Kaninchen und Meerschweinchen erfreuen sich als Haus- und Heimtiere zunehmender Beliebtheit und gehören damit vermehrt zum Klientel der Tierarztpraxen. Für die Tierärzte bedeutet die gesundheitliche Betreuung der Tiere eine weitere Herausforderung im täglichen Praxisalltag. Hämatologische, klinisch-chemische und serologische Laboruntersuchungen können hierbei eine essentielle Hilfe darstellen. Eine Fülle von Daten zu labordiagnostischen Parametern bezieht sich überwiegend auf Labortiere bestimmter Rassen, Linien oder eines bestimmten Alters. In der Literatur finden sich aber nur wenige Angaben zu Laborwertveränderungen bei bestimmten Erkrankungen der kleinen Heimtiere. Diese Ausgabe von LABOKLIN aktuell beschäftigt sich mit der Hämatologie von Kaninchen und Meerschweinchen – die nicht in die Kategorie Labortiere fallen -, deren labordiagnostischen Referenzwerte sowie deren Besonderheiten.
Blutentnahme
Das Gesamtblutvolumen beim Kaninchen entspricht 4,5-8,1 % der Körpermasse (55- 66 ml/kg KM). Bei gesunden Kaninchen können 6-10 % des Blutvolumens (3,5-6,5 ml/kg KM) entnommen werden (Bivin und Timmons, 1974; Murray, 2000). Meerschweinchen besitzen mit 4,5-8,3 % ihrer Körpermasse (oder 69-75 ml/kg KM) ein ähnlich großes Gesamtblutvolumen wie Kaninchen. Bei gesunden Meerschweinchen können 7-10 % des Gesamtblutvolumens (oder 0,5-0,7 ml/100g KM) abgenommen werden (Anderson, 1987; Quesenberry et al., 2004).
Kaninchen wie Meerschweinchen sind sehr stressempfindliche Tierarten. Stress bzw. Aufregung während oder unmittelbar vor der Blutentnahme können, wie bei anderen Haussäugetieren auch, verschiedene labordignostische Parameter verändern. Es ist daher zu empfehlen die Tiere vor der Punktion möglichst wenig zu manipulieren. Die Fixierung sollte mit minimalem Zwang vorgenommen werden, das Abdecken des Kopfes kann zur Stressminderung hilfreich sein.
Für die Blutentnahme in der tierärztlichen Praxis kommt sowohl beim Kaninchen als auch beim Meerschweinchen die Vena Saphena in Frage.
Da bei der Blutentnahme bei Kaninchen und Meerschweinchen keine großen Volumina zu erwarten sind, ist es ratsam zur Erstellung eines Blutbildes bzw. zur Bestimmung von klinisch-chemischen Parameter Lithium-Heparin-Blut (LiHep) zu verwenden, da hierdurch die größtmögliche Bandbreite von bestimmbaren Parametern gegeben ist. Zusätzlich ist es sinnvoll schon in der Praxis aus dem gewonnen Blut einen Ausstrich anzufertigen. Somit kann trotz eines eventuellen, transportbedingten schlechten Zellerhalts oder geronnenem Probenmaterial ein manuelles Differenzialblutbild erstellt werden. Eine explizite, morphologische Beurteilung der Blutzellen sollte allerdings nur als Zusatzinformation zu einem aktuellen Blutbild verstanden werden.
Hämatologische Parameter und Besonderheiten beim Kaninchen
In den ersten Tagen post partum entwickelt sich beim Kaninchen das ursprünglich granulozytäre Blutbild hin zu einem Lymphozytären. Gemäß ihrer azidophilen Färbung werden die neutrophilen Granulozyten als pseudoeosinophile Granulozyten bezeichnet. Diese können leicht mit eosinophilen Granulozyten verwechselt werden. Eosinophile Granulozyten stellen sich im Vergleich größer dar und zeigen deutlichere und größere Granula als pseudoeosinophile Granulozyten (Hein und Hartmann, 2003; Walberg und Loar, 2004).
