Nicht nur in der Nutztierpraxis, auch in der Kleintier- und Pferdepraxis werden mittlerweile vermehrt multiresistente Keime kultiviert und bereiten bei der antibiotischen Therapie zunehmend Probleme.
Methicillin resistente Staphylokokken MRSA/MRSP
Die ß-Laktamase Bildung bei Staphylokken ist seit langem bekannt und konnte bisher durch den Einsatz von ß-Laktamase Inhibitoren wie Clavulansäure erfolgreich umgangen werden. Auch Cafalosporine der ersten Generation wie Cefalexin oder Cefalosporine der dritten Generation wie Cefovecin konnten rein empirisch mit Erfolg gegen Staphylokokken mit ß-Laktamase Bildung eingesetzt werden.
Mit der Methicillin Resistenz hat sich diese Situation aber grundlegend geändert. Kodiert durch das mecA Gen wird ein verändertes Penicillin bindendes Eiweiß (PBP-2a) gebildet. Neben einer Resistenz gegenüber ß-lactam Antibiotika wie Penicilline, Amoxicilline und Cefalosporine weisen diese Keime auch häufig eine Multiresistenz gegenüber anderen Antibiotika auf, siehe Abbildung. So wurden Resistenzen gegenüber Lincosamiden (Clindamycin/ Lincomycin); Makroliden (Erythromycin; Clarithromycin), Tetrazyklinen, der Kombination aus Sulfonamiden mit Trimethoprim und auch schon gegenüber Fluorchinolonen nachgewiesen.
Die Anzahl an Methicillin resistenten Staphylokokken hat nicht nur in der Nutztierhaltung, speziell beim Schwein, sondern auch bei unseren Kleintieren zugenommen, belegt durch verschiedene Veröffentlichungen. Dabei befinden sich diese Methicillin resistenten Staph. aureus (MRSA) beim Schwein wie beim Menschen häufig auf der Nasenschleimhaut, ohne dass Symptome vorhanden sind.
Bei unseren Kleintieren hingegen wird MRSA meist im Zusammenhang mit klinischen Erscheinungen nachgewiesen. Während diese Keime beim Hund nach eigenen Untersuchungen am häufigsten aus infizierten Wunden isoliert werden konnten, wurden sie bei der Katze vor allem aus Harnproben kultiviert. Beim Hund wird aber wesentlich häufiger ein Methicillin resistenter Staph. pseudintermedius (MRSP) als ein MRSA isoliert. Aber auch Koagulase negative Staphylokokken mit dem mecA Gen wurden bereits nachgewiesen.
Wahl der Antibiotika für MRSA/MRSP
Um eine weitere Zuspitzung der Multiresistenzen zu vermeiden, ist bei einem bakteriellen Infekt in jedem Fall eine kulturelle Untersuchung mit Erstellung eines Antibiogrammes angezeigt. Zumal bei der Isolierung von MRSA/MRSP Stämmen eine Empfindlichkeit auch gegenüber nicht ß-Laktam Antibiotika nicht vorhergesagt werden kann, ist die Anfertigung eines Antibiogrammes unerlässlich. Allerdings kann man mit einer antibiotischen Therapie nicht immer abwarten, bis das Resultat des Antibiogrammes vorliegt. Deshalb im Folgenden einige Antibiotika, die trotz der Methicillin Resistenz sich häufig noch als wirksam erweisen:
Rifampicin
Gegen dieses schon sehr lange im Gebrauch stehende Antibiotikum, vor allem von Pferdepraktikern bei Infektionen mit Rhodococcus equi angewendet, weisen die meisten MRSA/MRSP Stämme noch eine Empfindlichkeit auf.
