Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte und Co. sind beliebte Haustiere und täglich Patienten in unseren Kleintierpraxen. Mykoplasmen sind, wie bei allen Tieren, auch bei Kleinsäugern von großer Bedeutung. Sie sind in der Regel wirtspezifisch, sodass für (fast) jede Tierart eine andere Mykoplasmen-Spezies klinische Relevanz hat.
Mykoplasmen – besondere Bakterien
Mykoplasmen sind gramnegative Bakterien. Sie sind aerob bis fakultativ anaerob und leben obligat parasitär. Einzigartig sind sie vor allem auf Grund des Fehlens einer Zellwand – sie sind nur durch eine Zytoplasmamembran begrenzt, außerdem sind sie die kleinsten selbst-replizierenden Organismen. Sie bevorzugen Epithelien von Respirations- und Urogentaltrakt, Gelenkknorpel, Augen und Milchdrüsen. Infektionen mit Mykoplasmen verlaufen chronisch.
Hinweis: Die Terminologie ist momentan im Wandel, aus Mycoplasma wurde an einigen Stellen schon Mycoplasmopsis, in diesem Artikel bleiben wir der Einfachheit halber für alle Erreger bei Mykoplasma.
Aufgrund ihrer morphologischen Besonderheiten lassen sich Mykoplasmen nur unter ganz besonderen Bedingungen kulturell anzüchten. Dies ist langwierig, teuer und in der Routinediagnostik nicht von Relevanz. Eine Serologie ist nur für wenige Mykoplasmen-Spezies überhaupt durchführbar, aber da die Serokonversion mitunter Monate dauert und keine Aussage über die klinische Relevanz zulässt, ist auch das im Krankheitsfall kein probates diagnostisches Mittel. Der sinnvolle und schnelle Nachweis einer Infektion mit Mykoplasmen gelingt mittels Polymerase Kettenreaktion (PCR).
Wichtig: Für die Diagnostik mittels PCR benötigen wir einen trockenen Tupfer (ohne Transportmedium) aus Oropharynx / Konjunktiva oder eine Spülprobe (bronchoalveoläre Lavage oder Nasenspülprobe). Die Proben müssen vor Beginn der Behandlung entnommen werden! Die Erstellung eines Antibiogramms ist nach einem positiven PCR-Ergebnis nicht möglich.
13 der aktuell 159 klassifizierten Spezies des Genus Mycoplasma sind Kleinsäuger-assoziiert (Stand 2022, Tab.1). Wirklich klinische Relevanz haben von diesen 13 Spezies nur wenige, auf die wir im Fol-genden genauer schauen wollen.
Erreger | Erkrankung | Spezies |
Mycoplasma pulmonis | murine respiratorische Mykoplasmose (MRM), Infektionen des Genitaltrackts, Arthritiden | Maus, Ratte, Kaninchen (Meerschweinchen, Syrischer Hamster, Mensch) |
Mycoplasma arthritidis | meist subklinisch, selten Arthritiden | Maus, Ratte |
Mycoplasma neurolyticum | “rolling mouse syndrome”, nur experimentell, keine natürlichen Infektionen bekannt | Maus, Ratte |
Mycoplasma collis | Konjunktivitis (ein einzelner Bericht aus 1980) | Maus, Ratte |
Mycoplasma muris | keine bekannt | Maus |
Mycoplasma coccoides | meist subklinisch, selten hämolytische Anämien | Maus |
Candidatus Mycoplasma haemomurismusculi | meist subklinisch, selten hämolytische Anämien | Maus (Wildnager) |
Candidatus Mycoplasma haemomuris ssp. ratti | meist subklinisch, selten hämolytische Anämien | Ratte (Wildnager) |
Candidatus Mycoplasma ravipulmonis | grey lung disease | Labormäuse |
Mycoplasma caviae | respiratorische Erkrankungen | Meerschweinchen |
Mycoplasma cavipharyngis | keine bekannt | Meerschweinchen |
Mycoplasma cricetulli | keine bekannt | Chinesischer Hamster |
Mycoplasma oxeniensis | keine bekannt | Chinesischer Hamster |
Tab. 1: klassifizierte Mycoplasmenspezies beim Kleinsäuger – klinische Relevanz haben vor allem M.pulmonis und M.cavaie
(Bildquelle Klas, E-M., Liebscher, J. Atemwegsassoziierte Mykoplasmeninfektionen beim Kleinsäuger, Kleintier konkret 2024; 27; 12-26 © 2024, Thieme)
Mycoplasma pulmonis
Mycoplasma (M.) pulmonis ist der Erreger der murinen respiratorischen Mykoplasmose und gilt bei Ratten und Mäusen als wichtigster Erreger in Bezug auf respiratorische Erkrankungen. Die Krankheitsanzeichen reichen von unspezifischen Symptomen, wie reduziertem Allgemeinbefinden und Gewichtsverlust, über Rhinitis, Otitis und Dyspnoe bis hin zu schweren Pneumonien. Außerdem treten im Zusammenhang mit M. pulmonis-Infektionen Arthritiden und auch Fertilitätsstörungen, wie Endometritis und Sapingitis, auf (vor allem bei der Ratte).
