Leukämien sind bei Hunden und Katzen im Vergleich zu anderen soliden Neoplasien eher selten. Im Anfangsstadium sind sie schwer zu diagnostizieren und können leicht mit Entzündungen oder anderen Erkrankungen verwechselt werden. Daher sind neben einem Blutbild und einer gründlichen Anamnese auch zusätzliche diagnostische Tests erforderlich, bevor die Diagnose einer Leukämie bestätigt werden kann.
Was ist eine Leukämie?
Bei einer Leukämie handelt es sich um eine maligne Erkrankung des Knochenmarks, bei welcher es durch eine ungehemmte, klonale Proliferation hämatologischer Vorläuferzellen zu einer mehr oder minder starken Verdrängung der normalen Hämatopoese im Knochenmark (KM) kommt.
Man kann dabei zwischen einer lymphatischen und myeloischen Leukämie (Erythrozyten, Granulozyten, Monozyten und Thrombozyten) unterscheiden.
Je nach ihrem Verlauf und dem Blastenanteil im Knochenmark sowie peripheren Blut können Leukämien in akut und chronisch eingeteilt werden.
Wichtig zu wissen: Was ist der Unterschied zwischen einer Leukämie und einem Lymphom? In beiden Fällen handelt es sich um hämatopoetische Neoplasien, sie entstehen jedoch in unterschiedlichen Geweben. Lymphome entstehen typischerweise in lymphatischem Gewebe (Lymphknoten, lymphatisches System). Wie in der Humanmedizin ist eine genaue Differenzierung zwischen Lymphom und lymphatischer Leukämie selbst mit detailliertem Vorbericht mitunter schwer oder nicht möglich.
Epidemiologie
Sowohl die Genetik als auch Umwelteinflüsse spielen als Risikofaktoren im Hinblick auf die Entwicklung von Leukämien und Lymphomen eine Rolle.
Familiäre, genetische Zusammenhänge sind beim Hund (Golden Retriever, Gordon Setter, Portugiesischer Wasserhund, Rottweiler und Irish Setter) und bei orientalischen Katzenrassen sowie Siamkatzen beschrieben.
Auch Umweltfaktoren (Raucherhaushalt) und Infektionskrankheiten (FeLV) können zur Entstehung von hämatopoetischen Neoplasien beitragen.
Aus der Humanmedizin ist bekannt, dass Leukämien unter anderem durch Exposition gegenüber verschiedenen Karzinogenen, wie Benzol und Phenylbutazon, sowie durch Strahlung ausgelöst werden können. In der Veterinärmedizin gibt es in diesem Forschungsgebiet aktuell noch wenige Daten.
Betroffen von Leukämien sind überwiegend mittelalte Tiere, unabhängig vom Geschlecht.
Klinik
Das klinische Erscheinungsbild variiert bei hämatopoetischen Neoplasien stark und ist abhängig von Lokalisation, betroffenen Organen und dem Vorhandensein einer paraneoplastischen Entzündung.
Patienten mit myeloproliferativen Neoplasien, chronischen lymphatischen Leukämien und Lymphomen sind zu Beginn häufig asymptomatisch.
Im Verlauf kommen meist unspezifische Veränderungen hinzu. Dazu gehören:
- Lethargie
- reduzierter Appetit
- schleichender Gewichtsverlust
- Organveränderungen im weiteren Verlauf (Splenomegalie, Hepatomegalie, Lymphadenopathien)
Im Gegensatz dazu zeigen Patienten mit akuten Leukämien meist deutliche Symptome:
- akut gestörtes Allgemeinbefinden
- Fieber
- Inappetenz
- Gewichtsverlust
- Erbrechen
- Durchfall
- Organveränderungen (Splenomegalie)
Laborbefunde
Oft handelt es sich um einen Zufallsbefund. Veränderungen im weißen Blutbild in Form von Leukozytosen sind am auffälligsten. Die Leukozytose kann dabei in unterschiedlicher Ausprägung auftreten und wird durch einen Anstieg der betroffenen Zellreihe ausgelöst. Lymphozytosen sind dabei am häufigsten zu beobachten und können von gering- bis höchstgradig variieren. In der Regel kommt es zu einer progressiven Verschlechterung mit zunehmender Krankheitsdauer.
Andere typische Veränderungen sind Anämien und Thrombozytopenien.
Klassifizierung
Leukämien werden nach dem Zellstamm klassifiziert, von dem die Neoplasie ausgeht. Man unterscheidet hierbei zwischen myeloischen und lymphatischen Leukämien, welche im Weiteren in akut und chronisch unterteilt werden können.
Myeloproliferative Neoplasien beziehen sich auf ihren Ursprung in Erythrozyten-, Granulozyten-, Monozyten- oder Thrombozytenvorläufern. Die lymphatischen Leukämien beziehen sich entsprechend auf ihren Ursprung in den T- oder B-Lymphozyten oder natürlichen Killerzellen.
