Die klinischen Bilder gastrointestinaler Beschwerden beim Pferd sind vielfältig. Dazu zählen beispielsweise Kolik, Durchfall, Verstopfung oder Flatulenzen. Große Bedeutung haben dabei Infektionen mit Bakterien, Viren und Parasiten. Oft sind aber auch nicht infektiöse Faktoren wie beispielsweise Fütterungs- und Haltungsmanagement ursächlich. Auch beim Pferd tritt mittlerweile die Mikrobiom-Analyse immer mehr in den Fokus, um intestinale Dysbiosen abzubilden. Dysbiose beschreibt den Zustand einer mikrobiellen Fehlbesiedelung des Darms. Neben gastrointestinalen Beschwerden können inzwischen auch andere klinische Erkrankungen mit Darmdysbiosen beim Pferd in Verbindung gebracht werden.
Darmmikrobiom
Der Darm ist die größte Körperoberfläche und stellt die größte Kontaktfläche zur Umwelt dar. Die intestinale Mikrobiota setzt sich zusammen aus Bakterien, Pilzen und Protozoen. Daneben finden sich auch Viren und Archaeen.
Unter dem intestinalen Mikrobiom versteht man die Gesamtheit der intestinalen Mikrobiota. Im Dickdarm finden sich bis zu 1012 Bakterien pro Gramm Kot, somit ist der Darm das am dichtesten besiedelte Ökosystem der Welt.
Die intestinale Mikrobiota erfüllt verschiedene Aufgaben. In erster Linie hat sie eine Schutzfunktion, denn zum einen sollen zwar Nährstoffe aus der Nahrung über den Darm aufgenommen werden. Zum anderen sollen aber Schadstoffe keine Möglichkeit haben, durch die Darmwand in den Organismus eindringen zu können. Es kommt zur Bildung einer Schleimhautbarriere, welche u. a. von Bakterien aufrechterhalten wird. Die Mikrobiota nimmt auch Einfluss auf das Immunsystem des Darmes. Dieses sorgt für ein ständiges Gleichgewicht zwischen Toleranz gegenüber Kommensalen und der Abwehr pathogener Faktoren.
Des Weiteren sind die Darmbakterien maßgeblich an Stoffwechselvorgängen beteiligt. Im vorderen Verdauungstrakt findet die enzymatische Verdauung von Fetten, Eiweißen und Zuckern statt und der Futterbrei passiert innerhalb von wenigen Stunden. Kohlenhydrate und Rohfaserbestandteile, wie Zellulose und Hemizellulose, welche im Dünndarm nicht verdaut werden können, gelangen unverdaut in den Dickdarm.
Im Dickdarm findet die mikrobielle Fermentation der Faserbestandteile statt, was zur Bildung der kurzkettigen Fettsäuren Butyrat, Propionat und Acetat führt. Die kurzkettigen Fettsäuren liefern vor allem Energie. Beim Pferd kann dies bis zu 65% des Gesamtenergiebedarfs ausmachen. Daher ist für das Pferd eine intakte intestinale Mikroflora sehr bedeutsam.
Der Verdauungsprozess kann, je nach Futterart, bis zu 50 Stunden betragen. Dabei durchläuft das Futter bzw. der Futterbrei den vorderen Magen-Darm-Trakt mit Maulhöhle, Speiseröhre, Magen und Dünndarm innerhalb weniger Stunden (ca. 2 – 4 Stunden). Mit dem Übergang in den Dickdarm, der sich aus Caecum und Kolon zusammensetzt, beginnt die mikrobielle Fermentation. Dabei kann der Futterbrei in diesem Darmabschnitt bis zu 48 Stunden verweilen.
Mikrobiologische Untersuchung von Kotproben
Kotproben stellen ein interessantes Untersuchungsmaterial dar. Sie sind leicht zu gewinnen und können durchaus viele Informationen liefern.
