Thrombozyten
Thrombozyten, auch Blutplättchen genannt, sind ein wichtiger Bestandteil der Blutgerinnung. Es handelt sich um kernlose, flache, unregelmäßig runde, ovale oder längliche Zellen. Sie weisen ein hellblaues Zytoplasma auf, welches feine, azurophile Granula enthalten kann.1 Bei aktivierten Thrombozyten können sogenannte „Pseudopodien“ sichtbar sein.
Thrombozyten werden im Knochenmark gebildet. Aus bipotenten megakaryozytären-erythrozytären Vorläufern differenzieren sich Megakaryozyten. Durch Abschilferung entstehen Makrothrombozyten und Thrombozyten.2
Die durchschnittliche Überlebenszeit der Thrombozyten im peripheren Blut beträgt je nach Literatur 3 – 9 Tage.1
Pferde weisen im Vergleich zu anderen Säugetieren eine der niedrigsten Thrombozytenkonzentrationen auf.1 Im Blutausstrich sind 6 – 10 Thrombozyten pro Gesichtsfeld (1000fache Vergrößerung mit Immersionsöl) ausreichend für eine adäquate Thrombozytenmenge. Je nach Literatur variiert der Referenzbereich zwischen 90 – 350 G/l (Laboklin 90 – 300 G/l).1
Präanalytik
Die Präanalytik spielt eine wichtige Rolle für die Aussagekraft der labordiagnostischen Befunde. Diese Aussage gilt jedoch für alle hämatologischen Parameter, nicht nur für Thrombozyten. Eine ungünstige Blutentnahmetechnik, starkes Stauen oder die falsche Reihenfolge beim Befüllen der Röhrchen kann zu einer Aktivierung der Thrombozyten führen. Häufig kommt es dann zu kleineren oder größeren Gerinnseln, welche die Analyse verfälschen oder gar unmöglich machen können. Eine Blutentnahme wird bestenfalls unter stressfreien Bedingungen und nicht nach Belastung (Training) durchgeführt. Ein übermäßiges Stauen sollte vermieden werden. Bei der Reihenfolge der Röhrchen wird im optimalen Fall als Erstes das Serumröhrchen gefüllt und das EDTA-Röhrchen als Letztes. Falls nur EDTA-Blut abgenommen wird, sollten die ersten Blutstropfen verworfen werden.
Die Thrombozytenkonzentration ist beim Pferd bis zu 24 Stunden nach der Blutentnahme relativ lagerungsunabhängig.3
Die Bestimmung der Thrombozytenkonzentration muss aus antikoaguliertem Vollblut erfolgen. Im Vergleich der Antikoagulanzien K3-Ethyldiamintetraessigsäure (EDTA), Lithium-Heparin (Heparin) und Natrium-Citrat (Citrat) können signifikante Veränderungen bezüglich der Thrombozytenparameter in Heparin-Blut nachgewiesen werden.3 Bei der Verwendung von Heparin als Gerinnungshemmer kam es zu vermehrter Bildung von Thrombozytenaggregaten und dadurch zu falsch niedrig gemessenen Thrombozytenkonzentrationen.4
Der Gerinnungshemmer EDTA ist zur Blutanalyse am besten geeignet.4 In einzelnen Fällen ist jedoch auch beim Pferd eine EDTA-induzierte Pseudothrombozytopenie beschrieben, welche zu vermehrter Bildung von Thrombozytenaggregaten führt.7 Eine Reduktion der Aggregate kann durch eine schnelle Messung innerhalb von 2 Stunden nach Blutentnahme sowie das Erwärmen der Probe auf 37 °C vor der Messung erreicht werden.8
Gerinnungshemmer der Wahl für die Bestimmung der Thrombozytenkonzentration ist EDTA. Das Blut sollte innerhalb von 24 Stunden analysiert und möglichst gekühlt gelagert werden.
Tipp: Legen Sie die Blutproben in ihrem Praxisauto in eine Styroporbox, um sie vor Hitze und Frost zu schützen!
Labordiagnostik
Die Thrombozytenkonzentration ist in der Regel in jedem großen Blutbild enthalten. Individuell kann man sie aber auch einzeln anfordern. Zusätzlich sollten Sie auch immer einen Blutausstrich direkt vor oder nach der Thrombozytenanalyse anfertigen. Mit diesem Blutausstrich können Sie bei niedrigen Thrombozytenkonzentrationen nach Aggregaten suchen bzw. die Thrombozytopenie bestätigen. Zur Beurteilung wird der Blutausstrich luftgetrocknet und anschließend gefärbt. Zum Färben können Sie zum Beispiel Wright-Giemsa oder auch Diff-Quick verwenden (Abbildung 2a und 2b).
Zur weiteren Beurteilung sind immer ein detaillierter Vorbericht (z.B. Kontakt zu viralen, bakteriellen, parasitären Infektionserregern? Fieber? Gastrointestinale Symptome? Respiratorische Symptomatik?) sowie eine gründliche Untersuchung des Patienten notwendig.
Die mikroskopische Beurteilung der Thrombozyten erfolgt zunächst mittels 100facher Vergrößerung (10er Objektiv). Die Fahne wird nach Thrombozytenaggregaten abgesucht. Anschließend werden die Thrombozyten im Monolayer mit der 1000fachen Vergrößerung (100er Objektiv) ausgezählt. Um die ungefähre Thrombozytenzahl zu erhalten, wird der Durchschnitt aus 10 Gesichtsfeldern mit 15 – 20 multipliziert. Etwaige Aggregate in der Fahne müssen mitberücksichtigt werden.
Beispiel: Im Monolayer werden aus 10 Gesichtsfeldern 98 Thrombozyten gezählt. Der Durchschnitt liegt bei 9,8 Thrombozyten pro Gesichtsfeld. Die Zahl wird aufgerundet auf 10 und anschließend mit 15 multipliziert.
