Alopezie oder krankhafter Haarausfall ist ein häufiger Konsultationsgrund bei dermatologischen Patienten, wobei vielfältige Hauterkrankungen beim Hund eine Beeinträchtigung des Haarwachstums verursachen können. Fellwechsel ist ein physiologischer Vorgang und tritt bei den meisten Hunden zweimal im Jahr auf, es gibt jedoch auch einen rassenspezifischen Rhythmus. Diese Phase dauert z.B. beim Pudel sehr lang und bei anderen Rassen wie Schäferhund, Retriever und Boxer ist sie sehr kurz.
Vermindertes Haarwachstum in der Wachstumsphase/Anagenphase oder vermehrter Haarverlust in der Ruhephase/Telogenphase vom Haarzyklus führen zu Alopezie beim Hund. Die Haarzyklusstörungen oder Dysplasien der Follikelstruktur können durch verschiedene Faktoren wie Endokrinopathien (Hypothyreose, Hyperadrenokortizismus, Hyperöstrogenismus, Sertolizelltumor), Medikamente (Chemotherapie, Arzneimittelreaktion), Parasiten (Demodikose), Infektionen (Pyodermie, Dermatophyten), immunvermittelte Erkrankungen (Pemphigus foliaceus, Sebadenitis), kongenitale Erkrankungen (follikuläre Dysplasie), Traumata, telogenes/anagenes Effluvium und Alopezie X ausgelöst werden.
Ein ausführlicher Vorbericht ist erforderlich, um eine Verdachtsdiagnose stellen zu können, z. B. weist eine plötzliche Alopezie nach einer Chemotherapie auf ein anagenes Effluvium hin oder wenn ein Hund Alopezie zeigt und ein anderes Familienmitglied auch Hautveränderung aufweist, kommt die Verdachtsdiagnose der Dermatophytose in Betracht. Das Vorhandensein eines Juckreizes ist eine sehr wesentliche anamnestische Frage, um den richtigen diagnostischen Algorithmus zu wählen. Generell ist es eine der Kardinalfragen – was war zuerst, die Alopezie oder der Juckreiz. Darüber hinaus sollten die folgen Aspekte während der dermatologischen Untersuchung geklärt werden:
- Die Symmetrie der Läsionen (symmetrische Alopezie/nicht-symmetrische Alopezie)
- Die entzündlichen Merkmale der Läsionen (entzündliche Alopezie/nicht-entzündliche Alopezie)
Entzündliche Alopezie
Erkrankungen mit entzündlicher Alopezie sind die häufigsten Dermatosen beim Hund. Die Alopezie tritt fokal oder multifokal durch Infektionen oder Störungen der Strukturen des Haarfollikels (immunvermittelte Erkrankungen; Sebadenitis, Pemphigus foliaceus) auf. Die entzündliche Alopezie ist nicht symmetrisch und kann primär durch Infektionen der Haarfollikel wie bei Demodikose, Dermatophytose, Pyodermie (häufig aber als Sekundärinfektion) oder als sekundäre Alopezie (durch Kratzen wie bei den Allergien) auftreten. Da eine Diagnose durch die klinische Untersuchung alleine oft unmöglich ist, sollten die Untersuchungsmethoden – Zytologie, tiefes Hautgeschabsel, Tesafilm-Abklatsch, Trichoskopie, Pilzkultur, Wood’sche Lampe, PCR und Biopsie – im Falle von fokaler und multifokaler Alopezie basierend auf dem diagnostischen Algorithmus durchgeführt werden (Abb. 1).
