In Deutschland werden aktuell rund 1,6 Millionen Schafe und 170.000 Ziegen gehalten. Kleine Wiederkäuer werden wirtschaftlich für die Fleisch- und/oder Milcherzeugung gehalten, zum Woll- und Fellverkauf oder auf dem Gebiet der Landschaftspflege. Aber auch die Hobbyhaltung von Schafen und Ziegen erfreut sich immer größerer Beliebtheit.
Für den betreuenden bzw. behandelnden Tierarzt ergeben sich somit unterschiedliche Indikationen für Laboruntersuchungen:
- Prophylaktische Untersuchung gesunder Tiere im Rahmen des Herdenmanagements
- Abklärung von in einer Herde auftretenden Problemen, z.B. Fertilitätsstörungen, gehäufte Klauenproblematik, schlechte Wollqualität
- Untersuchung eines erkrankten Einzeltieres
- Kontrolle des Fütterungsmanagements
Im Folgenden sollen anhand von einigen allgemeinen klinischen Leitsymptomen Hilfen für die klinisch-chemische und hämatologische Befundinterpretation gegeben werden, die die vorausgegangene klinische Untersuchung unterstützen und die Auswahl geeigneter Parameter erleichtern sollen.
Leitsymptom Festliegen
Für das Festliegen von Schafen und Ziegen kommen differenzialdiagnostisch unterschiedliche Ursachen infrage, wie z.B. Mangelzustände bestimmter Mineralstoffe und Spurenelemente sowie Stoffwechselentgleisungen und Infektionskrankheiten. Hier gibt die labordiagnostische Untersuchung, in Verbindung mit einer guten Anamnese (z.B. Alter des Tieres, Trächtigkeitsstadium, Fütterungsqualität, Haltungsform), wichtige Hinweise zur Genese. Die häufigsten Ursachen sollen nachfolgend aufgeführt werden. Eine Hypokalzämie kommt aufgrund erhöhten Kalziumbedarfs bei Schafen zumeist präpartal in der Hochträchtigkeit vor, während Ziegen größtenteils postpartal betroffen sind. Abzugrenzen von einem reinen Kalziummangel ist die sogenannte Trächtigkeitstoxikose bzw. Laktationsketose. Diese tritt vorwiegend bei mehrlingstragenden älteren Tieren im letzten Gestationsmonat auf. Da das klinische Bild nicht pathognomonisch ist, erlaubt der Nachweis einer Hyperketonämie (β-Hydroxy-Buttersäure, β-HBS) über das Blut eine sichere Diagnose. Erkrankte Tiere weisen zudem regelmäßig erhöhte Aktivitäten der Glutamatdehydrogenase (GLDH) und Aspartataminotransferase (AST) sowie erhöhte Bilirubinkonzentrationen als Zeichen von Leberzellschädigungen auf. Einige Tiere zeigen zugleich auch verminderte Kalzium-, Magnesium- und Phosphorspiegel.
Erniedrigte Magnesiumkonzentrationen deuten auf das Vorliegen einer sogenannten Weidetetanie hin. Ursachen für Hypomagnesiämie sind zumeist ungenügende Magnesiumkonzentrationen in der Futterration oder mangelnde Absorptionsfähigkeit. Dieser Zustand tritt gehäuft bei reiner Weidehaltung ohne Kraftfutter- und Mineralfuttergaben auf. Betroffen sind insbesondere laktierende und ältere Tiere.
Auch Selenmangel, der oft in Verbindung mit einem Vitamin-E-Mangel auftritt, kann zum Festliegen eines Tieres führen. Deshalb sollte auch die Selenkonzentration regelmäßig überprüft werden. Kommt es bereits pränatal zu einer Unterversorgung, kann es zur Geburt lebensschwacher Lämmer und zu Totgeburten kommen. Oft zeigen Lämmer mit Selenmangel Schluckbeschwerden, eine aufgekrümmte Haltung und liegen mit steifen Gliedmaßen fest. Labordiagnostisch ist dieser akute Selenmangel oft vergesellschaftet mit einer Aktivitätserhöhung der Enzyme GLDH, Kreatinkinase (CK) und AST. Chronische Formen eines Selenmangels äußern sich in Wachstumsverzögerungen und vermehrter Infektionsanfälligkeit.
