Die Alopezie (Kahlheit), Hypotrichose (schütteres Haarkleid) und Fellverlust sind sehr häufige Gründe für die Vorstellung von Katzen in der tierärztlichen Praxis. Zunächst muss abgeklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen pathologischen Fellverlust handelt. Besitzer sind oft durch einen stärkeren Fellwechsel beunruhigt – solange jedoch am Tier keine Anzeichen einer Alopezie/Hypotrichose und keine anderen klinischen Symptome (wie z.B. Juckreiz) zu finden sind, ist dieser Verlust von Haaren physiologisch. Bei Perserkatzen kann während des Fellwechsels zwischenzeitlich sogar eine fokale Alopezie auftreten. Es gibt auch Alopezien/Hypotrichosen, die für bestimmte Rassen oder an bestimmten Lokalisationen normal sind. Beispiele dafür sind die Alopezie der Pinnae bei älteren Siamkatzen und natürlich die der Sphynxkatzen oder auch die unterschiedlich stark ausgeprägte Alopezie bzw. Hypotrichose in der präaurikulären Region bei allen Katzenrassen.
Liegt tatsächlich eine pathologische Alopezie/Hypotrichose vor, kommen dafür diverse Differentialdiagnosen in Frage. Daher ist es ratsam, Tiere mit Alopezie – wie alle Hautpatienten – nach einem festgelegten diagnostischen Plan zu untersuchen. Der erste Schritt ist immer ein ausführliches Anamnesegespräch am besten mithilfe eines vorgedruckten Anamnesebogens, den der Besitzer eventuell bereits im Vorfeld (Warteraum) ausfüllen kann. Anhand dieser Informationen wie z.B. Alter des Patienten, wie waren die Symptome genau zu Beginn der Problematik (was war zuerst: die Alopezie oder der Juckreiz?), Erkrankung von Partnertieren oder Hautveränderungen beim Menschen können bereits wichtige Hinweise für die Erstellung einer Differentialdiagnosenliste gewonnen werden. Nach der klinischen Untersuchung erfolgt der eingehende dermatologische Untersuchungsgang, in dem die Haut des Patienten von der Nasen- bis zur Schwanzspitze auf das Vorliegen weiterer Effloreszenzen überprüft wird.
Für die systematische diagnostische Aufarbeitung ist die Aufgliederung der möglichen ursächlichen Erkrankungen in „selbstinduzierte“ und „spontane“ Alopezien hilfreich (Abb. 2). Manche Krankheiten können sich in beiden Formen äußern (z.B. Dermatophytose, kutanes Lymphom). In diesen Fällen liegt einerseits eine Schädigung der Haarfollikel vor, die einen spontanen Haarverlust verursacht, aber gleichzeitig auch Juckreiz (z.B. durch Sekundärinfektionen bei Dermatophytosen), der zur selbstinduzierten Alopezie führt.
Die Diagnose einer selbstinduzierten Alopezie ist bei Tieren, die offensichtlich einen vermehrten Putztrieb zeigen, leicht zu stellen. Viele Katzen neigen aber dazu, diese intensive Fellpflege nur in Abwesenheit der Besitzer zu praktizieren. Durch die trichoskopische Darstellung von gesplissten Haarspitzen kann hier trotzdem eine „Leckalopezie“ nachgewiesen werden.
Juckreiz ist die häufigste Ursache für die selbstinduzierte Alopezie der Katze. Bei adulten Patienten liegt dem Juckreiz meistens ein allergisches Geschehen zugrunde; bevor man jedoch eine Allergieabklärung startet, muss das Vorliegen von Infektionen/Infestationen ausgeschlossen werden. Als erster Schritt erfolgt daher der Nachweis bzw. Ausschluss von Ektoparasiten mittels Flohkamm, oberflächlichem/tiefem Hautgeschabsel und eventuell einem Klebestreifenabklatsch. Prinzipiell können Flöhe, Läuse, Haarlinge, Cheyletiella-Milben, Otodectes-Milben (können den Gehörgang auch verlassen) und Notoedres-Milben Juckreiz verursachen. Außerdem ist der Befall mit der Demodex-Milbe D. gatoi, die nicht in Haarfollikeln, sondern im Stratum corneum lebt, im Gegensatz zu anderen Haarbalgmilben massiv juckend. Der Floh kann zusätzlich eine Hypersensitivitätsreaktion induzieren. Auch wenn kein Parasitenbefall nachgewiesen werden kann, sollten Hautpatienten mit Juckreiz auf eine kontinuierliche Ektoparasitenprophylaxe gesetzt werden, die gegen Flöhe und Milben wirksam ist (z.B. Isoxazoline). So kann auch gleichzeitig eine Flohspeichelallergie diagnostiziert/therapiert werden. Im Anschluss wird das Vorliegen von Bakterien- und Pilzinfektionen mittels Zytologie, bakteriologischer und mykologischer Untersuchung überprüft. Dermatophyten können die Primärursache einer juckenden (und auch nicht juckenden) Alopezie sein. Bakterien und Malassezien stellen im Allgemeinen Sekundärinfektionen dar. Werden Bakterien der normalen Hautflora oder Malassezien kultiviert, kann zytologisch anhand der Anzahl der Organismen beurteilt werden, ob es sich nur um eine physiologische Besiedelung handelt oder ob tatsächlich eine Überbesiedelung bzw. eine Infektion vorliegt. Während beim Hund Malassezien häufig als Komplikation von Allergien gefunden werden, weist eine Malasseziendermatitis bei der Katze meist auf schwerwiegendere Grunderkrankungen hin wie z.B. systemische Neoplasien. Die zytologische Untersuchung kann neben dem Nachweis von Infektionen auch Hinweise auf nicht infektiöse Erkrankungen ergeben, die unter Umständen Juckreiz verursachen können wie z.B. Pemphigus foliaceus oder das kutane Lymphom.