Kaninchen reagieren eher selten auf eine akut bakterielle Infektion mit einer Leukozytose (Hillyer, 1994), sondern mit einer Verschiebung des lymphozytären Blutbildes hin zum Granulozytären. Als Faustregel lässt sich festhalten, dass 80- 60% pseudoeosinophile Granulozyten in einem Differenzialblutbild für ein entzündliches Geschehen sprechen. Hiervon ist das sog. Stressblutbild abzugrenzen. Bei den stressempfindlichen Tieren kommt es durch eine ACTH und Adrenalinausschüttung zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Somit nimmt der marginale Pool der pseudoeosinophilen Granulozyten ab und der zentrale Pool zu. Das Resultat ist wiederum eine relative Zunahme der pseudoeosinophilen Granulozytenpopulation ohne Linksverschiebung, die von einer dementsprechenden, relativen Lymphopenie begleitet ist (Harkness, 1987). Stabkernige pseudoeosinophile Granulozyten werden praktisch nicht beobachtet. Eine kritische, individuelle Interpretation des Blutbildes ist bei diesen Patienten demnach sehr wichtig.
Im Gegensatz zu Hund und Katze reagieren Kaninchen nach Fudge (2000) kaum mit einer Eosinophilie auf parasitären Befall oder im Zusammenhang mit einer Überempfindlichkeitsreaktion. Eine Eosinophilie kann nach Hein bisher lediglich mit einem Milbenbefall bei Meerschweinchen assoziiert werden. Entgleisungen der Leukozytenreifung im Knochenmark – Leukämien – können sowohl bei Meerscheinchen, als auch bei Kaninchen beobachtet werden. Hierbei sind auch Leukozytosen zu beobachten.
Hämatologische Parameter und Besonderheiten beim Meerschweinchen
Im Vergleich zu anderen Tierarten besitzen Meerschweinchen weniger aber dafür größere Erythrozyten (Constable, 1963). Wie das Kaninchen besitzen auch Meerschweinchen ein lymphozytäres Blutbild und Stress kann ebenso zu erheblichen Leukozytosen führen. Auch hier färben sich die neutrophilen Granulozyten azurophil an, unterscheiden sich in ähnlicher Weise von eosinophilen Granulozyten wie beim Kaninchen und werden entsprechend pseudoeosinophile Granulozyten genannt (Walberg und Loar, 2004).
Eine Besonderheit weist das Meerschweinchenblut in Hinblick auf die hier vorkommenden Kurloff-Zellen oder Foa- Kurloff-cells auf. Hierbei handelt es sich um mononukleäre Zellen, die Einschlusskörperchen aufweisen. Die großen Einschlusskörperchen liegen stets einzeln vor und können den Zellkern sichelförmig in die Peripherie verdrängen. Die Einschlusskörperchen können in 3-4 % der peripheren Leukozyten vorkommen. Bei Jungtieren und männlichen Tieren kommen sie selten vor. Bei weiblichen Tieren sind Kurloff-Zellen häufiger zu finden und ihre Anzahl korreliert mit dem Östrogenspiegel (Percy und Barthold, 2001). Bei diesen Zellen wird ein Äquivalent zu natürlichen Killerzellen von anderen Säugetieren vermutet.
Merke
1. | Aufgrund der zu erwartenden, geringen Blutmenge wird die Verwendung von LiHep-Blut empfohlen. | |
2. | Die Anfertigung eines Blutausstrichs schon in der Praxis ist sinnvoll, um bei transportbedingtem, schlechten Zellerhalt des Vollbluts wenigstens ein manuelles Differenzialblutbild zu ermöglichen. | |
3. | Kaninchen und Meerschweinchen weisen ein lymphozytäres Blutbild auf. | |
4. | Die neutrophilen Granulozyten werden wegen ihrer Anfärbbarkeit pseudoeosinophile Granulozyten genannt. | |
5. | Sowohl bei einem Stressblutbild als auch bei einer Entzündung kommt es zu einer relativen Pseudoeosinophilie und Lymphopenie. Leukozytosen sind in diesem Zusammenhang selten und finden sich hauptsächlich bei Leukämien. | |
6. | Entnahmemenge Kaninchen: 3,5-6,5 ml/kg KM Entnahmemenge Meerschwein: 0,5-0,7 ml/100g KM |
10 / 2009