Werden Katzen oder Hunde mit einer Zubildung im Halsbereich in der Praxis vorstellig, so müssen häufig weiterführende Untersuchungen wie zum Beispiel bildgebende Verfahren, Feinnadelaspirate, Blut- und Hormonuntersuchungen (T4, fT4) bis hin zur chirurgischen Exstirpation herangezogen werden, um zum einen die beteiligten Organstrukturen zu identifizieren und zum anderen die Ursache abklären zu können.
In diesem Laboklin aktuell stellen wir Ihnen wichtige Differenzialdiagnosen für Umfangsvermehrungen im kranioventralen Halsbereich vor und möchten Ihnen auch eine weniger bekannte Veränderung des Lymphknotens bei der Katze präsentieren.
Aus anatomischer Sicht kommen in dieser Lokalisation häufig entzündliche oder neoplastische Veränderungen der Schilddrüse, der Speicheldrüse, des Lymphknotens oder aber Zysten in Betracht. Veränderungen der Schilddrüse können sich bei Hunden und Katzen als Entwicklungsstörungen in Form von akzessorischem Schilddrüsengewebe oder als Zysten darstellen. Darüber hinaus finden sich entzündliche Insulte (Trauma, Fremdkörper, hämatogen fortgeleitete Infektionen), autoimmune Geschehen wie die lymphozytäre Thyreoiditis beim Hund oder degenerative Veränderungen (Mineralisationen oder Ablagerungen von Amyloid).
Eine weitere nicht-neoplastische Veränderung stellt die Hyperplasie der Schilddrüse oder auch Kropf genannt dar. Die diffuse Form (häufig in Verbindung mit Jodmangel) tritt bei Hunden und Katzen selten auf, die noduläre Form kann jedoch bei älteren Katzen in Verbindung mit einem Adenom beobachtet werden.
Bei den neoplastischen Veränderungen unterscheidet man zwischen follikulären Tumoren (Adenome und Karzinome) und parafollikulären C-Zell-Tumoren. Am häufigsten werden Adenome bei älteren Katzen beobachtet. Im Gegensatz dazu findet man beim Hund überwiegend Karzinome. Einen weiteren Unterschied stellt die Funktionalität der Tumore dar. Adenome sind häufig funktionell aktiv und können zur Hyperthyreose speziell bei der Katze führen. Die funktionell inaktiven Karzinome werden als große Umfangsvermehrungen mit typisch invasivem Wachstum beschrieben. Diese zeichnen sich zusätzlich durch ein frühes Metastasierungspotenzial (Lunge) aus, aufgrund ihrer Größenzunahme kann es zu ausgeprägter Gewebezerstörung mit daraus resultierender Hypothyreose kommen.
Auch Speicheldrüsenveränderungen können als Massen im Halsbereich auffallen, die sich teils sehr schmerzhaft darstellen. Ätiologisch können reaktive Geschehen wie Fremdkörper, bakteriell bedingte Läsionen (Abszesse) oder aber virale Prozesse (zum Beispiel Tollwut oder kanines Staupevirus) beobachtet werden. Außerdem treten echte Zysten, Pseudozysten ohne Epithelauskleidung (Sialozele) oder branchiogene Zysten auf. Selten werden auch benigne sowie maligne Neoplasien oder aber Infarkte nachgewiesen.
Differenzialdiagnostisch kann es sich bei Umfangsvermehrungen im kranioventralen Halsbereich auch um die regionalen Lymphknoten handeln.
Diese können sich als isoliert verändert präsentieren oder im Rahmen einer generalisierten Lymphadenopathie vergrößert erscheinen. Ursächlich kommen infektiöse (bakterielle oder virale Genese) oder aber immunvermittelte, reaktive Geschehen sowie Neoplasien (malignes Lymphom oder Metastasen) in Frage. Die mandibulären Lymphknoten stellen sich oftmals reaktiv vergrößert dar aufgrund der konstanten immunologischen Stimulation durch ihre Hauptdrainageregion, die Maulhöhle. Daher können reaktiv vergrößerte Lymphknoten in dieser Region klinisch oftmals nicht von einem neoplastischen Geschehen oder Speicheldrüsengewebe unterschieden werden.
Daraus folgt, dass bei einer weiteren Abklärung mittels zytologischer Ausstrichpräparate oftmals nicht der Lymphknoten selbst bioptiert wird, sondern Speicheldrüsengewebe oder andere benachbarte Strukturen. Für eine zytologische Abklärung bei generalisierter Vergrößerung der Lymphknoten empfehlen sich daher die präskapulären oder poplitealen Lymphknoten.
Darüber hinaus gibt es in diesem Bereich aber auch eine selten vorkommende, bei der Katze beschriebene Veränderung des Lymphknotens mit dem Namen „plexiforme Vaskulopathie“. Diese soll im Folgenden detaillierter vorgestellt werden.
Plexiforme Vaskulopathie
Die plexiforme Vaskulopathie, auch bekannt als vaskuläre Transformation des Lymphknoten-Sinus, wurde erstmals beim Menschen beschrieben. In der Tiermedizin findet man diese Veränderung bei der Katze im Bereich der zervikalen und inguinalen Lymphknoten. Beim Hund gibt es nur eine Fallbeschreibung, jedoch in Zusammenhang mit einem Schilddrüsenkarzinom.
