Beim Sommerekzem handelt es sich um die häufigste juckende Hauterkrankung beim Pferd. Synonyme dafür sind „insect bite hypersensitivity (IBH)“, Insektenhypersensitivität, „sweet itch“ und der klassische Begriff „Sommerekzem“ oder auch „Sommerräude“ wird immer noch verwendet. Der Juckreiz wird einerseits durch den Stich des Insekts an sich und andererseits durch eine Typ-1-Hypersensitivität auf das Speichelallergen der Insekten ausgelöst.
Verursachende Insekten sind neben den Gnitzen (Culicoides) auch Kriebelmücken (Simulium), Fliegen (Stomoxys, Musca), Stechmücken (Culex) und Bremsen (Tabanus). In einer Studie reagierten 75% der Pferde auf Culicoides und auf Simulium, was eine Kreuzreaktivität vermuten lässt. Dies wird auch durch eine Studie unterstützt, die demonstrierte, dass bei Simulium vittatum und Culicoides nubeculosus ein homologes Antigen in den Speicheldrüsen beider Insekten nachweisbar ist.
Die Tendenz, eine Insektenhypersensitivität zu entwickeln, ist von verschiedenen Faktoren (z.B. Gene, geographische Lage) abhängig. Bei bestimmten Rassen tritt eine Inseketenhypersensitivität mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auf, jedoch kann die Erkrankung bei allen Rassen und in allen Altersstufen vorkommen.
Der Hauptgrund, warum in Island lebende Pferde diese Erkrankung nicht aufweisen, ist, dass die Culicoides-Mücke dort nicht heimisch ist, womit einer der Hauptverantwortlichen für diese Erkrankung fehlt. In Island geborene Tiere, welche nach Europa importiert werden, haben eine Inzidenz von mehr als 50% (!), an dieser Allergie zu erkranken, während hingegen deren Nachzucht eine Inzidenz von weniger als 10% aufweist. In einer anderen Studie zeigten 34,5% von 330 Pferden, die von Island nach Dänemark importiert wurden, das Auftreten von IBH. Zwei Jahre später war diese Zahl auf 49,5% und in Gebieten mit starkem Mückenbefall sogar auf 54% angestiegen. Isländer, die von Island in die USA importiert wurden, zeigten im ersten Sommer noch keine Symptome, im zweiten Sommer waren jedoch 56% der Tiere symptomatisch.
Im Gegensatz dazu litten nur 4,6% von 1192 Isländern, geboren in deutschen Gebieten, in denen die Culicoides-Mücke endemisch ist, an einem Sommerekzem. Wenn beide Elterntiere an IBH erkrankt waren, stieg die Prävalenz auf 12,2% und sank im Gegensatz dazu, wenn nur ein Elternteil erkrankt war, auf 6,5%. War jedoch keines der beiden Elterntiere von der Erkrankung betroffen, lag die Prävalenz bei 2,9%.
Auch bei Shetland-Ponys konnte eine Heritabilität mit einer Inzidenz von 8,8% nachgewiesen werden. Ein Autor stellte auch fest, dass Pferde, die auf dem Festland nachweislich an Sommerekzem litten, auch nach 15 symptomfreien Jahren in Island immer noch eine deutliche Sensibilisierung ihrer basophilen Granulozyten auf Culicoides zeigten. Diese Tiere hatten ihre prinzipielle Bereitschaft, bei entsprechender Allergenexposition erneut ein Sommerekzem auszubilden, selbst nach so langer Zeit nicht verloren. In einer anderen Studie wurden Isländer von Island nach Schweden importiert.
Pferde, die im Winter ankamen, entwickelten doppelt so häufig eine IBH wie jene, die im Sommer einreisten. In Island weisen die Tiere durch Verwurmung einen hohen IgE-Titer auf. Durch Endoparasitenmanagement nach dem Import sinkt dieser, bleibt beim gesunden Tier niedrig und steigt aber beim Ekzemer wieder. Beim Sommerimport wetteifern die IgE gegen Culicoides mit den Antikörpern der Endoparasiten, wohingegen nach einem Winterimport das IgE im Sommer bereits gesunken ist und sich somit die Culicioides-IgE etablieren können.
