung sollte an möglichst frischen Kotproben erfolgen.
sIgA bei der Katze
Bei Katzen ist die Datenlage zu fäkalem sIgA bislang wenig umfassend. Erste Untersuchungen zeigen jedoch auch hier, dass bei chronischen Darmerkrankungen – etwa bei inflammatorischer Enteritis oder beim intestinalen Lymphom – reduzierte Konzentrationen von sIgA im Kot beobachtet werden können.
5. Canine Pankreas-Elastase 1
Elastase ist ein proteolytisches Enzym, das im exokrinen Pankreas gebildet und mit dem Pankreassaft in den Dünndarm abgegeben wird. Seine Hauptfunktion besteht im Abbau von Elastin, einem Strukturprotein im Bindegewebe. In der Diagnostik spielt jedoch weniger die enzymatische Aktivität eine Rolle, sondern vielmehr der Nachweis stabiler Mengen an Elastase im Kot, die Rückschlüsse auf die exokrine Pankreasleistung erlauben. Im Gegensatz zu vielen anderen Pankreasenzymen ist Elastase im Darmlumen weitgehend resistent gegenüber enzymatischem Abbau, Gallensäuren und bakteriellen Einflüssen. Sie wird unverändert mit dem Kot ausgeschieden und kann dort über immunologische Tests (ELISA) nachgewiesen werden. Das macht sie zu einem nicht-invasiven Marker für die exokrine Pankreasfunktion. Beim Hund ist die Messung der Pankreas-Elastase 1 ein nützliches Screeninginstrument, vor allem bei Patienten mit unspezifischen gastrointestinalen Symptomen. Sie kann als Ergänzung oder Vorstufe zur Bestimmung der spezifischen Trypsin-ähnlichen Immunreaktivität (cTLI) dienen. Normale Elastase-Werte schließen eine klinisch relevante EPI in der Regel aus. Deutlich erniedrigte Werte können auf eine exokrine Dysfunktion hinweisen, müssen aber mit Hilfe der Serum-cTLI abgesichert werden. Niedrige Elastase-Konzentrationen im Kot können beispielsweise durch den Verdünnungseffekt bei Diarrhoe vorkommen und sind daher alleinstehend nicht beweisend für eine EPI. Ebenfalls können niedrige Elastase-Konzentrationen bei gesunden Hunden vorkommen.
Eine cTLI-Konzentration im Referenzbereich spricht gegen das Vorliegen einer EPI, auch wenn die fäkale Elastase sehr niedrig ist. Nur in sehr seltenen Fällen geht eine EPI mit niedrigen fäkalen Elastase aber (niedrig) normaler cTLI-Konzentration einher: Verschluss des Pankreasgangs (das Pankreas an sich ist funktional, die Enzyme gelangen aber nicht in den Darm), Blutentnahme für cTLI ist nicht nüchtern oder während eines Pankreatitis-Schubes erfolgt (es wurde noch vorhandenes Restenzym an das Blut abgegeben).
6. (Gesamt-) Gallensäuren
Gallensäuren werden in der Leber synthetisiert und im Rahmen der Verdauung in den Dünndarm sezerniert. Im Ileum werden sie zu etwa 95 % rückresorbiert. Eine Störung dieser Rückresorption – z. B. durch eine chronische Entzündung – führt zu erhöhten Mengen primärer Gallensäuren im Kolon, die dort sekretorische Diarrhoe auslösen können. Ebenso kann eine Dysbiose mit verminderter Umwandlung in sekundäre Gallensäuren durch Clostridium hiranonis (umbenannt in Peptacetobacter hiranonis) diese Prozesse beeinflussen.
7. Dysbiose-Untersuchungen
Die intestinale Mikrobiota spielt eine Schlüsselrolle in der Pathogenese chronischer Enteropathien. Dysbiose-Untersuchungen quantifizieren über PCR-basierte Verfahren relevante bakterielle Markerkeime (z. B. Faecalibacterium, Turicibacter, Clostridium hiranonis) und bewerten deren Abweichung vom physiologischen Zustand. Ein veränderter Score weist auf eine gestörte mikrobielle Homöostase hin und kann prognostisch relevant sein.
Fazit
Die Evaluation fäkaler Biomarker hat in den letzten Jahren zunehmend Einzug in die Diagnostik und das Therapiemonitoring chronischer Enteropathien gehalten. Während α1-Antitrypsin und Calprotectin direkte Hinweise auf Proteinverlust und Entzündung geben können, liefern Gallensäuren ergänzende Informationen zur funktionellen und bakteriellen Integrität des Darms. Ihre gezielte Anwendung kann eine fundierte Grundlage für Therapieentscheidungen, Verlaufskontrollen und Prognoseabschätzungen bieten. Wichtig bleibt die Interpretation im klinischen Kontext und gegebenenfalls die Kombination mehrerer Parameter zur Erhöhung der diagnostischen Aussagekraft.
Einen Überblick zu den fäkalen Biomarkern können Sie hier in Tabellenform herunterladen: https://short.laboklin.com/LA0825_biomarker
Dr. Jennifer von Luckner
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u. v. m.




