Pyodermien oder bakterielle Hautinfektionen (von griech.: pyo: Eiter und derma: Haut) kommen bei Hunden sehr häufig vor. Sie entwickeln sich in der Regel sekundär zu einer anderen Hauterkrankung, sodass bei einer Pyodermie immer die primäre Ursache gesucht werden muss.
Es gibt verschiedene Formen von Pyodermien, die je nach dem betroffenen Bereich, der Tiefe der Infektion oder dem klinischen Erscheinungsbild, jeweils andere Namen erhalten. Dies ist ein Hinweis auf die vielen Gesichter der Hautinfektion und die möglichen Schwierigkeiten bei der Diagnose.
Die klassische Einteilung von Pyodermien nach der Tiefe der Infektion ist für die Bestimmung der Prognose sowie der Behandlung und der Behandlungsdauer äußerst nützlich.
Oberflächenpyodermien betreffen nur die Epidermis und einen bestimmten Bereich des Körpers, z. B. Hautfalten, interdigitale Räume. Sie verursachen Juckreiz, Erythem, Exsudation, schlechten Geruch und sogar schwerere Läsionen wie Erosion und Ulzeration. Die Behandlung basiert auf der Verwendung von Antiseptika und der Kontrolle von Juckreiz und Entzündung, falls erforderlich.
Oberflächliche Pyodermien betreffen die Epidermis, die oberflächliche Dermis und können auch den Haarfollikel betreffen. Die charakteristischen Läsionen dieser Pyodermien (Abb.1) sind Alopezie, Papeln, Pusteln, epidermale Kollaretten, Abschuppung sowie Krustenbildung und sie werden im Allgemeinen von Pruritus begleitet. Die Behandlung erfordert die Anwendung topischer Antiseptika, und zusätzlich zur Behandlung der primären Ursache in der Regel topische oder systemische Antibiotika.
Tiefe Pyodermien betreffen die gesamte Dicke der Haut, einschließlich der mittleren und tiefen Dermis, und können sogar den Panniculus adiposus (Unterhautfettgewebe) angehen. Die Läsionen sind in der Regel schmerzhaft und umfassen hämorrhagische Bullae, Knötchen, regionale Schwellungen, Alopezie, Geschwüre und Fistelkanäle mit hämorrhagischem, hämopurulentem oder eitrigem Ausfluss. Die Anwendung systemischer Antibiotika ist notwendig. Die Auswahl des Antibiotikums sollte aufgrund der Ergebnisse einer bakteriellen Kultur und der bakteriellen Sensitivität erfolgen.
Die verschiedenen Arten von Pyodermien und ihre klinischen Merkmale werden im Folgenden beschrieben.
Oberflächenpyodermien
a. Die bakterielle Überwucherung oder bacterial overgrowth (BOG) ist klinisch durch das Vorhandensein von diffusem Erythem, Schuppung und fettigem Exsudat mit weißlicher oder gelblicher Farbe und schlechtem Geruch gekennzeichnet. Betroffene Tiere leiden oft unter Juckreiz. Der Bauch, die Interdigital- und Zwischenballenbereiche sowie die Ohrmuschel sind die am häufigsten betroffenen Areale.
b. Intertrigo oder Hautfaltenpyodermie wird durch Reibung, Feuchtigkeit und Temperatur der Falten verursacht, was die Bakterienvermehrung begünstigt. Der Name wird durch die betroffene Falte ergänzt, z. B: Intertrigo oder Pyodermie der Gesichtsfalten (Abb. 2), der Schwanzfalten, der Vulvafalten, …. Die betroffene Haut ist feucht, fettig und erythematös und kann ein übelriechendes, weißliches Exsudat aufweisen. In schweren Fällen können Erosionen und Ulzerationen auftreten.
c. Pyotraumatische Dermatitis, Hot Spot oder akute feuchte Pyodermie wird durch einen sehr intensiven fokalen Juckreiz ausgelöst, der zu einem Selbsttrauma des entsprechenden Bereichs führt und erosive, ulzerative, exsudative Läsionen und fokale Alopezie hervorruft. Es ist ein sehr akuter und schwerwiegender Prozess, der nicht nur Juckreiz, sondern auch starke Schmerzen in diesem Bereich verursacht. Eine der häufigsten Ursachen sind Flohstiche.
Die Diagnose basiert auf dem klinischen Bild, das durch zytologische Ergebnisse ergänzt wird.
Die Zytologie ist bei den Oberflächenpyodermien durch ein vermehrtes Vorliegen von Bakterien gekennzeichnet, die in der Regel kokkoid und in Ausnahmefällen stäbchenförmig sind – im Allgemeinen in Abwesenheit von Entzündungszellen. Das Vorhandensein von Entzündungszellen, hauptsächlich degenerierten Neutrophilen, die vor allem in Fällen mit Erosion oder Ulzeration vorkommen können, deutet auf einen intensiven Entzündungsprozess hin, der mit entzündungshemmenden Medikamenten, in der Regel topischen Kortikosteroiden, behandelt werden muss, auch wenn in einigen Fällen – je nach klinischem Bild – die Anwendung systemischer Kortikosteroide für einige Tage erforderlich sein kann.
