Als Ichthyose (griechisch für „Fisch“ bzw. „Fischschuppe“) wird eine Störung der Keratinisierung und Verhornung der Haut bezeichnet. Dabei wird der ständige Prozess der Hauterneuerung soweit gestört, dass sich die oberste Hautschicht verdickt und sich mitunter große Hautschuppen bilden. Dies kann zu sehr trockener Haut führen, welche im schlimmsten Fall durch Hautrisse anfällig für Infektionen ist. Die Symptomatik tritt in den meisten Fällen genetisch bedingt auf und ist bei verschiedenen Hunderassen, darunter Golden Retriever und American Bulldog, bekannt.
Der Krankheitsverlauf kann jedoch sehr variabel sein. Bei Golden Retrievern sind sowohl Fälle von Verhornungsstörungen im Welpenalter beschrieben (sogenannter „Milchschorf“), wobei die betroffenen Hunde später im Leben keinerlei Probleme mehr hatten, als auch Fälle von Ichthyose, die erst bei adulten Hunden auftraten. Gemeinsam hatten die betroffenen Golden Retriever alle die beschriebene Genveränderung im PNPLA1-Gen.
Aus den über 4000 Ergebnissen der in den letzten Jahren bei Laboklin getesteten Tiere lässt sich eine hohe Allelfrequenz von über 45% ableiten. Dabei wurden bei den getesteten Golden Retrievern 31% mit dem Genotyp N/N (frei), 47% mit dem Genotyp N/Ict (Träger) und 22% mit dem Genotyp Ict/Ict (betroffen) befundet. Seit Einführung des genetischen Tests im Jahr 2012 sind die prozentualen Zahlen an betroffenen Tierengesunken, während gleichzeitig die frei getesteten Tiere zunahmen. Dabei blieb die Population der Träger relativ stabil. Dies ist ein typischer Verlauf, der sich immer dann einstellt, wenn ein genetisches Merkmal züchterisch beachtet wird. Die stetige langsame Veränderung zeigt gleichzeitig, dass auch populationsgenetische Aspekte Beachtung finden. Eine altersabhängige Verteilung der Genotypen wie sie im Fall von degenerativer Myelopathie (DM) deutlich zu erkennen ist, ist für die Ichthyose nicht feststellbar. Eine geringere Zahl von betroffenen und Trägertieren im Welpenalter ist jedoch ein weiterer Hinweis darauf, dass in der Zucht darauf geachtet wird, das Merkmal nicht weiter zu verbreiten.
Aufgrund der momentan zu findenden, vergleichsweise hohen Verbreitung des Gendefektes in der Population und dem geringen Kenntnisstand über erkrankte Tiere, hat Laboklin 2018 eine Studie durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden Besitzer und Züchter von genetisch reinerbig betroffenen Tieren sowie deren Tierärzte zu den möglichen Symptomen, dem Auftreten und den Behandlungsmöglichkeiten einer Ichthyose befragt.
Von über 1000 Befragten erhielt Laboklinüber 100 detaillierte Antworten von Besitzern und Tierärzten betroffener Tieresowie einige Antworten zur Gegenprobe aus den Populationen der Freien und Träger.
Zunächst sollte die Korrelation zwischen Genotyp, also der genetischen Grundausstattung, und Phänotyp, also dem Auftreten der Symptome einer Ichthyose, überprüft werden. Von den ca. 100 Tierendes Genotyps Ict/Ict wurden bei 53% Symptome erkannt. Damit waren zum Zeitpunkt der Studie von knapp der Hälfte der genetisch betroffenen Tiere keine Symptome bekannt. Bei den beobachteten Symptomen wurde bei 42% eine Schuppenbildung im Welpenalter (Milchschorf) und bei 33% Schuppenbildung beim adulten Hund sowie 25% mit beiden Varianten erfasst. Man kann also davon ausgehen, dass bei vielen Tieren, bei denen lediglich Milchschorf auftritt, eine Ichthyose nach der Übergabe des Welpen an den späteren Besitzer nicht mehr erkannt wird, was auch die hohe Zahl „symptomfreier“ genetisch betroffener Tiere erklären könnte.
Da die Schwere der Erkrankung sehr stark variieren kann, wurden die Symptome genauer untersucht. Während 41% der Befragten die Symptome als „leicht“ einstuften, klassifizierten 19% die Symptome bei ihrem Tier als „mittel schwer“ und 16% sogar als „schwer“. Die ersten Symptome der Erkrankung wurden dabei bei nahezu allen Hunden bereits im ersten Lebensjahr erkannt. Eine jahreszeitlich bedingte Veränderung in der Ausprägung der Symptome war nicht zu erkennen. Juckreiz ist als Symptom der Ichthyose beschrieben und trat bei 16% der Betroffenen auf. Die Schwere des Juckreizes wurde dabei von den Befragten auf einer Skala von 1 bis 10 mit ungefähr gleichmäßiger Verteilung von 1 bis 7 eingestuft.
