Die Lebenserwartung unserer Haustiere ist in den letzten Jahren aufgrund verschiedener Faktoren gestiegen: Bessere Ernährung, Fortschritte in Diagnostik und Therapie vieler Erkrankungen sowie Vorsorgeuntersuchungen haben maßgeblich dazu beigetragen. Mit der höheren Lebenserwartung verlängert sich auch die Phase des Älterwerdens, altersbedingte Erkrankungen kommen häufiger vor.
Der alternde Patient gewinnt damit in der Tierarztpraxis zunehmend an Bedeutung. Laut einer Umfrage sind bereits 30% aller Hundepatienten Senioren.
Der Tierhalter möchte seinen Gefährten lange und vor allem gesund bei sich haben. Die Erwartungen an den Tierarzt steigen. Durch gezielte Vorsorgemaßnahmen können Krankheiten frühzeitig erkannt und ggf. therapiert werden.
Ab wann ist ein Tier ein Senior oder gar geriatrisch?
Individuelle Besonderheiten wie z.B. Rasse, Körpergewicht, Haltungsbedingungen und Ernährung beeinflussen den Alterungsprozess. Katzen werden später zum Senior als Hunde, große Hunde altern schneller als kleine. Es ergeben sich Grauzonen, in denen die Tiere noch zu den Senioren oder schon zu den geriatrischen Patienten gezählt werden können. Allgemein lässt sich sagen: Haben Tiere die letzten 25% ihrer zu erwartenden Lebensspanne erreicht, gelten sie als geriatrisch.
Alt, aber gesund! Was gehört in den „Alterscheck“?
Im Alter nehmen viele Organfunktionen ab. Der Organismus wird, besonders durch die verminderte Leistung des Immunsystems, anfälliger für Infektionen und Tumorerkrankungen.
Das Ziel der Untersuchung sollte die Früherkennung subklinisch verlaufender oder beginnender Organdysfunktionen sein. So können rechtzeitig präventive und therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden, um eine längere symptomfreie Lebenszeit bei guter Lebensqualität zu gewährleisten. Besonders beim alternden Patienten ist es wichtig, den gesamten Patienten zu betrachten, da altersbedingte Veränderungen selten isoliert auftreten und eine Multimorbidität typisch ist.
Senioren sollten mindestens 1x jährlich, geriatrische Patienten halbjährlich vorgestellt werden.
Neben der Gewichtskontrolle und der klinischen Allgemeinuntersuchung sollten eine Blutdruckmessung sowie eine Blut– und Harnuntersuchung erfolgen. Eine Augenuntersuchung ist bei Hunden und Katzen sinnvoll. Bei Hunden sollte zusätzlich eine rektale Untersuchung durchgeführt, bei Katzen die Schilddrüse palpiert werden. Weiterführende Untersuchungen (Röntgen, Ultraschall, Herzultraschall) sind je nach erhobenen Befunden empfehlenswert.
Laboruntersuchungen – welche Parameter sind sinnvoll?
Blutbild
Die Erstellung eines Blutbildes ist ein wichtiger Bestandteil jeder Laboruntersuchung.
Es liefert zwar selten eine spezifische Diagnose, aber erste Hinweise für Erkrankungen vieler Organsysteme. Ist der Patient anämisch? Gibt es Anzeichen für ein Entzündungsgeschehen?
Auch für Verlaufsuntersuchungen kann das Blutbild gut genutzt werden.
Blutchemie und Elektrolyte
Mit der blutchemischen Untersuchung können viele Organsysteme beurteilt werden. Leber, Nieren, Pankreas und – zu einem gewissen Teil – da endokrine System können anhand der Kombination mehrerer Werte evaluiert werden. Die Bestimmung der Elektrolyte rundet die Untersuchung ab. Elektrolytverschiebungen können die Folgen vieler Erkrankung widerspiegeln.
Als Frühmarker für eine eingeschränkte Nierenfunktion eignet sich das SDMA (symmetrisches Dimethylarginin) gut. SDMA ist im Gegensatz zum Kreatinin nicht abhängig von der Körpermasse und steigt bereits bei einer Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR) um 30%. Ein Kreatininanstieg ist erst bei einer Reduktion von ca. 70% der GFR zu erwarten.
Hormone
Besonders die Bestimmung des Schilddrüsenhormons T4 darf bei der minimalen Datenbasis des geriatrischen Patienten nicht fehlen, da Schilddrüsenerkrankungen zu den häufigsten Endokrinopathien des älteren Patienten zählen.
Harnuntersuchung
Die Harnuntersuchung ergänzt die Befunde der Blutuntersuchungen und hilft bei deren Interpretation. Nicht nur Erkrankungen des Urogenitaltraktes können so besser erkannt und eingestuft werden, sie liefert auch Hinweise auf systemische Erkrankungen und/oder endokrinologische Störungen.
In vielen Fällen lässt die Laboruntersuchung in Verbindung mit der vorangegangenen klinischen Untersuchung bereits eine Diagnose zu, mindestens aber eine Verdachtsdiagnose. Weitere Tests können bei Bedarf angeschlossen werden.