Die Behandlung besteht aus der Reinigung und der Anwendung von Antiseptika auf der betroffenen Stelle, zusammen mit der Verwendung von topischen Kortikosteroiden bei Entzündungen. Die primäre Ursache muss identifiziert und behandelt werden.
Vorsicht: Es ist nicht notwendig, topische oder systemische Antibiotika zu verwenden.
Oberflächliche Pyodermien
a. Impetigoäußert sich durch zahlreiche feste Pusteln, die sich normalerweise ausschließlich in der Axilar-, Bauch- und Inguinalregion von Welpen befinden. Ein ähnlicher, aber schwererer Verlauf kann bei immunsupprimierten älteren Hunden beobachtet werden, mit großen schlaffen oder gespannten Pusteln (bullöse Impetigo).
b. Bakterielle Follikulitis ist die häufigste Form der Pyodermie des Hundes, betrifft den Haarfollikel und führt zu fokaler, multifokaler oder generalisierter Alopezie, wobei Papeln, Pusteln, Krusten und epidermale Kollaretten auftreten kö Sie wird – unabhängig von der primären Ursache – von Juckreiz begleitet.
c. Die oberflächlich ausbreitende Pyodermie ist durch das Vorhandensein von Papeln, Pusteln und epidermalen Kollaretten (Abb. 3) gekennzeichnet. Die epidermalen Kollaretten können sehr ausgedehnt sein, mit intensivem Erythem und peripherer Exfoliation. Die Infektion verursacht Juckreiz im betroffenen Bereich.
d. Die mukokutane Pyodermie führt zu einer Depigmentierung, weiterhin kommt es zu Erosionen, eitriger Exsudation und Krustenbildung. Sie findet sich an den Schleimhautübergängen, vor allem an den Lippen, kann aber auch an Nase, Augenlidern, Vulva, Präputium und Anus auftreten. In der Regel handelt es sich um eine chronische Entzündung, die eine langfristige Behandlung erfordert. Die wichtigsten Differentialdiagnosen sind der diskoide Lupus erythematodes (DLE) und das epitheliotrope Lymphom (EEL), weshalb eine korrekte Diagnose wichtig ist, da die Prognose und die Behandlung dieser drei Krankheiten völlig unterschiedlich sind. Die Diagnose basiert auf dem klinischen Bild und der Hautbiopsie. Vor der Biopsieentnahme wird eine Behandlung mit systemischen Antibiotika über mindestens eine Woche empfohlen, um histopathologische Läsionen zu reduzieren, die im Falle von DLE und EEL mit einer möglichen bakteriellen Sekundärkomplikation verbunden sind.
Beim Vorhandensein von Pusteln basiert die Diagnose auf dem klinischen Bild und der Zytologie, bei der Bakterien in neutrophilen Granulozyten (intrazelluläre Kokken) nachgewiesen werden können (Abb. 4).
Fälle von bakterieller Follikulitis ohne Pusteln oder epidermale Kollaretten sind schwer zu diagnostizieren, da nur eine Biopsie Diagnosesicherheit geben kann. Die Hauptdifferenzialdiagnosen der bakteriellen Follikulitis sind Demodikose und Dermatophytose, daher erfordert das Diagnoseprotokoll, eine Trichographie, um das Vorhandensein von Follikelzylindern (Hinweis auf eine Entzündung des Follikels) und die An- oder Abwesenheit von Demodex-Milben und Pilzelementen oder die Zerstörung der Haarschaftstruktur zu überprüfen. Besteht der Hauptverdacht auf Dermatophytose, sollte eine Dermatophytenkultur oder eine Dermatophyten-PCR durchgeführt werden.
Zur Behandlung der juvenilen Impetigo ist in der Regel die Anwendung topischer Antiseptika, vorzugsweise in Form von Bädern, ausreichend.
Die anderen oberflächlichen Pyodermien erfordern eine topische Behandlung mit Antiseptika in Verbindung mit einer systemischen Antibiotikabehandlung, wenn sie generalisiert sind. Lokalisierte Läsionen können auf eine antiseptische Behandlung ansprechen, die bei Bedarf mit einer topischen Antibiotikabehandlung kombiniert werden kann.
Die mukokutane Pyodermie ist ein langfristiger Prozess, der eine sehr lange antibiotische Behandlung erfordert, obwohl es sich um eine oberflächliche Pyodermie handelt.
