Kann eine einfache Blutprobe die invasive und kostenintensive Aufarbeitung von Tumorpatienten vereinfachen? Mit dieser Frage fühlen sich Besitzer und auch Tierärzte häufig konfrontiert. Als pauschale Antwort kann man sagen: Zum Teil. Blutproben können bereits wichtige Informationen bezüglich Diagnose und Monitoring liefern. Den aktuellen Stand erfahren Sie in diesem Artikel.
Generell sind serologische Tests von den Methoden der liquid biopsy zu unterscheiden. Serologische Tests weisen von Tumorzellen produzierte Proteine im Blut nach, während mittels liquid biopsy DNA, RNA und Nukleinsäure-assoziierte Proteine in Körperflüssigkeiten detektiert werden.
Hämatologie
Eine nicht regenerative Anämie wird im Zusammenhang mit vielen Tumorerkrankungen als Anämie der chronischen Erkrankung gesehen. Sie kann hinweisend auf eine Knochenmarkinfiltration mit neoplastischen Zellen (z. B. bei Leukämien, Lymphom, Multiplem Myelom oder anderen Metastasen) oder östrogenproduzierende Tumoren (Sertolizelltumoren) sein. Bei Knochenmarkbeteiligung sind meist weitere Zelllinien betroffen, sodass insbesondere bei Vorliegen einer gleichzeitigen Neutro- und/oder Thrombozytopenie an entsprechende Tumoren gedacht werden sollte.
Thrombozytopenien werden häufig bei Milztumoren gesehen. Es kann im Zuge von verschiedenen neoplastischen Erkrankungen auch zu Thrombozytosen kommen.
Bei lymphoproliverativen Neoplasien ist eine massive Lymphozytose möglich.
Eine Eosinophilie kann z. B. als Reaktion auf einen Mastzelltumor, aber auch im Zusammenhang mit einem T-Zell-Lymphom auftreten.
Blutchemie
Einige Parameter der Blutchemie können zusätzlichen Informationsgewinn für ein onkologisches work up bieten, dazu gehören u. a. die Globuline, Lactatdehydrogenase (LDH) und Calcium (Ca).
Eine Hyperglobulinämie wird bei Antikörper-produzierenden Tumoren (multiples Myelom, Plasmozytom, B-Zell-Lymphom / Leukämie) gesehen.
Hinweise darauf bietet die Serumelektrophorese (Abb. 2).
Der erhöhte Stoffwechsel in Tumorgewebe und die damit einhergehende schnelle Zellproliferation führen zu vermehrter Bildung von LDH. Hohe LDH-Konzentrationen im Blut von Hunden können maligne Tumorerkrankungen anzeigen. Wichtiger ist aber vermutlich die Tatsache, dass eine Erhöhung des LDH bei Lymphompatienten unter Therapie auf ein Rezidiv hinweisen kann.
Eine Tumor-assoziierte Hypercalcämie kann durch viele Tumorarten ausgelöst werden. Die häufigsten mit einer Hypercalcämie in Verbindung gebrachten Tumorarten sind Lymphom, multiples Myelom, Thymom und Analbeutelkarzinom. Das Parathormon-related Protein (PTHrP) kann bei der Entstehung der tumorassoziierten Hypercalcämie eine Rolle spielen. Aber auch andere Pathomechanismen wie Parathormon, erhöhte Konzentrationen von Vitamin-D-Metaboliten oder die Aktivität bestimmter Zytokine kommen in Frage, weshalb viele Tumorerkrankungen zwar mit einer Hypercalcämie, nicht aber mit einer PTHrP-Erhöhung einhergehen. Zusätzlich bestätigen geringgradig erhöhte Serum-Konzentrationen nicht unbedingt das Vorliegen einer Tumorerkrankung. Der primäre Hyperparathyreoidismus wird in den meisten Fällen durch ein Adenom der Parathyreoidea ausgelöst.
Zusätzlich können erhöhte Konzentrationen von Akute-Phase-Proteinen (z. B. C-reaktives Protein beim Hund oder Serumamyloid A (SAA) bei Katze und Pferd) einen Hinweis liefern. Sie werden bei disseminierten Tumoren (z. B. Lymphom oder metastasierten Tumoren) und bei Vorhandensein ausgedehnter Tumornekrosen gesehen.