Die Erhöhung von CK- und Laktatdehydrogenase (LDH)-Aktivitäten zeigt Muskelzellschädigungen an, diese Werte sind bei bereits festliegenden Tieren so gut wie immer erhöht.
Differenzialdiagnostisch müssen infektiöse Erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen und Festliegen wie z.B. Listeriose, Border Disease, caprine Arthritis-Enzephalitis (CAE) abgeklärt werden.
Leitsymptom schlechtes Haarkleid, Hautveränderungen, Wollverluste
Neben der Untersuchung auf Ektoparasiten und chronische Allgemeinerkrankungen sollte dieser Symptomenkomplex zur labordiagnostischen Untersuchung auf Zink und Kupfer führen. Fortgeschrittener Zinkmangel kann zu einer Parakeratose führen. Ziegen benötigen im Vergleich zu Schafen eine fast doppelt so hohe Menge an Zink über das Futter, sodass es bei dieser Tierart leichter zu einem Mangel kommen kann, vor allem dann, wenn Ziegen mit einem Mineralfutter für Schafe gefüttert werden. Liegen keine klinischen Symptome vor, gestaltet sich die Interpretation der Zinkkonzentration im Blut in Bezug auf einen Zinkmangel schwieriger. Kurzfristig erniedrigte Konzentrationen können in Stresssituationen oder im Rahmen von Infektionen diagnostiziert werden.
Auch in Bezug auf die Kupferversorgung benötigen Ziegen eine deutlich höhere alimentäre Zufuhr als Schafe, sind dabei aber wesentlich weniger empfindlich für Überdosierungen. Klinisch äußert sich Kupfermangel in einem glanzlosen, teilweise ergrauten Vlies/Fell, Depigmentierung (Kupferbrille) sowie schlechter Wollqualität durch mangelnde Kräuselung der Wolle. Neben dem schlechten Haarkleid kann es u.a. zu Inappetenz, mangelnder Fruchtbarkeit, Aborten und Überköten der Hintergliedmaßen kommen. Bei Lämmern kommt es bei Kupfermangel zu zunehmenden ataktischen Störungen, unsicherem Gang, Einknicken der Hintergliedmaßen bei erhaltenem Sensorium. Differenzialdiagnostisch wären hier Selen-/Vitamin-E-Mangel, Vitamin-B1-Mangel (CCN) und insbesondere die zentralnervöse Form der CAE zu erwähnen.
Leitsymptom Abmagerung
Der Ernährungszustand ist gerade bei Schafen mit viel Wolle nicht immer einfach zu beurteilen. Die labordiagnostische Untersuchung kann hier wertvolle Hinweise auf bestehende Defizite bezüglich der Versorgungslage der Tiere geben. Dies gilt sowohl für erkrankte Einzeltiere als auch für die Herdendiagnostik. Abmagerung kann u.a. Folge verminderter Futteraufnahme (Stress, Allgemeinerkrankungen, Festliegen), schlechter Futterqualität mit ungenügender Energieversorgung oder eines endoparasitischen Geschehens sein. Bei einem Energiemangelzustand kommt es labordiagnostisch zu einer Abnahme der Cholesterin-, Gesamteiweiß- und Glucosespiegel (valide Glucosekonzentrationen können nur über die Einsendung von zeitnah abzentrifugiertem Serum oder aus NaF-Blut bestimmt werden). Erniedrigte Harnstoffwerte deuten auf ein Proteindefizit in der Nahrung oder auf eine eingeschränkte Leberfunktion hin. Erhöhte Harnstoffwerte kommen bei Proteinüberversorgung, aber auch Nierenschädigungen und Energieunterversorgungszuständen (die mikrobielle Proteinsyntheserate hängt stark von der Energieversorgung ab) vor. Auch die Bilirubinkonzentration steigt bei Inappetenz physiologisch geringfügig an. Bei mehrtägiger Nahrungskarenz ist bei kleinen Wiederkäuern, unabhängig von der Ursache, oftmals eine Hypokaliämie zu sehen. Dies muss bei Inappetenz über mehrere Tage berücksichtigt und der Kaliumspiegel durch orale Gaben ausgeglichen werden. Besteht ein Defizit in der Energieversorgung über einen längeren Zeitraum, sind in der Analyse erhöhte Konzentrationen von Ketonkörpern, vorrangig β-Hydroxybutyrat (β-HBS), zu finden. Diese sprechen im Allgemeinen für einen katabolen Zustand. Kommt es zur Besserung der Versorgungssituation, stellt sich eine rasche Stabilisierung ein.
