Die Zöliakie des Menschen ist eine Gluten-induzierte Enteropathie, die durch einen spezifischen genetischen Genotyp (HLA-DQ2/ HLA-DQ8 Gene) sowie durch den Nachweis von gegen Gluten gerichtete Autoantikörper charakterisiert ist (Leonard et al. 2017).
Gluten ist das Hauptspeicherprotein von Getreide (Weizen, Roggen, Gersten, Dinkel; Abb. 1) und eine komplexe Mischung von Hunderten ähnlichen und doch leicht unterschiedlichen Proteinen, v. a. aber Gliadin und Glutein (Biesiekierski 2017).
Beim Menschen wurde das Krankheitsbild der Zöliakie erstmals 1887 von Samuel Gee beschrieben, wobei Weizen als möglicher auslösender Faktor erst ca. 60 Jahre später, 1941, von William Diecke festgestellt wurde (Diecke 1941).
Klinisch fallen Betroffene v. a. durch eine Malabsorption, Durchfall sowie Kinder hauptsächlich durch Wachstumsstörungen auf (Andersen 1947). Die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung liegt mit regionalen Unterschieden bei ca. 1 % (Husby et al. 2012).
Bei Hunden sind im Zusammenhang mit einer Glutenunverträglichkeit zwei voneinander unabhängige Krankheitsbilder beschrieben. Zum einen ein Symptomkomplex beim Irish Setter, welcher v. a. durch Verdauungsstörungen geprägt ist, zum anderen ein hauptsächlich durch Anfälle geprägtes klinisches Bild beim Border Terrier.
In letzter Zeit treten jedoch auch Mischformen hinsichtlich der klinischen Bilder immer mehr in den Fokus der Wissenschaft (Lowrie 2017)
Ähnlich zur Zöliakie des Menschen wurden beim Irish Setter im Zusammenhang mit der Aufnahme von Gluten Verdauungsstörungen mit Innappetenz, chronischen Durchfällen sowie Gewichtsverlust bzw. bei Jungtieren auch Wachstumsverzögerungen beschrieben (Daminet 1996; Biagi et al. 2020). Die klinischen Symptome beginnen üblicherweise in einem Alter von sechs Monaten (Daminet 1996), die pathologischen Veränderungen sind allerdings bereits mit vier Monaten nachweisbar (Manners et al. 1998). Pathologisch ist eine erhöhte intestinale Permeabilität, eine partielle Villusatrophie sowie eine intraepitheliale Infiltration mit Lymphozyten detektierbar (Pemberton et al. 1997). Der mukosale Schaden ist bei Irish Settern jedoch typischerweise weniger stark ausgeprägt als bei an Zöliakie erkrankten Menschen (Pemberton et al. 1997).
Diese mit Verdauungsproblemen einhergehende Gluten-Sensitivität des Hundes scheint rassespezifisch beim Irish Setter aufzutreten (Daminet 1996) und wird laut Garden et al. (2000) autosomal rezessiv vererbt.
Nach Umstellung der Fütterung auf eine Gluten-freie Diät bessern sich i. d. R. alle klinischen Symptome drastisch und auch unmittelbar (Pemberton et al. 1997; Biagi et al. 2020).
Obwohl bei Menschen mit Zöliakie erhöhte Gliadin-IgG-Antikörper-Titer detektierbar sind und diese auch als Screeningtest genutzt werden (Leonard et al. 2017), konnte in einer ersten Studie aus dem Jahre 1992 von Hall et al. bei Irish Settern mit Gluten-sensitiver Enteropathie kein erhöhter Gliadin-IgG-Antikörper-Titer gemessen werden. Hall et al. (1992) spekulierten, dass dies mit einer Immunkomplexbindung der Gliadin-IgG-Antikörper begründet werden könne. Dieser in bisher nur der genannten einen Studie untersuchte Zusammenhang ist jedoch fraglich (Biagi et al. 2020) und sollte in weiteren Studien genauer geprüft werden. Denn der Test auf vorhandene Antikörper würde auch für die Gluten-induzierte Enteropathie des Irish Setters ein wertvolles Diagnostikum darstellen (Manuskript in Vorbereitung).
Beim Border Terrier hingegen ist im Zusammenhang mit der Aufnahme von Gluten-haltigen Futtermitteln das canine epileptoid cramping Syndrom beschrieben (Black et al. 2014). Dieses Krankheitsbild −auch bekannt als “Spike’s disease”− sollte nach neuesten Veröffentlichungen besser als paroxysmale Gluten-sensitive Dyskinesie (PGSD) bezeichnet werden, da es nicht mit epileptiformen Anfällen im Zusammenhang steht und auch klar davon unterschieden werden sollte (Lowrie 2017).
