Vorratsmilben (Futter-/ Speichermilben)
Vorratsmilben gehören ebenso wie die Hausstaubmilben zur Klasse der Spinnentiere (Arachnida) und kommen weltweit vor. Es handelt sich um winzige, achtbeinige, weißliche Spinnentierchen von 0,3 bis 0,8 mm Größe. Mit bloßem Auge sind sie gerade noch zu erkennen.
Milben kommen ubiquitär in der Umwelt vor und werden über kontaminierte Nahrungs- und Futtermittel in Wohnungen, Häuser und Ställe eingeschleppt. Meist sind nur 1 – 2 % der Milben im Hausstaub Vorratsmilben, da sie eine dauerhafte Luftfeuchtigkeit von 70 % benötigen. Unter 60 % relativer Luftfeuchte können sie sich nicht entwickeln. Ist jedoch die Luftfeuchtigkeit entsprechend hoch, sind sie gegenüber den Hausstaubmilben im Vorteil und können in kürzester Zeit eine enorm hohe Populationsgröße erreichen. Die Modermilbe ist unter den Vorratsmilben an dieser Stelle besonders gefürchtet. da die Milbe bei 85 – 95 % Luftfeuchtigkeit und 25 °C Dauertemperatur mehr als 100 Eier am Tag legen kann. Zusätzlich ist die Entwicklung einer Generation unter diesen optimalen Bedingungen innerhalb von 5 – 6 Tagen abgeschlossen. So kann eine Wohnung in nur 1 – 2 Monaten mit Milliarden Milben bevölkert sein (lebender weißlicher bis rosa Staub auf glatten Oberflächen!).
Vorratsmilben sind Saprophyten in Heu, Getreide oder gelagerten Lebens- und Futtermitteln (Mehl, Zucker, Obst, Nüsse, aber auch Fleisch). Sie sind dort vorherrschend, wo Futter- oder Nahrungsmittel gemahlen und bei hoher Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden. Dabei nutzen sie auch die im Lebensmittel oder Futter wachsenden Schimmelpilze als Nahrungsquelle. Vorratsmilben können jedoch auch im Hausstaub (siehe oben), in Küchenkästen und in Speisekammern gefunden werden. In einem Gramm Tierfutter oder Zerealien können sich mehrere Tausend Vorratsmilben aufhalten. Sie fressen zudem auch Tapetenkleister aus Methylcellulose oder Stärke, was in neu gebauten, noch feuchten Häusern ein Problem sein kann. Selbst vor dem Verzehr von Leim bei feucht gelagerten Ölgemälden machen sie nicht Halt.
Das Allergen ist hauptsächlich im Kot der Tiere, aber auch Teile des Milbenkörpers selbst besitzen Allergie auslösende Eigenschaften. Die Allergene in den Kotballen werden nach Aufbrechen der umgebenden Hülle frei und zu Schwebepartikeln in der Luft. Der ausgetrocknete Kot zerfällt zu Staub, welcher beim Umgang mit Lebens- und Futtermitteln eine Aufwirbelung erfährt. Daher ist die Allergie auf Vorratsmilben bei manchen Berufsgruppen sogar als Berufskrankheit anerkannt.
Vorratsmilben sind bedeutsame Schädlinge, die nicht nur im Staub von Heu, Getreidelagern und Silos, sondern auch in Getreidepackungen, Futtersäcken und im Mehl vorkommen. Beim Mehl bedingt der Befall sogar eine Veränderung der Backfähigkeit. Dort wo pflanzliche Nahrungsmittel und Futtermittel bei hoher Luftfeuchtigkeit aufbewahrt oder gemahlen werden, liegt ein besonders hohes Milben-Aufkommen vor. Bei entsprechend hoher Luftfeuchtigkeit können ganze Produktionen stark mit Vorratsmilben kontaminiert sein, da diese sich hauptsächlich von Schimmelpilzen (Alternaria-, Streptomyces- und Penicillium-Arten) ernähren, und eine feuchte Umgebung bekanntlich das Wachstum von Schimmelpilzen fördert.
Das Vorkommen dieser Milbenarten ist kein Hinweis auf mangelnde Hygiene und Sauberkeit. Vorratsmilben übertragen keine Krankheiten und befallen keine Menschen oder Tiere. Häufig merkt man das Vorkommen erst, wenn ein Mensch oder Tier in der Umgebung auf eine dieser Milben allergisch reagiert.
