Kleinsäuger sind Flucht- und Beutetiere. Schwere Erkrankungen müssen lange unerkannt bleiben, da die Tiere sonst leicht Opfer von Fressfeinden werden! Gerade bei unspezifischen Symptomen wie Apathie, Inappetenz und Bewegungsunlust ist die Labordiagnostik daher ein wichtiger Baustein in der Diagnosefindung. Nicht nur Veränderungen im roten (Anämie, Dehydratation) und weißen Blutbild (Pseudolinksverschiebung, Lymphom) können hinweisend sein. Aktivitäts- und Konzentrationsänderungen der klinisch-chemischen Parameter (Enzyme, Substrate, Elektrolyte) zeigen, welche Organe betroffen sind oder welche Art der Stoffwechselveränderung vorliegt. Zum „schnellen Nachlesen“ sind die wichtigsten Parameter in Tabelle 1 aufgelistet.
Leberstoffwechsel
Als Leberparameter gelten auch bei Kleinsäugern die Enzyme GLDH, ALT, AST, γ-GT, AP und die Substrate Glucose, Albumin, Harnstoff, Bilirubin, Triglyceride und Serumgallensäuren. Ihre Bestimmung erfolgt in Serum oder Plasma.
Die GLDH (Glutamat-Dehydrogenase) kommt in den Mitochondrien von Leberzellen (zentrilobulär) sowie Herz- und Nierenzellen vor (Wesche 2014). Sie ist das sensitivste Leberenzym und spricht auch schon bei leichten Zellschädigungen (akute Hepatopathien durch Anorexie (Fetteinlagerung) und/oder Intoxikationen) an und ist ein guter Marker für akute, beginnende Leberprobleme (Leban-Danzl et al. 2016). Die Messung ist bisher nicht für die Inhouse-Diagnostik verfügbar.
Die ALT (Alanin-Aminotransferase) gilt als leberspezifisch und kommt v. a. im Zytoplasma von Leber- und Herzmuskelzellen vor (Hein 2014). Sie ist weniger sensitiv als die GLDH, wird erst bei fortschreitender Leberzellschädigung frei und spricht daher für eine schwerere und/oder chronische Leberschädigung (Leban-Danzl et al. 2016). Eine Korrelation zwischen Leberzelluntergang und ALT-Aktivität ist beschrieben (Jenkins 2000).
Die AST (Aspartat-Aminotransferase) ist ähnlich sensitiv wie die ALT, ist aber leberunspezifisch, da sie auch im Herz- und Skelettmuskel vorkommt. Daher sollte eine Aktivitätserhöhung der AST immer zusammen mit der CK-Aktivität (Muskelenzym) und den übrigen Leberparametern interpretiert werden, um von einer muskelassoziierten Konzentrationserhöhung differenzieren zu können (Leban-Danzl et al. 2016). ALT und AST kommen in gewissen Mengen auch in Erythrozyten vor, d. h. sie werden in geringen Mengen auch bei Hämolyse frei, ohne dass eine Leberproblematik vorliegt.
AP (alkalische Phosphatase) und γ-GT (Gamma-Glutamyltransferase) finden sich v. a. in den Gallengängen, sind aber ebenfalls nicht leberspezifisch und eher reaktionsträge (Hein 2014). Ist ihre Aktivität erhöht und steigt zudem die Bilirubin- und Serumgallensäure- (SGS-) Konzentration im Serum/ Plasma, kann man von einer Cholestase ausgehen. Bei Kaninchen ist die AP besonders reaktionsträge und auch ein steroidsensibles Isoenzym kommt bei ihnen nicht vor. Bei anderen Kleinsäugern ist die AP-Aktivität, v. a. bei Jungtieren, durch den erhöhten Knochenstoffwechsel und ggf. auch bei anderen Hepatopathien, Osteopathien, Trächtigkeit und Knochenabbau erhöht (Leban-Danzl et al. 2016).
