Schildkröten sind sehr beliebte Haustiere, die bei guter Haltung viele Jahrzehnte leben und sogar über Generationen in Familien gehalten werden können. Aus diesem Grund entsteht oft eine enge Bindung zwischen Halter und Tier. In Menschenhand werden sowohl Land- als auch Wasserschildkröten gehalten. Das Hauptaugenmerk sollte bei Schildkröten auf eine adäquate Haltung, eine ausgewogene, abwechslungsreiche Fütterung und das Haltungsmanagement gelegt werden um diese dauerhaft gesund zu erhalten. Oberste Priorität liegt dabei auf der Prävention von Erkrankungen. Die häufigsten in Deutschland gehaltenen Landschildkröten sind die mediterranen Arten die griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) (Abb. 1), die maurische Landschildkröte (Testudo graeca), die Breitrandschildkröte (Testudo marginata) sowie die asiatische Vierzehenschildkröte (Testudo horsfieldii). Daneben wird eine große Anzahl exotischer Arten gehalten, die aber z.T. erheblich höhere Ansprüche an der Haltung stellen als die europäischen Arten.
Die wahrscheinlich am häufigsten als Heimtier gehaltene Wasserschildkrötenart ist die aus Nordamerika stammende Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) (Abb. 2), die inzwischen auch verwildert sehr weit verbreitet vorkommt und die klimatische Bedingungen in Deutschland sehr gut verträgt. Aber auch europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) werden gerne gehalten und können im Freiland gehalten werden. Daneben findet eine große Anzahl andere Wasserschildkröten aus verschiedenen Teilen der Welt das Interesse der Terrarianer.
Haltung und Ernährung von Schildkröten:
Vor allem für mediterrane Landschildkröten gilt, dass für die artgerechte Haltung eine dauerhafte Innen- bzw. Terrarienhaltung nicht geeignet ist. Diese Tiere sollten in einer Freianlage im Garten gehalten werden. Da es jedoch unter den hier zu Lande herrschenden Bedingungen für die Schildkröten meistens zu kalt und zu niederschlagsreich ist, sowie die Sonnenscheindauer zu gering ist, werden technische Hilfsmittel benötigt, um trockene Bereiche mit erhöhten Temperaturen zu schaffen. Hier ist vor allem ein Frühbeetkasten mit Wärmelampe zu nennen. Für die Ernährung, die einen sehr wichtigen Faktor bei der Gesunderhaltung von Landschildkröten darstellt gilt, dass den Tieren ein vergleichbares Futterspektrum wie in der Natur aus verschiedenen Wiesenkräutern, Blütenpflanzen, Blättern, Samen und Wurzeln angeboten werden sollte. Die Art des Futters sollte den natürlichen Bedingungen angepasst werden – im Frühjahr mehr frische Jungpflanzen mit Blütenständen, im Sommer getrocknetes Wiesenheu und im Herbst frisches Grünfutter. Die dauernde Salatfütterung ist für diese Tiere völlig unzureichend.
Für die Haltung von Wasserschildkröten ist vor der Anschaffung der Tiere und der Einrichtung des Aquaterrariums anzuraten sich anhand der reichlich zur Verfügung stehenden Fachliteratur detailliert über die Bedürfnisse der entsprechenden Art zu belesen. Viele Arten, wie die genannten Rotwangen-Schmuckschildkröte und europäische Sumpfschildkröte können im Freiland gehalten werden, wenn ein entsprechender Teich zur Verfügung steht. Falls es sich bei der gepflegten Art um Nahrungsspezialisten handelt, sollte auch die Möglichkeit zur Futterbeschaffung im Vorfeld geklärt werden. Wichtig ist auch für diese Tiere ein breitgefächertes Futterangebot und eine Haltung in gut strukturierten Aquaterrarien mit Landanteil.