In der Veterinärmedizin gibt es mittlerweile zahlreiche Studien, in denen Hundetrockenfutter auf den Gehalt an Vorratsmilben untersucht wurde. In einer eigenen Studie wurden in 15,6 % der untersuchten Proben Vorratsmilben gefunden, es handelt sich bei den positiven Proben jedoch ausschließlich um abgelaufene, d. h. überlagerte Futtermittel. Interessant bei dieser Studie war auch die Erkenntnis, dass Vorratsmilben in der Tiefkühltruhe volle 3 Tage benötigten, bis sie abstarben. In einer anderen Studie wurden 23 Hundefuttersäcke untersucht, mit dem Ergebnis, dass in keinem einzigen Sack Vorratsmilben nachgewiesen wurden. In einer weiteren Studie wiederum konnten sowohl Acarus– als auch Tyrophagus-Milben in Futtermittelfabriken nachgewiesen werden. Die Untersuchung von 10 Hundefuttersäcken in einer spanischen Studie ergab folgende Ergebnisse: Acarus siro wurde bereits in einem neu geöffneten (nicht abgelaufenen) Sack gefunden und 5 Wochen nach Lagerung unter üblichen Haushaltsituationen wurden in 9 von 10 Säcken Tyrophagus-Milben nachgewiesen (Lagerung bei 71 % Luftfeuchtigkeit und 23 °C). Identische Vergleichsproben, welche unter Laborbedingungen gelagert wurden, wiesen nach der 5-wöchigen Lagerzeit keine Milben auf. In einer englischen Studie wurden Proben aus ein und demselben Hundetrockenfutter in 10 verschiedenen Haushalten in 3 verschiedenen Behältnissen (Papiersack, verschließbarer Plastiksack, verschließbare Plastikbox) für 90 Tage gelagert. Der Gehalt an Hausstaub- und Vorratsmilben war im Futter, welches in den Papiersäcken gelagert wurde, wesentlich höher als bei den beiden anderen Aufbewahrungsformen. Wenn sich im Lagerraum ein Hundebett oder ein Teppich befand, war zudem die Belastung nochmals deutlich höher.
Üblicherweise findet die Allergenaufnahme über die Haut (transkutan) statt. In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde jedoch festgestellt, dass auch das Einatmen oder Fressen des Vorratsmilben-Allergens zu Symptomen beim Hund führen kann. Beagle, die nur auf die Hausstaubmilbe D. farinae sensibilisiert waren, reagierten auch auf eine bewusste Provokation mit der Modermilbe T. putrescentiae mit entsprechender klinischer Symptomatik. Dieses Phänomen lässt einen Rückschluss auf die Kreuzreaktivität der Hausstaub- und Vorratsmilben untereinander ziehen.
Vorratsmilben lassen sich nicht komplett aus dem Umfeld eliminieren, es können aber Maßnahmen zur Verminderung des Allergendrucks getroffen werden. Trockene Lagerung von Lebens-/Futtermitteln und Getreide ist die Bekämpfungsmaßnahme Nummer eins. Zur biologischen Bekämpfung kann die Getreideraubmilbe Cheyletus eruditus eingesetzt werden. Auch Kieselgur, welches zur Austrocknung der Milben führt, wurde als Biozid erfolgreich zur Anwendung gebracht. Anderweitige Bekämpfungsmaßnahmen stellen gasförmige Akarizide dar.
Acarus siro (Mehlmilbe)
Die Hauptnahrung der Mehlmilbe ist – wie schon die Namensgebung vermutet lässt – Mehl sowie andere Zerealien (Getreideflocken), Käse, Heu, Trockenfrüchte und Schimmelpilze.
Die Entwicklung der Milbe dauert 10 Tage (bei 10 – 15 °C jedoch 28 Tage), wobei die Lebensdauer 30 – 50 Tage beträgt. Neben der Luftfeuchtigkeit ist besonders die Substratfeuchte der befallenen Nahrungsmittel von Bedeutung (mindestens 14 %).
Kreuzreaktionen: stark mit Tyrophagus, aber nur teilweise mit den anderen Vorrats- und Hausstaubmilben.
Tyrophagus putrescentiae (Modermilbe)
Die Modermilbe ist dort anzutreffen, wo eine hohe Luftfeuchtigkeit zur Schimmelbildung (mit bloßem Auge nicht immer sichtbar!) beiträgt. Diese Milbenart kommt vor allem in Lebens- und Futtermitteln mit hohem Protein- und Fettgehalt vor. Ihre Hauptnahrung ist: Weizenmehl, Sojamehl, Germ/Hefe, kultivierte Pilze, verschiedene Samen und Früchte, Stroh, Heu, verrottendes Material (Kompost, Mist, Laub, …), Trockenmilch, Schinken, Nüsse, Trockenei und Schimmelpilze.
Die Entwicklung der Milbe dauert 5 – 21 Tage (je niedriger die Umgebungstemperatur umso länger der Entwicklungszyklus). Idealbedingungen sind Temperaturen über 30 °C und eine Luftfeuchtigkeit über 85 %. Die Milbe kann hohe Temperaturen aushalten und das weibliche Tier legt zirka 500 Eier.
Glycyphagus domesticus (Haus-, Zuckermilbe)
Diese Vorratsmilbe ist häufig dort anzutreffen, wo pflanzliche oder auch tierische Futtermittel gemahlen bzw. diese bei zu hoher Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden. Dabei werden auch die im Futter wachsenden Pilze gefressen. In Wohnungen lebt die Milbe – abgesehen von Nahrungsmitteln – in feuchten Arealen (bevorzugt in alten Polstermöbeln). Diese Vorratsmilbe ist nur wenig lichtscheu, entwickelt sich bei optimalen Bedingungen (relative Luftfeuchtigkeit von 65 – 100 %, Temperatur von etwa 20 – 30 °C) innerhalb von 22 Tagen und hat eine durchschnittliche Lebensdauer von 50 Tagen.