Es wurde auch festgestellt, dass die IgE-Antikörper von der Mutter via Kolostrum auf die Fohlen übertragen werden können. Sowohl Serum- als auch zellgebundenes IgE war bei ungeborenen Fohlen nicht nachweisbar, jedoch kam es 2 – 5 Tage nach Aufnahme des Kolostrums zu einem deutlichen Peak. Diese „maternalen“ Antikörper lassen sich während der ersten 4 Lebensmonate beim Jungtier nachweisen. Die endogene IgE-Produktion beginnt laut dieser Studie frühestens ab einem Alter von 9 – 11 Monaten.
Den Beginn der Symptomatik sieht man meist im jungen Alter (2 – 4 Jahre). Im Allgemeinen ist die Klinik streng saisonal, hochgradig juckend und kann eventuell mit Papeln oder Quaddeln einhergehen. Alle anderen Effloreszenzen erscheinen sekundär: Alopezie, Schuppen, Krusten, Exkoriationen, Hyperpigmentation und Lichenifikation. Man sieht häufig ein dorsales und/ oder ein ventrales Verteilungsmuster.
Sind Mähne oder Schweif in Mitleidenschaft gezogen, bleiben oft nur noch ein krustiger haarloser Mähnenkamm und ein sogenannter „Rattenschweif“ übrig. Sekundäre bakterielle Infektionen der vorgeschädigten und traumatisierten Haut sind häufig und verschlimmern den Juckreiz zusätzlich.
Die wichtigsten Differentialdiagnosen für eine Insektenhypersensitivität sind atopische Dermatitis (Allergie auf Umgebungsallergene wie Pollen, Hausstaub- und Vorratsmilben sowie Schimmelpilze), Futtermittelallergie, sekundäre bakterielle Infektionen und Ektoparasiten (Haarlinge/Läuse, Chorioptes- und Psoroptesmilben). Viele Tiere leiden natürlich nicht nur an einer allergischen Reaktion auf Insekten, sondern auch auf andere Allergene. Ein wichtiger Hinweis ist, dass in diesen Fällen die Symptome im Winter nicht komplett verschwinden.
Die Diagnose der Insektenhypersensitivität wird aufgrund der Anamnese (einzelnes Pferd betroffen, Saisonalität) und der Klinik (Verteilungsmuster des Juckreizes und der Effloreszenzen) gestellt. Hautgeschabsel sollten immer routinemäßig mit untersucht werden, um das Vorliegen von Ektoparasiten auszuschließen. Empfehlenswert ist auch eine Zytologie bezüglich der Diagnose von Sekundärinfektionen. Die Pathohistologie bestätigt in vielen Fällen zwar die Verdachtsdiagnose einer Allergie, gibt jedoch über die Art des auslösenden Allergens keinerlei Auskunft. Welche der Insektenarten oder andere saisonale Allergene (z.B. Pollen) beim vorliegen den Krankheitsgeschehen involviert sind, kann mittels Allergietest festgestellt werden.
Blutallergietests bieten eine gute Möglichkeit, das verursachende Allergen festzustellen, dienen jedoch, wie bei anderen Allergien auch, nicht der Diagnosestellung. Das positive Ergebnis wird mit Anamnese und Klinik korreliert und für die Allergenvermeidung oder die Zusammensetzung der ASIT (Allergenspezifische-Immuntherapie) verwendet. Prinzipiell muss zwischen einem Hautallergietest (Intrakutantest), serologischen Tests, bei denen allergenspezifische IgE nachgewiesen werden (ELISA), und Zellstimulationstests unterschieden werden. Sehr intensive Forschung wird in die Etablierung von Allergietests mit rekombinanten Allergenen gesteckt. So wurde im April 2021 eine Studie publiziert, bei der ein Microarray mit rekombinanten Culicoides-Allergenen entwickelt wurde. Von den 27 der rekombinanten Allergene waren 9 Major-Allergene für IBH und 7 davon waren bei mehr als 70% der Pferde mit IBH positiv.