Häufige bei Schildkröten vorkommende Krankheiten:
Anorexie und Lethargie:
Jede akute oder chronische Erkrankung kann theoretisch zu einer Anorexie und Lethargie führen. Eine Abnahme der Aktivität ist im Herbst vor der Winterruhe bei vielen Arten normal, bei manchen wird auch in der heißen Jahreszeit eine Ruhepause (Aestivation) eingelegt (z.B. bei Vierzehenschildkröten). Gewichtsverluste von bis zu 10-15% sind während der Winterruhe normal. Nach der Winterruhe kann es zu einer Anorexie kommen, die mit einer Dehydrierung und einer Azotämie zusammenhängen kann. Auch eine zu lange Winterruhe und eine während der Winterruhe zu stark gefüllter Darmkanal können hierzu beitragen. Andere Faktoren, welche die Aktivität und Futteraufnahme beeinflussen, sind die artgerechte Fütterung, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Da Schildkröten ihr Futter v.a. mit ihren Augen finden, können Schädigungen des Sehorgans, z.B. Frostschäden nach dem Winter aber auch andere Augen- oder ZNS Störungen, zu einer verringerten Futteraufnahme führen. Physiologischerweise findet während der Paarungszeit und vor der Eiablage eine reduzierte oder keine Nahrungsaufnahme statt.
Stomatitis, Nasenausfluss, Atembeschwerden:
Stomatitis und Nasenausfluss (Abb. 3) kommen v.a. bei Landschildkröten immer wieder vor. Es gibt einige Infektionserreger, die spezifisch mit diesen Symptomen assoziiert sind. Weitere Faktoren inklusive Haltungsbedingungen, bakteriellen- und Pilzinfektionen, Virusinfektionen und Stoffwechselstörungen können den Verlauf einer Erkrankung jedoch stark beeinflussen. Eine der häufigsten Ursachen einer Rhinitis bei Landschildkröten ist eine Mykoplasmeninfektion. Bei tropischen Landschildkröten können auch intranukleäre Kokzidien (auch TINC genannt) eine Rolle spielen. Auch Picornaviren (manchmal auch Virus „X“ bezeichnet) sind bei Landschildkröten häufig mit Nasenausfluss assoziiert. Bei Stomatiden sind Herpesviren eine der häufigsten Ursachen, aber auch Ranaviren können Läsionen in der Mundhöhle sowohl bei Land- als auch bei Wasserschildkröten verursachen. Mykoplasmen, TINC, Picornaviren, Herpesviren und Ranaviren können jeweils mittels PCR (molekulare Nachweis eines Teils des Genoms des Erregers) nachgewiesen werden. Bei Mykoplasmen und TINC sind Nasenspülproben für die Untersuchung am besten geeignet, während es bei Herpes-, Rana- und Picornaviren Rachentupfer sind.
Abnormale Flotation/Schwimmbewegungen
Probleme beim Schwimmen oder eine abnormale Körperhaltung im Wasser bei Wasserschildkröten können mit einer Atemwegsinfektion zusammenhängen, aber auch Magen-Darm Probleme können die Ursache sein. Diese können eine Gasansammlung im Darm verursachen und so zu Veränderungen beim Schwimmen führen. Freie Luft in der Bauchhöhle, eine Legenot oder auch Läsionen in der Bauchhöhle selber können ebenfalls ursächlich beteiligt sein. Neben einer klinischen Untersuchung und Röntgenaufnahmen können Veränderungen im Blutbild Hinweise auf die Ursache geben.
Veränderungen und Verletzungen des Panzers
Für Veränderungen des Panzers und der Haut können verschiedenste Ursachen in Frage kommen, die sich klinisch unterschiedlich darstellen. Neben traumatischen Veränderungen können Stoffwechselstörungen sowie Fütterungs- und Haltungsfehler ursächlich beteiligt sein. Insbesondere Hypo- oder Hypervitaminosen A führen zu Hautproblemen, während zu geringe Kalziumzufuhr oder ein unausgeglichenes Kalzium/Phosphor Verhältnis zu Panzer- bzw. Knochenveränderungen führen. Die sogenannten metabolischen Knochenerkrankungen, eine klinische Bezeichnung für verschiedene Knochenveränderungen mit heterogenen Pathomechanismen, hängen mit einem unausgeglichenen Kalziumhaushalt zusammen und sind eine häufige Ursache für Panzerdeformationen. Sowohl übermäßige Hitze als auch Frost können zu Panzerläsionen führen. Bakterielle und mykotische Infektionen können bei Läsionen mit beteiligt sein. Eine mikrobiologische Untersuchung von Tupfern mit Antibiogram oder Biopsien der Veränderungen ist bei der Therapie hilfreich. Picornavirusinfektionen werden bei junge Landschildkröten mit plötzlichem Erweichen des Panzers assoziiert und können durch PCR Untersuchung von Rachentupfer abgeklärt werden.