Auch bei Meerschweinchen, Kaninchen und Hamstern ist M. pulmonis nachgewiesen worden. Allerdings konnte nur beim Kaninchen auch ein Zusammenhang mit respiratorischen Symptomen hergestellt werden, bisher eher bei nahrungsmittelliefernden Tieren und weniger beim Haustier. Im Moment geht man davon aus, dass M. pulmonis beim Menschen keine Erkrankungen hervorruft, obwohl auch da der Nachweis (serologisch und direkt mittels PCR) bereits erfolgreich war. Differentialdiagnostisch sind bei der Ratte vor allem Streptococcus pneumoniae, Corynebacterium kutscheri und Filobacterium rodentium (CAR Bacillus) von Bedeutung.
Wichtig: Alle Erkrankungen die durch Mykoplasmen ausgelöst werden sind Faktorenkrankheiten. Stress, Vitaminmangel, schlechte Haltungsbedingungen oder andere Infektionen begünstigen eine Erkrankung und verschlechtern den klinischen Verlauf.
Aus Einsendungen der Jahre 2021 bis 2023 haben wir 496 M. pulmonis PCR-Tests ausgewertet. Von diesen 496 Tests waren 221 positiv, das entspricht 44,6 %. Auf die einzelnen Jahre gesehen waren 2021 43,4 % (85/196) positiv, im Jahr 2022 konnte M. pulmonis bei 48,2 % (94/195) und 2023 bei 40 % (42/105) nachgewiesen werden (Abb.1). Die PCR-Untersuchungen wurden bei vielen verschiedenen Kleinsäugern durchgeführt, darunter Ratten, Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen aber auch Gerbils, Hamster und andere Spezies. Da der Erreger vor allem bei Mäusen und Ratten eine Rolle spielt, haben wir diese Tierarten gesondert angeschaut (Abb.2). Hier waren insgesamt sogar 77,6 % (218/281) der Einsendungen positiv. Das entspricht der Literatur, wo bei Haustierratten von einer Prävalenz von 70 % gesprochen wird (PCR-Nachweis). M. pulmonis sollte vor allem bei Ratten und Mäusen mit respiratorischen Symptomen differentialdiagnostisch immer in Betracht gezogen werden.
Mycoplasma caviae
Diesem Erreger wurde erst in letzter Zeit vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl bereits in den 1907er Jahren erstmals beschrieben. M. caviae ist beim Meerschweinchen verantwortlich für ähnliche Symptome wie M. pulmonis bei Maus und Ratte: Anorexie, Lethargie, Schnupfen und Dyspnoe bis hin zu schweren interstitiellen Pneumonien. Auch hier sind Arthritiden und Fertilitätsstörungen (Metritis) möglich. Zusätzlich sind Konjunktivitiden und Lymphadenitiden beschrieben. Differentialdiagnosen sind vor allem Infektionen mit Streptococcus pneumoniae und Bordetella bronchiseptica.