Bei der kulturellen bakteriologischen Untersuchung handelt es sich um ein lang etabliertes und bewährtes Verfahren. Sie dient dem Nachweis lebender, vermehrungsfähiger Mikroorganismen und ist gut geeignet für die Detektion obligat pathogener Bakterien wie zum Beispiel Salmonellen. Die Serotypisierung und Resistenztestung sind nur verbunden mit der kulturellen Methode möglich. Außerdem sind Bakterien-Isolate aus der Kultur die Grundlage zur Herstellung einer Autovakzine. Allerdings lassen sich i. d. R. nur die Bakterien anzüchten, die unter aeroben Kulturbedingungen auf den verwendeten Nährböden wachsen. Im Einzelfall ist es möglich, manche Anaerobier nach- zuweisen, jedoch ist dies kulturell aufwendig, langwierig und gelingt nur für wenige Bakterienspezies. Das intestinale Mikrobiom besteht annähernd zu 100% aus anaerob wachsenden Keimen. Somit kann der Großteil kulturell nicht erfasst werden.
Die Dysbiose-Analyse erfolgt mithilfe der Realtime-PCR, einer quantitativen PCR (qPCR), bei der die 16s-rDNA-Kopienzahl bestimmter Markerkeimgruppen untersucht wird (Abb. 3). Die PCR ist kulturunabhängig. Sie hat eine hohe Spezifität und Quantifizierbarkeit und kann zur Detektion anaerober Bakterien mit unbekannten Wachstumsbedingungen eingesetzt werden.
Ziel der Dysbiose-Analyse ist es, normobiotische oder dysbiotische Zustände zu erkennen. Für diesen Zweck zieht man vor allem die Bakterienstämme heran, die in vorausgegangenen wissenschaftlichen Studien am stärksten vertreten waren. Diese sind aktuell beim Pferd: Firmicutes, Bacteroidetes, Verrucomicroba und Proteabacteria. Die qPCR wird nach einem standardisierten Protokoll durchgeführt. Ein Mengenstandard mit bekannter Konzentration dient der Quantifizierung der einzelnen Marker- keimgruppen.
Wenn außer gastrointestinalen Störungen auch ein reduziertes Allgemeinbefinden beobachtet wird, sollten vor oder zusätzlich zur Dysbiose- Analyse auch infektiöse Ursachen abgeklärt werden.
Neben einer beim Pferd immer angezeigten parasitologischen Kotuntersuchung können auch Viren oder Bakterien zu Durchfällen führen. Zum Bespiel kann eine Infektion mit Coronaviren auch beim erwachsenen Pferd klinische Symptome hervorrufen, wobei hier meist nur Einzeltiere betroffen sind. Der Nachweis erfolgt aus einer Kotprobe mittels PCR.
Außerdem können verschiedene Bakterien Durchfälle beim Pferd auslösen. Eine Störung des Allgemeinbefindens ist nicht immer gege- ben. Auch bei bakteriell bedingten Durchfällen sind häufig nur Einzeltiere betroffen.
Pferde sind beispielsweise relativ empfänglich für Salmonelleninfektionen. Eine geringe Keimzahl kann für eine Übertragung ausreichen. Oft sind symptomlose Pferde, die Träger und Ausscheider von Salmonellen sind, die Quelle der Infektion. Vor allem Fohlen, immun- supprimierte und gestresste Tiere können massive klinische Symptome entwickeln.
Clostridium perfringens, ein strikt anaerob wachsendes Bakterium, stellt bei unseren Pferden, genauso wie bei anderen Tieren und beim Menschen, die am häufigsten vorkommende Keimspezies im Dickdarm dar. Die Besiedelung findet frühzeitig statt: Bei über 90 % der über 3 Tage alten Fohlen kann bereits Clostridium perfringens aus dem Kot nachgewiesen werden. Unter Umständen können diese Bakterien Enterotoxine bilden, die dann Durchfall auslösen.
Dysbiose-Analyse – Interpretation des Befundes und Therapie
Um zu beurteilen, ob ein dysbiotischer Zustand vorliegen könnte, werden die Untersuchungsergebnisse der einzelnen Gruppen der Markerkeime betrachtet. Liegen die Werte in der Norm oder gibt es Abweichungen vom Referenzbereich? Bei welchen Markerkeimen sind Veränderungen vorhanden und wie stark ist die Diskrepanz?
Es stellt sich sowohl die Frage, wie die Ergebnisse einer Dysbiose-Analyse zu interpretieren sind, als auch wie sich ein therapeutisches Vorgehen gestaltet.