Seine Bakterizidie beruht auf einer Hemmung der bakteriellen RNA Polymerase. Aufgrund seiner Lipophilie, seiner guten Absorption und Verteilung im Gewebe sowie seiner Fähigkeit in die Zellwand zu penetrieren, kann es auch gegen intrazelluläre Keime wie Mykobakterien oder eben Rhodococcus equi eingesetzt werden. Dosierung bei Infektionen mit Staph.pseudintermedius: 5 mg/kg 1 x tgl. über 10 Tage, man kann auch höher dosieren bis zu 10 mg/kg, dann sollte die Dosis aber auf 2 x tgl. aufgeteilt werden.
Da der alleinige Einsatz von Rifampicin durch Mutation sehr schnell zu Resistenzen führt, wird in der Humanmedizin immer die Kombination mit einem anderen bakteriziden Antibiotikum gefördert. Dies sollte auch in der Tiermedizin berücksichtigt werden, auch wenn diese Resistenzentwicklung eher bei einer langen Gabe gesehen wird.
Aufgrund des schlechten Geschmackes wird das Medikament nur ungern aufgenommen. Hunde zeigen als Nebenwirkung häufig (ca. in 20 % der Fälle) eine Erhöhung der Leberwerte, genauso kann es zu orangeroten Verfärbungen der Skleren und des Harnes kommen, darüber muss der Besitzer vorher aufgeklärt werden.
Doxycyclin / Tetrazykline
Gelegentlich verhalten sich die MRSA/MRSP Stämme sensibel gegenüber dieser Stoffgruppe. Dabei kann Doxycyclin oral verabreicht werden, in einer Dosis vom 5 mg/kg 2 x tgl. Nebenwirkungen wie gastrointestinale Störungen oder Lebereffekte sind dabei sehr selten. Auch die bei der Verabreichung von Tetrazyklinen gefürchtete Zahnverfärbung ist bei Doxycyclin unproblematisch zu sehen. Die Resorption wird auch nicht durch Calcium enthaltende Futtermittel beeinflusst.
Da der Wirkstoff als Doxycyclinhydrochlorit in den Präparaten vorliegt, kann es schwere Verätzungen im Ösophagus hervorrufen, wenn die Tablette dort stecken bleibt. Um dies zu verhindern, sollte die Tabletteneingabe stets mit viel Wasser bzw. mit sofortiger anschließender Fütterung erfolgen.
Chloramphenicol
Gegen diese Wirksubstanz sensible MRSA/MRSP Stämme haben in der letzten Zeit zu einem vermehrten Einsatz geführt. Als Chloramphenicolpalmitat ist es im Gegensatz zum Florfenicol gut oral applizierbar. Florfenicol, zugelassen beim Nutztier, kann in der Regel nur injiziert werden, die geringe Halbwertzeit bei Hund und Katze macht aber eine 3malige oder besser 4malige Gabe notwendig.
Dosierung: Chloromycetinpalmitat 50mg/kg p.o. 3 x tgl., so wird ein ausreichend hoher Serumspiegel aufrecht erhalten, dabei verhält es sich gegenüber Staphylokokken bakterizid.
Wird Florfenicol umgewidmet, wird bei Hund und Katze eine Dosierung von 25-50 mg/kg 2- 3 x tgl. intramuskulär empfohlen. Auch die orale Verabreichung ist nach Literaturangaben möglich, die Dosierung wird in derselben Höhe und Verteilung angegeben.
Im Gegensatz zum Menschen wird Chloramphenicol von unseren Haustieren sehr gut vertragen, besonders die beim Menschen beobachtete irreversible Knochenmarksschädigung ist bei unseren Haustieren nicht bekannt. Aus diesem Grund ist aber der Besitzer auf einen sorgfältigen Umgang mit dem Wirkstoff zum Schutz seiner eigenen Gesundheit hinzuweisen.
Beim Tier ist allerdings zu beachten, dass Chloramphenicol als Cytochrom Inhibitor und möglicher anderer Enzyme die Verstoffwechselung anderer Wirkstoffe wie Opiate, Barbiturate, Propofol und weiterer Präparate inhibieren kann.