Therapeutisch kommt dem Management große Bedeutung zu. Pferde müssen bestmöglich von Insekten ferngehalten werden. Verschiedene Maßnahmen kommen hierfür in Betracht: Aufstallen untertags, Koppelgang während der Nacht, feinmaschige Insektenschutzgitter, Ventilator im Stall, stehendes Wasser in Stallnähe entfernen (alte Autoreifen, Dosen …), Ekzemerdecken, Insektenkontrolle mit gut wirksamen Fliegensprays (Permethrin – Achtung Stallkatzen!, Pyriproxyfen oder Icaridin).
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Auch eine Shampootherapie oder einfach nur Abspritzen mit kaltem Wasser sollten nicht unterschätzt werden, um die perkutane Allergenladung zu reduzieren. Außerdem werden mit Hilfe eines antibakteriellen Wirkstoffes eventuell vorliegende bakterielle Sekundärinfektionen mitbehandelt (z.B. Chlorhexidin 2 – 4%ig). Die Anwendung von topischen Glucocorticoiden hat bei lokalisierten juckenden Arealen durchaus ihre Daseinsberechtigung. Man sollte jedoch dabei immer daran denken, die Absetzfrist (topische Präparate vier Wochen) für einen u.U. durchzuführenden Allergietest zu beachten!
Die Allergen-spezifische Immuntherapie (ASIT, Hyposensibilisierung) ist die einzige Therapie, die kausal ins Krankheitsgeschehen eingreift. Sie findet ihre Anwendung bei der Insektenhypersensitivität, von Umgebungsallergenen verursachter Urticaria, atopischer Dermatitis, equinem Asthma oder beim Headshaking. Beginn der Therapie ist bei saisonalem Krankheitsgeschehen am Ende der Saison, d.h. beim Sommerekzemer im Herbst. Die Therapie muss mindestens 12 Monate durchgeführt werden, um eine genaue Aussage hinsichtlich der Effizienz treffen zu können. Bei gutem Erfolg sollte sie dann ein Leben lang durchgeführt werden. Die enthaltenen Allergene müssen mit Anamnese und Klinik korrelieren und sollten patientenspezifisch ausgewählt werden. Der Erfolg der ASIT liegt zwischen 60% und 70%. Basierend auf einem positiven Testergebnis (Intrakutan- oder Blutallergietest) und bei übereinstimmender Korrelation mit Anamnese und Klinik stellt diese Therapieform eine Behandlungsmöglichkeit dar, welche nur selten von Nebenwirkungen begleitet und kosteneffizient ist (gewichtsunabhängige Kosten (!)). Nach der Erstbehandlungsphase sind im weiteren Verlauf nur seltene Applikationen erforderlich und dies beinhaltet neben der Kosteneffizienz auch einen geringeren Aufwand für den Besitzer (bei der Erhaltungsdosis meist alle 4 Wochen eine subkutane Injektion). Bei Sportpferden kann diese Therapie ebenfalls durchgeführt werden, da diese Tiere häufig wieder in einen guten Leistungszustand zurückkehren und dennoch nicht dopingrelevant therapiert werden.
Neue vielversprechende Therapien wie z.B. eine aktive Vakzine gegen Il-5 oder Il-31 sind publiziert, jedoch noch nicht marktreif.
Zusammenfassend wird nochmals angemerkt, dass Allergien bei Pferden sehr häufig auftreten, die Erkrankung nicht heilbar ist, verschiedene Diagnose- und Therapiemöglichkeiten jedoch bei entsprechender Aufklärung und Kooperation des Besitzers ein gutes Management der Erkrankung ermöglichen.
Dr. Regina Wagner
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