Der Leberstoffwechsel wird sinnvollerweise in Verbindung mit den Substraten Glucose, Albumin, Harnstoff, Bilirubin, Triglyceride und Gallensäuren beurteilt, um prä- und intrahepatische Ursachen von Cholestasen (posthepatisch) zu unterscheiden. Kaninchen haben einen besonders aktiven Fettstoffwechsel. In Phasen von Anorexie kommt es zu einer schnellen Fettmobilisation und Einlagerung in die Leber (Leberlipidose) (Hein 2014). Bei Leberzirrhosen wird oftmals kein Enzymanstieg mehr nachgewiesen, da die Kapazität der Leberzellen erschöpft ist. Blutparasiten oder autoimmunhämolytische Anämien sind bei Kleinsäugern bisher nicht beschrieben (Hein 2019).
Leichte Hepatopathien beginnen entsprechend nur mit einem Aktivitätsanstieg der GLDH. Je nach Schwere und Dauer der Problematik steigen AST- und ALT-Aktivität und erst bei massiven Schäden verändern sich auch alle anderen Leberparameter. Massive Leberparameterveränderungen treten v. a. bei RHD, massiver Leberkokzidiose, Intoxikationen und/oder Leberlappentorsionen auf.
Nierenstoffwechsel
Als zuverlässige Nierenparameter gelten bei Kleinsäugern die Harnstoff- und Kreatininkonzentration. Die Datenlage zur SDMA-Messung bei Kleinsäugern ist aktuell noch zu gering.
Bei karni- oder insektivoren Kleinsäugern ist die Harnstoffkonzentration, wie bei Hunden und Katzen, abhängig von der Futteraufnahme (proteinreiche Nahrung) (Hein 2014). Herbivore Kleinsäuger nehmen nur wenig Protein mit der Nahrung auf. Daher ist die Harnstoffkonzentration im Blut bei ihnen im Gegensatz zu karni- oder insektivoren Kleinsäugern futterunabhängig. Eine isolierte Erhöhung der Harnstoffkonzentration kann Hinweis auf eine gastrointestinale Blutung (Rückresorption von Blut) sein (Hein 2014). Leberinsuffizienz im Spätstadium und/oder eine verminderte Proteinzufuhr können zu einem Abfall der Harnstoffkonzentrationen führen.
Kreatinin ist ein unspezifischer Muskelparameter und als Endprodukt des endogenen Muskelstoffwechsels ein zuverlässiger und nahrungsunabhängiger renaler Parameter. Die Kreatininkonzentration wird entsprechend von der Muskelmasse, der Bewegungsaktivität und der Nierenfunktion beeinflusst (Hein 2014).
Sind Harnstoff- und Kreatininkonzentration zugleich erhöht, bezeichnet man dies als Azotämie. Eine Azotämie kann prärenal (Dehydratation, Hypovolämie, renale Minderdurchblutung), renal (akute oder chronische Niereninsuffizienz) und/oder postrenal (Obstruktion der ableitenden Harnwege) auftreten.
Pankreasstoffwechsel
Auch wenn beim Herbivoren wegen der überwiegenden bakteriellen Verdauung nur von geringer Bedeutung, ist doch auch beim Kleinsäuger die Messung der α-Amylase- und Lipaseaktivität möglich. Kaninchen besitzen eine hohe Lipaseaktivität, was die schnelle Fettmobilisitation und ihre Neigung zur Leberlipidose in Hungerphasen erklärt, während die α-Amylaseaktivität eher gering ist. Kaninchen haben im Gegensatz zu anderen eher dauerhaft hohe Glucose- und Fructosaminkonzentrationen.
Zuckerstoffwechsel
Herbivore Kleinsäuger sind physiologisch nie nüchtern!
Aussagen zum Zuckerstoffwechsel machen die Glucose- und die Fructosaminkonzentration. Fructosamine sind glykosylierte Serumproteine. Die Glucosekonzentration der letzten 3 Wochen spiegelt sich in der Fructosaminkonzentration wider. Längerfristige Veränderungen der Glucosekonzentration (Diabetes, Insulinom) können so leichter detektiert werden, während kurzfristige Veränderungen (z. B. kurze Hungerphase, Glucosegabe) kaum Einfluss haben.
