Viele Bereiche des Körpers sind bei Hunden mit den unterschiedlichsten Bakterien besiedelt. Dazu zählen die Oberfläche der Haut und alle direkt der Umwelt ausgesetzten Schleimhäute z. B. des Atem- oder Urogenitaltraktes (Abb. 1). Die Gesamtheit aller dieser Mikroorganismen wird als Mikrobiom bezeichnet.
Hauptkolonisationsort des Mikrobioms ist allerdings der Gastrointestinaltrakt. Ausgehend von eher keimarmen Bereichen wie Magen und Zwölffingerdarm, nimmt die Konzentration der Bakterien von Dünndarm bis zum Kolon stark zu (1011-1012 Bakterien/g Kot). Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Zahl der im Kolon lokalisierten Mikroben die der Körperzellen des Wirtsorganismus um das 10-fache übersteigen kann. Mehr als 25% der Kotmenge von Hunden bestehen aus abgestoßenen Darmbakterien, wobei Anaerobier mit 99% den deutlich größeren Anteil ausmachen. Betrachtet man die Gesamtheit aller metabolischen Prozesse dieses Bakterienverbunds, hat das intestinale Mikrobiom eine höhere Stoffwechselkapazität als die Leber.
Bedeutung und Funktion der Darmflora
Der Beitrag, den die Darmmikroben zur Gesundheit des Wirtes leisten, ist mittlerweile durch eine große Zahl von wissenschaftlichen Untersuchungen belegt. Dabei zeigte sich, dass eine ganze Reihe komplexer Stoffwechsel- und immunregulatorischer Prozesse durch die Darmflora positiv beeinflusst werden.
1. Kolonisationsresistenz
Kommensale Bakterien im Darm stellen eine wichtige mikrobielle Barriere dar und verhindern die Ansiedlung und Vermehrung von enteropathogenen Keimen wie Campylobacter oder Opportunisten wie Candida albicans. Vermittelt wird diese Funktion hauptsächlich durch drei Prozesse:
- Besetzung von Rezeptoren auf der Schleimhaut
- Hemmung des Pathogenwachstums durch Sekretion bakteriostatischer oder mikrobizider Stoffwechselprodukte
- Konkurrenz um Nährstoffe, Vitamine und wachstumsfördernde Faktoren
2. Nährstoffversorgung
Eine gut aufgestellte Mikroflora fördert den Stoffwechsel und die Durchblutung der Darmschleimhaut. Bakterielle Abbauprodukte von Kohlenhydraten und Proteinen gelangen über Diffusion in die Zellen der Dickdarmschleimhaut und decken so mehr als 50% des Energiebedarfs der Enterozyten des Kolons. Zusätzlich regen von den Bakterien sezernierte kurzkettige Fettsäuren die Darmperistaltik an und unterstützen so die Verdauungsleistung.
3. Darmassoziiertes Immunsystem
Neben der Nährstoffversorgung ist die Darmflora auch besonders wichtig zur Unterstützung der Immunabwehr des Wirtes. Schon die bloße Anwesenheit der Darmmikrobiota trägt über ständiges Training des darmassoziierten Immunsystems zur Instandhaltung einer immunologischen Abwehrbarriere gegen Fremdkeime bei. Außerdem werden Pathogene durch die Stimulation der Synthese von antimikrobiell wirksamen Peptiden wie β-Defensinen und Immunglobulinen (sIgA) aktiv verdrängt.
Dysbiosen im Darm
Bei bakteriellen Dysbalancen im Darm ist die Mikroflora nur noch unzureichend in der Lage, ihre schleimhautnutritiven und protektiven Aufgaben zu erfüllen. Eine Folge davon ist die Verringerung der Kolonisationsresistenz mit einer darauffolgenden Vermehrung obligat oder fakultativ pathogener Erreger wie Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten. Aufgrund der verminderten Barrierefunktion der Schleimhaut können bspw. Antigene, Endotoxine und zentralnervös wirksame Metabolite wie Histamine aus dem Darmlumen in den Körper übertreten und Pathomechanismen initiieren oder verstärken. Dazu zählen nicht nur gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhoe, Obstipation und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Auch das Auftreten von Krankheitsbildern des atopischen Formenkreises wie Futtermittelunverträglichkeiten, Hautekzeme und Fellprobleme wird durch eine immunologische Überstimulation begünstigt.