Legenot
Gründe für Probleme bei der Eiablage können sehr vielfältig sein und sind zumeist haltungsbedingt. Der Bereitstellung eines adäquaten Eiablageplatzes sowie Ruhe vor Artgenossen und Optimierung von Temperatur, Licht, und Luftfeuchtigkeit sowie eine ausreichende Kalziumversorgung spielen dabei eine wichtige Rolle. Systemische Erkrankungen, abnorm entwickelte Eier, Infektionen des Geschlechtstraktes und mechanische Obstruktionen stellen ebenfalls häufige Ursachen einer Legenot dar. Diagnostisch kommt in diesen Fällen neben der ausführlichen klinischen Untersuchung, der Radiologie und auch der blutchemischen Untersuchung eine große Bedeutung zu.
Kloakenvorfälle
Neben eigentlichen Kloakenvorfällen gibt es verschiedene Gewebestrukturen, die bei Schildkröten aus der Kloake vorfallen können. Bei männlichen Schildkröten kann der Penis physiologischer Weise vorgelagert werden, sollte aber auch wieder selbstständig zurückgezogen werden können. Ist dies nicht möglich, liegt ein Penisprolaps vor. Andere Gewebe, die vorfallen können sind Teile des Darms, die Blase und bei weiblichen Tieren Teile des Legedarms. Eintrocknung des Gewebes, Infektionen oder Bisswunden treten als Komplikationen auf. Es gibt viele verschiedene Ursachen für derartige Vorfälle. Dazu zählen Stoffwechselstörungen, insbesondere Hypokalzämie, aber auch raum fordernde Prozesse in der Coelomhöhle sowie Gründe die zu einem Pressen führen, z.B. Atemnot, Obstipationen, Legenot, Blasen steine oder starker Endoparasitenbefall. Zur Abklärung sollten bei betroffenen Tieren eine ausführliche Anamnese und klinische Untersuchung mit parasitologischer Kotuntersuchung, bildgebende Verfahren sowie eine Blutuntersuchung durchgeführt werden.
Schwellungen/ Ödeme/ Umfangsvermehrungen
Generalisierte Unterhautödeme (Anasarka) können bei Schildkröten mit Störungen der Blase (z.B. Ruptur), infektiösen oder degenerativen Leber- oder Nierenerkrankungen, Darminfektionen, Herzinsuffizienz oder systemischen Infektionen zusammenhängen. Lokale oder generalisierte Umfangsvermehrungen oder Schwellungen können durch chronische Entzündungen (Abszesse, Granulome), Stoffwechselstörungen (z.B. Gelenkgicht (Abb. X) und in seltenen Fällen auch durch Neoplasien hervorgerufen werden. Eine Hypovitaminose A kommt v.a. bei Wasserschildkröten vor und ist häufig mit einer squamösen Metaplasie mit Schwellung und Abszessbildung am Ohr assoziiert. Herpesvirusinfektionen gehen nicht selten mit Ödemen des Halses einher. Zur Diagnose der Ursache einer solchen Veränderung können, neben Anamnese, klinischer Unter suchung und bildgebenden Verfahren, auch blutchemische und hämatologische, parasitologische, zytologische und bakteriologische Untersuchungen beitragen. Bei definierten Umfangsvermehrungen können Biopsien hilfreich sein. Mykobakterien werden v.a. durch die Untersuchung von Bioptaten in Granulomen nachgewiesen. Herpesvirusinfektionen lassen sich durch PCR Untersuchung von Rachentupfer abklären.