Die Bestimmung beider Substrate erfolgt aus zeitnah abzentrifugiertem, separiertem Serum oder Heparinplasma unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Futteraufnahme (Ausnahme Frettchen 2–4 Stunden Nahrungskarenz). Andernfalls kommt es zu falsch niedrigen Glucosekonzentrationen, aufgrund des Abbaus durch die noch vorhandenen Erythrozyten, und Veränderung der Fructosaminkonzentration aufgrund von Hämolyse. Auch Hypoproteinämien jeglicher Art führen zu falsch niedrigen Fructosaminkonzentrationen und Lipämie beeinflusst ebenfalls die Fructosaminkonzentration. Die Befunde sollten daher immer kritisch hinterfragt und ggf. überprüft werden.
Diabetes mellitus ist bei Kleinsäugern eher selten und zumeist fütterungsbedingt. Differentialdiagnosen für Hyperglycämie sind: Stress, iatrogene Zufuhr, Hormoneinfluss (Glucocortikoide, Progesteron) (eher mild) sowie bei Kaninchen Ileus (hochgradig). Beim Kaninchen ist die Glucose- und Fructosaminkonzentration dauerhaft hoch, da diese nur langsam Kohlenhydrate abbauen, aber schnell auf Gluconeogenese umschalten (Harcourt-Brown und Harcourt-Brown 2012). Bei Kaninchen mit Ileusverdacht kann die Bestimmung der Glucosekonzentration daher hilfreich sein. Je höher die Glucosekonzentration, umso wahrscheinlicher ist bei einem inappetenten Kaninchen ein Ileus, und je länger sie besteht, desto schlechter ist die Prognose (Harcourt-Brown und Harcourt-Brown 2012). Treten Hyperglycämie und Hyponatriämie (Natrium < 129 mmol/l) bei schwer kranken Kaninchen gemeinsam auf, ist die Mortalitätsrate 2,3-fach höher (Bonvehi et al. 2014).
Fettstoffwechsel
Zum Fettstoffwechsel zählen die Triglyceride, Cholesterin und die Serumgallensäuren. Erhöhungen der Triglyceridkonzentration treten bei Kaninchen schnell in Anorexiephasen auf und sind erste Hinweise auf eine bevorstehende Leberlipidose. Hypercholesterinämien sind v. a. bei Meerschweinchen beschrieben und gehen mit fettigen Infiltrationen in Leber und anderen Geweben einher (Hein 2014).
Proteinstoffwechsel
Gemessen werden können die Gesamteiweiß- und Albuminkonzentration photometrisch sowie mittels Elektrophorese die Albumin- und Globulinfraktionen. Von Bedeutung sind die Messungen bei Symptomen, die mit einer Störung im Wasser- und Proteinhaushalt einhergehen, wie Durchfall, PD/ PU, Gewichtsverlust etc. Die Akute-Phase-Proteine spielen bei Kleinsäugern bisher nur eine untergeordnete Rolle.
Elektrolytstoffwechsel
Auch bei Kleinsäugern werden v. a. Natrium-, Kalium-, Calcium- und Phosphatkonzentrationen gemessen. Die Bestimmung anderer Elektrolyte wie Chlorid, Magnesium, Eisen etc. ist ebenfalls möglich.
Herbivore Kleinsäuger nehmen Calcium nicht bedarfsabhängig, sondern nahrungsabhängig und – außer bei Calciummangel – auch unabhängig von Vitamin D über intestinale Resorption auf. Die Folge sind physiologische Schwankungen des Calcium-Serumspiegels. Bei Kaninchen, Meerschweinchen und Degus werden bis zu 65 % des überschüssigen Calciums über den Harntrakt ausgeschieden (im Gegensatz zu < 2 % bei den meisten anderen Haustieren) (Hein 2014). Die Folge bei Überschuss sind Harngries und Urolithe in den Harnwegen.
Chinchillas scheiden überschüssiges Calcium weitgehend mit dem Kot aus. Urolithe sind bei ihnen daher selten, Gewebe- und ggf. Aortenverkalkungen aber umso häufiger. Aussagekräftige Studien zu den Zusammenhängen zwischen Calcium- und Phosphatkonzentration bei Kleinsäugern fehlen noch.