Diagnostik und Interpretation
Die erste Wahl bei der Diagnose von gastrointestinalen Beschwerden wie etwa rezidivierenden Durchfällen ist die mikrobiologisch-kulturelle Analyse des Kots. Diese erlaubt die schnelle und kostengünstige Identifizierung vieler enteropathogener Keime wie Salmonellen, Yersinien und Campylobacter sowie fakultativ pathogener Bakterien wie Klebsiellen oder hämolytischer E. coli. Als Ergänzung dazu ist in vielen Fällen die Bestimmung von Schleimhaut-, Entzündungs-, und Verdauungsmarkern wie fäkales Calprotectin, Alpha-1-Antitrypsin, Gallensäuren und canine Pankreas-Elastase sinnvoll (Abb. 2). In jedem Fall sollten auch Parasitosen durch eine mikroskopische oder immunologische Untersuchung des Kots auf Endoparasiten ausgeschlossen werden.
Sind diese Untersuchungen ohne besonderen Befund, kann eine molekularbiologisch basierte Analyse der Kotflora die Differenzialdiagnose unterstützen. Eine große Zahl anaerober Bakterien mit antiinflammatorischen, schleimhautprotektiven und -nutritiven Eigenschaften (bspw. Faecalibacterium prausnitzii) lässt sich nur schwer oder überhaupt nicht kulturell anzüchten. Konventionelle mikrobiologische Untersuchungen erfassen somit nur einen sehr geringen Teil der Darmmikrobiota (< 1%). Demzufolge sind Aussagen, die mithilfe solcher Analysen hinsichtlich der metabolischen Versorgung der Schleimhautzellen und des aktuellen Barrierestatus getroffen werden können, eher unzureichend.
Durch molekularbiologische Verfahren basierend auf der Analyse der 16S-rRNA-Gene können Bakterien unabhängig von ihren Kultivierungsbedingungen identifiziert und quantifiziert werden. In kürzlich publizierten Studien bei Hunden mit akuten und chronischen Enteropathien wurden diverse, hauptsächlich obligat anaerobe Bakteriengruppen identifiziert, deren Keimzahlen sich signifikant von denen einer gesunden Kontrollgruppe unterschieden. Diese Unterschiede qualifizieren solche Keime besonders gut als Biomarker für eine Untersuchung auf Darmdysbiosen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen konnte ein Realtime-PCR basiertes Nachweisverfahren etabliert werden, das gut zur Aufklärung von Darmdysbakterien geeignet ist. Untersucht und quantifiziert werden hierbei die folgenden Bakterienspezies: Escherichia coli, Faecalibacterium prausnitzii, Fusobacteria spp., Blautia spp., Turicibacter spp., Clostridium hiranonis sowie die Gesamtkeimzahl aller sich im Darm befindlichen Bakterien (Abb. 2).
Indikationen für eine Dysbiose-Analyse
In welchen Fällen ist eine Darmdysbiose-Untersuchung sinnvoll? Eigene Studien mit Tieren, bei denen im Vorfeld ausgeschlossen wurde, dass Infektionen mit enteropathogenen Bakterien, Viren oder Endoparasiten vorlagen, zeigten:
1. Verdauungsstörungen mit exkretorischer Pankreasinsuffizienz
Hier sehen wir bei Tieren mit erniedrigten Pankreas-Elastase-Werten in 38% aller Fälle Durchfall. Das Bild der Darmflora entspricht dem einer Dysbiose mit signifikant reduzierten Keimzahlen von schleimhautprotektiven und antiinflammatorisch wirksamen Bakterien wie Faecalibacterium prausnitzii (bis zu 10-fach verringert). Im Gegensatz dazu ist die Zahl an Keimen mit proinflammatorischem Potential wie proteolytische E. coli deutlich erhöht (Abb. 2).
Die Ursachen hierfür sind vielfältig und aufgrund der komplexen Zusammenhänge immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung. Einen Selektionsfaktor für die Mikrobiotazusammensetzung stellt vermutlich die veränderte metabolische Situation dar, zu der die mangelnde Verdauungsleistung in Kombination mit einer pathologisch beschleunigten Darmpassage führt. Ein vermehrter Gehalt von leichtverdaulichen Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten in Dünndarm- und Kolonbereich begünstigt das Wachstum von Gärungskeimen und Bakterien mit proinflammatorischen Eigenschaften.