Konnte keine Infektion/Infestation diagnostiziert werden oder bessert sich die klinische Symptomatik nach entsprechender Therapie nicht ausreichend, rückt die Verdachtsdiagnose einer Allergie als Ursache des Juckreizes in den Vordergrund.
Da klinisch nicht unterschieden werden kann, um welche Art der Allergie es sich handelt, wird zunächst mittels Eliminationsdiät inklusive Provokation untersucht, ob eine Futtermittelallergie vorliegt. Während der 8- bis 12-wöchigen Eliminationsdiät wird nur Futter bestehend aus einer Protein- und einer Kohlehydratquelle gefüttert. Dies können Zutaten sein, die das Tier zuvor noch nie zu fressen bekommen hat, sofern solche ermittelt werden können. Da eine „blind“ ausgewählte Diät natürlich die Gefahr birgt, dass sie nicht vertragen wird, empfiehlt es sich zur Auswahl der Protein- und Kohlehydratquelle für die Eliminationsdiät einen Futtermittelallergietest durchzuführen. Anhand des Ergebnisses werden eine Proteinquelle und eine Kohlehydratquelle ausgewählt, auf die weder im Bereich der IgE- noch der IgG-Antikörper eine positive Testreaktion vorliegt. Im Allgemeinen kann auch die Bereitschaft der Besitzer zur Einhaltung einer strengen Diät gesteigert werden, wenn ein schriftliches Testergebnis vorliegt. Außerdem kann die Compliance noch durch das Führen eines Futtermitteltagebuches verbessert werden (erhältlich bei Laboklin, info@laboklin.com). Da in mehreren Studien eine Kontamination von kommerziellen Diäten mit nicht deklarierten Proteinbestandteilen festgestellt werden konnte, wird die Eliminationsdiät idealerweise selbst zubereitet. Ist dies nicht möglich, sollte auf jeden Fall auf eine qualitativ hochwertige hypoallergene oder hydrolysierte (Peptidgröße < 1 kDa) Veterinärdiät zurückgegriffen werden (kein Futter aus dem Supermarkt oder Internet).
Kann durch die Einhaltung der strengen, mindestens 8-wöchigen Diät keine zufriedenstellende Verbesserung des Juckreizes erzielt werden, rückt als Differentialdiagnose die Allergie auf Umgebungsallergene (nach neuer Nomenklatur FASS genannt = Feline Atopic Skin Syndrome / felines atopisches Hautsyndrom) in den Fokus. Die Diagnose des FASS ist immer eine klinische Diagnose, die sich auf eine ausführliche Anamnese, das klinische Erscheinungsbild und den Ausschluss anderer juckender Erkrankungen stützt. Die Allergietests (Intrakutantest oder serologischer IgE-Nachweis mittels FcEpsilon-Rezeptor-Test®) sind keine diagnostischen Tests, sondern dienen dazu, die auslösenden Allergene zu identifizieren. Es gibt die Möglichkeit, zunächst in einem Screeningtest (Vortest) Reaktionen auf Allergengruppen wie Milben, Pollen und Pilzsporen sowie den Flohspeichel zu testen. Bei klinisch starkem Verdacht auf eine Flohspeichelallergie kann der Test auf Flohspeichel-IgE auch als Einzeluntersuchung durchgeführt werden. Im Anschluss können die positiv getesteten Allergengruppen jeweils mittels Haupttests ausdifferenziert werden (Pollen = saisonale Allergene, Milben und Pilzsporen = ganzjährige Allergene). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, allergenspezifische Antikörper (IgE) gegen weniger häufige Allergieauslöser wie Insekten oder Epithelien/Federn verschiedener Tierarten nachzuweisen. Für Patienten, die im mediterranen Raum leben oder regelmäßig dorthin reisen, steht auch ein eigens zusammengestelltes Panel zur Verfügung, in dem die spezielle südländische Flora berücksichtigt wird. Bei Verdacht auf eine Allergie auf Malassezien können Malassezien-IgE bestimmt werden. Anhand des Befundes kann schließlich eine Lösung für die Allergen-spezifische Immuntherapie hergestellt werden. Diese Hyposensibilisierung ist eine lebenslange Therapie – ein sehr praktisches Tool, um keinen Injektionstermin zu verpassen, ist die neue 4Paws-App von Laboklin für Tierärzte und Tierbesitzer, die kostenlos aus App Stores installiert werden kann. Sie erinnert den Tierhalter auch an Impftermine und andere Medikamentengaben und sichert so die Einhaltung des Behandlungsplanes.