Kalium spielt bei Kleinsäugern eine ähnliche Rolle wie bei Hunden und Katzen, ihre Toleranz gegenüber Kaliumkonzentrationsschwankungen, z. B. bei Neoplasien, scheint aber größer. Hyperkaliämien treten bei Vollbluteinsendungen als Folge der Hämolyse (Freisetzung aus Thrombozyten, Leukozyten und Erythrozyten) auf.
Fazit
Mit Hilfe der klinisch-chemischen Parameter lässt sich die Stoffwechsellage beim Kleinsäuger gut einschätzen und Erkrankungen sind schnell und einfach diagnostizierbar.
Jana Liebscher, Dr. Jutta Hein
Tab. 1: Klinisch-chemische Parameter mit Organ-/Stoffwechselzugehörigkeit
Name | Organ-/Stoffwechsel- zugehörigkeit | Anmerkung |
Enzyme | ||
α-Amylase | Pankreasstoffwechsel | niedrige Aktivität bei Herbivoren und hier v. a. bei Kaninchen |
ALT | Leberstoffwechsel | leberspezifisch (Zytoplasma) |
AP | Leberstoffwechsel | nicht leberspezifisch (Gallengangszellen, kein Corticosteroid-induziertes Isoenzym), reaktionsträge; Darm, Niere, Knochenmark, Plazenta |
AST | Leberstoffwechsel | nicht leberspezifisch (Leberzellschäden), Muskel (mit CK beurteilen) |
CK | Leberstoffwechsel | Muskel (v. a. Skelett) |
GLDH | Leberstoffwechsel | leberspezifisch, am sensitivsten (mitochondrial, zentrilobulär) |
γ-GT | Leberstoffwechsel | nicht leberspezifisch (membrangebunden, Gallengänge), reaktionsträge |
Lipase | Pankreasstoffwechel | hohe Aktivität bei Kaninchen (Neigung zu Leberlipidose) |
Substrate | ||
Albumin | Proteinstoffwechsel | Synthese in der Leber |
Bilirubin (gesamt) | Leberstoffwechsel | Hämoglobin-Abbauprodukt |
Cholesterin | Fettstoffwechsel | v. a. bei Meerschweinchen von Bedeutung |
Totalprotein | Proteinstoffwechsel | Wasserbindung, Transport, Gerinnung, Abwehr |
Fructosamine | Zuckerstoffwechsel | proteingebunden, spiegeln Glucosespiegel der letzten 3 Wochen wider; Beeinflussung durch Hämolyse, Ikterus, Lipämie und Hypoproteinämie |
Gallensäuren | Fettstoffwechsel | Abbauprodukt von Cholesterin aus der Leber, Hinweis auf Cholestase |
Globuline | Proteinstoffwechsel | Serumelektrophorese |
Glucose | Zuckerstoffwechsel | Standzeiten des Vollblutes entscheidend für Aussage (Verbrauch durch Erythrozyten) |
Harnstoff | Nierenstoffwechsel | Herbivore: unabhängig von der Nahrungsaufnahme, Karnivore: nahrungsabhängig |
Kreatinin | Nierenstoffwechsel | abhängig von Muskelmasse |
Serumgallensäuren | Fettstoffwechsel | Hinweis auf Cholestase |
Triglyceride | Fettstoffwechsel | Ursache der Leberlipidose v. a. bei Kaninchen |
Elektrolyte | ||
Calcium | Elektrolytstoffwechsel | Kation; Beteiligung an Erregungsleitung, Muskelkontraktion, Blutgerinnung, Knochenaufbau (> 90 % im Knochen, Rest v. a. an Albumin gebunden); Einfluss durch Hypoalbuminämie |
Kalium | Elektrolytstoffwechsel | wichtigstes intrazelluläres Kation; beteiligt v. a. an Signalweiterleitung; wird bei Hämolyse frei |
Natrium | Elektrolytstoffwechsel | wichtigstes extrazelluläres Kation; bedeutend für den Wasserhaushalt; Ausscheidung v. a. über Nieren |
Phosphat | Elektrolytstoffwechsel | Anion; wichtig im Energiestoffwechsel und für den Knochenumbau; Anstieg bei Hämolyse |
Chlorid | Elektrolytstoffwechsel | wichtiges extrazelluläres Anion, beeinflusst v. a. das osmotische Gleichgewicht (Großteil an Natrium gebunden) |