Es handelt sich dabei um Bewegungsabnormalitäten, die nur episodenweise auftreten, völlig selbstlimitierend sind und bei denen die Tiere, anders als bei epileptiformen Anfällen, die ganze Zeit bei vollem Bewusstsein sind (Lowrie 2017). Als abnorme Bewegungen wurden u. a. Schwierigkeiten beim Gehen, ein milder Tremor und Krämpfe, Dystonien (unwillkürliche Muskelkontraktionen) beschrieben (Black et al. 2014).
Meist waren alle vier Gliedmaßen, der Kopf sowie der Nacken betroffen. Zwischen diesen Phasen mit abnormen Bewegungen, die 2−30 Minuten dauern können, liegen oft lange Perioden mit völlig normalem Verhalten (Black et al. 2014).
Neben diesen abnormen Bewegungen sind auch ein leeres, unbestimmtes Starren (bei vollen Bewusstsein), gastrointestinale Symptome (gesteigerte Darmgeräusche mit Erbrechen und Durchfall, häufig auch in engem zeitlichen Zusammenhang zu den PGSD-Anfällen) sowie Atopie mit starkem Juckreiz als klinische Symptome der Gluten-Sensitivität des Border Terriers beschrieben (Lowrie 2017; Lowrie et al. 2018).
Die klinischen Symptome betroffener Border Terriern sind oft vor dem dritten Lebensjahr zu beobachten. Die Fütterung einer Gluten-freien Diät führt in 50 % der Fälle unmittelbar zu einer Reduktion der Anfallsfrequenz (Black et al. 2014).
Laut Lowrie (2017) sind Border Terrier die einzige Rasse, in der PGSD mit Sicherheit nachgewiesen wurde. Park et al. (2014) beschrieben jedoch auch einen Fall von PGSD bei einem neun Monate altem Yorkshire Terrier, der mit Gluten-freier Fütterung völlig unauffällig war und deshalb laut den Autoren eindeutig diagnostiziert werden konnte.
Erhöhte Spiegel der modifizierten Gliadin-IgG- (MGP-IgG) und der Gewebs-Transglutaminase-IgA- (TG-2-IgA) Antikörper stellen einen spezifischen Marker für die Diagnose der paroxysmalen Gluten-sensitiven Dyskinesie (PGSD) des Border Terriers dar (Lowrie et al. 2015; Lowrie et al. 2018).
Bei Gluten-freier Diät erkrankter Border Terrier (mind. 3−9 Monate lang) sinken beide Antikörpertiter-Spiegel (Lowrie et al. 2015). Dies kann zum einen zur Therapiekontrolle von an PGSD leidenden Border Terriern genutzt werden, kann aber andererseits bei falsch gewähltem Zeitpunkt der Testdurchführung (bereits Fütterung einer Gluten-freien Diät über einen längeren Zeitraum) auch zu falsch negativen Ergebnissen führen.
In einer im Haus durchgeführten Studie konnten wir von 129 Hunden, bei denen eine Futtermittelallergietest aufgrund entsprechender Anamnese durch-geführt worden war, in 26/129 Fällen ein positives und in 24/129 weiteren Fällen ein fragliches Ergebnis hinsichtlich einer möglichen Gluten-Sensitivität nachweisen.
Bemerkenswert war, dass es sich bei den dabei auffälligen Rassen v. a. um Mischlinge (n=10), Französische Bulldoggen (n=5), Deutsche Schäferhunde (n=4), Labrador Retriever (n=4) und Deutsche Boxer (n=3) handelte.
- Abbildung 1: Taxonomie glutenhaltiger und glutenfreier Getreide. © Diana Studerus
- Gluten-Sensitivität im Rahmen der Futtermittelallergiediagnostik (n=129)
Fazit
Obwohl gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Zöliakie des Menschen und der Gluten-sensitiven Enteropathie des Irish Setters bestehen, äußert sich die Gluten-Sensitivität beim Border Terrier im Rahmen der paroxysmalen Gluten-sensitiven Dyskinesie (PGSD) doch sehr unähnlich. Sowohl erste Veröffentlichungen als auch erste im Haus durchgeführte Studien weisen darauf hin, dass nicht nur Irish Setter und Border Terrier, sondern auch andere Rassen (v.a. Terrier, Terrier-Mischlinge) mit klinischen Symptomen und positiven Antikörper-Titern auf die Aufnahme von Gluten-haltigen Futtermitteln reagieren.
Test auf canine Gluten-Sensitivität:
- 0,5 ml Serum
- Bestimmung der MGP-IgG und TG-2-IgA- Antikörper
- Für alle Hunderassen möglich