Tiefe Pyodermien
a. Furunkulose. Wenn eine bakterielle Infektion die Haarfollikel betrifft, kommt es zu einer Haarfollikelruptur oder Furunkulose. Dies führt zur Ausbreitung der Infektion in die mittlere und tiefe Dermis und zu einer Fremdkörperreaktion, die mit der Freisetzung von Haaren und Keratin in die Dermis einhergeht und pyogranulomatöse Läsionen hervorruft. Klinisch äußert sich dies durch eine Ausbildung von Knötchen, Fistelkanälen, Geschwüren und Krusten.
b. Abszesse sind abgekapselte Ansammlungen von Eiter und nekrotischem Gewebe, die sich klinisch als erythematöse, heiße und schmerzhafte Beulen äußern. Sie werden normalerweise durch das Eindringen von Bakterien durch Stichwunden oder Bisse verursacht.
c. Zellulitis ist eine diffuse Infektion und Entzündung, die mehrere Gewebeschichten betrifft und normalerweise regional begrenzt auftritt, obwohl sie auch multilokulär ausgebildet sein kann. Sie äußert sich durch schmerzhafte Schwellungen, die eine erhöhte Temperatur aufweisen. Es gilt zu beachten, dass die juvenile Zellulitis jedoch kein infektiöser, sondern ein immunvermittelter Prozess ist, der eine Behandlung mit entzündungshemmenden/immunsuppressiven Medikamenten erfordert.
Die Diagnose tiefen Pyodermien basiert auf dem klinischen Bild, der Zytologie, der Biopsie und der bakteriellen Kultur des Hautgewebes.
Die Zytologie der Furunkulose zeigt eine pyogranulomatöse Entzündungsreaktion aufgrund der Fremdkörperreaktion, die durch die Ruptur der Haarfollikel hervorgerufen wird, mit dem Vorhandensein von hauptsächlich neutrophilen Granulozyten und Makrophagen (Abb. 5), in der Regel mit einer eosinophilen Komponente. Bakterien sind in diesen zytologischen Präparaten nicht leicht zu finden.
Bei Abszessen ist die Entzündung neutrophil und in der Zytologie sind zahlreiche intra- und extrazelluläre Bakterien nachweisbar.
Die Behandlung der tiefen Pyodermie erfordert eine systemische antibiotische Behandlung basierend auf Bakteriologie und Antibiogramm. Abszesse erfordern eine chirurgische Drainage zusammen mit einer Antibiotikatherapie zur Auflösung.
Die Dauer der Antibiotikabehandlung hängt von der Tiefe der Infektion ab. Oberflächliche Pyodermien erfordern in der Regel 3 – 4 Wochen Behandlung, tiefe Pyodermien mindestens 6 –8 Wochen. Sobald eine klinische Heilung (vollständige Abwesenheit von Läsionen und bei tiefen Infektionen auch palpierbare Heilung) erreicht ist, sollte die Behandlung bei oberflächlichen Infektionen weitere 7 Tage und bei tiefen Infektionen mindestens 14 Tage fortgesetzt werden.
Der wichtigste bakterielle Erreger der Pyodermie des Hundes ist Staphylococcus pseudintermedius, dessen Sensitivität gegenüber Antibiotika im Allgemeinen gut bekannt ist. Daher kann bei einer ersten Episode einer nicht lebensbedrohlichen Hautinfektion mit klinischen Läsionen und einer Zytologie, die mit einer oberflächlichen Pyodermie übereinstimmt und falls kein Grund für den Verdacht einer bakteriellen Resistenz besteht, eine empirische Behandlung mit Cephalosporinen der ersten Generation oder Amoxicillin/Clavulansäure gewählt werden.
Warnung: Niemals Antibiotika der zweiten Wahl (z. B. Chinolone) oder Antibiotika der dritten Wahl verwenden, ohne dass eine Kultur und das Ergebnis der Empfindlichkeitsprüfung vorliegen. In Deutschland gilt ohnehin nach TÄHAV eine Antibiogrammpflicht für alle Chinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation. Der wahllose Einsatz von Antibiotika ist fahrlässig und führt zur Entwicklung bakterieller Resistenzen.
Eine bakterielle Kultur und ein Antibiogramm sind immer dann erforderlich, wenn einer der folgenden Punkte vorliegt:
- tiefe Pyodermie oder lebensbedrohliche Infektion
- keine Übereinstimmung zwischen klinischen Symptomen und Zytologie
- stäbchenförmige Bakterien in der Zytologie
- Infektionen, die mit einer empirischen Antibiotikatherapie nicht abklingen
- immunsuppressive Erkrankung oder Behandlung
- nicht heilende Wunden
- postoperative oder nosokomiale Infektion
Im Allgemeinen sind die meisten Pyodermien sekundär zu einer anderen dermatologischen oder primären systemischen Erkrankung, die untersucht, diagnostiziert und behandelt werden muss, um ein Wiederauftreten der Pyodermie zu vermeiden. Die Krankheiten, die am häufigsten zum Auftreten von Pyodermien führen, sind allergische Erkrankungen, aber sie kommen auch bei endokrinen Erkrankungen, wie Hypothyreose und Hyperadrenokortizismus, häufig sekundär vor. Prinzipiell kann jede Hauterkrankung eine bakterielle Vermehrung begünstigen und die Etablierung einer bakteriellen Sekundärinfektion auslösen.
Primäre idiopathische Pyodermien sind selten und ihre Diagnose basiert auf dem Ausschluss einer wahrscheinlichen Grunderkrankung. Idiopathische rezidivierende Pyodermien erfordern häufig eine längere Antibiotikatherapie und ein maßgeschneidertes Behandlungsschema, um ein Wiederauftreten zu verhindern.
Dr. Carmen Lorente, DVM, PhD, DipECVD