Liegen im labordiagnostischen Befund verminderte Gesamteiweißspiegel, vorrangig verursacht durch eine Hypalbuminämie, sowie eine leichte Anämie vor, kann dies ein Hinweis auf ein endoparasitisches Geschehen sein. Hierbei kommt es zu Protein- und Blutverlusten über den Magen-Darm-Trakt. Im Differenzialblutbild ist oft eine Eosinophilie vorzufinden.
Infektionskrankheiten
Zur Abklärung, ob ein entzündliches oder infektiöses Geschehen besteht, sollten Gesamteiweiß, inklusive Albumin und Globuline, sowie ein großes Blutbild näher betrachtet werden. Es kann bei einer Entzündung/Infektion zu einer Erhöhung des Gesamteiweißspiegels kommen, bedingt durch einen Anstieg der Globuline. Zudem werden im Blutbild zumeist eine Leukozytose und eine leichte Anämie diagnostiziert. Zur weiteren Abklärung einer Infektion bzw. eines Entzündungsgeschehens ist bei Schaf und Ziege das Akute-Phase-Protein Haptoglobin sehr geeignet. Es reagiert mit deutlicher Konzentrationssteigerung infolge einer Entzündung und kann zudem zur Kontrolle eines Therapieerfolges hinzugezogen werden.
Leberdiagnostik
Erkrankungen der Leber können mit zahlreichen Leitsymptomen einhergehen. Dazu zählen die oben genannten Symptome Abmagerung, Wollausfall, Allgemeinstörungen, aber auch ZNS-Symptome und Ikterus. Veränderungen der leberspezifischen Parameter können differenzialdiagnostisch vielfältige Ursachen haben. Dazu zählen parasitäre und bakterielle Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, endogene und exogene Toxikosen.
Als die häufigsten und bei Schafen bedeutendsten Lebererkrankungen sind die Fasciolose sowie die chronische Kupfervergiftung zu nennen.
Bei der Fasciolose kommt es durch Obstruktionen der Gallengänge vorrangig zu einer Erhöhung der Aktivität der γ- Glutamyl-Transferase (γ-GT). Zur weiterführenden Diagnostik empfiehlt sich eine parasitologische Untersuchung mittels Sedimentationsverfahren oder ein serologischer Test.
Eine Aktivitätssteigerung der GLDH kommt bei allen degenerativen Leberzellschädigungen vor und ist u.a. bei der chronischen Kupfervergiftung und bei Vitamin-E-/Selenmangel (Weißleberkrankheit) zu beobachten.
Selbstverständlich gibt es zwischen allen hier aufgeführten Leitsymptomen fließende Übergänge, und alle Parameter müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.
Dazu bieten wir Ihnen ein umfangreiches Profil Wiederkäuer-Screening an, welches alle relevanten labordiagnostischen Parameter zur weiteren Abklärung Ihrer klinischen Untersuchung umfasst.
Die unten aufgeführte Tabelle soll zusammenfassend einen Überblick wichtiger Parameter in Bezug auf entsprechende Leitsymptome geben.
Tabelle 1: Zuordnung klinischer Leitsymptome mit dazugehörigen relevanten labordiagnostischen Parametern
Leitsymptom | Parameter |
Festliegen | Ca, Mg, P, Se, β-HBS, CK, LDH, AST |
schlechtes Haarkleid | Zn, Cu, Se, (Co) |
Abmagerung | Cholesterin, Harnstoff, Bilirubin, Glucose, β-HBS, K, Gesamteiweiß, Blutbild |
Entzündung/Infektion | Gesamteiweiß, Globuline, Albumin, Blutbild, Fe, Haptoglobin |
Leber | AST, AP, GLDH, γ-GT, Bilirubin, Se, Albumin |
Sonja Erhardt