Die Laboklin Expertenrunden erfreuen sich großer Beliebtheit. Dieses Mal stand die granulozytäre Anaplasmose bei Hund, Katze und Pferd im Mittelpunkt. Wir haben für Sie die wichtigsten Erkenntnisse und Einschätzungen der Experten zusammengefasst. Der Austausch war lebhaft, praxisorientiert und gespickt mit wertvollen Hinweisen aus Klinik, Labor und Forschung.
Teilnehmer der Expertenrunde waren:
Prof. Dr. Reto Neiger, PhD, EBVS Specialist + Diplomate ECVIM (Internal Medicine), Dipl. ACVIM (SAIM), Medical Director IVC Evidensia DACH; Prof. Dr. Jessica-Maximilliane Cavallieri, EBVS Specialist + Diplomate ECEIM, FTÄ für Pferde, FTÄ Innere Medizin Pferde, Leitung der Inneren Medizin des klinischen Zentrums für Pferde, Vetmed Uni Wien; PD Dr. Barbara Willi, PhD, EBVS Specialist + Diplomate ECVIM (Internal Medicine), Dipl. ACVIM. Dozentin und Oberärztin Klinik für Kleintiere, Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich, Spezialistin Innere Medizin + Infektionskrankheiten, Tierklinik Aarau West; Dr. Ingo Schäfer, M.Sc, Resident ECVCP, Labordiagnostik Laboklin – Schwerpunkt vektorübertragene Krankheiten; Prof. Dr. Christina Strube, PhD, FTÄ für Parasitologie, Direktorin des Instituts für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Symptomatik und klinische Beobachtungen
Reto Neiger gibt eine einführende Übersicht über die klinischen Zeichen bei Hunden mit Anaplasmose. Er beschreibt die Symptome als überwiegend unspezifisch: Lethargie, Anorexie und Fieber sind häufig, aber auch Lahmheiten, gastrointestinale Beschwerden, Gerinnungsstörungen und sogar Perikardergüsse können beobachtet werden. Besonders betont er, dass es sich bei der Lahmheit oft eher um eine allgemeine Bewegungsunlust handelt. Ingo Schäfer merkt an, dass das Auftreten von Enzephalitiden bei Hunden beschrieben wurde, wenngleich dies selten sei. Er verweist auf Einzelfälle mit nachgewiesenem Erreger im Liquor. Barbara Willi ergänzt, dass bei Katzen die Symptome recht unspezifisch sind und am häufigsten Lethargie, Fieber, Anorexie und reduzierter Appetit beschrieben wurden. Beim Pferd, so schildert Jessica Cavallieri, fallen insbesondere hohes Fieber, Apathie und Ikterus auf. Ataxien und sogar epileptiforme Anfälle können vorkommen. Atypische Verläufe mit Rhabdomyolyse oder Dysphagie wurden ebenfalls beschrieben.
Typische Veränderungen in der Blutuntersuchung
Auf die Laborwertveränderungen angesprochen, erklärt Ingo Schäfer, dass beim Hund die Thrombozytopenie der häufigste hämatologische Befund ist, der jedoch nicht immer vorhanden sein muss. Weitere Auffälligkeiten seien Anämien, Lymphozytosen sowie erhöhte Globuline bei gleichzeitiger Hypoalbuminämie. Barbara Willi weist darauf hin, dass bei Katzen die Thrombozytopenie oft weniger ausgeprägt ist und durch Thrombozytenaggregate fehlerhaft gemessen werden kann. Deshalb sei eine mikroskopische Kontrolle unerlässlich.
Jessica Cavallieri beschreibt, dass beim Pferd neben Hyperbilirubinämie häufig Leukopenien sowie milde Anämien auftreten. SAA und Fibrinogen seien meist deutlich erhöht, während Albumin erniedrigt ist.
Übertragung und Prävalenz
Danach gefragt, was Anaplasmen konkret sind, erklärt Jessica Cavallieri, dass es sich um intrazellulär lebende Bakterien handelt, die auf Wirtszellbestandteile angewiesen sind. Dabei infiziert Anaplasma (A.) phagocytophilum vorrangig neutrophile Granulozyten (und zu einem geringeren Anteil auch eosinophile Granulozyten), daher der Name granulozytäre Anaplasmose. Christina Strube betont, dass die Übertragung über Zecken der Gattung Ixodes ricinus erfolgt. Zwar sei Anaplasma-DNA auch in anderen Zeckenarten gefunden worden, dies bedeute jedoch nicht, dass diese tatsächlich als Vektoren fungieren.
Sie berichtet, dass die Übertragung in der Regel erst 48 Stunden nach dem Stich erfolgt. Auch wenn ein saisonales Auftreten mit einem Frühjahrsgipfel typisch ist, sollte man die Erkrankung ganzjährig auf dem Radar haben. Ingo Schäfer bestätigt, dass die Seroprävalenz hoch ist. Sie liegt in Deutschland sowohl für Hunde als auch für Pferde mit regionalen Unterschieden um 20–30 %. Die klinische Erkrankungshäufigkeit hat dabei über die Jahre bei Hunden nicht zugenommen, weiß Reto Neiger zu berichten. Jessica Cavallieri bestätigt auch für Pferde, dass ein Infektionsrisiko ubiquitär im deutschsprachigen Raum bis in höheren Lagen vorhanden ist, die Erkrankungsrate aber relativ moderat ist.