Das Charakteristikum der plexiformen Vaskulopathie ist eine Proliferation von kapillarähnlichen Spalten mit gut differenzierten Endothelzellen sowie einer ausgeprägten Ansammlung von Erythrozyten. Aufgrund des unklaren Ursprunges wurde in der Literatur der Begriff „vaskulär“ verwendet.
Die Pathogenese dieser vaskulären Transformation ist bislang sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tiermedizin umstritten. Mögliche Mechanismen wie z.B. Drainage-Störungen, ausgelöst durch Tumore im Lymphknoten selbst oder in der Nachbarschaft, vaskuläre Thrombosen, angiogene Faktoren, die von Tumoren produziert werden, oder aber funktionelle Herzstörungen wurden in der Vergangenheit diskutiert.
Einen weiteren unklaren Punkt stellt die Beobachtung dar, dass sich in den Spalten vermehrt Erythrozyten finden, hierbei würde man aus anatomischer Sicht von Blutgefäßen ausgehen.
Jedoch ließen sich histologisch auch Spalten nachweisen, die optisch leer erschienen oder aber nur einzelne Erythrozyten enthielten und darüber hinaus lymphatische Marker exprimierten. In der Literatur finden sich diesbezüglich einzelne Beschreibungen, die auf eine Kommunikation zwischen venösen und lymphatischen Gefäßen hindeuten.
Klinik
Klinisch betroffen sind mittelalte Katzen, mit leichter Prädisposition für männliche Tiere. Diese werden meist aufgrund einer fokalen, nicht schmerzhaften, nodulären, langsam wachsenden Schwellung ventral im Bereich der Schilddrüse vorstellig. Diese Umfangsvermehrung kann bei Größenzunahme zu einer Dyspnoe mit Stridor, Schluckbeschwerden bis hin zur Deviation der Trachea führen. Sonographisch zeigen sich gut vaskularisierte Weichgewebsstrukturen, welche sich in der Computertomographie als weichteildicht darstellen.
Pathologische Befunde
Kommt es zur chirurgischen Entfernung dieser Umfangsveränderung, können folgende Befunde erhoben werden. Makroskopisch zeigt sich eine noduläre, gut abgrenzbare, dunkelbraune bis rötliche, derb-elastische Veränderung. Bei der histologischen Untersuchung findet man Lymphknotengewebe, das eine ausgeprägte Atrophie bzw. Verdrängung der organtypischen Strukturen im Bereich des Kortex, Parakortex sowie der Medulla aufgrund von massiven Ansammlungen von Erythrozyten (Abb. 1) und einer prominenten kapillarartigen Proliferation aufweist. Diese kapillarähnlichen Proliferationen zeigen einen fibrovaskulären Grundstock mit schlanken, kleinen Endothelzellen. Vereinzelt können sich prominente Kerne darstellen, die plump in die vaskulären Spalten hineinragen (Abb. 2 und 3). Es können sich auch vereinzelt Mitosen finden.
Mittels immunhistochemischer Differenzierung wurde gezeigt, dass die Endothelzellen der kapillären Proliferationen Marker für Blut und Lymphgefäßendothelien (CD31, Faktor VIII assoziiertes Antigen) exprimieren können.
Therapie
Als Mittel der Wahl steht die chirurgische Entfernung des Lymphknotens mit anschließender histologischer Untersuchung im Vordergrund, da erst mittels Histologie die Diagnose plexiforme Vaskulopathie gestellt werden kann. Die chirurgische Exstirpation wird unter anderem deswegen empfohlen, weil es zu einer malignen Transformation der gutartigen Gefäßproliferation kommen kann. Diese kann sich als Lymphangio- oder Hämangiosarkom darstellen, wobei Lymphangiosarkome bei der Katze selten beschrieben werden und wenn, dann im Bereich des Unterbauches und der Extremitäten als subkutane, flächige Läsionen vorkommen. Darüber hinaus wird die Entfernung angeraten, um eine massive Größenzunahme mit daraus folgenden Atemwegs- oder Schluckbeschwerden vorzubeugen.
Zusätzlich wird ein gründliches klinisches Staging des Patienten zum Ausschluss eines neoplastischen Geschehens empfohlen, da die Pathogenese der plexiformen Vaskulopathie bislang noch unklar ist und ein zugrunde liegendes neoplastisches Geschehen nicht ausgeschlossen werden kann. Der Verlauf zeigte jedoch bei den wenigen untersuchten Fällen, dass es bislang zu keiner Rezidivbildung kam.
Fazit
Umfangsvermehrungen im kranioventralen Halsbereich können sich klinisch als teils schmerzhafte, invasiv oder verdrängend wachsende Massen oder Schwellungen variabler Größe darstellen. Ursächlich kann es sich um Entzündungen, Hyperplasien oder Neoplasien handeln, ausgehend von Schilddrüsengewebe, Speicheldrüsen oder Lymphknoten.
Eine Abklärung des Organursprunges sowie die Unterscheidung von entzündlichen und proliferativen Prozessen kann mithilfe der zytologischen Untersuchung von Feinnadelaspiraten oder durch eine histologische Untersuchung von Gewebeproben erfolgen.
Insbesondere bei Katzen sind seltene Fälle einer plexiformen Vaskulopathie der Halslymphknoten beschrieben und sollten differentialdiagnostisch berücksichtigt werden. In diesen Fällen ist eine Diagnosestellung mittels Histologie nötig. Die chirurgische Exzision der Masse stellt die Methode der Wahl dar.
11 / 2019