Demodikose
Die abnormale Vermehrung der Demodexmilben (Demodex canis (häufigster Auslöser), Demodex cornei, Demodex injai) in Haarfollikeln oder in selten Fällen in Talgdrüsen verursacht eine Demodikose beim Hund. Auf Basis der Anzahl der Läsionen werden < 4 Läsionen in lokalisierte (milde Form) und > 4 Läsionen in generalisierte (moderate bis heftige Form) Demodikose kategorisiert. Immunsupprimierte Patienten oder junge Hunde (unter einem Jahr) sind für eine Demodikose prädisponiert. Die fokale – oder multifokale bis generalisierte nicht-symmetrische entzündliche Alopezie, Komedonen, follicular cast, Hyperpigmentierung an Gesicht, Hals, Vorderpfoten, Kruppe und Rumpf sind die klassischen Erkrankungsbilder. Grundsätzlich erscheint eine Demodikose ohne Juckreiz, welcher aber oft durch die sekundären Infektionen später auftreten kann. Zur Diagnose der Demodikose sind tiefes Hautgeschabsel, Tesafilm-Abklatsch, Trichoskopie, PCR und bei Bedarf eine Biopsie erforderlich. Die lokalisierte Form ist bei den meisten Patienten selbstheilend. Diese Patienten sollen aber alle 2-3 Woche untersucht werden, ob sie eine generalisierte Demodikose entwickelt haben. Außerdem sollte eine sekundäre Infektion durch eine Zytologie ausgeschlossen werden. Die Isoxazoline (Fluralaner, Sarolaner, Lotilaner und Afoxalaner) sind gut wirksame Präparate gegen Demodikose. Die Therapie sollte verabreicht werden bis zwei negative Hautgeschabsel im Abstand von einem Monat vorliegen.
Dermatophytose
Dermatophyten (Microsporum canis, Nannizzia gypsea und Trichophyton mentagrophytes (bei Hunden in ländlichen Regionen) verursachen die Dermatophytose beim Hund, die hauptsächlich bei immunsupprimierten oder jungen Tieren auftritt, insbesondere wenn Katzen (asymptomatische Träger) im selben Haushalt leben. Außerdem scheinen Yorkshire Terrier für Microsporum canis und Jack Russel Terrier für Trichophyton mentagrophytes prädisponiert zu sein. Die klassischen Krankheitsbilder beim Hund sind fokale bis generalisierte nicht-symmetrische entzündliche Alopezien, follicular cast, Schuppen, Follikulitis, Furunkulose, Onychomykose und Kerion (multiple oder solitäre noduläre Läsionen) auf Gesicht und Extremitäten, welche häufig ohne Juckreiz vorkommen. Zur Diagnose der Dermatophytose sind die Pilzkultur und Dermatophyten-PCR, Trichoskopie, Wood’sche Lampe sowie manchmal eine zytologische Untersuchung sinnvoll. Ein zoonotisches Potenzial, insbesondere für Kinder und immunsupprimierte Menschen, durch infizierte Tiere macht eine Therapie notwendig. Die lokalen und systemischen Antimykotika aus der Gruppe der Imidiazole (Enliconazol, Itraconazol, Ketoconazol, Miconazol, Clotrimazol) sind die wirksamsten Präparate gegen Dermatophyten. Lokale und systemische Therapien sind notwendig, bis eine vollständige Abheilung und zwei negative Pilzkulturergebnisse im Abstand von vier Wochen erzielt sind.
Pyodermie
Die bakterielle Infektion der Haut tritt selten als Primärerkrankungbeim Hund auf, aber sehr häufig sekundär zu Hauterkrankungen wie Allergien, Parasiten und Keratinisierungsstörungen sowie Endokrinopathien. Die Pyodermie wird anhand der Tiefe der betroffenen Schichten in Oberflächenpyodermie (pyotraumatische Dermatitis, Intertrigo), oberflächliche Pyodermie (Impetigo, mukokutane Pyodermie,bakterielle Follikulitis) und tiefe Pyodermie (interdigitale Furunkulose, pyotraumatische Furunkulose, nasale Furunkulose) klassifiziert. Die Pyodermie zeigt klinisch entzündliche nicht-symmetrische Alopezie, epidermale Kollaretten, exfoliative Dermatitis, Papeln, Pusteln, Krusten usw. Die zur Diagnostik eingesetzten Untersuchungsmethoden sind Zytologie, bakterielle Kultur zur Keimisolierung und Antibiogramm zur Auswahl des Antibiotikums und eventuell eine Biopsie. Die lokale Behandlung sollte mit antiseptischen Präparaten wie z.B. Chlorhexidin Shampoo durchgeführt werden. Systemische Behandlung kann bei Erstinfektionen mit empirisch eingesetzten Wirkstoffen wie Cephalexin oder Amoxicillin-Clavulansäure (mindestens 3 Wochen oder eine Woche nach der Abheilung der Symptome) durchgeführt werden. Eine bakterielle Kultur und Antibiogramm sind bei tiefen Pyodermien, erfolglosen Therapien, immunsupprimierten Patienten und Stäbchenbakterien in der Zytologie notwendig.