Da Ichthyose oft als „rein kosmetisches“ Problem bezeichnet wird, wurden die Besitzer gefragt, ob dem wirklich so ist oder ob auch eine Beeinträchtigung für den Hund im Alltag vorlag. Während 19% die Symptome als störend für den Besitzer und 5% als störend für den Hund einordneten, klassifizierten 24% die Symptome als rein kosmetisch. Nur 2% empfanden die Symptome einer Ichthyose als Beeinträchtigung im Alltag für ihr Tier. Hier ergibt sich eine klare Abweichung zwischen den 57% der Befragten, welche die Ichthyose nicht als „rein kosmetisches“ Problem einordneten und den gleichzeitig 70%, die davon ausgingen, dass die Symptome den Hund nicht stören, bzw. den knapp 80% welche angaben, dass keine Beeinträchtigung für den Hund im Alltag besteht. Dies lässt sich wohl erklären, wenn man in Betracht zieht, dass eine genetisch bedingte Erkrankung meist von vorneherein als gravierendes Problem wahrgenommen wird und ein großer Teil der Besitzer die Symptome als störend empfindet.
Da genetisch bedingte Erkrankungen nicht direkt geheilt werden können und es sich bei Schuppenbildung um ein Symptom handelt, welches relativ leicht von außen behandelt werden kann, bezogen sich die nächsten Fragen auf die Therapiemöglichkeiten. Leider wurde nur bei 4% der betroffenen Tiere mit Symptomen eine weiterführende Diagnostik durchgeführt. Die wenigen verfügbaren Daten ergaben sich aus Hautbiopsien, welche die Ichthyose bestätigten. Insgesamt wurde bei 12% der betroffenen Hunde eine Therapie durchgeführt. Diese bestand entweder aus einer Anwendung von speziellen Shampoos oder Spot ons oder einer Umstellung der Fütterung.
Da aus Gesprächen im Vorfeld der Befragung bekannt war, dass Symptome mit speziellem Futter korrelieren sollen, wurden auch zu diesem Punkt Daten erhoben. Überraschenderweise gaben lediglich 4% der Halter an, dass ein spezielles Futter für das betroffene Tier verwendet wird. Zusätzliche Gabe von essentiellen Fettsäuren, welche zur Verbesserung des Fells beitragen sollen, erfolgte in 38% der Fälle. Als weitere Nahrungsergänzungsstoffe wurden Öle, Bierhefe, Kräuter, Biotin, Algen, Zink, Fettsäuren und viele weitere genannt. Ein direkter Zusammenhang zwischen Futter und Symptomen einer Ichthyose lässt sich daraus aber bisher nicht ableiten.
Detaillierte Fallberichte in mehreren Fällen weisen darauf hin, dass Stress ein entscheidender Faktor für das Auftreten einer Ichthyose sein könnte. In diesen Fällen waren vor allem der Ortswechsel bei Abgabe eines jungen Hundes sowie allgemeine schlechte Haltungsbedingungen die maßgeblichen Stressoren, welche erst eine Verschlechterung der Symptome und nach Korrektur durch den Züchter zu einer deutlichen Verbesserung führten. Auch Hormone (Läufigkeit und/oder Trächtigkeit bei Hündinnen) wurden als mögliche Beeinflussung des Gesundheitsbildes genannt, auch hier spielt vermutlich der erhöhte Stress eine entscheidende Rolle. Ein Futterwechsel scheint in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Stressfaktor zu sein, so dass die direkte Auswirkung des Futters gegen die Belastung durch eine Futterumstellung abgewogen werden sollte.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der verfügbare Gentest auf Ichthyose durch eine gute Korrelation zu den Symptomen als ein nützliches Tool zur diagnostischen Einschätzung und für züchterische Maßnahmen fungieren kann. Die weiterführende Diagnostik kann in diesem Bereichsicherlich noch verbessert werden. Bei der Behandlung der Symptome zeigt sich kein klares Bild. Sicher ist jedoch, dass eine angepasste Fellpflege dem Hund direkte Erleichterung verschaffen kann und eine möglichst optimale Haltung zu einer Abschwächung der Symptome beitragen kann. Eine grundlegende Umstellung der Haltung kann durch Verringerung von Stress eventuell ebenfalls zur Verbesserung der Gesundheit des Tieres beitragen. Weiterführende Studien in diesem Bereich sollten ein Hauptaugenmerk auf den Zusammenhang zwischen Stress und den Symptomen einer Ichthyose legen.
Grundsätzlich sollte – wo es möglich ist – durch gezielte Anpaarung unter Kenntnis der Genetik vermieden werden, dass betroffene Welpen entstehen. Deshalb sollten Merkmalsträger und genetisch betroffene Golden Retriever ausschließlich mit reinerbig frei getesteten Hunden verpaart werden. Ein genereller Zuchtausschluss von Merkmalsträgern verbietet sich hingegen aus Gründen der Populationsgenetik.
LABOKLIN Aktuell | 03 / 2019