Aminoglykoside (Gentamicin, Kanamycin, Neomycin, Amikacin)
Aminoglykoside, insbesondere Gentamicin, besitzt eine gute Wirksamkeit auch gegenüber MRSA/MRSP Stämmen. Neben der Nephrotoxizität und Ototoxizität besteht der Nachteil von Gentamicin in der Applizierbarkeit. Es ist nur lokal anwendbar, z.B. in Augen- und Ohrenpräparaten, oder es muss injiziert werden. Bakterizid wirksam kann es 1 x tgl. i.v., i.m. oder s.c. in einer Dosis von 10 mg/kg verabreicht werden. Dabei kann es aber gerade bei der subkutanen Injektion zu lokalen Reizerscheinungen kommen.
Obwohl gerade bei der i.v. Injektion sehr hohe Plasmaspiegel erreicht werden, die MHK für Staphylokokken liegt gewöhnlich < 2 µg/ml, wird durch Eiter und großer Zelllysis die Wirksamkeit stark reduziert.
Nebenwirkungen:
Der schwerste toxische Effekt kann an der Niere ausgelöst werden, dabei sind exsikkotische Patienten, Tiere mit einem bereits bestehenden Nierenschaden oder Tiere in einer septikämischen Phase besonders betroffen. Die Nephrotoxizität ist dabei korreliert mit der Dauer der Applikation. Um das Risiko zu mindern, sollte die Medikamentengabe protokolliert werden, eine engmaschige Bestimmung von Nierenwerten ist dabei zwingend erforderlich.
Enterokokken
Seit langem in der Humanmedizin als nosokomiale Infektionserreger gefürchtet, bereiten diese gram positiven Kokken immer mehr Probleme auch in der Tiermedizin.
Die am häufigsten isolierten Stämme Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium verhalten sich dabei sehr unterschiedlich. Während häufiger Enterococcus faecalis kultiviert wird, bereitet die Resistenzlage von Enterococcus faecium wesentlich häufiger Probleme.
Bisher erwiesen sich die isolierten Enterokokken sensibel gegenüber Penicillin G und Ampicillin oder Amoxicillin. Zunehmend wird aber auch in der Tiermedizin eine Resistenz der Enterokokken gegenüber Cefalosporinen und Fluorchinolonen beobachtet. Diese Stämme weisen dann häufig auch eine Resistenz gegenüber Sulfonamiden kombiniert mit Trimethoprim oder Makrolid Antibiotika auf. Auch wenn sie sich noch sensibel gegenüber den Fluorchinolonen verhalten, ist diese Stoffgruppe keine gute Alternative. Dies hat die Humanmedizin gezeigt. So stieg durch den Einsatz von Gyrasehemmern und Cefalosporinen, die von Haus aus keine gute Wirksamkeit gegenüber den Enterokokken besitzen, die Infektionsrate bedingt durch noskomiale Enterokokken stark an. In der Tiermedizin ist dieser Trend noch nicht zu beobachten, es gibt nur einen Bericht über eine steigende Tendenz an Harnwegsinfekten bedingt durch Enterokokken.
Werden Enterokokken isoliert, die sensibel sind gegenüber Penicillin G, sollte Ampicillin oder Amoxicillin wegen der guten Applizierbarkeit, allerdings in der höchst möglichen Dosis eingesetzt werden.
Bei schweren Infektionen sollte eine Kombination aus ß-Lactam Antibiotikum und Aminoglykosiden erfolgen. Bei Wundinfektionen, Harnwegsinfektionen oder einer Peritonitis, bei denen neben Enterokokken noch weitere Erreger isoliert werden, wie z.B. gram negative Bakterien und/oder Anaerobier, sollten in erster Linie diese einem Antibiogramm entsprechend behandelt werden. Aus Erfahrung kann in diesen Fällen die gezielte Therapie soweit Wirkung zeigen, dass die Enterokokken kein Problem mehr darstellen.
