Wie bei allen Hautproblemen ist auch bei der Katze eine gründliche Anamnese das wichtigste Instrumentarium, um zu einer Diagnose zu kommen. Der Vorbericht bei der Erstkonsultation dauert gut 20 Minuten und stellt oft schon bis zu 70 – 90 % der Diagnose dar. Es ist oft leichter, mit einem Besitzer ohne Katze als mit einer Katze ohne Besitzer zu einer Verdachtsdiagnose zu kommen.
Die Anamnese zur Aufarbeitung eines Hautproblems enthält bei der Katze die gleichen Fragen wie bei allen anderen Tierarten auch und beginnt mit dem Signalement.
Fragen wie „Haben andere Tiere oder Menschen Hautveränderungen?“ dürfen nie vergessen werden – sie können wichtige Hinweise auf eine kontagiöse Erkrankung wie Dermatophytose oder Ektoparasitose liefern. Wesentlich ist auch die Frage, ob die Katze ein Freigänger ist, denn bei einem Freigänger ist z. B. eine strikte Eliminationsdiät mehr oder weniger ein Ding der Unmöglichkeit. Die Frage nach Veränderungen im Familienleben (neues Baby, Umzug, Änderungen bzgl. der Familienmitglieder, Renovierung der Wohnung) – all das kann bei sensiblen Katzen bekanntlich nicht nur zum Markieren, sondern auch zu psychisch ausgelöstem exzessiven Putzverhalten bis zum Auslecken der Haare und/oder Verletzungen der Haut führen.
Die Angaben zum Juckreiz sind gerade bei Katzen häufig irreführend: Sehr viele Katzen zeigen ihren Pruritus nicht vor dem Besitzer; sie verstecken sich, um sich die Haare auszulecken, sodass der Besitzer davon überzeugt ist, dass der Katze die Haare ausgefallen sind. Die Frage nach vermehrtem Erbrechen von Haaren oder Probleme mit Haarballen kann hier helfen, exzessives Putzverhalten zu eruieren. Außerdem findet man bei manchen Katzen bei der Adspektion der Maulhöhle Haare zwischen den Zähnen vor.
Es ist auch wichtig zu differenzieren, ob das Haar ausgefallen ist – d. h. es fehlt das ganze Haar inklusive Wurzel – oder ob das Haar abgebrochen ist, die Haarwurzel also noch vorhanden ist. Im ersten Fall liegt eine Erkrankung mit Haarausfall vor, entweder hormonellen Ursprungs, was jedoch bei der Katze relativ selten vorkommt, oder follikuläre Infektionen wie z. B. eine Dermatophytose. Die Haare lassen sich in diesem Fall sehr leicht epilieren. Sind die Haare abgebrochen (selbstinduzierte Alopezie) liegt meist Juckreiz vor, die Katze schleckt sich und die Haare brechen dabei ab. Das anamnestische Problem liegt wie schon erwähnt darin, dass Besitzer ihre Katze fast nie beim Schlecken beobachten und daher schwören, dass die Haare ausgefallen sein müssen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich selbst und die Besitzer davon zu überzeugen, dass die Haare ausgeschleckt wurden. Entweder verwendet man ein Vergrößerungsglas um damit die abgebrochenen Haarschäfte zu sehen oder man nimmt eine Hautfalte und sieht am Rand die Haarstoppeln. Zusätzlich kann ein Trichogramm durchgeführt werden. Hierfür werden Haare vom Rand epiliert, mit einem Tropfen Paraffinöl auf einen Objektträger gelegt und mikroskopisch untersucht. Ist die Haarspitze schön spitz zulaufend, dann ist das Haar ausgefallen. Ist die Haarspitze jedoch stumpf, dann ist das Haar abgebrochen, d. h. es wurde ausgeschleckt (Abb. 1). Eine weitere Möglichkeit ist der Halskragentest, wobei die Katze über einige Wochen einen Kragen tragen muss. Wachsen die Haare nach, dann handelt es sich um Haarbruch durch Juckreiz.
Katzen sind keine kleinen Hunde!
Prinzipiell müssen wir zwischen juckenden und nicht juckenden Hauterkrankungen, allergischen und nicht allergischen Hauterkrankungen sowie Differentialdiagnosen zu Reaktionsmustern unterscheiden. Katzen reagieren häufig mit Reaktionsmustern, die wiederum viele verschiedene Differentialdiagnosen haben. Gleichzeitig kann ein und dieselbe Erkrankung mit den verschiedensten Reaktionsmustern einhergehen (Abb. 8), weswegen es bei der Katze oft schwieriger ist, der Ursache des Hautproblems auf den Grund zu gehen, als beispielsweise beim Hund.