Wir haben retrospektiv insgesamt 171 Proben (Abstriche von Nase und/oder Rachen, Spülproben) von Meerschweinchen aus den Jahren 2021 bis 2023 untersucht. M. caviae konnte im Jahr 2021 in 9,3 % (5/54), 2022 in 6,8 % (3/44) und 2023 in 5,5 % (4/73) der Proben nachgewiesen werden (Abb.3). Insgesamt waren 7 % (12/171) der untersuchten Meerschweinchen M. caviae positiv. Da diese Untersuchungen ohne Auftrag und ohne jegliche Vorkenntnis zum jeweiligen Meerschweinchen erfolgten, ist die tatsächliche Prävalenz vermutlich höher. Die Literatur hat dazu lediglich eine Angabe aus 1971, da lag die Prävalenz bei 10 %.
Hinweis: Erst seit Kurzem ist der Nachweis von Mycoplasma caviae, mittels PCR möglich
Mycoplasma spp.
Beim Kaninchen ist bis heute keine eigene Mykoplasmen-Spezies beschrieben, aber Mycoplasma spp. konnte bei Kaninchen mit respiratorischen Symptomen nachgewiesen werden. Sie können am sogenannten „Kaninchenschnupfenkomplex“ beteiligt sein. Auch hier reichen die Symptome von Gewichtsverlust, Apathie über Nasenausfluss und Dyspnoe bis hin zur Pneumonie. Außerdem wurden Mykoplasmen im Zusammenhang mit Konjunktivitiden detektiert, sodass der Nachweis von Mycoplasma spp. vor allem bei Kaninchen mit respiratorischen Symptomen oder Augenproblemen sinnvoll ist. Differentialdiagnosen wären vor allem Erreger aus der Familie der Pasteurellacea oder Enterobacteriaceae und Pseudomonas spp. zu nennen.
Tipp: Differentialdiagnostisch zu Mykoplasmen kommen hauptsächlich andere Bakterien in Frage – zusätzlich zur spezifischen Mykoplasmen-PCR ist vor allem bei Tieren mit respiratorischen Symptomen eine kulturelle Untersuchung (BU) sinnvoll. Dafür wird zusätzlich ein Abstrich mit Transportmedium benötigt.
Fazit
Vor allem bei Kleinsäugern mit respiratorischen Symptomen ist eine Mykoplasmeninfektion eine mögliche Differentialdiagnose, das gilt insbesondere für Ratten und Mäuse. Mykoplasmeninfektionen sind Faktorenerkrankungen und ein Mykoplasmen-Nachweis ist nur im Zusammenhang mit klinischen Symptomen therapiebedürftig. Die PCR ist Nachweismethode der Wahl (aus Abstrichen ohne
Transportmedium oder Spülproben).
Dr. Eva-Maria Klas
Leistungen zum Thema
8189 Mycoplasma pulmonis PCR
8885 Mycoplasma caviae PCR
NEU! 8897 Mycoplasma spp. PCR (Kaninchen)
8801 Atemwegsprofil Ratte/Maus (M. pulmonis, Bordetella bronchseptica)
8278 Atemwegsprofil Kaninchen
(Bakteriologie + PCR: Bordetella bronchiseptica, Pasteurella multocida Toxinbildner, Mycoplasma spp).
Weiterführende Literatur
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Klas E-M, Liebscher J. Atemwegsassoziierte Mykoplasmeninfektionen beim Kleinsäuger. Kleintier konkret 2024; 27 (S 01): 12-26. DOI: 10.1055/a-2241-4125
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Klas E-M, Kaiser E-M, Scherzer J, Kerner K, Müller E. Etablierung einer PCR zum Nachweis von Mycoplasma caviae und die Nachweishäufigkeit beim Meerschweinchen, Pos-ter präsentiert auf der 32. Jahrestagung der DVG-Fachgruppe Innlab; 2024 Feb 02-03; Hannover, Deutschland
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Balzey, B., Mykoplasmenpneumonie des Meerschweinchens Ein Bericht aus unserem Laboralltag https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=8&ID=2552 (05.09.2017)
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Razin S, Yogev D, Naot Y. Molecular biology and pathogenicity of mycoplasmas. Microbiol Mol Biol Rev 1998; 62: 1094–1156. DOI: 10.1128/mmbr.62.4.1094-1156.1998