Gram negative multiresistente Bakterien – Pseudomonas aeruginosa, ESBL
Häufig kann man beim Nachweis von Gram negativen Bakterien davon ausgehen, dass sie sich gegenüber Fluorchionolonen und Aminoglykosiden sensibel verhalten. Genauso muss man aber bedenken, dass Cefalosporine der ersten Generation sowie Ampicillin oder Amoxicillin meist nicht mehr wirksam sind. Ähnlich verhält es sich bei den ESBL (Erweitertes Spektrum an ß Laktamasen) Keimen, bei denen es sich um ganz normale Darmbewohner wie E. coli und andere Enterobacteriaceae wie Klebsiella spp., Proteus spp. handelt, aber auch Salmonellen können diese Resistenzen aufweisen.
ß Laktam Antibiotika
Gegen Pseudomonas aeruginosa wirken in dieser Gruppe nur die Ureidopenicilline, zu ihnen gehört Mezlocillin, Azlocillin sowie Piperacillin und die Carboxypenicilline Carbencillin und Ticarcillin. Diese Antibiotika sind nur in der Humanmedizin zugelassen und besitzen auch dort schon einen Reservestatus. In der Tiermedizin sollten sie deshalb nur nach strengster Indikation durch Umwidmung eingesetzt werden.
Diese Substanzen können nur injiziert werden. Die häufige Applikation, mindestens 4 x pro Tag, sowie die geringe Haltbarkeit nach Herstellung der Lösung bei sehr hohem Preis wirkt sich nachteilig aus.
Cefalosporine
Nur Cefalosporine der III und IV Generation weisen gegenüber Gram negativen Keimen eine gute Wirksamkeit auf. Leider sind diese Wirkstoffe in der Tiermedizin nur als Injektionspräparate, evtl. noch als lokal anwendbare Formulierungen zugelassen. Cefovecin, als Langzeitantibiotikum, zugelassen für Hautinfektionen und Infektionen des Harn ableitenden Systems bei Hund und Katze weist dabei eine relativ gute Wirksamkeit gegenüber gram negativen Keimen auf, allerdings nicht gegenüber Pseudomonas aeruginosa. Als lokal anwendbares Cefalosporin der IV Generation zeigt Cefoperzon (Peracef® Euterinjektor) eine gute Resistenzlage gegenüber ESBL Keimen und auch gegenüber Pseudomonas aeruginosa auf, leider kann man es nach Umwidmung nur lokal als Ohrenpräparat oder Analbeutel Instillation verwenden.
Speziell für die Tiermedizin wurde als Cefalosporin der IV Generation Cefquinom entwickelt, zugelassen ist es für das Rind, das Schwein und das Pferd. Sein Wirkungsspektrum umfasst gram positive Keime, aber auch sehr gut gram negative Bakterien. Leider verhält sich Pseudomonas aeruginosa häufig resistent gegenüber dieses Cefalosporin. Für Hund und Katzen kann es umgewidmet werden, es wird in einer Dosierung von 1-2 (3-4) mg/kg s.c. 1 x tgl. injiziert.
Fluorchinolone
Diese Gruppe der Gyrasehemmer weist nach wie vor eine gute Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas aeruginosa und auch gegenüber den ESBL Keimen auf. Innerhalb der Fluorchinolone wirken nach Literaturangabe und auch nach Auswertung unserer Ergebnisse in vitro am besten Enrofloxacin und Marbofloxacin, so auch das neue Pradofloxacin. Eine etwas geringere Wirksamkeit weist Difloxacin und Ibafloxacin auf.
Aminoglykoside
Diese Wirkstoffgruppe ist in der Regel noch gut wirksam gegen ESBL Keime und auch gegenüber Pseudomonas aeruginosa.
Amikacin und Tobramycin, beides Humanpräparate, sind die wirksamsten gegen diese hoch resistenten Keime. Beim Tier sollten sie nur nach strengster Indikationsstellung verwendet werden, Amikazin in einer Dosierung von 5-10 mg/kg i.v., i.m., oder s.c 1 x tgl., Tobramycin 5-10 mg/kg 3 x tgl. Aufgrund der Nephrotoxizität ist die Nierenfunktion zu beachten.