Seltenere Ursachen für juckende, selbstinduzierte Alopezie sind die Hyperthyreose und das kutane Lymphom. Daher sollte bei älteren Katzen, die weitere klinische Symptome einer Überfunktion der Schilddrüse zeigen, vor einer Allergieabklärung das Gesamtthyroxin im Serum bestimmt werden. Im Fall des kutanen Lymphoms gibt die zytologische Untersuchung Hinweise auf diese Diagnose.
Die nicht juckende, selbstinduzierte Alopezie tritt deutlich seltener auf als die juckende Form. Sie kann durch „psychische Erkrankungen“, Schmerzen oder neurologische Störungen/Parästhesien verursacht werden. Die psychogene Alopezie wird durch Stressoren wie Umzug, Verlust von Partnertier oder Bezugsperson, neue Familienmitglieder usw. verursacht, während Schmerzen und Parästhesien die Folge von Traumata, Erkrankungen des Bewegungsapparates oder Neuropathien sind. Die Verdachtsdiagnose wird gestellt, wenn Patienten mit gesteigertem Putztrieb nicht auf juckreizstillende Therapie ansprechen. Allerdings müssen zuvor trotzdem alle Ursachen einer juckenden Alopezie ausgeschlossen werden. In einer Studie mit 21 Katzen, die zur Abklärung einer psychogenen Alopezie untersucht wurden, war die Haarlosigkeit nur bei 2 Tieren auf ein reines Verhaltensproblem zurückzuführen. Alle anderen zeigten zumindest zusätzlich andere Erkrankungen, wie Futtermittelallergie und Atopie, die das intensive Putzverhalten erklärten (Waisglass et al., 2006).
Spontane Alopezie tritt im Vergleich zu der selbstinduzierten sehr selten auf. Ein diagnostischer Hinweis auf einen spontanen Fellverlust sind leicht ausziehbare Haare an den Rändern der Läsionen. Als Erstes sollte abgeklärt werden, ob es sich bei den alopezischen Stellen um Narben handeln kann (z.B. Trauma, wiederholte Glukokortikoid-Injektionen). Eine relativ häufige Ursache ist die Follikulitis, die eine Folge von Infektionen (z.B. durch Demodex-Milben, Dermatophyten, Staphylokokken), aber auch immunmediierten Erkrankungen (z.B. Pemphigus foliaceus, Abb. 5) sein kann. Der Haarbalg wird durch die Entzündung geschädigt und das Haar fällt aus. Nach massiven psychischen oder auch physischen Belastungen kann ein anagenes (nach wenigen Tagen) oder telogenes (nach ein bis drei Monaten) Effluvium einen diffusen, nicht entzündlichen Fellverlust verursachen. Speziell bei älteren Tieren kann im Zuge neoplastischer Erkrankungen (Leber- und Gallengangskarzinom, Bauchspeicheldrüsenkarzinom) eine Alopezie auftreten, die sich vor allem am Abdomen in Form von völliger Haarlosigkeit und wachsartig glänzender Haut äußert. Normalerweise zeigen diese Tiere auch systemische klinische Symptome. Die Diagnose wird mittels bildgebender Verfahren und der pathohistologischen Untersuchung der Tumoren bestätigt. Alopezia areata ist eine bei Katzen sehr selten auftretende Form der Alopezie, die durch eine autoimmunmediierte Zerstörung der Haarfollikel zum Fellverlust führt. Die Diagnose wird über eine pathohistologische Untersuchung gestellt. Auch das feline Cushing-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung. Die betroffenen Tiere zeigen neben der Alopezie und dünner, fragiler Haut meistens Polydipsie/Polyurie, Polyphagie, ein birnenförmiges Abdomen und in ca. 80% der Fälle einen schlecht einstellbaren Diabetes mellitus. Die Diagnose erfolgt über entsprechende Funktionstest aus dem Serum (Dexamethason-Screening-Test).
Dr. med. vet. Maria Christian