Verdacht auf Lymphom oder Leukämie – was tun?
Das schematische Aufarbeiten lymphoproliferativer Neoplasien mittels Immunophenotypisierung und Klonalitätsuntersuchung aus Flüssigkeiten haben wir Ihnen in einer Übersicht zusammengefasst (Abb. 3). Ihr Wissen zu dem Thema können Sie im Laboklin Aktuell von 05/2017 noch einmal vertiefen.
Tumormarker
Die im allgemeinen Sprachgebrauch als Tumormarker bezeichneten Parameter sind biochemische Substanzen wie Glykoproteine, Hormone, Enzyme, Stoffwechselprodukte oder DNA-Bestandteile, die bei Tumorerkrankungen im Blut vermehrt auftreten. Sie werden entweder durch den Tumor selbst produziert oder ihre Produktion in körpereigenen Zellen wird durch den Tumor angeregt. Sie können spezifisch für eine Tumorart sein, müssen es aber nicht.
Zu beachten ist, dass auch gutartige Erkrankungen zu einem Anstieg der klassischen Tumormarker führen können. Insbesondere müssen positive Befunde immer von entzündlichen Erkrankungen abgegrenzt werden. Ein einzelner abweichender Wert ist nie beweisend für eine Neoplasie.
Die Einsatzgebiete der genannten Tumormarker sind vorrangig im Rahmen des Monitorings und der Abschätzung des Rezidivrisikos zu sehen. Dabei macht es Sinn, einen Ausgangswert vor dem Start der Behandlung zu ermitteln.
Thymidinkinase (TK-1)
TK-1 ist ein Enzym, das am Einbau der Aminosäure Thymidin in die DNA beteiligt ist. Die Konzentration im Blut sagt etwas über die Teilungsaktivität von Zellen aus. Referenzwerte existieren für Hund, Katze, Meerschwein und Pferd.
TK-1 ist insbesondere bei hämatopoetischen Tumoren erhöht. Zudem werden hohe Konzentrationen bei Hunden mit Lymphomen mit geringeren Überlebenszeiten assoziiert. TK-1 eignet sich außerdem zur Therapiekontrolle und zur Früherkennung von Rezidiven bei lymphoproliferativen Erkrankungen. Bei caninen Lymphomen kann ein Anstieg wenige Wochen vor einem klinisch sichtbaren Rezidiv vorkommen.
Alpha-1-Fetoprotein (AFP)
AFP ist ein Glykoprotein, das beim Embryo im Dottersack, in der Leber und im Magen-Darm-Trakt gebildet wird und als Transportprotein (ähnlich dem Albumin) fungiert. Es wird nach der Geburt nur noch in kleinen Mengen in Leber und Darm produziert. AFP ist bei Hunden mit Lymphomen und Mastzelltumoren erhöht. Beim Menschen wird AFP zur Diagnose von Leberzellkarzinomen und zur Vorhersage ihrer Prognose verwendet. Da die AFP-Konzentration im Serum von Hunden mit hepatozellulärem Karzinom im Vergleich zu anderen Lebererkrankungen höher ist, könnte sie ein nützliches Instrument zur Diagnose und Verlaufskontrolle des hepatozellulären Karzinoms beim Hund sein.
Es ist jedoch zu beachten, dass AFP im Einzelfall auch bei gutartigen Lebererkrankungen wie dem Leberzelladenom, entzündlichen Erkrankungen oder chronischer Hepatopathie erhöht sein kann und die Studienlage dünn ist. AFP ist als möglicher hilfreicher Bestandteil einer Gesamtdiagnostik zu betrachten.
Carcino-embryonales Antigen (CEA)
CEA ist ebenfalls ein Glykoprotein und Bestandteil drüsenhaltiger Gewebe. Erhöhte Serumkonzentrationen werden bei entzündlichen oder malignen Veränderungen dieser Gewebe gefunden. In der Humanmedizin wird es als nützlicher Marker für Krebserkrankungen von Lunge, Colon, Mamma, Ovarien und Prostata genutzt. Dort hat er insbesondere bei Darmtumoren auch prognostischen Wert. Für Hunde liegen Untersuchungen für Karzinome der Mamma, des Magens und Pankreas sowie der Bronchien vor. Der Einsatz beim Hund beschränkt sich derzeit hauptsächlich auf die Zusatzdiagnostik und die Verlaufskontrolle von Rezidiven oder Metastasen.