Im Gegensatz zu anderen Laboranalysen kann es hier keine allgemeine Therapieempfehlung mit dem Untersuchungsbefund geben. Jeder Befund muss individuell betrachtet werden, da das Darmmikrobiom von vielen Faktoren beeinflusst werden kann (Abb. 4).
Zu Beginn sollte abgeklärt werden, ob Primärerkrankungen vorliegen.
Die Fütterung nimmt großen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmmikrobiota. Eine optimale Raufutterversorgung, eine bedarfs- gerechte Mineralisierung und Tränkwasser von einwandfreier Qualität sind Voraussetzungen für einen funktionierenden und gesunden Verdauungstrakt. Bei Unsicherheiten können Futtermittel- und Tränkwasseranalysen Aufschluss geben. Futterumstellungen sollten lang- sam erfolgen. Als Beispiel sei hier der Beginn und das Ende der Weidesaison im Frühjahr und Herbst genannt. Die Futteraufnahme über die Maulhöhle mit dem mechanischen Zerkleinern stellt die erste Station der Verdauung dar. Somit sollte auch die Zahngesundheit mit in die sorg- fältige Anamnese einbezogen werden. Eine Beurteilung der Haltungsbedingungen mit beson- derem Augenmerk auf mögliche Stressfaktoren gehört ebenso dazu.
Die kritische und ganzheitliche Betrachtung möglicher Einflussfaktoren bildet die Grundlage für einen individuellen Therapieansatz.
Faktoren, die das Darmmikrobiom beeinflussen können:
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- Fütterung
- Tränkwasser
- Haltung
- Alter
- Nutzung
- Rasse/Pferdetyp
- Vorerkrankungen
- Antibiotika
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Prä- und Probiotika
Prä- und Probiotika werden bei Verdauungsstörungen gerne eingesetzt. Sie sollen einen positiven Einfluss auf die Verdauung, die Darmschleimhaut und die Darmmikrobiota haben.
Präbiotika sind Ballaststoffe, die ähnlich den Rohfaseranteilen im Raufutter im vorderen Verdauungstrakt nicht oder nur schwer verdaut werden können und im Dickdarm den Bakterien nützlich sind. Präbiotika werden ebenfalls mikrobiell fermentiert. Dies soll das Wachstum
der physiologischen Mikroorganismen fördern. Probiotika enthalten lebende Organismen, welche gesundheitsfördernde Wirkungen auf die Darmgesundheit haben sollen. Der bekannteste Vertreter hierbei ist die Lebendhefe Saccharomyces cerevisiae.
Trotz der häufigen Anwendung von Prä- und Probiotika gibt es bislang, im Gegensatz zu anderen Spezies, nur wenige Studien für das Pferd. Es ist umstritten, ob ihr Einsatz positive und/oder negative Wirkungen hat.
Zusammenfassung
Darmdysbiosen können mit einer Vielzahl klinischer Beschwerden assoziiert sein. Dabei kann die Zusammensetzung der Darmmikrobiota von vielen Faktoren abhängig sein und es gibt keine allgemeine Therapieempfehlung. Molekularbiologische Methoden ermöglichen einen Überblick über die Darmmikrobiota. Derzeitige Beurteilungen beruhen auf dem aktuellen Wissensstand. Dennoch sind für mehr Verständnis und zusätzliche Erkenntnisse weitere Studien notwendig.
Dr. Corinna Hader,
Dr. Anton Heusinger
Weiterführende Literatur:
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Costa MC, Silva G, Ramos RV, Staempfli HR, Arroyo LG, Kim P und Weese JS. Characterization and comparison of the bacterial microbiota in different gastrointestinal tract compartments in horses. Vet J. 2015; 205(1), 74-80.
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Kauter A, Epping L, Semmler T, Antao EM, Kannapin D, Stoeckle SD, Gehlen H, Lübke-Becker A, Günther S, Wieler LH und Walther B. The gut microbiome of horses: current research on equine enteral microbio- ta and future perspectives. Anim Microbiome. 2019; 1(1), 14.
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Langner K und Vervuert I. Beeinflussung der equinen Mikrobiota durch Fütterung und Probiotika: aktueller Stand der Forschung und rechtliche Grundlagen. [Impact of nutrition and probiotics on the equine micro- biota: current scientific knowledge and legal regulations]. Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere. 2019; 47(01), 35-48.