Nicht-entzündliche Alopezie
Zu den Ursachen für nicht-entzündliche Alopezien gehören hormonelle Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion, Nebennierenüberfunktion (Cushing-Syndrom), Hyperöstrogenismus, Sertolizelltumor oder Dysfunktionen/Dysplasien der Haarfollikel, wie z. B. Alopezie X, follikuläre Dysplasie und Farbmutantenalopezie. Im Falle der nicht-entzündlichen Alopezie ist die darunter liegende Haut intakt und ohne jegliche Veränderung. Dieses Alopeziemuster ist grundsätzlich symmetrisch und ohne Juckreiz, obwohl Juckreiz durch Sekundärinfektionen (bakterielle Infektionen, Malassezien-Dermatitis) hinzukommen kann und dadurch ein entzündliches Muster entsteht. Daher ist es essenziell, ein initiales Bild der Hautveränderung zu eruieren. Außerdem sind die Anamnese und klinische Symptome wichtige Faktoren, um die Verdachtsdiagnosen stellen zu können. Die diagnostischen Tests der Wahl sind das Trichogramm, Zytologie (um sekundäre Infektionen auszuschließen), Laboruntersuchungen (inkl. spezifische diagnostische Tests) und bei Bedarf eine Biopsie (Abb. 2).
Schilddrüsenunterfunktion
Die Schilddrüsenunterfunktion oder Hypothyreose ist die häufigste Erkrankung mit symmetrischer nicht-entzündlicher Alopezie beim Hund. Neben den klassischen Hautveränderungen (nicht-entzündliche, symmetrische Alopezie in 60-80% der Fälle eventuell mit Sekundärinfektionen) sind Gewichtszunahme, Bradykardie, Lethargie, Apathie, Unfruchtbarkeit, Störung der Libido und Hypothermie typische klinische Anzeichen der Hypothyreose. Des Weiteren sind Blutparameter wie Cholesterol, ALP, ALT und Kreatinkinase teilweise erhöht und es kann eine milde, nicht regenerative Anämie bestehen. Erniedrigtes Total-T4 und freies T4 mit gleichzeitig erhöhtem TSH sind die klassischen Laborbefunde einer Hypothyreose. Die Therapie startet mit der Dosierung 10µg/kg Levothyroxin zweimal täglich. Solange noch Hautveränderungen bestehen, sollten Sekundärinfektionen bei jeder Untersuchung mittels Zytologie ausgeschlossen werden.
Hyperadrenokortizismus
Hyperadrenokortizismus (HAC) oder Cushing-Syndrom kann spontan oder iatrogen (durch Verabreichung von Glukokortikoiden) vorkommen und verursacht oft eine symmetrische nicht-entzündliche Alopezie beim Hund. Die klassischen klinischen Symptome sind Polyurie/Polydipsie (PU/PD), Polyphagie, Stammfettsucht, Muskel- und Hautatrophie, symmetrische Alopezie, Calcinosis cutis, Hepatomegalie, Anöstrus usw.
Demodikose sollte bei den Patienten mit HAC insbesondere im Falle des Vorhandenseins von Komedonen ausgeschlossen werden. Hypercholesterinämie, erhöhte ALT- und ALP-Aktivität, erniedrigtes Total-T4 (wegen der inhibitorischen Wirkung durch Kortikosteroide) und niedriges spezifisches Gewicht des Harns (<1,015) sind typische Laborbefunde bei HAC. Die spezifischen diagnostischen Tests sind Low-Dose-Dexamethason-Suppressionstest (LDDST, Goldstandard bei spontanem HAC), ACTH-Stimulationstest (Diagnose des iatrogenen HACs und Kontrolle der Therapie) und gegebenenfalls bildgebende Verfahren und Biopsie. Trilostan ist ein wirksames Präparat gegen HAC. Die Anfangsdosierung von 1-2 mg/kg am Tag ist bei den meisten Patienten wirksam, es kann jedoch in Ausnahmefällen bis zu 10 mg/kg erhöht werden. Bei Patienten mit iatrogenem HAC sollte die Verabreichung der Glukokortikoide allmählich reduziert werden.