Diagnostik
Barbara Willi warnt vor der Überschätzung von Antikörpern. Aufgrund der hohen Seroprävalenz sind sie für den Nachweis einer akuten Infektion und als Entscheidungsgrundlage, ob eine klinisch relevante und therapiewürdige granulozytäre Anaplasmose vorliegt, ungeeignet. Ein einzelner positiver Antikörper-Titer rechtfertige keine Therapie. Die Diagnose sollte auf einen direkten Erregernachweis abgestützt werden. Reto Neiger unterstreicht die Bedeutung der PCR für die Diagnosestellung. Bei Vorhandensein von klinischen Symptomen, sollte zunächst im Blutausstrich nach Morulae gesucht und dann die PCR durchgeführt werden. Barbara Willi erklärt, dass die Morulae typische basophile Einschlüsse in den Granulozyten darstellen, die als Nachweis für die Infektion dienen können. Die Suche nach Morulae im Blutausstrich bietet sich als schnelles, hinweisendes Diagnostikum an. Sie stimmt aber mit Ingo Schäfer darin überein, dass es Übung bedarf, sie zu identifizieren. Zudem treten Morulae nur in einem begrenzten Zeitfenster nach Infektion auf und können leicht übersehen werden. Jessica Cavallieri bestätigt, dass das Gesagte auch für das Pferd gilt. Die positive PCR ist Voraussetzung für die Diagnose. Eine Therapie allein auf Verdacht basierend auf einem positiven Antikörper sei nicht sinnvoll.
Ingo Schäfer gibt zudem zu bedenken, dass die Bestimmung von Antikörpern selbst im negativen Fall nicht unbedingt weiterhilft. Bei akuter Erkrankung kann es noch zu früh für eine Antikörperproduktion sein. Ein negativer Titer schließt eine Infektion daher nicht automatisch aus. Die Teilnehmer möchten wissen, ob eine gepaarte Serumprobe mit Titeranstieg eine Möglichkeit zur Diagnostik der Anaplasmose ist. Reto Neiger sieht dies kritisch. Die granulozytäre Anaplasmose ist eine Akuterkrankung, die entsprechend in ihrer symptomatischen Phase behandelt werden muss. Die Entscheidung zur Therapie kann nicht auf einem 2–4 Wochen später nachweisbarem Titeranstieg beruhen.
Therapie und Prognose
Zur Therapieempfehlung befragt, nennt Reto Neiger eine Doxycyclin-Dosierung von 5 mg/kg BID oder 10 mg/kg SID. Im Gegensatz zu der bisher oft empfohlenen Behandlungsdauer von vier Wochen wird heutzutage oft nur noch zwei bis drei Wochen therapiert. Barbara Willi bestätigt, dass zwei bis drei Wochen Therapiedauer in den meisten Fällen ausreichend ist. Evidenzbasierte Daten liegen nicht vor. Grundsätzlich sind reduzierte Therapiedauern aus Sicht des Antimicrobial Stewardship zu begrüßen.
Ein großer systematischer Literaturreview für A. phagocytophilum-Infektionen bei Menschen ergab eine mittlere Therapiedauer von 13 Tagen. Ob eine Behandlungszeit von weniger als zwei Wochen ausreichend ist, ist aktuell schwer zu sagen. Momentan wird dies nicht empfohlen. Für Katzen empfiehlt Ingo Schäfer weiterhin eine Behandlungsdauer von 21 Tagen mit 10 mg/kg SID per os. Auch wenn eine rasche klinische Besserung eintritt, sollte die Tablettengabe vollständig erfolgen. Allerdings ist unbedingt zu beachten, dass Doxycyclin mit einer Mahlzeit oder mit Wasser verabreicht werden sollte. Das Liegenbleiben der Tablette im Ösophagus kann zu schweren Entzündungsreaktionen und Strikturen führen. Jessica Cavallieri erläutert, dass beim Pferd Oxytetracyclin oder Doxycyclin eingesetzt werden – je nach klinischer Situation und Verträglichkeit. Eine Therapiekontrolle mittels PCR sei nicht erforderlich. Letzteres wird von den anderen Experten auch für Hund und Katze bestätigt. Der Therapieerfolg wird vorrangig anhand der Besserung der klinischen Symptome und dem Verschwinden der Laborwertveränderungen beurteilt.
Zur Prognose äußern sich alle Experten optimistisch. Eine Chronifizierung scheint nicht vorzukommen. Reinfektionen sind allerdings möglich. Eine Infektion mit A. phagocytophilum hinterlässt zwar Antikörper, aber offensichtlich keine belastbare Immunität.
Prophylaxe und Zeckenschutz
Christina Strube stellt klar, dass Zeckenschutzmittel aus der Tierarztpraxis die beste Prävention darstellen. Vorsicht ist bei Alternativpräparaten aus dem Tierhandel geboten, da manche nicht zuverlässig schützen. Auf populäre Hausmittel, wie Lavendel- oder Rosmarinextrakte, angesprochen, äußert sie sich ebenfalls kritisch, da hiermit der notwendige Zeckenschutz nicht erreicht werden kann. Stattdessen rät sie zu individuell an die jeweilige Lebenssituation angepassten Präparaten nach tierärztlicher Beratung. Wichtig sei, dass die Mittel schnell genug wirken – idealerweise also innerhalb der Zeit bis zur Übertragung des Erregers. Auch im Winter sei ein Schutz ratsam, da Zecken mittlerweile durch milde Temperaturen ganzjährig aktiv sind. Während für Hunde und Katzen viele nachweislich effektive Antiparasitika existieren, gestaltet sich für Pferde die Zeckenprophylaxe nicht ganz einfach. Die vorhandenen Permethrin-basierten Präparate müssen sehr häufig aufgetragen werden, um konstant wirksam zu sein. Orale Antiparasitika, wie sie für Hund und Katze eingesetzt werden, besitzen bei Pferden eine ungünstige Bioverfügbarkeit, so dass sie wohl keine zukünftige Alternative darstellen.
Dr. Jennifer von Luckner