2. Entzündliche Prozesse mit erhöhter fäkaler Calprotectin-Konzentration
In 19% der Fälle mit erhöhtem fäkalem Calprotectin sehen wir Veränderungen der Kotkonsistenz. Die Analyse der Mikroflora auf die vorab ausgewählten Markerkeime ergab signifikante Veränderungen gegenüber dem Kollektiv an gesunden Hunden. Die Veränderungen ähnelten denen bei exkretorischer Pankreasinsuffizienz, eine Differenzierung der Genese ist bei Betrachtung der limitierten Zahl an untersuchten Proben derzeit nicht möglich und scheint auch bei künftiger Betrachtung einer größeren Tierzahl unwahrscheinlich.
Auslöser hierfür kann in diesen Fällen unter anderem eine vermehrte Sezernierung von Entzündungseiweißen in das Darmlumen hinein sein. So kann auch ohne Verdauungsstörungen oder externe Proteinquellen wie stark eiweißhaltigen Futtermitteln eine Verschiebung des bakteriellen Gleichgewichts in eine Darmdysbakterie mit proteolytischer Überbesiedlung auftreten (Abb. 3 und 4).
Therapie bei Darmdysbiosen
Welche therapeutischen Möglichkeiten sind bei einer nachgewiesenen Darmdysbiose sinnvoll? Nach einer ersten symptomatischen Therapie mit antiinflammatorischen und schleimhautunterstützenden Substanzen wie Huminsäuren, Zeolith oder Heilerde bietet sich der Einsatz von mikrobiologischen Therapeutika an. Zwar ist eine direkte Supplementierung der anaeroben Keimflora wie Faecalibacterium prausnitzii, Blautia oder Turicibacter noch nicht möglich, allerdings muss aufgrund der vielschichtigen Interaktionen im Mikrobiom auch nicht zwingend eine einzelne Bakteriengruppe angesprochen werden. Jeder Eingriff in das Darmmikrobiom, sei es über Futtermittelumstellung, präbiotische Futtermittelergänzung oder Probiotika, beeinflusst alle Individuen des Bakterienkollektivs direkt oder indirekt. So kann der Einsatz von mikrobiologischen Präparaten die klinischen Beschwerden deutlich verbessern und dem Auftreten von Rezidiven vorbeugen. Daher ist zur Verbesserung der immunologischen und Schleimhautbarriere eine orale autologe Immuntherapie mit Autovakzinen ebenfalls ein besonders gut geeigneter therapeutischer Ansatz bei einer bakteriellen Fehlbesiedlung.
Zusammenfassung
Trotz der zum großen Teil noch ungeklärten kausalen Zusammenhänge stellt eine Untersuchung der mikrobiellen Zusammensetzung der Kotflora beim Hund einen geeigneten Summenparameter dar, der die Gesamtheit aller Einflussfaktoren auf den Darm widerspiegelt. Mit der im neuen Dysbioseprofil enthaltenen molekularbiologischen Analyse können mittels moderner kulturunabhängiger Verfahren anaerobe und aerobe Schlüsselkeime der Darmmikrobiota quantifiziert und so Darmdysbakterien schnell und einfach nachgewiesen werden. Indikationen für eine Dysbioseanalyse sind gastrointestinale Erkrankungen mit unklarer Genese (chronische Durchfälle, Flatulenzen, Obstipation etc.), Störungen des Immunsystems (Futtermittelallergien, atopische Dermatitiden, Fellprobleme) und Immunabwehrschwächen.
Als nicht-invasives Verfahren ist das Dysbiose-Profil auch besonders gut für die Verlaufskontrolle von antiinflammatorischen Therapien bei akuten und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sowie zur Beurteilung von Beeinträchtigungen des intestinalen Ökosystems nach Antibiotikatherapie geeignet. Mit der zusätzlich im Dysbioseprofil enthaltenen Bestimmung von Schleimhaut- und Entzündungsmarkern wie Calprotectin und Alpha-1-Antitrypsin, einer mykologischen Untersuchung sowie dem mikroskopischen Nachweis von Parasiten können so einfach und schnell eine große Zahl an Schleimhaut-Noxen gleichzeitig erfasst und Barrierestörungen erkannt werden.