Alopezie X
Die Pathogenese der Alopezie X ist bisher nicht vollständig aufgeklärt. Die prädisponierten Rassen sind Zwergspitz, Chow-Chow, Siberian Husky, Alaskan Malamute und Samojede. Die symmetrische nicht-entzündliche Alopezie an Hals, kaudalen Oberschenkeln und Rumpf sind die dermatologischen Symptome, die ohne systemische Störungen vorkommen. Die Hautsymptome können sowohl vor als auch nach der Kastration vorkommen. Die Diagnose wird durch den Ausschluss anderer Erkrankungen, v.a. von Endokrinopathien, sowie eine Biopsie gestellt. Es gibt verschiede Therapiemöglichkeiten für Alopezie X. Die Kastration, Melatonin (2-4 mg/kg), Deslorelin-Chip, Dermaroller und Trilostan werden als therapeutische Optionen bei Alopezie X angegeben.
Follikuläre Dysplasien
Sie können eine symmetrische nicht-entzündliche Alopezie mit Hyperpigmentation beim Hund verursachen. Saisonale Flankenalopezie (SFA), Schablonenkrankheit (pattern baldness), Follikeldysplasie beim Dobermann, Rotweiler usw. gehören dazu. Die saisonale Flankenalopezie (SFA) ist die häufigste Krankheit dieser Kategorie. Der Haarverlust beginnt im Frühling oder im Winter und die Haare wachsen nach 3-6 Monaten wieder nach. Daher könnte ein Melatoninmangel die Ursache des Haarverlustes sein. Die prädisponierten Rassen sind z.B. Boxer, Bulldogge, Airedale Terrier, Schnauzer. Die Diagnose kann durch die Anamnese und den Ausschluss anderer Erkrankungen gestellt werden, eine Biopsie kann die Verdachtsdiagnose absichern. Da Melatonin (3-12 mg pro Hund zweimal am Tag für ca. 2 Monate) das Haarwachstum stimuliert, kann es bei den bekannten Patienten als Prophylaxe am Anfang der Saison verabreicht werden.
Farbmutantenalopezie (Colour Dilution Alopecia/CDA)/ Dysplasie der schwarzen Haare
Die CDA kommt bei Hunden mit verdünnter Fellfarbe vor bzw. die Dysplasie der schwarzen Haare im Bereich des schwarzen Fells. Die Haare sind durch die Melaninmissbildung sehr fragil. Melaninklumpen bzw. Makromelanosome, die in den Haarschäften mittels trichoskopischer Untersuchung gefunden werden können, sind hinweisend darauf. Eine definitive Diagnose kann jedoch nur durch eine pathohistologische Untersuchung gestellt werden. Es kann Melatonin als Therapie versucht werden und vorhandene Sekundärinfektionen müssen behandelt werden.
Telogenes und anagenes Effluvium
Anagenes Effluvium ist eine akute Haarzyklusstörung bzw. die Unterbrechung der Anagenphase, welche bei schweren Erkrankungen oder durch Chemotherapie bei Einsatz von zytotoxischen Medikamenten plötzlich vorkommen kann.
Telogenes Effluvium hat einen langsameren Verlauf. Mangelernährung, Stress, Trächtigkeit oder Geburt können binnen 1-2 Monaten einen Haarausfall verursachen. Diese Erkrankung ist selbstlimitierend und wenn die zugrunde liegende Ursache behoben ist, können die Haare in ca. 3 Monaten wieder nachwachsen.
Eine genaue Anamnese und die klinischen Symptome sind in der Aufarbeitung von entzündlichen oder nicht entzündlichen Alopezien von besonderer Bedeutung. Da die primären Hautsymptome bei nicht-entzündlichen Alopezien durch sekundäre Infektionen überlagert werden können, sollten bei allen alopezischen Patienten Abklatschpräparate (Zytologie oder Tesafilm) zum Ausschluss von sekundären Infektionen genommen werden. Routine-Laboruntersuchungen (Blutchemie, Harnuntersuchung) sollten durchgeführt werden, speziell bei Verdacht auf Endokrinopathien auch spezifische Tests. In einigen Fällen ist eine Biopsie erforderlich, um die definitive Diagnose stellen zu können sowie eine erfolgreiche Behandlung zu erzielen.
Amir Davoodi