Bezüglich der Ätiologie des Juckreizes kommen folgende Ursachen bei Katzen infrage: Ektoparasiten (Notoedres, Otodectes, Cheyletiella, Demodex, Läuse, Haarlinge, Trombicula), Allergien oder infektiöse Erkrankungen (bakterielle Infektionen, Dermatophytose, die jedoch in der Regel nicht primär juckt). Virale Erkrankungen (Herpes-, Poxvirus), immunvermittelte Erkrankungen (Pemphigus foliaceus, Arzneimittelexanthem, lymphozytäre murale Follikulitis, Talgdrüsenadenitis) oder Neoplasien der Haut (z. B. Lymphom) gehen seltener mit Juckreiz einher.
Die Alopezie der Katze ist ein häufiges Symptom und wird, wie schon erwähnt, oft fälschlicherweise als Haarausfall tituliert. In den meisten Fällen kommt es durch Juckreiz zum Ausschlecken und Auszupfen der Haare. In manchen Fällen kann die Alopezie jedoch auch primär vorkommen (Dermatophytose, Demodikose, Alopecia areata oder Pyodermie). Bei der Alopezie durch ein paraneoplastisches Syndrom erscheint die Haut zusätzlich glatt und glänzend. Die symmetrische Alopezie hingegen wird fast immer von der Katze selbst ausgelöst und stellt damit keinen Haarausfall im eigentlichen Sinne dar. Als Ursache kommt Juckreiz, durch Allergie oder Ektoparasiten oder aufgrund von psychischen Störungen ausgelöst, in Frage.
Hautsymptome bei der Katze sind häufig Reaktionsmuster, die jedoch keine bestimmten Krankheiten darstellen.
1. Miliare Dermatitis: Diese Reaktionsmuster fühlt man eher, als man sie sieht. Es finden sich viele kleine, miliare Krüstchen über den Körper verteilt. Häufig sieht man dieses Reaktionsmuster bei einer Flohallergie, aber auch alle anderen Allergien sowie Ektoparasiten oder Dermatophytosen können es auslösen (Abb. 2).
2. Selbstinduzierte Ulzera im Kopf- und Halsbereich: Wie der Name schon sagt, handelt es sich um von der Katze selbst zugefügte Verletzungen im Kopf- und im Halsbereich. Es kommt sehr oft zu einem so heftigen Juckreiz, dass sich die Katze selbst verstümmelt und sich tiefe, stark blutende Ulzerationen zufügt. Häufig sieht man dieses Reaktionsmuster bei einer Futtermittelallergie, jedoch auch bei allen anderen Allergien, Ektoparasiten oder Dermatophytosen (Abb. 3).
3. Selbstinduzierte symmetrische Alopezie: Die Problematik der Unterscheidung zwischen ausgefallenen Haaren und selbst ausgeschleckten Haaren wurde bereits oben besprochen. Bei diesem Reaktionsmuster kommt es zu kahlen Stellen, manchmal symmetrisch, an den verschiedensten Körperstellen. Sehr häufig jedoch sind das Abdomen, die Extremitäten, gelegentlich aber auch verschiedene Bereiche des Rückens betroffen. Die Haut ist in der Regel völlig unversehrt (Abb. 4).
4. Eosinophiler Granulomkomplex (EGK):
A. Eosinophiles Ulcus (Indolent/Rodent Ulcer) Die Veränderung ist ulzeriert und nekrotisch, ein- oder beidseitig an der Oberlippe zu finden und meist nicht juckend oder schmerzhaft. Es kommt selten zu einer Blut- oder Gewebseosinophilie (Abb. 5).
B. Eosinophile Plaque
Die eosinophile Plaque ist juckend, gut abgegrenzt, leicht erhaben, rundlich, exsudativ und kommt meist an Leiste, Hinterextremität oder Abdomen vor (Abb. 6). Sekundäre bakterielle Infektionen verschlimmern den Juckreiz. Im Abklatschpräparat findet man hochgradig eosinophile Granulozyten.
C. Eosinophiles Granulom
Diese Form ist nicht juckend und hat wiederum verschiedene Ausbildungsformen bzw. Lokalisationen.
- a. Lineares Granulom
Längliche, harte, tastbare Erhabenheit an der caudalen Hinterextremität. Selten an Kinn, Mundwinkel, Pinna, Pfoten (Abb. 7) - b. Pharyngeales Granulom: kann auch nicht allergischen Ursprungs, also idiopathisch, sein (Abb. 5).