Nukleosomen
Ein Nukleosom ist ein DNA-Segment, das um sogenannte Histon-Proteine gewunden ist. Diese Histone werden bei Zelltod vermehrt freigesetzt und können entsprechend im Blut detektiert werden. Der kommerziell angebotene Nu.Q® Test wurde für die Humanmedizin entwickelt und für den Einsatz beim Hund evaluiert. Eine gute Sensitivität konnte für den Nachweis von disseminierten und aggressiven Tumoren wie Lymphomen, histiozytären Sarkomen und Hämangiosarkomen dokumentiert werden, während einige solide lokalisierte Tumoren (wie Weichteilsarkome) weniger häufig positive Ergebnisse zeigten. Unbedingt zu beachten ist, dass frei im Blut zirkulierende Nukleosomen/ Histone beim Hund auch bei entzündlichen Erkrankungen sowie nach Trauma erhöht sind. Bei einem Hund mit fieberhafter Erkrankung z. B. unterscheidet der Test somit nicht zwischen neoplastischer und entzündlicher / infektiöser Ursache. Er ist als reiner Screeningtest für klinisch gesunde Hunde konzipiert.
Genetisches Tumorrisiko und Mutationen
Die Überprüfung auf Keimbahnmutationen wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft als Gentest bezeichnet. Sie weist vererbbare Gendefekte nach, die zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung bestimmter Tumorerkrankungen führen. So kann im Rahmen von Screening-Untersuchungen ein Tumorrisiko für einen individuellen Hund ermittelt werden. Aktuell von Laboklin angeboten werden ein Gentest für das Nierenzellkarzinom mit assoziierter Dermatofibrose beim Deutschen Schäferhund, ein Test für das familiäre Schilddrüsenkarzinom beim Deutsch Langhaar sowie ein Gentest für das Plattenepithelkarzinom der Zehe beim schwarzen Pudel und schwarzen Riesenschnauzer. Zudem gibt es noch einen nicht von Laboklin angebotenen Test für das histiozytäre Sarkom beim Berner Sennenhund.
Neben Keimbahnmutationen können auch in der somatischen Reihe Mutationen vorkommen. BRAF ist ein Protein, das am normalen Zellwachstum beteiligt ist. Es wird durch verschiedene Zellsignale an- oder abgeschaltet. Eine Mutation im BRAF-Gen führt zu einer Überaktivierung und unkontrolliertem Wachstum des betroffenen Gewebes. Bei Hunden kann der Nachweis einer BRAF-Mutation Harnblasen-, Urethra- und Prostatakarzinome mit einer hohen Spezifität von benignen Proliferationen unterscheiden. Die Überprüfung auf Vorliegen einer BRAF-Mutation erfolgt an zellulärem Material. Da der Test auch an (mittels Kathetersaug-Technik gewonnenen) Zellaspiraten oder Zellen im Harnsediment durchgeführt werden kann, bietet er sich als wenig invasive Möglichkeit zur Abklärung von Tumor-verdächtigen Befunden an. Ein positives Ergebnis ist sehr spezifisch, jedoch ist ein negativer Befund nicht ausschließend. Gründe für falsch negative Ergebnisse können zu wenig zellreiches Material oder ein Tumor ohne Mutation sein. Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit der Bestimmung von copy number alterations (CNA), welche bei urothelialen Karzinomen signifikant verändert sind im Vergleich zu normalen, benignen oder entzündlichen Harnblasenveränderungen.
Fazit
Abschließend ist zu sagen, dass die Tumordiagnostik sich wie ein Mosaik aus vielen Teilen zusammensetzt. Je nach Fall sind weiterführende Untersuchungen wie bildgebende Verfahren, zytologische oder histologische Untersuchungen durchzuführen.
Sophie Burde, Dr. Katrin Törner, PD Dr. Heike Aupperle-Lellbach
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