Lymphoproliferative Neoplasien
Lymphatische Leukämien können anhand des Zelltyps, der Anzahl der im Umlauf befindlichen Zellen und des Krankheitsstadiums weiter klassifiziert werden.
Man unterscheidet dabei akute lymphatische Leukämien (ALL) und chronische lymphatische Leukämien (CLL). Dieses Klassifizierungssystem basiert auf dem Schweregrad der Erkrankung, der Zellmorphologie, dem Immunophänotyp und genetischen Veränderungen der Zellen.
Während bei der CLL die Lymphozyten morphologisch den normalen kleinen, reifen Standardlymphozyten ähneln, finden sich bei der ALL unreife, mittelgroße bis große Lymphoblasten.
Myeloproliferative Neoplasien (MPN)
Myeloproliferative Neoplasien (MPN) treten bei Hunden und Katzen sehr selten auf. Sie sind meist indolent und langsam fortschreitend, können sich aber zu aggressiven akuten myeloischen Leukämien (AML) entwickeln.
In der Humanmedizin sind nur wenige Hundert Fälle von chronischen Neutrophilen- oder Eosinophilen-Leukämien beschrieben. Auch bei Hunden und Katzen gibt es nur einzelne beschriebene Fälle. Es handelt sich bei diesen Einzelfällen jeweils um eine Ausschlussdiagnose, welche nach sorgfältiger Diagnostik inklusive Knochenmarkszytologie und wiederholten Blutbildern gestellt wird. Reaktive Prozesse und Entzündungen kommen deutlich häufiger vor und müssen daher sicher ausgeschlossen werden.
Akute myeloproliferative Neoplasien
Bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) handelt es sich um eine heterogene, aggressive Neoplasie der hämatopoetischen Stamm- und Progenitorzellen. Akute myeloische Leukämien werden nach ihrem zellulären Ursprung und ihrem Immunophänotyp klassifiziert und in die verschiedenen Subtypen AML-M0, AML-M1, AML-M2, AML-M2B, AML-M4, AML-M5, AML-M6 und AML-M7 eingeteilt.
Diagnostik
Je nach Veränderungen im Blutbild und dem Vorbericht kann die Diagnose einer Leukämie auf Grund der vielen verschiedenen Entitäten einfacher oder aufwändiger sein.
Folgendes ist zur Diagnosestellung und Leukämieklassifizierung notwendig:
- gründliche Anamnese
- Signalement
- großes Blutbild
- klinisch-chemische Organparameter
- Reise-/Auslandsvorbericht (Ehrlichiose? Leishmaniose?)
- Impfstatus?
- Freigängerkatze? (FeLV)
- Zytomorphologie (peripheres Blut, Knochenmark)
- Immunophänotypisierung mittels Durchflusszytometrie
- Lymphozytenklonalitätsuntersuchung
- zytochemische Färbungen
Die morphologische Zellbeurteilung spielt eine entscheidende Rolle in der Leukämie-Diagnostik, weshalb gute, frische Ausstriche zwingend notwendig sind. Die Zellmorphologie gibt einen ersten Eindruck über den möglichen Ursprung der Neoplasie. Mittels Zelldifferenzierung, Anteil an dysplastischen Veränderungen und Menge an Blasten erfolgt die weitere Vordifferenzierung.
Im Anschluss können weiterführende Untersuchungen wie die Immunophänotypisierung und eine Klonalitätsuntersuchung durchgeführt werden.
Die Immunophänotypisierung ist ein Verfahren, bei dem die Zellabstammung mithilfe von Antikörperfärbungen in Flüssigkeiten (zum Beispiel peripherem Blut, Knochenmarksaspirat oder Lymphknotenpunktat) festgestellt wird. Neben der Unterscheidung von myeloischen und lymphatischen Leukämien kann beim Hund auch zwischen akuter und chronischer Leukämie differenziert werden. Im weiteren Verlauf kann häufig der Ursprung lymphatischer Leukämien in T-Helferzellen, zytotoxischen T-Zellen oder B-Zellen differenziert werden. Dies ermöglicht eine genauere Aussage über die Prognose.
Mittels Lymphozytenklonalitätsuntersuchung (PARR = PCR for Antigen-Receptor-Rearrangements) kann eine monoklonale Lymphozytenpopulation mittels DNS aus Blut, Punktaten, Ausstrichen und Gewebeproben nachgewiesen werden.
Auf genetischer Ebene kann in B- und T-Lymphozyten unterteilt werden.
Fazit
Leukämien treten auch bei Hunden und Katzen auf, sind jedoch selten. Bei Verdacht auf myeloproliferative Neoplasien muss zwingend vorab eine Entzündung sicher ausgeschlossen werden. Zur Klassifizierung sind weiterführende Untersuchungen wie Zytomorphologie, Immunophänotypisierung und Klonalitätsuntersuchung erforderlich.
Dr. Annemarie Baur-Kaufhold