Verformungen des Schnabels
Verformungen des Schnabels und der Nägel, insbesondere übermäßiges Wachstum, wird regelmäßig bei Landschildkröten beobachtet und kann mit einer ernährungsbedingten Osteo- oder Onychodystrophie, einem zu hohen Futterproteingehalt, zu schnellem Wachstum bei juvenilen Schildkröten und mangelhafter Rohfaserversorgung zusammenhängen. Aus diesem Grund ist zur Abschätzung des Stoffwechselzustandes betroffener Tiere insbesondere eine genaue Beurteilung der Haltungsbedingungen und evtl. eine Blutuntersuchung von Bedeutung.
Blasensteine
Blasensteine können durch Dehydrierung, sowie ernährungsbedingt, z.B. durch eine Hypovitaminose A und D, oder durch zu proteinreiches Futter und die Aufnahme von größeren Mengen an Oxalaten entstehen. Bakterielle Infektionen können ebenfalls zur Bildung von Blasensteinen beitragen. Eier können retrograd in die Blase gelangen und dort sekundär mineralisieren. Die Diagnosestellung erfolgt meist radiologisch. Eine Blutuntersuchung kann auf eine entzündungsbedingte Leukozytose hinweisen.
Durchfall
Da Schildkröten Kot und Harn zusammen aus der Kloake absetzen, kann wässriger Kot normal sein. Eine falsche, meist rohfaserarme (Salat) und zu flüssigkeitsreiche (Obst, Gemüse) Fütterung bei Landschildkröten kann aber zu der Entwicklung eines echten Durchfalls führen. Ein starker Endoparasitenbefall, Enteritiden, Septikämien und Haltung unter falschen Bedingungen (z.B. falsche Temperaturen, fehlende Möglichkeiten der Thermoregulierung etc.) können zur Entstehung beitragen. Auch Mykosen durch Hefen, oft in Folge von Verfütterung vo süßem Obst (Dysbiose), in Folge einer Antibiotika therapie oder anderer Grunderkrankungen sind bekannte Auslöser von Diarrhoe. Für die Diagnosestellung sind neben der klinischen Untersuchung eine Kotuntersuchung auf Parasiten sowie die mikrobiologische Untersuchung von Kloakentupfern und eine Blutuntersuchung von Bedeutung.
Verstopfung
Tiere die sehr inaktiv sind, oder bei falschen Temperaturen (insbesondere bei zu niedrigen Temperaturen) gehalten werden, können Obstipationen entwickeln. Auch ein Rohfaser- oder Mineralienmangel kann durch Allotriophagie zu einer Verlegung des Darms führen. Auch Fremdkörper und Invaginationen kommen vor und können v.a. radiologisch diagnostiziert werden. Systemische Grunderkrankungen (z.B. Stoffwechselstörungen) können die Ursache sein. Auch eine Lege-not kann zu einer sistierenden Kotabgabe führen. Traumen der Wirbelsäule oder Verformungen, z.B. durch Hypokalzämie, können ebenfalls zu Kotabsatzstörungen führen. Zur Diagnosestellung sind neben der Radiologie Blutuntersuchungen und parasitologische Kotuntersuchungen hilfreich.
Parasitenbefall
Bei Landschildkröten stellen Nematoden die wichtigsten Parasiten dar. Vor allem Oxyuren (Abb. 5) werden bei den meisten Landschildkröten gefunden. Askariden, die deutlich seltener auftreten, können zu starken Darmirritationen und in einigen Fällen zum Tod der Tiere führen. Trematoden sind bei mediterranen Landschildkröten kaum von Bedeutung, jedoch können diese beispielsweise bei Schmuckschildkröten letale Infektionen hervorrufen. Unter den Flagellaten kommt vor allem den Hexamiten eine bedeutende Rolle zu, da diese Enddarmbewohner aszendierende Harnwegsinfektionen mit resultierenden Nierenerkrankungen verursachen können.
Zur Bestimmung des Parasitenstatus sollten Land- und Wasserschildkröten regelmäßig ein bis zweimal pro Jahr parasitologisch untersucht werden.
08 / 2014