Kreuzreaktionen: stark mit Lepidoglyphus, aber nur teilweise mit den anderen Vorrats- und Hausstaubmilben.
Lepidoglyphus destructor (Pflaumen-, Heumilbe)
L. destructor stellt besonders in Stallungen die am meisten verbreitete und am zahlreichsten vorkommende Vorratsmilbe dar. Die Milbe enthält mindestens 20 allergen wirkende Proteine, inklusive dem Majorallergen Lep d 2, welches im Verdauungstrakt der Milbe vorkommt. Da Lep d 10 ein homologes Allergen zu Tropomyosin ist, kann es hier auch zu Kreuzreaktionen mit Crustacea (Krebstiere) kommen. Diese Milben ernähren sich ebenfalls von Schimmelpilzen (besonders Alternaria und Penicillium) und den Futtermitteln selbst. Die weibliche Milbe legt bis zu 150 Eier und meidet das Licht. Eine Entwicklung kann bei Temperaturen zwischen 3 und 34 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von mehr als 60 % stattfinden. Bei einer Temperatur von 25 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von mehr als 60 % dauert der Entwicklungszyklus nur 12 bis 27 Tage. Diese Milben sind aber gegenüber Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes relativ empfindlich. Lepidoglyphus lebt in Getreide und Getreideprodukten, Trockenfrüchten, Heu und Stroh, an toten Insekten, in Nestern von Hummeln oder Nagetieren.
Kreuzreaktionen: stark mit Glycyphagus, aber nur teilweise mit den anderen Vorratsmilben und Hausstaubmilben, eventuell mit Krebstieren (Crustacea). Beim Hund ist eine Kreuzreaktiviät mit D. pteronyssinus nachgewiesen.
Nützliche Tipps für Futtermilbenallergiker
- Trockenfuttermittel nach dem Öffnen der Originalpackung sofort in ein wieder verschließbares Behältnis (Plastik, auswaschbar) umfüllen. Dabei den feinstaubigen Bodensatz verwerfen.
- Trockenfuttermittel und Vorräte stets luftdicht verschlossen aufbewahren. Am geeignetsten sind dicht verschlossene Plastikbehältnisse.
- Den feinstaubigen Bodensatz im Plastikbehältnis regelmäßig entfernen und das Gefäß gründlich reinigen, insbesondere vor Zugabe neuen Futters. Lagerung der Futtermittel nicht im selben Raum wie das Hundebett.
- Vorräte bei möglichst niedrigen Temperaturen und trocken aufbewahren (relative Luftfeuchtigkeit sollte maximal 40 % betragen).
- Alternativ kann das Trockenfutter auch tiefgefroren werden, um eine neue Kontamination mit Vorratsmilben zu verhindern. Bereits vorhandene Milbenallergene bleiben jedoch auch durch Tiefgefrieren vorhanden!
- Kleine Packungseinheiten kaufen, um frisches Trockenfutter zu füttern.
- Da im abgelaufenen Trockenfuttermittel vermehrt Vorratsmilben zu finden sind, sollte das Futter verfüttert werden, bevor es abläuft Feucht- oder Dosenfuttermittel oder selbst zubereitete Futtermittel verwenden.
- Im landwirtschaftlichen Bereich ist es zusätzlich wichtig, den Arbeits- und Wohnbereich strikt zu trennen, um die Einschleppung von Vorratsmilben aus dem Arbeitsbereich in den Wohnbereich zu vermeiden (z. B. konsequentes Ablegen von Arbeitskleidung).
- http://de.wikihow.com/Mehlmilben-loswerden-und-vermeiden
Dr. Regina Wagner
Neben den Reaktionen auf Hausstaubmilben treten Allergien auf Vorratsmilben bei Hund, Katze und Pferd am häufigsten auf. Bei klinischen Symptomen einer atopischen Dermatitis wird mittels Allergietest (Fcɛ-Rezeptor-Test) die Sensibilisierung auf die Milben nachgewiesen. Anhand des Befundes kann die Allergen-spezifische Immuntherapielösung (ASIT) hergestellt werden. Die ASIT ist die einzige kausale Therapie dieser Allergie und sollte neben der Allergenreduzierung (komplette Vermeidung ist nur sehr schwer durchführbar) die Therapie der Wahl sein.
Weiterführende Literatur
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Wagner R, Hunsinger B. Allergene bei Tieren. Bad Kissingen: Laboklin GmbH & Co. KG; 2016.
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Olivry T, Mueller RS. Critically Appraised Topic on Adverse Food Reactions of Companion Animals (8): Storage Mites in Commercial Pet foods. BMC Vet Res. 2019 Oct 31;15(1):385.