Parameter des geriatrischen Profils
- großes Blutbild (inkl. Differenzialblutbild)
- Klinische Chemie: Totalprotein, Albumin, Globuline, Albumin-/Globulin-Quotient, AP, ALT, AST, GLDH, Bilirubin, Lipase, CK, Fructosamine, Kreatinin, Harnstoff, Phosphat, Eisen, SDMA, Natrium, Kalium, Calcium, T4
Das geriatrische Profil erlaubt einen guten Überblick über den Gesundheitsstatus. Es enthält Parameter, die über die von der AAHA (American Animal Hospital Association) empfohlene minimale Datenbasis hinausgehen. So kann zum Beispiel die Bestimmung der Fructosamine gut genutzt werden um zu beurteilen, ob ein Diabetes mellitus vorliegt oder nicht. Die Messung der Fructosaminkonzentration hat gegenüber der alleinigen Glucosebestimmung den Vorteil, dass sie im Gegensatz zur transienten Stresshyperglykämie stabil und stressunabhängig ist.
Der Harnstatus ist nicht im geriatrischen Profil enthalten, da er häufig in der Praxis durchgeführt wird. Bei Bedarf kann diese Untersuchung zusätzlich angefordert werden.
Weitere, über das Profil hinausgehende, nützliche Parameter
Gallensäuren
Gallensäuren stellen einen sensitiven und spezifischen Marker zur Beurteilung der Leberfunktion dar. Ihre Konzentration im Serum ist bei hepatobiliären Erkrankungen (z.B. Cholestase, Hepatozytenfunktionsstörungen) erhöht. Der Patient sollte nüchtern zur Blutentnahme einbestellt werden, da ihre Sekretion nahrungsabhängig ist.
Troponin I
TroponinI ist ein Strukturprotein der Herzmuskelzelle, das physiologisch nur in geringen Konzentrationen im Blut gemessen werden kann. Über die Bestimmung der TroponinI-Konzentration kann das Ausmaß der momentanen Schädigung des Herzmuskels ermittelt werden. Eine Messung vor und während der Therapie zeigt auch an, ob die kardiale Belastung ursächlich in der diagnostizierten Erkrankung (z. B. Hyperthyreose) liegt oder ob weitere Erkrankungen den Herzmuskel anhaltend schädigen.
CPSE (canine prostataspezifische ArgininEsterase)
Das Enzym CPSE wird unter Kontrolle der Sexualsteroide, v.a. Testosteron, durch die Prostatazellen sezerniert. Wenn die Prostatazellen hyperplastisch werden, steigt CPSE signifikant an und kann somit als Marker für die benigne Prostatahyperplasie intakter Rüden genutzt werden. Eine Statistik zur CPSE zeigt, dass eine Prostatahyperplasie ein relevantes Problem bei intakten Rüden ist.
Klinisch auffällig werden diese Patienten indirekt durch z.B. Kotabsatzbeschwerden, Hämaturie, Zystitiden, Perinealhernien, aber auch Prostatitiden oder Prostatazysten.
Labordiagnostische Besonderheiten bei geriatrischen Patienten
Nicht jede Veränderung beim alten Patienten ist gleich pathologisch. Wenn möglich, sollten vorher erhobene Befunde aus Routineuntersuchungen zum Vergleich herangezogen werden. Diese individuell erhobenen Referenzwerte helfen bei der Einschätzung des Schweregrades der Veränderung.
Laut einer Studie zeigen gesunde Katzen ab 10 Jahren niedrigere Hämatokritwerte und höhere Thrombozytenzahlen als jüngere Katzen. Im Vergleich zu adulten Katzen haben ältere Katzen höhere Harnstoff- und Bilirubinwerte. Im Gegensatz dazu sind Albumin und Gesamtcalcium oft niedriger.
Auch bei gesunden Hunden über 12 Jahren konnten Unterschiede zu jüngeren Hunden festgestellt werden.
So haben ältere gesunde Hunde niedrigere Hämatokritwerte, ein niedrigeres Erythrozytenvolumen (MCV) und weniger Lymphozyten als jüngere Hunde. Auch die Werte von Glucose, Chlorid und Eisen sind niedriger.
Thrombozyten, Harnstoff, Phosphat, Globuline und Cholesterol sind dagegen im Vergleich höher.
Häufig finden sich auch erhöhte Leberenzyme (ALT/AST/AP) beim symptomlosen, geriatrischen Hund. Die Erhöhung kann durch eine noduläre Hyperplasie bedingt sein, aber auch eine beginnende Hepatopathie als Ursache haben. Engmaschige Kontrollen und weitere Diagnostik, auch zum Ausschluss anderer Grunderkrankungen, sind in diesem Fall anzuraten.
Fazit
Der geriatrische Patient stellt ein großes Beschäftigungsfeld dar. Mit einer optimalen Versorgung kann gewährleistet werden, dass Hunde und Katzen ohne oder mit wenigen Einschränkungen alt werden können. Das sollte das Ziel von Tierhalter und Tierarzt sein. Durch eine gute Betreuung ist darüber hinaus auch eine gute Kundenbindung zu erreichen.