- c. Kinn-Form (auch „Fettkinn“ genannt)
All diese oben erwähnten Reaktionsmuster können gemeinsam in den verschiedensten Kombinationen auftreten. Die Differentialdiagnosen gelten für alle Reaktionsmuster: Allergien (Allergie auf Flohstiche, Futterbestandteile oder Umgebungsallergene = feline atopic skin syndrome (FASS)), Ektoparasiten und Dermatophyten (Abb. 8).
Die Grundursache muss identifiziert und entsprechend therapiert bzw. gemanagt werden. Bei allergischen Ursachen wird eine symptomatische Therapie mit Glukokortikoiden, Cyclosporin, Oclacitinib (off label) oder Antihistaminika in Betracht gezogen. Das indolente Ulcus, die eosinophile Plaque, aber auch die miliare Dermatitis oder die selbstinduzierten Ulzera im Kopf- und Halsbereich erfahren häufig eine dramatische Verbesserung der Sekundärinfektion mit Antibiotikatherapie.
Unbestritten ist die beste aller Therapien beim allergischen Geschehen die Allergenvermeidung. Das ist bei der Flohallergie (durchgehende Flohtherapie des betroffenen Tieres und aller Begleittiere) und der Futtermittelallergie (Eliminationsdiät, Provokationsdiät und dann lebenslang eine Diät mit den vertragenen Futterbestandteilen) sehr gut möglich. Bei einer allergischen Reaktion auf Umgebungsallergene (Pollen, Hausstaub-, Vorratsmilben, Schimmelpilze) ist die Vermeidung der Allergene wiederum nicht nur äußerst zeitaufwändig und teuer, sondern in den meisten Fällen auch gar nicht möglich. Bei vielen Katzen bietet die Allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT, Hyposensibilisierung) eine effektive Behandlungsmöglichkeit, die Erfolgsquote liegt zwischen 60 – 78 %. Bei gutem Ansprechen wird die ASIT als lebenslange Therapie empfohlen, da die Erfahrung zeigt, dass nach dem Absetzen der Therapie häufig innerhalb von 1 – 2 Jahren mit einem Rezidiv zu rechnen ist.
Differentialdiagnostisch ist bei den felinen kutanen Reaktionsmustern eine Dermatophytose abzuklären. Fast alle Dermatophytosen bei der Katze werden durch Microsporum canis verursacht. Katzen sind auch ein Reservoir für diesen Pilz. Falls anamnestisch ein humanes Familienmitglied bereits mit typischen Hautveränderungen vorgestellt wird (besonders Kinder, ältere oder immunsupprimierte Menschen), ist die Verdachtsdiagnose naheliegend. Es muss jedoch nicht jede Katze auch klinische Symptome zeigen, asymptomatische Träger kommen häufig vor und werden mit der sogenannten McKenzie-Brush-Methode oder mittels Zahnbürste durchgebürstet und die so gewonnenen Haare für eine Pilzkultur bzw. PCR verwendet.
Bei Ektoparasiten sind Cheyletiellen eine wichtige Differentialdiagnose. Die Milben sind nicht sehr wirtsspezifisch, daher kann sich auch die Katze vom Kaninchen oder Hund oder umgekehrt angesteckt haben. Weiße trockene Schuppen mit oder ohne Juckreiz sind hier neben den möglichen felinen kutanen Reaktionsmustern ein typisches Symptom. Auch Otodectes-Milben können speziell durch das Schlafverhalten der Katze auch ektopisch vorkommen und zählen somit ebenfalls zu den wichtigen Differentialdiagnosen der Reaktionsmuster. Bei Demodex gatoi kommt es oft zu einem Krankheitsbild, das der Notoedres-Räude oder der Allergie sehr ähnelt: hochgradiger Juckreiz im Kopfbereich, Krusten und Automutilation. Da diese Milbe sehr oberflächlich lebt, ist jedoch das oberflächliche Hautgeschabsel (im Gegensatz zu anderen Demodex-Milben, die man mittels tiefem Hautgeschabsel diagnostiziert) durch intensives Belecken auch häufig falsch negativ (dadurch kann sie jedoch manchmal im Kot gefunden werden), sodass eine diagnostische Therapie notwendig sein kann. Haarlinge, bei der Katze handelt es sich um Felicola subrostratus, sieht man heute nicht mehr häufig, es sind vor allem junge, geschwächte oder streunende Tiere davon betroffen. Der Juckreiz ist variabel, sekundär kommt es zu Exkoriationen und Seborrhoen, welche differentialdiagnostisch zu den Reaktionsmustern in Betracht gezogen werden müssen.
Dr. Regina Wagner