Geschätzt hat das Pferd also eine Thrombozytenzahl von 150 G/l. Zu dieser Zahl müssen noch etwaige Aggregate grob hinzu geschätzt werden.
Bestätigt sich eine Thrombozytopenie im Blutausstrich, sind je nach Vorbericht und Verdachtsdiagnose weiterführende Untersuchungen angeraten, z.B.
- PCR-Untersuchungen: z.B. Babesien, Anaplasmen
- Gerinnungstests: PT, aPTT, Thrombinzeit, Fibrinogen
- serologische Tests: z.B. equine infektiöse Anämie (EIA), equines Herpesvirus (EHV)
- Hämatologie: antithrombozytäre Antikörper
- ggf. Knochenmarksbiopsie und Zytologie
Thrombozytopenie
In den meisten Fällen ist eine Thrombozytopenie beim Pferd ein Zufallsbefund. Als Thrombozytopenie wird eine Verminderung der Thrombozytenzahl unter die tierartspezifische Norm bezeichnet.9 Thrombozytopenien deuten meist auf einen pathologischen Prozess hin, welcher bei stark erniedrigten Thrombozytenkonzentrationen zu Gerinnungsstörungen führen kann.10 Häufig ist mehr als ein Grund ursächlich für die Thrombozytopenie.12
Es kann zwischen Pseudothrombozytopenien und echten Thrombozytopenien unterschieden werden. Pseudothrombozytopenien entstehen, wenn bei der Thrombozytenzählung nicht alle vorhandenen Thrombozyten gezählt werden. Deshalb ist eine manuelle mikroskopische Beurteilung bei Thrombozytopenien zur Kontrolle immer als Erstes angeraten.10
Gründe für echte Thrombozytopenien sind eine verminderte Bildung im Knochenmark, ein erhöhter Verbrauch, Zerstörung der Thrombozyten oder gesteigerte Sequestrierung (Tabelle 1).10, 11
Tabelle 1: Zusammenfassung der Ursachen für Thrombozytopenien 10, 11
Ursache | ||
Thrombozytopenie | Pseudothrombozytopenie | Messtechnische Einschränkungen
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verminderte Produktion im Knochenmark |
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erhöhter Verbrauch |
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Zerstörung der Thrombozyten | immunmediierte Zerstörung
nicht immunmediierte Zerstörung
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Sequestration |
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Klinische Anzeichen einer Thrombozytopenie
Bei den meisten Pferden treten Thrombozytopenien sekundär zu verschiedenen Grunderkrankungen auf.12
Das klinische Bild entspricht in der Regel der auslösenden Erkrankung. Allgemein treten bei gering- bis mittelgradigen Thrombozytopenien (90 – 30 G/l) nur selten Symptome auf, solange die sekundäre Hämostase nicht eingeschränkt ist.
Hochgradige Thrombozytopenien (< 30 G/l) führen zu einer veränderten primären Hämostase.13, 14 Die Patienten zeigen Petechien und Ekchymosen, die vor allem auf den Schleimhäuten und Skleren zu sehen sind. Auch vermehrtes Nasenbluten ist beschrieben. Es kommt zu einer verlängerten Nachblutungszeit nach Blutentnahme. 13, 14
Thrombozytose
Als Thrombozytose wird eine Erhöhung der im peripheren Blut zirkulierenden Thrombozyten über den tierarztspezifischen Referenzbereich bezeichnet.
Wie bei den Thrombozytopenien kann auch hier zwischen Pseudothrombozytosen und echten Thrombozytosen unterschieden werden (Tabelle 2).
Tabelle 2: Zusammenfassung der Ursachen für Thrombozytose ,11, 22, 23
Ursache | ||
Thrombozytose | Pseudothrombozytose | messtechnische Einschränkungen
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Umverteilung der Thrombozyten |
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erhöhter Verbrauch |
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gesteigerte Bildung im Knochenmark |
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Neoplasie |
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Pseudothrombozytosen entstehen, wenn bei der Thrombozytenzählung andere Zellen als Thrombozyten gezählt werden. Hierzu können kleine Erythrozyten oder lysierte Erythrozyten gehören. Die Auswertung von Scatterplot (Punktwolke) und Blutausstrich helfen hier weiter.
Geringgradige, physiologische Thrombozytosen treten häufig bei und nach dem Training oder bei Aufregung (z.B. Stress bei der Blutentnahme) auf. Ursache hierfür sind Milzkontraktionen, die gespeicherte Thrombozyten in die Zirkulation bringen.18, 19
Echte Thrombozytosen lassen sich in primäre und sekundäre Thrombozytosen einteilen. Meist ist die Thrombozytenkonzentration bei sekundären Thrombozytosen nur gering- bis mittelgradig erhöht (300 – 500 G/l), während sie bei primären Thrombozytosen hochgradig erhöht ist. Zusätzlich sind primäre Thrombozytosen häufiger mit klinischen Blutungen und Thrombosen assoziiert.20, 21, 22
Sekundäre Thrombozytosen treten vor allem im Rahmen von Entzündungen und Infektionen auf.24
Fazit
Die Thrombozytenzahl ist in fast jedem Blutbild enthalten und kann Hinweise auf Grunderkrankungen geben. Dazu muss sie in jedem Fall zuerst manuell mikroskopisch auf ihre Plausibilität kontrolliert werden. Anschließend muss die Ursache einer Thrombozytopenie oder Thrombozytose anhand einer guten Anamnese und klinischen Untersuchung gefunden werden.
Dr. med. vet. Annemarie E. Baur-Kaufhold
Literatur: das Literaturverzeichnis erhalten Sie gerne auf Anfrage.